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VwGH vom 29.03.2000, 96/08/0233

VwGH vom 29.03.2000, 96/08/0233

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des R in V, vertreten durch Dr. J und Dr. G, Rechtsanwälte in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. VII/2-6763/2-1996, betreffend Erstattungsbetrag gemäß § 8 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (mitbeteiligte Partei:

Niederösterreichische Gebietskrankenkasse,

Dr. Karl-Renner-Promenade 14-16, 3100 St. Pölten), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse unter Berufung auf die §§ 2, 3 und 8 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) aus, dass der Beschwerdeführer für den Dienstnehmer Josef S. auf Grund von dessen Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 22. bis Anspruch auf einen Erstattungsbetrag in der Höhe von S 3.618,95 habe. Nach der Begründung verweise der im Beschwerdefall anzuwendende Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe bezüglich des bei Arbeitsverhinderung eines Dienstnehmers gebührenden Entgeltes auf den Generalkollektivvertrag über den Begriff des Entgeltes, auf das Entgeltfortzahlungsgesetz und die §§ 1154b und 1155 ABGB. Zufolge § 3 Abs. 1 EFZG dürfe ein nach Wochen, Monaten oder längeren Zeiträumen bemessenes Entgelt wegen einer Arbeitsverhinderung für die Anspruchsdauer gemäß § 2 EFZG nicht gemindert werden. Durch das Entgeltfortzahlungsgesetz solle der Arbeitnehmer wirtschaftlich so gestellt werden, wie dies bei regelmäßigem Verlauf seines Arbeitsverhältnisses der Fall sei (Ausfallsprinzip). Die Bestimmungen des Generalkollektivvertrages sowie des ABGB stellten ebenfalls auf das laufende Entgelt, also jenes, das dem Arbeitnehmer bei Nichtvorliegen einer Arbeitsverhinderung gebührt hätte, ab. Zu diesem zählten aber nicht, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis vom , Zl. 929/75, ausgesprochen habe, die laut Kollektivvertrag gebührenden Sonderzahlungen, weshalb diese auch nicht erstattungsfähig seien.

Der Beschwerdeführer erhob Einspruch. Darin vertrat er im Wesentlichen die Auffassung, Sonderzahlungen stellten erstattungsfähiges Entgelt nach den Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes dar. Bereits nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien die Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes über die Fortzahlung des Entgeltes arbeitsrechtlicher Natur. Der Entgeltbegriff habe sich in der Rechtsprechung des OGH geändert: Während ursprünglich nach der arbeitsrechtlichen Judikatur Sonderzahlungen unabhängig vom laufenden Entgelt gebührt hätten, würden diese nunmehr als Bestandteile des Entgeltes angesehen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch keine Folge gegeben. Nach der Begründung sei es zutreffend, dass der Verwaltungsgerichtshof in dem vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnis vom zum Ausdruck gebracht habe, dass die Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes über die Fortzahlung des Entgelts arbeitsrechtlicher Natur seien. Dabei sei jedoch davon auszugehen, dass der Verwaltungsgerichtshof mit dieser Formulierung zum Ausdruck gebracht habe, dass der im Entgeltfortzahlungsgesetz normierte Entgeltbegriff vor allem bei der im Abschnitt 2 des Gesetzes geregelten Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen nicht grundsätzlich mit jenem nach arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten konform gehe. Das Entgeltfortzahlungsgesetz enthalte in seinem Abschnitt 1 arbeitsrechtliche Bestimmungen über die Entgeltfortzahlung. Zum arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff gehörten demzufolge grundsätzlich auch Sonderzahlungen. Was die Erstattung derselben anlange, so sei aber unter Hinweis auf Abschnitt 2 des EFZG im bereits zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes eindeutig festgelegt, dass diese nicht erstattungsfähig seien. Der Arbeitnehmer solle wirtschaftlich so gestellt werden, wie dies bei regelmäßigem Verlauf seines Arbeitsverhältnisses der Fall gewesen wäre. Es sei ihm für jene Tage das Entgelt fortzuzahlen, für die ihm bei Nichtvorliegen einer krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung Entgelt gebührt hätte. Soweit es sich nicht um leistungsbezogenes Entgelt handle, lege § 3 EFZG der Ermittlung des fortzuzahlenden Entgelts das Ausfallsprinzip zu Grunde. Das Entgelt, auf das der Arbeitnehmer während der Krankheit Anspruch gehabt hätte, werde danach bestimmt, welche Arbeitszeit ausgefallen sei und welches Entgelt für diese Arbeitszeit gebührt hätte. Das auf Grund des EFZG fortzuzahlende Entgelt beschränke sich demnach auf das laufende Entgelt. Zu diesem zählten aber nicht Sonderzahlungen, deren Höhe schlechthin nur davon abhänge, in welchem Ausmaß der Arbeitnehmer während bestimmter Zeiträume im Genuss seiner vollen Bezüge stehe. Die Entgeltdefinition umfasse daher nur das laufende Entgelt und nicht die Sonderzahlungen, die unabhängig von der Tatsache, ob das laufende Entgelt gewährt werde oder nicht, während des Bestandes des Dienstverhältnisses anfielen. Der Entgeltbegriff gemäß § 3 EFZG decke sich nicht mit dem in § 8 verwendeten. Diese Bestimmung verwende nicht etwa den Begriff "das gebührende Entgelt", sondern "das fortgezahlte Entgelt". Durch diese Formulierung werde die Absicht des Gesetzgebers deutlich, nur laufende, also "fortgezahlte" Entgelte der Erstattungsregelung zu unterwerfen. Da Sonderzahlungen nur zu den in der konkreten Regelung vorgesehenen Fälligkeitsterminen völlig unabhängig von der Fälligkeit der laufenden Bezüge ausbezahlt würden, würden sie zum Zeitpunkt der Arbeitsverhinderung nicht "fortgezahlt". Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom ausgeführt, dass sich das auf Grund des Entgeltfortzahlungsgesetzes fortzuzahlende Entgelt auf das laufende Entgelt beschränke, zu welchem die Sonderzahlungen nicht zählten. Dem gegenüber befasse sich die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte neuere Rechtsprechung des OGH generell mit den arbeitsrechtlichen Sonderzahlungsansprüchen des Dienstnehmers, ohne konkret auf deren Erstattungsfähigkeit im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes einzugehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich die Frage strittig, ob der Beschwerdeführer gemäß § 8 EFZG Anspruch auf Erstattung der aliquoten Sonderzahlungen hat. Dies wieder hängt - wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - davon ab, ob Sonderzahlungen im Sinne des § 3 EFZG "fortgezahlt" worden sind. Eine solche Fortzahlung käme nur dann in Betracht, wenn - ohne die Regelung der §§ 2 ff EFZG - ein Einkommensausfall bei Erkrankung in Ansehung von Sonderzahlungen einträte.

Während die belangte Behörde diese Frage unter Berufung auf die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , Zl. 929/75) verneint, vertritt der Beschwerdeführer im Wesentlichen unter Hinweis auf arbeitsrechtliche Judikatur und Literatur ( 9 Ob A 2047/96m, vom , 8 Ob A 2019/96m, und vom , 8 Ob A 2059/96v; ferner Schrank, Sonderzahlungen bei entgeltfreien Krankenständen, ecolex 1995, 193, sowie Kallab in einer Entscheidungsbesprechung des OLG Wien vom , abgedruckt in: DRdA 1995, 73) die Auffassung, im Hinblick auf die Entwicklung der Rechtsprechung des OGH zum Entgeltbegriff lasse sich die im Jahre 1976 vertretene Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht mehr aufrecht erhalten. Ursprünglich sei nämlich die Ansicht vertreten worden, Sonderzahlungen gebührten unabhängig vom laufenden Entgelt; nunmehr sei der OGH allerdings der Auffassung, Sonderzahlungen seien eine Form aperiodischen Entgelts mit abweichenden Fälligkeitsterminen, das für Zeiten, in denen kein Entgeltanspruch gegen den Arbeitgeber bestehe, etwa nach Ausschöpfung des Entgeltfortzahlungsanspruches bei Krankheit, nicht gebühre, sofern nicht ein Kollektivvertrag oder eine andere auf das jeweilige Arbeitsverhältnis einwirkende Norm Gegenteiliges anordne. Die ursprünglich zweckorientierten Sonderzahlungen seien nichts anderes als ein besonderer Teil des Entgelts als Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Nach der früheren - vor der vom Beschwerdeführer zitierten - Rechtsprechung des OGH war völlig unbestritten, dass, ungeachtet des Entgeltausfalles, Sonderzahlungen - soweit dies Kollektivverträge vorgesehen hatten - im Krankheitsfall nicht aliquotiert wurden. Der Gesetzgeber des EFZG hatte daher gar keine Veranlassung, eine Entgeltfortzahlung für Sonderzahlungen im Gesetz einzuführen. Das auf Grund des EFZG fortzuzahlende Entgelt beschränkte sich daher - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mit dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom , Zl. 929/75, ausgesprochen hat - auf das laufende Entgelt.

Die vom Beschwerdeführer zitierte, zum Teil wieder aufgegebene Judikatur des OGH, wonach Sonderzahlungen für Zeiträume zu aliquotieren sind, für die gar keine Entgeltfortzahlung mehr gebührt, hat mit der Frage des vorliegenden Beschwerdefalles nichts zu tun.

Die belangte Behörde handelte daher nicht rechtswidrig, wenn sie im Sinne der weiterhin gültigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Auffassung vertrat, das auf Grund des Entgeltfortzahlungsgesetzes fortzuzahlende Entgelt beschränke sich auf das laufende Entgelt, weshalb Sonderzahlungen kein erstattungsfähiges Entgelt darstellen.

Auf Grund dieser Erwägungen erweist sich die vorliegende Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz war wegen der sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) nicht zuzusprechen.

Der nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen mitbeteiligten Gebietskrankenkasse steht kein Ersatz des Schriftsatzaufwandes zu (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 96/08/0269).

Wien, am