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VwGH vom 18.03.2003, 2002/11/0007

VwGH vom 18.03.2003, 2002/11/0007

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen- 280567/2/Ga/Mm, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (mitbeteiligte Partei: G in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung (d. i. hinsichtlich seines Punktes A) II.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom wurde dem Mitbeteiligten zur Last gelegt:

"Sie haben es (als) Bevollmächtigter i. S. d. § 28 AZG der Arbeitgeberin der nachstehenden ArbeitnehmerInnen, der …, zu verantworten, dass durch die Firma am Standort …, in den jeweils angeführten Fällen

1. die höchstzulässige tägliche Arbeitszeit (TAZ) von 10 Stunden überschritten wurde:

d) S. N., geb. ...

(es werden für den Zeitraum bis mit genauer Zeitangabe Überschreitungen der täglichen Arbeitszeit in 19 Fällen angeführt)

e) H. Ch., geb. …

(es werden für den Zeitraum bis mit genauer Zeitangabe Überschreitungen der täglichen Arbeitszeit in 27 Fällen angeführt)

3. die Ruhepause von mindestens einer halben Stunde nicht gewährt wurde:

e) S. P., …

An allen Arbeitstagen im Zeitraum bis , ausgenommen am 2, 24., 30. und 31. 5., am 2., 3., 16., 17. und 25. 6. sowie am 9. und (insg. 42 Arbeitstage)

4. die tägliche Ruhezeit von elf Stunden (weibliche Arbeitnehmer) bzw. zehn Stunden (männliche Arbeitnehmer) nicht gewährt wurde:

e) S. P., …

(es werden für den Zeitraum bis mit genauer Zeitangabe Überschreitungen der täglichen Ruhezeit in 8 Fällen angeführt)

f) H. Ch., geb. …

(es werden für den Zeitraum bis mit genauer Zeitangabe Überschreitungen der täglichen Ruhezeit in 14 Fällen angeführt)"

Dem Mitbeteiligten wurde zur Last gelegt, folgende Rechtsvorschriften verletzt zu haben:

"1. § 28 Abs 1 Z 1 Tatbestand 1 i.V.m. § 9 Abs 1 Tatbestand 1, § 7 und § 8 Arbeitszeitgesetz (AZG), BGBl 461/1969 idgF


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3.
§ 28 Abs 1 Z 2 i.V.m. § 11 Abs 1 AZG
4.
§ 28 Abs 1 Z 3 i.V.m. § 12 Abs 1 und 2 AZG (sowie Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe)"
Über die mitbeteiligte Partei wurde hinsichtlich der angeführten Überschreitungen der gesetzlichen höchstzulässigen täglichen Arbeitszeit bzw. Nichtgewährung der Ruhepause bzw. täglichen Ruhezeit in Ansehung jedes Arbeitnehmers jeweils eine Gesamtstrafe gestützt auf § 28 Abs. 1 Z. 1 Tatbestand 1 bzw. § 28 Abs. 1 Z. 2 bzw. § 28 Abs. 1 Z. 3 AZG verhängt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde - soweit für das Beschwerdeverfahren maßgeblich - über die dagegen erhobene Berufung des Mitbeteiligten wie folgt entschieden:
"A) Der Berufung wird teilweise stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird
...
II. in den Fakten 1d , 1e , 3e , 4e und 4f
-
hinsichtlich aller vor dem liegenden Tattage aufgehoben und das Verfahren insoweit eingestellt,
-
in den also (einschließlich ) verbleibenden Tattagen hinsichtlich der Schuld bestätigt, in den Strafaussprüchen/Kostensprüchen jedoch wie folgt geändert: Die verhängte Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) wird zu 1d auf 1.000 S 56 Stunden), zu 1e auf 2.750 S 154 Stunden), zu 3e auf 700 S 38 Stunden), zu 4e auf 1.000 S 56 Stunden) und zu 4f auf 2.500 S 84 Stunden) herabgesetzt; die auferlegten Kostenbeiträge werden zu 1d auf 100 S, zu 1e auf 275 S, zu 2e auf 70 S, zu 4e auf 100 S und zu 4f auf 250 S herabgesetzt.
…"
Unstrittig seien - so führte die belangte Behörde in dem für das Beschwerdeverfahren maßgeblichen Teil der Begründung des angefochtenen Bescheides aus - die dem Mitbeteiligten zugesonnene Verantwortlichkeit als "Bevollmächtigter" im Sinne des § 28 AZG sowie die jeweils durch die genaue Angabe bestimmter Tage umschriebenen Tatzeiträume (mit je unterschiedlichem Beginn und Ende; als frühester Tattag sei der , als spätester der festgestellt worden). Gegen den Mitbeteiligten als Beschuldigten sei die erste Verfolgungshandlung (erst) am gesetzt worden. Sämtliche in das Straferkenntnis der Strafbehörde erster Instanz aufgenommenen Vorhaltungen seien mit dieser Verfolgungshandlung dem Mitbeteiligten zum ersten Mal angelastet worden. Damit seien aber, wie sich aus der im Grunde des § 31 Abs. 2 VStG anzustellenden Rückrechnung ergebe, alle vor dem liegenden Einzelübertretungen betreffend die involvierten ArbeitnehmerInnen verfolgungsverjährt. Die daraus sich für bestimmte Fakten ergebende Verjährung bzw. Teilverjährung habe in den Spruchabschnitten A) I. und II. des angefochtenen Bescheides den entsprechenden Niederschlag gefunden. Zu Folge des Wegfalls (durch Verjährung) jeweils etwa der Hälfte oder eines Drittels der Regelverstöße und somit der entsprechenden Reduzierung der Unrechtsgehalte in diesen Fakten sei jeweils eine Herabsetzung der Strafen (Kostenbeiträge) zu verfügen gewesen, um die Verhältnismäßigkeit von Verfehlungen und Sanktion (wieder) herzustellen.
Gegen Punkt A) II. dieses Bescheides richtet sich die vorliegende, auf § 13 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 gestützte Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid (im Rahmen der Anfechtung) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.


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Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 11 Abs. 1 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 (ArbIG) ist in Verwaltungsstrafsachen wegen der Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften das zuständige Arbeitsinspektorat (§ 15 Abs. 6) Partei.
Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat die Verwaltungsstrafbehörde in dem Fall, dass sie zu der Ansicht gelangt, dass das Strafverfahren einzustellen oder eine niedrigere Strafe zu verhängen ist, als vom Arbeitsinspektorat beantragt wurde, vor Erlassung des Bescheides oder einer Strafverfügung dem Arbeitsinspektorat Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen steht dem Arbeitsinspektorat das Recht der Berufung gegen Bescheide sowie des Einspruches gegen Strafverfügungen zu.
Gemäß § 13 ArbIG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales (nunmehr: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ) bei Verfahren gemäß §§ 11 und 12 berechtigt, gegen Bescheide, die in letzter Instanz ergangen sind, sowie gegen Entscheidungen der unabhängigen Verwaltungssenate Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Die Beschwerde nach § 13 ArbIG (Amtsbeschwerde) ist ein Fall des Art. 131 Abs. 2 VwGG (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/02/0425). Im Falle der Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales geht es nicht um die Geltendmachung der Verletzung subjektiver Rechte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/11/0018). Die Beschwerdelegitimation des Bundesministers, der im vorangegangenen Verwaltungsstrafverfahren nicht als Partei beteiligt ist, ist demnach ein von den Parteien des Verfahrens und der beteiligten Behörde losgelöstes Kontrollinstrument. Es handelt sich daher um ein objektives Beschwerderecht. Der Bundesminister kann die Beschwerde sowohl zum Vorteil als auch zum Nachteil des Beschuldigten erheben. Die Beschwerdefrist beginnt für den Bundesminister gemäß § 26 Abs. 1 Z. 4 (zweiter Fall) mit dem Zeitpunkt, zu dem er vom angefochtenen Bescheid Kenntnis erlangt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/02/0425).
Der beschwerdeführende Bundesminister begründet seine Beschwerde damit, dass es sich bei den dem Mitbeteiligten angelasteten Verwaltungsübertretungen "um die Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts" handle. Bei der Bestrafung eines solchen Delikts gelte nicht das in § 22 Abs. 1 VStG normierte Kumulationsprinzip, vielmehr werde nur eine Strafe verhängt. Die Strafbehörde erster Instanz habe dem bereits Rechnung getragen. Hinsichtlich der Verfolgungsverjährung bei Vorliegen eines fortgesetzten Delikts ergebe sich, dass die Frist des § 31 Abs. 2 VStG für dieses eine Delikt unabhängig davon, wann mit der strafbaren Tätigkeit begonnen worden sei, erst von dem Zeitpunkt an zu rechnen sei, an dem dieses abgeschlossen worden ist. Dies habe die belangte Behörde nicht beachtet.
Gemäß § 31 Abs. 2 VStG beträgt die Verjährungsfrist bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.
Die Begehung fortgesetzter Delikte hat zur Folge, dass die Verjährungsfrist für dieses jeweils eine Delikt - unabhängig davon, wann die strafbare Tätigkeit begonnen hat - erst von dem Zeitpunkt zu berechnen ist, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/09/0191, m. w. N.).
Ein Zuwiderhandeln gegen Arbeitszeitvorschriften des § 28 Abs. 1 Z. 1 bis 3 Arbeitszeitgesetz (AZG) durch den Arbeitgeber, wie dies dem Mitbeteiligten im angefochtenen Bescheid zur Last gelegt worden ist, wurde in ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als fortgesetztes Delikt dann angesehen, wenn die festgestellten Zuwiderhandlungen des Arbeitgebers, die in der Beschäftigung des Arbeitnehmers unter Verletzung der Arbeitszeitvorschriften bei seiner beruflichen Tätigkeit bestehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 82/11/0363), erkennen lassen, dass sie zu Folge der im hg. Erkenntnis vom , Zl. 81/11/0087, näher bezeichneten Voraussetzungen zu einer Einheit zusammenfließen (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 97/11/0188, 0189 und 0191 bis 0196, m. w. N.).
Von dieser Rechtsprechung abzugehen bietet auch der Beschwerdefall keinen Anlass. Insbesondere die im erstinstanzlichen Bescheid vorgenommene Anführung des Tatzeitraumes und Tatortes, in dem und an dem die jeweils genannten Arbeitnehmer unter Verletzung von Arbeitszeitvorschriften beschäftigt wurden, lassen Zweifel an der Form der zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen als fortgesetzte Delikte nicht aufkommen. Auch die belangte Behörde hat die einem Tatbestand des § 28 AZG zugeordneten inkriminierten Tathandlungen hinsichtlich desselben Arbeitnehmers nur einmal bestraft und ging somit selbst zu Recht vom Vorliegen eines fortgesetzten Deliktes aus. Das von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/03/0057, steht mit der hier vertretenen Rechtsauffassung nicht im Widerspruch. In diesem Erkenntnis wurden Verstöße gegen das Gelegenheitsverkehrs-Gesetz in Ansehung unterschiedlicher Gesellschaften (11 OEGs) nicht als fortgesetztes Delikt gewertet. Die einzelnen Tathandlungen in Ansehung eines Zurechnungssubjektes (einer OEG) hingegen würden auch in diesem Beschwerdefall zu einem fortgesetzten Delikt zusammengefasst.
Ausgehend davon belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weil sie den Zeitpunkt für den Beginn der Verjährungsfrist gemäß § 31 Abs. 2 VStG für die einzelnen zu einem fortgesetzten Delikt und damit zu einer rechtlichen Einheit gehörenden Tathandlungen unrichtig berechnet hat.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am