VwGH vom 08.03.1994, 93/14/0179
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde der B-AG i.L., vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom , Zl. 364/4-3/88, betreffend Nachzahlung von Investitionsprämie für das vierte Kalendervierteljahr 1986 und das erste Kalendervierteljahr 1987, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Aufwandersatzmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin bestellte bei einem Unternehmer (Verkäufer) in Deutschland 1984 die Lieferung und Montage einer Rauchgasentschwefelungsanlage (REA). Dabei handelte es sich, weil das Vorhaben über den Stand der Technik hinausging, um eine "Demonstrationsanlage", die ein "erhebliches Restrisiko" in sich barg (vgl. Umwelttechnisches Gutachten vom , OZ 3/1 der Verwaltungsakten). Die gewerbebehördliche Genehmigung einer entsprechenden Änderung der Betriebsanlage erfolgte 1984 mit der Auflage, die Aufnahme des Probebetriebes sei der Gewerbebehörde unverzüglich schriftlich zu melden, und vor Ablauf des Probebetriebes sei um die Betriebsbewilligung anzusuchen. Laut dem von der Beschwerdeführerin mit dem Verkäufer geschlossenen Vertrag hatte die mechanische Fertigstellung der Anlage bis Ende September 1986 zu erfolgen. Bis dahin mußte die Beschwerdeführerin 90 % des vereinbarten Preises bezahlt haben. Der Verkäufer garantierte eine näher beschriebene Anlagenleistung, die während eines Garantielaufes, der nach der mechanischen Fertigstellung der Anlage und einem kontinuierlichen 48-Stundenbetrieb zu beginnen hatte, zu erreichen war. Sollte diese Anlagenleistung nicht erzielt werden, wurde unter Ausschluß weitergehender Ansprüche die Gesamthaftung des Verkäufers mit 10 % des Preises begrenzt. Bis zur mechanischen Fertigstellung verpflichtete sich der Verkäufer zum Abschluß einer ausreichenden Montageversicherung. Die Lieferung und Montage (mechanische Fertigstellung) der REA erfolgte in der zweiten Hälfte des Monats Oktober 1986. Die Beschwerdeführerin kam der vereinbarten Zahlungspflicht nach. Mit zeigte sie der Gewerbebehörde die Aufnahme des Probebetriebes an. Im Laufe desselben ergab sich vorerst, daß die garantierte Anlageleistung nicht restlos erreicht werden konnte. Die Ermittlung der Ursachen hiefür und deren Beseitigung dauerte bis 1988, worauf in einem Protokoll vom über die betriebliche Übernahme (OZ 15/5 der Verwaltungsakten) festgehalten wurde, daß der Auftraggeber (Beschwerdeführerin) hiemit die Anlage in seine betriebliche Verantwortung übernehme, die Gefahr damit auf ihn übergehe und die Gewährleistungsfrist beginne, welche dann am ende.
Die belangte Behörde wies die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die Nachzahlungsvorschreibung der ihr antragsgemäß gutgeschriebenen Investitionsprämie für die REA mit der Begründung ab, die Anlage sei nicht von der Beschwerdeführerin hergestellt, sondern entgeltlich angeschafft worden, dies allerdings nicht vor dem (§ 15 Abs. 1 InvestPrämG idF des 2. AbgÄG 1987). Maßgeblich für den Zeitpunkt der Anschaffung sei der Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums, das im Zeitpunkt des Überganges von Nutzen, Lasten und Gefahr (Preisgefahr) erworben werde. Der Zeitpunkt müsse nämlich mit der Gewinnrealisierung auf Verkäuferseite korrespondieren. Die Preisgefahr sei aber nicht mit der mechanischen Fertigstellung der Anlage übergegangen, sondern erst mit der Übernahme laut dem Protokoll vom . Bis dahin hätte der Verkäufer die Gefahr des Unterganges der Anlage getragen. Die vertragliche "Gesamthaftung" mit maximal 10 % des Preises schließe die Preisgefahr nicht aus, wäre doch sonst die Erklärung vom unverständlich. Die Montageversicherung des Verkäufers bis zur mechanischen Fertigstellung der Anlage ändere daran nichts, lasse sie doch die Preisgefahr unberührt und sei das Risiko des zufälligen Unterganges der Sache nur zu einem geringen Teil durch diese Versicherung abgedeckt gewesen, nicht zum Beispiel in näher bezeichneten Fällen höherer Gewalt.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf Investitionsprämie verletzt. Sie behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb Bescheidaufhebung.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hat den Vorgang zutreffend als Anschaffung und nicht als Herstellung beurteilt. Die Beschwerdeführerin bestellte entgeltlich die Lieferung und Montage der REA. Sie hat damit ein bereits hergestelltes Wirtschaftsgut erworben und nicht auf ihr Risiko die REA herstellen lassen. Für die mechanische Fertigstellung und Montage lag das Kostenrisiko nämlich beim Beauftragten (Verkäufer). Daran ändert der Umstand nichts, daß dieser für die vereinbarte Anlagenleistung nur eingeschränkt, nämlich mit 10 % des Preises, einzustehen hatte, läßt sich daraus doch nicht entnehmen, daß die Bedeutung der Erzielung der vereinbarten Anlagenleistung die mechanische Fertigstellung und Montage der Anlage etwa in den Hintergrund gedrängt habe. Gegenstand der Vereinbarung war eine "Demonstrationsanlage"; auch die Beschwerdeführerin konnte daher nicht mit Sicherheit die Erzielung der vereinbarten Anlageleistung erwarten, ging das Vorhaben doch über den Stand der Technik hinaus.
Die belangte Behörde vertritt mit Quantschnigg-Schuch (Einkommensteuer Handbuch, Tz 51 zu § 6) die Meinung, der Zeitpunkt der Anschaffung sei mit dem Zeitpunkt des Überganges der Preisgefahr gleichzusetzen (vgl. auch Quantschnigg, Der Investitionsfreibetrag nach der zweiten Etappe der Steuerreform, ÖStZ 1994, 114, wo der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums dem Übergang der Preisgefahr gleichgesetzt wird).
Im Sinn ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Anschaffungszeitpunkt der Zeitpunkt der Lieferung (Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums), also die Erlangung der betrieblichen Nutzungsmöglichkeit, und zwar nicht im Sinn der bloß rechtlichen, sondern im Sinn der faktischen Verfügungsmöglichkeit über das Wirtschaftsgut (vgl. Doralt, Einkommensteuer Kommentar, Teil I und II2, Rz 68 zu § 6). Zutreffend verweist Doralt darauf, daß der Übergang der Preisgefahr für den Zeitpunkt des Erwerbes wirtschaftlichen Eigentums unergiebig sei, weil das Zivilrecht mit der Preisgefahr an die Übergabe anknüpfe, die Anschaffung aber kein zivilrechtlicher Begriff sei. Dagegen bestehen auch unter Berücksichtigung der Aussage des Verwaltungsgerichtshofes keine Bedenken, daß die zivilrechtlichen Folgen einer Handlung bei Beurteilung des steuerlichen Anschaffungsbegriffes nicht völlig außer acht zu bleiben haben (Erkenntnis , 90/13/0230, ÖStZB 1992, 748). Unter wirtschaftlichem Eigentum (§ 24 Abs. 1 lit. d BAO) ist nämlich die (tatsächliche) Herrschaft über ein Wirtschaftsgut gleich einem (zivilrechtlichen) Eigentümer zu verstehen (Stoll, BAO Handbuch, 64; Verwaltungsgerichtshof , 84/14/0199, ÖStZB 1987, 95). Eigentum und Gefahrenübergang sind aber keineswegs notwendig miteinander verknüpft (vgl. Aicher in Rummel, Kommentar zum ABGB, 1. Band2, Rz 9 zu § 1048 bis 1051). Entgegen Quantschnigg-Schuch ergibt sich auch aus deren Zitat (Schmidt, dEStG10, Anm. 24 zu § 6) nicht, daß der Zeitpunkt der Anschaffung mit dem des Überganges der Preisgefahr gleichzusetzen sei, heißt es an der betreffenden Stelle doch:
"Wirtschaftliche Verfügungsmacht - wirtschaftliches Eigentum. Erwerben bedeutet Erlangen der wirtschaftlichen Verfügungsmacht, also des wirtschaftlichen Eigentums ... Vor allem aber wird die wirtschaftliche Verfügungsmacht regelmäßig mit der Lieferung (§ 446 BGB) durch den Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzung und Lasten erlangt." Der Autor sagt daher nicht, daß Erwerb wirtschaftlichen Eigentums jedenfalls den Übergang der Preisgefahr zur Voraussetzung habe.
Im vorliegenden Fall haben die Vertragsteile zwischen mechanischer Fertigstellung der REA einerseits und der Verschaffung einer bestimmten Anlagenleistung andererseits, die erst nach mechanischer Fertigstellung der Anlage während des Garantielaufes erprobt werden soll, unterschieden. Hinsichtlich letzterer traf den Verkäufer eine auf Preisminderung von 10 % beschränkte Haftung. Die mechanische Fertigstellung der Anlage durch den Einbau im Betrieb der Beschwerdeführerin war bereits im Oktober 1986 erfolgt. Diese mechanische fertiggestellte Anlage war damit auch übergeben und übernommen worden, weshalb in diesem Umfang die Preisgefahr vom Käufer auf die Beschwerdeführerin bereits im Oktober 1986 übergegangen war. Lediglich die Verschaffung der vereinbarten Anlageleistung, die der Verkäufer laut dem Vertrag zu gewährleisten hatte, erfolgte erst nach Abschluß des Garantielaufes und damit am . Die damals abgegebenen Erklärungen können daher nur in bezug auf diese noch ausstehende vertragliche Pflicht, die vereinbarte Anlagenleistung herbeizuführen, verstanden werden. Diese selbständige und absonderbare vertragliche Pflicht repräsentiert einen Preisanteil von 10 %; mit ihrer Erfüllung konnte die Beschwerdeführerin von vornherein nicht mit Sicherheit rechnen, ging das Vorhaben doch über den Stand der Technik hinaus. Nur in diesem Umfang hätte daher auch zufällige Unmöglichkeit der Leistung bis zur Übergabe noch den Verkäufer getroffen, während ab Übernahme nur die Preisminderung höchstens im selben Ausmaß unter den Voraussetzungen des Schadenersatzes oder der Gewährleistung eintreten konnte. Die Erklärung vom ist daher durchaus sinnvoll, wenn man sie nicht auf die bereits im Oktober 1986 mechanisch fertiggestellte und durch Einbau in die Betriebsanlage des Beschwerdeführers übergebene und übernommene Anlage bezieht.
Da sich die von den Vertragsparteien getroffene Rechtswahl (Schweizer Recht) bloß auf die schuldrechtlichen Beziehungen aus dem Vertrag bezog, nicht aber auf das Sachenrecht, richtet sich der Eigentumsübergang an der mechanisch fertiggestellten Anlage gemäß § 31 IPrG nach dem Recht des Staates, in dem sich die Sachen bei Vollendung des dem Erwerb oder Verlust zugrundeliegenden Sachverhaltes befand, also nach österreichischem Recht. Der Eigentumserwerb an der körperlichen Sache geschah daher durch Übergabe (§ 426 ABGB), also durch den Einbau der REA in die Betriebsanlage der Beschwerdeführerin anläßlich der mechanischen Fertigstellung. Mit diesem Zeitpunkt erhielt die Beschwerdeführerin aber auch die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Anlage und damit das wirtschaftliche Eigentum. Die belangte Behörde hat keine Feststellungen getroffen, die zur Annahme berechtigten, daß der Verkäufer nach diesem Zeitpunkt überhaupt noch irgendwelche Ansprüche auf die von ihm montierte Anlage erhoben hätte.
Die Anlage war mit ihrer Montage auch im Sinne ihrer Zweckbestimmung für den Betrieb der Beschwerdeführerin geeignet, handelte es sich doch um eine "Demonstrationsanlage", von der lediglich erhofft wurde, sie werde schließlich die in sie gesetzten weiteren Erwartungen (Anlagenleistung) erfüllen. Für die Betriebsbereitschaft der Anlage im Sinne der Zweckbestimmung genügte daher ihre Eignung zum Probebetrieb, der auch tatsächlich mit der mechanischen Fertigstellung aufgenommen wurde.
Die belangte Behörde ist daher zu Unrecht davon ausgegangen, die REA in ihrer zum Probebetrieb geeigneten mechanischen Gestalt sei nicht vor dem von der Beschwerdeführerin für ihren Betrieb angeschafft worden. Dadurch hat sie die Beschwerdeführerin im Rahmen des Beschwerdepunktes in ihren Rechten verletzt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden mußte.
Von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.
Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Das Aufwandersatzmehrbegehren für Bundesstempel, die bei Behebung des der Beschwerde ursprünglich anhaftenden Mangels entrichtet werden mußten, war abzuweisen, weil dieser Aufwand durch die Beschwerdeführerin bei gesetzmäßiger Ausstattung der Beschwerde vermeidbar war.