VwGH vom 17.12.1998, 98/15/0059
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde der R in Z, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GA 17-96/4603/07, betreffend Feststellung, daß eine Einkommensteuerveranlagung für 1993 unterbleibt, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 15.000 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Jänner 1994 reichte der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin ein mit datiertes Schreiben ein, welches folgenden Inhalt aufweist:
"Bevollmächtigung, Ansuchen um Steuernummer
Ich teile mit, daß
ich von (der Beschwerdeführerin) mit der Wahrnehmung ihrer steuerlichen Angelegenheiten betraut und zur Vertretung gegenüber der Finanzbehörde bevollmächtigt wurde und ersuche um Kenntnisnahme. Gleichzeitig ersuche ich, sämtliche Behördenpost nunmehr an meine Kanzleiadresse zuzustellen.
Im Auftrag meiner
Mandantin ersuche ich um Vergabe einer Steuernummer für die Entrichtung und Festsetzung der Umsatzsteuer und Einkommensteuer. (Die Beschwerdeführerin) hat im Jahr 1993 eine Eigentumswohnung erworben, welche ausschließlich der Weitervermietung dienen wird. Mieteinnahmen daraus werden erst ab Februar 1994 erzielt werden, doch sind bereits 1993 Werbungskosten angefallen. Weiters hat (die Beschwerdeführerin) im Jahr 1993 eine gewerbliche Beteiligung erworben, aus der negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb resultieren werden.
Ich lege einen Fragebogen bei und ersuche um
Kenntnisnahme
Hochachtungsvoll"
Dem Schreiben war ein ausgefüllter "Fragebogen bei Betriebsanmeldung" beigelegt, aus welchem sich ergibt, daß die Beschwerdeführerin - neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von ca. 1,3 Mio. S - seit 1993 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus Gewerbebetrieb (in Form einer Beteiligung) beziehe, wobei sich im Jahr 1993 Anfangsverluste ergeben hätten.
Im Mai 1996 reichte die Beschwerdeführerin die Einkommensteuererklärung für 1993 ein, in welcher Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von ca. 1,5 Mio. S, Einkünfte aus Gewerbebetrieb von ca. -310.000 S und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von ca. -35.000 S ausgewiesen sind. Der Erklärungvordruck enthält auf der ersten Seite den Vermerk: "Die Abgabe der Erklärung gilt als Antrag auf Veranlagung bzw. Jahresausgleich. Eine gesonderte Antragstellung ist daher nicht erforderlich."
Das Finanzamt erließ sodann einen Bescheid, mit dem es aussprach, daß der Veranlagungsantrag iSd § 41 Abs. 2 EStG 1988 in Form der am eingereichten Einkommensteuererklärung für 1993 zurückgewiesen werde, weil die Frist für einen solchen Antrag mit abgelaufen sei.
In der Berufung gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin vor, ein Antrag auf Veranlagung liege auch vor, wenn in einer Eingabe unzweifelhaft zum Ausdruck komme, daß eine der in § 41 Abs. 2 EStG 1988 genannten Voraussetzungen für eine Veranlagung vorliege und daher die Veranlagung begehrt werde. Im Schreiben vom sei dem Finanzamt mitgeteilt worden, daß im Jahr 1993 negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb und negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anfallen würden. Zum Zwecke der Veranlagung sei daher die Vergabe einer Steuernummer beantragt worden. Dieses Schreiben müsse als Antrag auf eine Veranlagung nach § 41 Abs. 2 Z. 1 EStG 1988 verstanden werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Sie änderte den Bescheid dahingehend ab, daß nunmehr ausgesprochen wurde, daß die Beschwerdeführerin für 1993 nicht zur Einkommensteuer veranlagt werde. Das Schreiben vom stelle eine Anzeige iSd § 120 Abs. 2 BAO über die Begründung einer betrieblichen Tätigkeit dar und sei nicht als Antrag auf Durchführung einer Verlustveranlagung zu qualifizieren. Ein Antrag auf Verlustveranlagung habe die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen konkret darzulegen. Das Finanzamt könne nämlich die Veranlagung nur vornehmen, wenn ihm die Bemessungsgrundlagen bekannt seien. Der Antrag vom gebe keinen Aufschluß auf die Erfüllung der Voraussetzungen für die Verlustveranlagung und sei daher nicht als Veranlagungsantrag zu werten. § 41 Abs. 2 EStG 1988 erfordere im übrigen, daß der Wille des Steuerpflichtigen der Behörde gegenüber auf eine Art und Weise zum Ausdruck gebracht werde, die am Vorliegen der Antragstellung nicht zweifeln lasse. Der erst mit der Abgabe der Steuererklärung 1993 gestellte Antrag sei verspätet, weshalb eine Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 1993 zu unterbleiben habe.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
§ 42 Abs. 2 EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung lautet auszugsweise:
"Übersteigen die anderen Einkünfte insgesamt nicht den Betrag von 10.000 S, kann die Durchführung einer Veranlagung beantragt werden, wenn
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1. | Die Summe der anderen Einkünfte einen Verlust ergibt (Verlustveranlagung) oder | |||||||||
2. | ... | |||||||||
... | ||||||||||
Der Antrag kann innerhalb von zwei Kalenderjahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraumes gestellt werden. ..." | ||||||||||
Gemäß § 21 Abs. 8 UStG 1972 idF vor dem SteuerreformG 1993, BGBl. 818, konnte ein Unternehmer, dessen Umsatz im Veranlagungszeitraum 40.000 S nicht überschritten hat, bis zum Ablauf des dem Veranlagungszeitraum zweitfolgenden Kalenderjahres schriftlich erklären, daß er seine Umsätze nach den allgemeinen Vorschriften des UStG besteuern will; diese Erklärung war für mindestens fünf Kalenderjahre bindend. | ||||||||||
Zu dieser Bestimmung hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, das Gesetz verlange - offenbar im Hinblick auf die langfristige (fünfjährige) Bindung daran - eine formgebundene, nämlich schriftliche Erklärung ganz bestimmten Inhaltes. Daher könnten etwa die von einem Unternehmer abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen bzw Umsatzsteuererklärungen eine nach § 21 Abs 8 UStG erforderliche ausdrückliche schriftliche Erklärung nicht ersetzen (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , 86/15/0039). Nach der Rechtsprechung kann die geforderte Voraussetzung der Abgabe einer Verzichtserklärung nicht durch den Schluß aus anderen Zwecken dienenden sonstigen Eingaben des Steuerpflichtigen ersetzt werden, und kann selbst die erkennbare Absicht die ausdrückliche Erklärung nicht ersetzen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 87/15/0055). | ||||||||||
Im Gegensatz zu § 21 Abs. 8 UStG 1972 legt § 41 Abs. 2 EStG 1988 keine besondere Form des Antrages fest und führt auch nicht zu einer Bindung für spätere Veranlagungsjahre. Die strengen Anforderungen an einen Antrag nach § 21 Abs. 8 UStG 1972 finden daher für einen Antrag iSd § 41 Abs. 2 EStG 1988 keine Anwendung. | ||||||||||
Im allgemeinen kommt es für die Beurteilung von Anbringen nicht auf die Bezeichnung und auf zufällige verbale Formen, sondern auf den Inhalt und das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes an (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 93/13/0213). | ||||||||||
Aus der Eingabe der Beschwerdeführerin vom samt ihrer Beilage ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin im Jahr 1993 positive Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von ca. 1,3 Mio S sowie negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie aus Vermietung und Verpachtung erzielt hat. Im gegebenen Zusammenhang kann das im Antrag enthaltene Ersuchen um Vergabe einer Steuernummer für die Festsetzung der Einkommensteuer bei verständiger Würdigung dahingehend verstanden werden, daß das Ziel des Parteischrittes (auch) in der Herbeiführung einer Verlustveranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 1993 gelegen gewesen ist. Daran ändert nichts, daß es zur Durchführung der Veranlagung noch weiterer Informationen, wie sie insbesondere aus einer Einkommensteuererkärung zu ersehen sind, bedurft hat. | ||||||||||
Die belangte Behörde hat sohin dem Anbringen der Beschwerdeführerin vom einen unrichtigen Inhalt beigemessen und damit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. | ||||||||||
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994. | ||||||||||
Wien, am |