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VwGH vom 18.01.1994, 93/14/0169

VwGH vom 18.01.1994, 93/14/0169

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde der H-GmbH. in Wien, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , Zl. 6/1/2-BK/Ko-1991, betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer für 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Ein Ehepaar errichtete am die beschwerdeführende GmbH (Beschwerdeführerin). Die Eheleute übernahmen jeweils die Hälfte des Stammkapitals. Das Geschäftsjahr ist gleich dem Kalenderjahr. Im Gesellschaftsvertrag wurden die beiden Gesellschafter auf die Dauer ihrer Gesellschaftereigenschaft zu alleinvertretungsbefugten Geschäftsführern bestellt. Die Beschlüsse werden, soweit nicht Gesetz oder Gesellschaftsvertrag anderes bestimmen, mit einfacher Mehrheit gefaßt. Die Beschwerdeführerin erwarb noch vor dem Jahresende 1986 alle Geschäftsanteile an einer anderen GmbH (im angefochtenen Bescheid als "Beteiligungsgesellschaft" bezeichnet, in der Folge: B-GmbH), deren Jahresabschluß 1985 noch nicht festgestellt war. Auch bei dieser GmbH deckt sich das Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahr. Laut dem Gesellschaftsvertrag (Punkt "Achtens") der B-GmbH sind vor der Verteilung des Reingewinns 5 % hievon einer Rücklage zuzuweisen, und zwar solange, bis die Rücklage die Höhe des Stammkapitals erreicht. Die Beschwerdeführerin erklärte zum einen Verlust, bei dessen Ermittlung Gewinnausschüttungen der B-GmbH an die Beschwerdeführerin für die Kalenderjahre 1985 und 1986, deren Ausschüttung von der Generalversammlung dieser GmbH in Umlaufbeschlüssen vom (betreffend Kalenderjahr 1985) und vom (betreffend Kalenderjahr 1986) beschlossen worden sind, nicht berücksichtigt waren.

Auf Grund der Ergebnisse einer abgabenbehördlichen Prüfung, die von Juni 1988 bis Jänner 1989 stattfand, nahm das Finanzamt die Verfahren zur Festsetzung der Körperschaftsteuer für 1986 wieder auf und setzte die Körperschaftsteuer sowie gemäß § 296 BAO die Gewerbesteuer neu fest, weil auf Grund der vorliegenden Machtverhältnisse (100 % Beteiligung) und des Umstandes, daß die Bilanzen der B-GmbH vor der Bilanz der Beschwerdeführerin "erstellt" gewesen seien, die Gewinnausschüttungen für 1985 und 1986 von der Beschwerdeführerin schon in ihrer Bilanz zum - also für das Rumpfjahr 1986 - als Forderungen aus Beteiligungserträgen hätten ausgewiesen werden müssen.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie wegen des Niederstwertprinzips, des Maßgeblichkeitsgrundsatzes und der Zuflußmethode die Meinung vertrat, eine Aktivierung der Gewinnausschüttungen der B-GmbH vor deren erst 1987 durch die Generalversammlung erfolgten Feststellung der Jahresabschlüsse und beschlossenen Gewinnausschüttungen für 1985 und 1986 hätte in ihrer Bilanz zum Jahresende 1986 nicht zu erfolgen gehabt.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab. Die Zuflußmethode finde keine Anwendung, sondern die der für Personengesellschaften geltenden Spiegelbildmethode entsprechende Equity-Methode, weil der Beschwerdeführerin (Obergesellschaft) eine entsprechende Machtposition zukomme, die sie befähige, den Ausschüttungsbeschluß zu gestalten. Nur so könnten unter Anwendung wirtschaftlicher Betrachtungsweise willkürliche Gestaltungen ausgeschlossen und eine periodengerechte Gewinnabgrenzung erreicht werden. Auf Grund der Daten der Honorarnoten des Steuerberaters, der die Jahresabschlüsse der B-GmbH und den Jahresabschluß der Beschwerdeführerin verfaßt habe, nehme die belangte Behörde als erwiesen an, daß die Jahresabschlüsse der B-GmbH für 1985 und 1986 vor dem Jahresabschluß der Beschwerdeführerin für 1986 "erstellt" worden seien. Weiters ging die belangte Behörde davon aus, daß "zur Vermeidung der Steuerpflicht" absichtlich die Umlaufschlüsse der B-GmbH über die Gewinnausschüttung hinausgeschoben worden seien, erklärte aber ausdrücklich, keinen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts angenommen zu haben.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht darauf verletzt, daß die erst 1987 beschlossenen Gewinnausschüttungen ihrer Tochtergesellschaft (B-GmbH) bei ihr nicht bereits im Jahre 1986 der Besteuerung unterzogen werden. Sie behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb Bescheidaufhebung.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 35 Abs 1 GmbHG unterliegen der Beschlußfassung der Gesellschafter unter anderem die Prüfung und Feststellung des Jahresabschlusses sowie die Verteilung des Bilanzgewinnes, falls letztere im Gesellschaftsvertrag einer besonderen Beschlußfassung vorbehalten ist. Dies ist gemäß Punkt "Achtens" des Gesellschaftsvertrages der B-GmbH hier der Fall. Gemäß § 82 Abs 1 GmbHG haben die Gesellschafter, solange die Gesellschaft besteht, nur Anspruch auf den nach dem Jahresabschluß als Überschuß der Aktiven über die Passiven sich ergebenden Bilanzgewinn, soweit dieser nicht aus dem Gesellschaftsvertrag oder durch einen Beschluß der Gesellschafter von der Verteilung ausgeschlossen ist. Forderungen der Gesellschafter gegenüber der GmbH aus Gewinnanteilen entstehen daher hier grundsätzlich erst, wenn von der GmbH die Gewinnausschüttung beschlossen ist und nur in dem Ausmaß dieses Beschlusses (vgl. Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, 196; Doralt, Einkommensteuer, Kommentar2, Rz 225 zu § 6). Eine Forderung ist in der Bilanz erst auszuweisen, wenn sie entstanden ist (Doralt a.a.O., Rz 218 zu § 6).

Da Beteiligungen an Personengesellschaften mit Beteiligungen an Kapitalgesellschaften insofern nicht vergleichbar sind, als bei ersteren die Gewinne den Mitunternehmern unmittelbar selbst zuzurechnen sind, bei Kapitalgesellschaften jedoch diesen und der Gewinnanteil den von der Kapitalgesellschaft verschiedenen Personen (Mitglieder) zusteht, kann der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht der belangten Behörde nicht folgen, es gelte die der Spiegelbildmethode für Personengesellschaften entsprechende Equity-Methode für Kapitalgesellschaften grundsätzlich in Fällen, in denen der Obergesellschaft eine entsprechende Machtposition zukommt, die sie befähigt, den Ausschüttungsbeschluß zu gestalten. Auch in diesen Fällen kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, daß stets der gesamte Gewinn der Kapitalgesellschaft zu Ausschüttungen an die Gesellschafter kommen muß. Mag auch grundsätzlich der gesamte Reingewinn der GmbH (inklusive Gewinnvortrag) an die Gesellschafter zu verteilen sein (zur Bildung offener Rücklagen, stiller Reserven, zur Gewinnverteilung und Gewinnverwendung, vgl. Reich-Rohrwig a.a.O. 191 bis 197) und ist auch die Gewinnverteilung der Gesellschaftermehrheit überlassen, so bedeutet dies keineswegs die Zulässigkeit willkürlicher Gewinnverteilung oder -zurückstellung in der GmbH. Der Beschluß muß nicht nur den Gleichbehandlungsgrundsatz beachten, er darf auch das Entscheidungsermessen nicht überschreiten. Die Rücklagenbildung muß im Interesse der GmbH geboten sein. Die ungebührliche, bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nicht notwendige Bildung von Rücklagen wäre unzulässig und anfechtbar (vgl. Reich-Rohrwig a. a.0., 196 f). Es obliegt somit dem vom kaufmännischen Verantwortungsbewußtsein getragenen Ermessen der Generalversammlung der GmbH, ob sie den gesamten Gewinn ausschüttet, nur einen Teil hievon oder den gesamten Gewinn auf neue Rechnung vorträgt. Es wäre gleichheitswidrig, lediglich wegen besonderer Mehrheitsverhältnisse der Generalversammlung diese Entscheidung mit Wirkung für das Steuerrecht zu entziehen und jeweils den gesamten Gewinn als ausgeschüttet zu betrachten, ohne daß ein entsprechender Beschluß der Generalversammlung vorliegt.

Auch die von der Judikatur des BFH im Anschluß an das Urteil des BGH vom (BGHZ 65, 230) entwickelte Lösung für den Fall von Mehrheitsbeteiligungen hätte aber zur Voraussetzung, daß die Entstehung der Forderung auf Gewinnanteil (im Zeitpunkt, in dem die beherrschende Gesellschaft ihren Jahresabschluß feststellt) tatsächlich gesichert erscheint. Ein solcher Fall wurde etwa angenommen, wenn seit Jahren Einigkeit über die jeweils auszuschüttende Dividende bestand (BStBl II 1980, 702), oder bei einem paritätischen Beteiligungsverhältnis (50 : 50), wenn für die Ausübung gemeinsamer Herrschaft ausreichende Grundlagen in Gestalt vertraglicher oder organisatorischer Bindung oder auf Grund rechtlicher und tatsächlicher Umstände sonstiger Art bestehen; es müßte die Ausschüttung bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung feststehen (BStBl II 1981, 184).

Allein auf die Mehrheitsverhältnisse ließe sich daher die Durchbrechung der Zuflußmethode (vgl. Seicht, Beteiligungserfolge und ihre Bedeutung für die Beteiligungsbilanzierung, GesRZ 1991, 68 f) auch nach der von der belangten Behörde zitierten Judikatur des BFH nicht stützen. Es müßte noch hinzutreten, daß - im Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses (§ 35 Abs 1 GmbHG) der Obergesellschaft - bereits bekannt ist (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer Handbuch, Tz 57 zu § 4), daß zum Bilanzstichtag die Ausschüttung eines bestimmten Gewinnanteiles durch die Untergesellschaft an die Obergesellschaft bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung bereits feststand.

Einen derartigen Sachverhalt hat die belangte Behörde aber nicht festgestellt. Er läßt sich auch der Aktenlage nicht entnehmen. Unmaßgeblich sind die vom Steuerberater verfaßten Jahresabschlüsse. Diese bilden lediglich die Grundlage für die "Aufstellung" des Jahresabschlusses durch die Geschäftsführer, die ihrerseits die Grundlage für die "Feststellung" des Jahresabschlusses durch die Generalversammlung bildet.

Die Beschwerdeführerin hat zwei Gesellschafter, die zu gleichen Teilen an ihr beteiligt sind. Auch Gewinnverteilungsbeschlüsse bei der B-GmbH bedürfen im Rahmen der Geschäftsführung der Beschwerdeführerin der Übereinstimmung ihrer Gesellschafter. Können diese zu keiner Einigung in der Frage gelangen, ob der Gewinn ausgeschüttet oder auf neue Rechnung vorgetragen werden soll, allenfalls in welchem Ausmaß das eine oder das andere, könnte eine Forderung der Beschwerdeführerin auf den Gewinnanteil nicht entstehen. Stets gleichgerichtete Interessen dürfen nicht ohne weiteres allein aus dem Angehörigenverhältnis zwischen den Gesellschaftern vorweg angenommen werden. Eine Erfahrungstatsache, Ehegatten als Hälftegesellschafter hätten in der Regel in Fragen der Gewinnfeststellung und Gewinnverteilung gleichgerichtete Interessen, besteht in dieser Allgemeinheit nicht. Dem angefochtenen Bescheid läßt sich also nicht entnehmen, daß bereits am bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung die Ausschüttungen der B-GmbH an die Beschwerdeführerin für 1985 und 1986 so gesichert gewesen wären, wie sie schließlich von der B-GmbH im Laufe des Jahres 1987 beschlossen wurden, geschweige denn, auf Grund welcher Überlegungen die belangte Behörde zu einer derartigen Feststellung hätte gelangen können.

Da die Gewinnanteile der Beschwerdeführerin zum auch - unabhängig von der Frage der Entstehung der zivilrechtlichen Forderung - im wirtschaftlichen Sinn nicht gesichert waren, bestand jedenfalls auch steuerlich keine Aktivierungspflicht.

Damit erübrigt sich im Beschwerdefall eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Verwaltungsgerichtshof der erwähnten Rechtsprechung des BGH und des BFH folgen könnte.

In der Gegenschrift versucht die belangte Behörde den in der Beschwerde erhobenen Vorwurf der Inkonsequenz, bei Zugrundlegung der im angefochtenen Bescheid angewandten Equity-Methode nicht die festgestellten Gewinne, sondern nur die niedrigeren, schließlich beschlossenen Gewinnausschüttungen schon zum als Gewinnanteile der Beschwerdeführerin behandelt zu haben, damit zu erklären, dies entspräche der allgemeinen Vorgangsweise, abgerundete Beträge an die Obergesellschaft abzuführen. Damit wird der berechtigte Vorwurf der Inkonsequenz nicht widerlegt. Abgesehen davon kann wohl auch bei einem Gewinn der B-GmbH für 1985 von

S 1,305.858,-- und einer schließlich beschlossenen Ausschüttung von 1,2 Mio S nicht von einer bloßen üblichen Abrundung gesprochen werden.

Ein bewußtes Hinausschieben des Umlaufbeschlusses zur Vermeidung der Steuerpflicht machte die belangte Behörde der B-GmbH hinsichtlich der Gewinnausschüttung aus 1986 schon deshalb zu Unrecht zum Vorwurf, weil bei gleichem Geschäftsjahr (Bilanzstichtag) von Mutter- und Tochtergesellschaft die Gewinnrealisation nach der Zuflußmethode bei der Muttergesellschaft stets phasenverschoben erfolgen muß. Was das Jahr 1985 anlangt, entbehrt die Feststellung einer nachvollziehbaren Begründung. Eine solche wäre der belangten Behörde auch nicht möglich gewesen, weil sie ein Ermittlungsverfahren zur Ursache der Verzögerung des Gewinnverteilungsbeschlusses nicht durchgeführt hat und daher Ermittlungsergebnisse zur genannten Frage fehlen. Da die belangte Behörde aber ausdrücklich im angefochtenen Bescheid erklärt hat, einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten nicht anzunehmen, ist dieser Verfahrensmangel unwesentlich, zumal sich der angefochtene Bescheid auf Grund dieser Erklärung mit der im Mißbrauchsfall wesentlichen Frage der Mißbrauchsfolgen im Sinne des § 22 Abs 2 BAO auch nicht befaßt hat.

Die belangte Behörde hat solcherart die Rechtslage verkannt und damit die Beschwerdeführerin im Rahmen des Beschwerdepunktes in ihren Rechten verletzt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war, ohne daß es noch des Eingehens auf weiteres Beschwerdevorbringen bedurfte.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.