zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 30.11.1993, 93/14/0155

VwGH vom 30.11.1993, 93/14/0155

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Hutter, über die Beschwerde des D in T, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , Zl. 6/123/1-BK/Re-1993, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1985 bis 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Graphiker. Seine Einkünfte aus diesem Gewerbebetrieb ermittelt er gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1972 bzw. 1988, seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 17 Abs. 2 UStG 1972. Er ist zu 75 % an einer Werbe-GmbH beteiligt, die restlichen Anteile dieser Gesellschaft hält seine Ehegattin, die einzige Geschäftsführerin der GmbH. Der Beschwerdeführer erbrachte als Graphiker an die GmbH Leistungen. Seine Entgelte wurden bei der GmbH auf seinem Konto verbucht, jedoch zu einem Großteil nicht an ihn tatsächlich ausbezahlt.

Die belangte Behörde rechnete diese Entgelte den Einnahmen (Umsätzen) in den jeweiligen Jahren des Streitzeitraumes mit der Begründung hinzu, sie seien als dem Beschwerdeführer zugeflossen anzusehen, weil dieser als Mehrheitsgesellschafter der GmbH in dieser die dominierende Stellung gehabt habe. Der tatsächlichen Auszahlung der ihm gutgebrachten Beträge wären keine rechtlichen oder wirtschaftlichen Hindernisse entgegengestanden; die GmbH sei nämlich nicht illiquid gewesen. Der Beschwerdeführer habe selbst angegeben, er habe der GmbH für dringend benötigte Investitionen die Mittel nicht entziehen wollen, es wäre ihm auf Grund seiner Stellung als Mehrheitsgesellschafter möglich gewesen, bei eigenem Geldbedarf und bei ausreichender Liquidität der GmbH über sein Verrechnungs- und Lieferantenkonto zu verfügen. Da für die Verfügungsmacht die wirtschaftliche Überlegung der Liquiditätsstärkung der Gesellschaft ohne Bedeutung sei, gehe der Einwand ins Leere, die Beträge könnten nur im Rahmen der liquiden Mittel der GmbH als dem Beschwerdeführer zugeflossen behandelt werden.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht darauf verletzt, daß nur die ihm tatsächlich zugekommenen Beträge der Besteuerung unterzogen werden. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb Bescheidaufhebung.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ein Betrag ist dem Abgabenpflichtigen dann als gemäß § 19 Abs. 1 EStG 1972 bzw. 1988 zugeflossen anzusehen, wenn er über den Betrag rechtlich und wirtschaftlich verfügen kann, mag er ihm vom Schuldner auch nur gutgeschrieben worden sein. Ist der Abgabepflichtige gleichzeitig Mehrheitsgesellschafter jener GmbH, die sein Schuldner ist, ist der Zufluß grundsätzlich anzunehmen, sobald die Forderung fällig ist, vorausgesetzt, daß die GmbH nicht zahlungsunfähig ist. Diese Sicht gebietet der beherrschende Einfluß des Mehrheitsgesellschafters der GmbH, weil die Gesellschafterversammlung dem Geschäftsführer gegenüber weisungsbefugt ist (vgl. Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht, 125); andernfalls hätte es der Mehrheitsgesellschafter, der auch Gläubiger der Gesellschaft ist, in der Hand, den Gewinn der Gesellschaft zu kürzen, ohne die entsprechenden Beträge selbst versteuern zu müssen (vgl. in diesem Sinn die Ausführungen in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar20, Rz 62 zu § 11 dEStG). Zu diesem Ergebnis führt auch die notwendige Gleichbehandlung mit Verhältnissen eines Steuerpflichtigen, dem ein für ihn fremder Gläubiger gegenübersteht. Einem solchen gegenüber wird der Abgabepflichtige in der Regel auf der Einräumung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über die ihm zustehenden Beträge bestehen. Im übrigen fließen etwa einem Alleingesellschafter bzw. einem beherrschenden Gesellschafter auch Gewinnansprüche bereits mit der Beschlußfassung über die Gewinnverteilung zu (vgl. Doralt, Einkommensteuergesetz, Kommentar2, Tz 30 zu § 19 unter "Gewinnanteile", mit weiterem Nachweis).

Die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Rechtsansicht ist daher nicht zu beanstanden.

Die Beschwerdebehauptung, im Beweisverfahren sei eine dominierende Stellung des Beschwerdeführers (in der GmbH) nicht hervorgekommen, ist unrichtig. Eine solche ergab sich bereits aus der im Abgabenverfahren unbestritten gebliebenen Tatsache, daß der Beschwerdeführer drei Viertel der Anteile an der Gesellschaft hält, ohne daß sich - etwa auch aus einem Vorbringen des Beschwerdeführers selbst - Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, durch den Gesellschaftsvertrag wären die Rechte des Mehrheitsgesellschafters gegenüber der Rechtslage nach dem GmbHG eingeschränkt.

Entsprechende Behauptungen wären vom Beschwerdeführer in das Verwaltungsverfahren einzubringen gewesen, weil der Beschwerdeführer die Verhältnisse in der Gesellschaft kennen muß, die belangte Behörde jedoch ohne entsprechendes Vorbringen des Beschwerdeführers keinen Einblick in die Interna der Gesellschaft hat. Sie war daher nicht verpflichtet, Ermittlungen auf gut Glück anzustellen.

Wenn der Beschwerdeführer nun erstmals vor dem Verwaltungsgerichtshof behauptet, er wäre "nur im Verhinderungsfall" befugt gewesen, anstelle der Geschäftsführerin Auszahlungen vorzunehmen, so handelt es sich hiebei nicht nur um eine gemäß § 41 VwGG vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliche Neuerung, sondern auch um ein unwesentliches Vorbringen. Entscheidend ist nämlich nicht, ob der Beschwerdeführer selbst Auszahlungen verfügen durfte, sondern ob er auf Grund seiner Stellung als Mehrheitsgesellschafter in der Lage war, in der Gesellschafterversammlung eine Weisung an den Geschäftsführer durchzusetzen, die Auszahlung vorzunehmen. Daß einer derartigen Beschlußfassung Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages entgegengestanden wären, wird auch in der Beschwerde noch nicht behauptet.

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren auch kein Vorbringen erstattet, aus dem sich hätte entnehmen lassen, die GmbH wäre zahlungsunfähig oder überschuldet gewesen. Auch hier wäre es an ihm gelegen, dergleichen sachverhaltsbezogen darzulegen. Die belangte Behörde hat daher nicht rechtswidrig gehandelt, wenn sie davon ausgegangen ist, daß die GmbH nicht zahlungsunfähig oder überschuldet war.

Die Verfahrensrügen, mit denen der belangten Behörde vorgeworfen wird, sie hätte weder die Stellung des Beschwerdeführers in der Gesellschaft näher untersucht noch die Gesellschaft einer Liquiditätsprüfung unterzogen, kann der Beschwerde schon aus der der bereits erwähnten Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren entspringenden, auf seiner Seite liegenden Behauptungslast nicht zum Erfolg verhelfen. Abgesehen davon stellt der Beschwerdeführer nicht einmal im verwaltungsgerichtlichen Verfahren konkretisiert dar, zu welchen für ihn vorteilhaften Feststellungen derartige Ermittlungen hätten führen können.

Dem angefochtenen Bescheid fehlt es entgegen der Meinung des Beschwerdeführers auch nicht an einer nachvollziehbaren Begründung. Dies zeigt bereits der oben wiedergegebene wesentliche Inhalt des angefochtenen Bescheides.

Auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 92/14/0011, ÖStZB 1992, 818, beruft sich der Beschwerdeführer - abgesehen davon, daß in jenem Fall Gläubiger und Schuldner nicht in einem vergleichbaren Naheverhältnis standen - schon deshalb zu Unrecht, weil damals davon ausgegangen wurde, daß der Gläubiger über die gutgeschriebenen Beträge gar nicht zu disponieren berechtigt war und ihm die Verfügungsmacht über das Konto fehlte. Beides ist hier nicht der Fall.

Auch aus den weiteren vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshof (, 85/13/0085, ÖStZB 1987, 11, und , 89/13/0202, ÖStZB 1991, 40) läßt sich nichts für seinen Standpunkt gewinnen, die betreffenden Beträge hätten noch nicht als an ihn zugeflossen behandelt werden dürfen.

Der Umstand, daß der Beschwerdeführer nicht Geschäftsführer der GmbH war, stand aus den bereits oben genannten Gründen der von der belangten Behörde getroffenen Entscheidung nicht entgegen.

Der Beschwerdeführer irrt auch mit seiner Meinung, der Zufluß an ihn wäre als durch die tatsächlich vorhandenen Mittel begrenzt anzusehen gewesen:

Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der GmbH mußte die belangte Behörde - wie bereits ausgeführt - mangels entsprechenden Vorbringens des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren oder auf einen solchen Sachverhalt sonst hinweisender Indizien nicht als erwiesen oder glaubhaft gemacht ansehen.

Über welche liquide Mittel die GmbH aber jeweils verfügt, ist für die Frage, ob die Beträge dem Beschwerdeführer gegenüber als zugeflossen zu beurteilen sind, nicht entscheidend, hatte er doch als Mehrheitsgesellschafter die Möglichkeit, durch Herbeiführung entsprechender Weisungsbeschlüsse der Gesellschafterversammlung an den Geschäftsführer das jeweilige Ausmaß der bei der Gesellschaft vorhandenen flüssigen Zahlungsmittel zu bestimmen. Daß die GmbH nicht in der Lage gewesen wäre, sich die Geldmittel zur Überweisung der Beträge an den Beschwerdeführer zu beschaffen, hat dieser im Verwaltungsverfahren nie behauptet. Zufluß beim beherrschenden Gesellschafter wäre im übrigen selbst dann anzunehmen, wenn sich die GmbH die zur Zahlung an den Gesellschafter erforderlichen Mittel nur auf dem Kreditweg hätte beschaffen können (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O.). Unter dem Gesichtspunkt steuerrechtlicher Beurteilung des Verhältnisses zwischen nahen Angehörigen, dem das zwischen beherrschenden Gesellschaftern einer GmbH und dieser gleichzuhalten ist, ist es den Finanzbehörden - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - nicht verwehrt, der GmbH "die Aufnahme von Krediten zuzumuten", also der steuerlichen Beurteilung einen Sachverhalt zu unterstellen, wie er unter Fremden üblicherweise vorläge. Gegenüber einem fremden Gläubiger wäre die GmbH als Schuldner nämlich in vergleichbarer Situation zur Benützung von Kredit gezwungen, um fällige Schulden tatsächlich bezahlen zu können, sollte sie im gegebenen Zeitpunkt nicht über genügend bare Mittel verfügen oder nicht in der Lage sein, sich durch Vermögensumschichtung Barmittel zu beschaffen.

Dem angefochtenen Bescheid haftet daher im Rahmen des Beschwerdepunktes keine der in der Beschwerde behaupteten Rechtswidrigkeiten an.

Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.