VwGH vom 31.03.2003, 2002/10/0238
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Binder-Krieglstein, über die Beschwerde des HN in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 15-II-J 44/2002, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde, der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides und weiteren Beilagen ergibt sich im Wesentlichen folgender Sachverhalt:
Der im Jahre 1955 geborene Beschwerdeführer steht seit mehreren Jahren im Bezug der Sozialhilfe. Mit Schreiben vom stellte er beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 12 - Sozialamt, den Antrag auf Übernahme der Kosten für eine Straßenbahn-Monatsmarke in Höhe von EUR 40,70 für ihn und für 20 Kinderfahrscheine in Höhe von EUR 26,-- für seinen minderjährigen Sohn Wilhelm für den Kalendermonat Februar 2002. Zur Begründung seines Antrages führte er im Wesentlichen aus, der Lebensbedarf umfasse auch die Kosten für den Aufwand der Monatsmarke. Da er sehr viele Arzttermine mit seinen beiden Kindern wahrnehmen müsse sowie Amtswege anfielen, unter anderem auch für Arbeitssuche und Termine beim Arbeitsmarktservice, benötige er eine Monatsmarke. Diese sei günstiger als der jeweilige Kauf von Einzelfahrscheinen bzw. Vorverkaufsscheinen. Die genannten Kosten seien seiner Ansicht nach nicht im Richtsatz enthalten, sondern nach § 13 Abs. 3 bzw. § 13 Abs. 6 des Wiener Sozialhilfegesetzes (WSHG) von der Behörde zu finanzieren.
Mit Bescheid vom wies der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 12 - Sozialamt, den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 13 Abs. 3 WSHG ab. Nach der Begründung erhalte der Beschwerdeführer monatlich eine Unterstützung zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe des Richtsatzes gemäß § 1 der Richtsatzverordnung. Gemäß § 13 Abs. 3 WSHG sei der Richtsatz so zu bemessen, dass er den monatlichen Bedarf an Nahrung, Körperpflege, Wäschereinigung sowie in angemessenem Ausmaß den Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben decke. Die vom Beschwerdeführer beantragten Fahrtkosten fielen unter den Begriff der Pflege der Beziehungen zur Umwelt. Dafür sei keine zusätzliche Unterstützung zu gewähren.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, bei der Auffassung der belangten Behörde, die streitgegenständlichen Kosten seien im Richtsatz gedeckt, handle es sich um eine bloße Behauptung, die jeglicher Grundlage entbehre und keiner Verifizierung zugänglich sei. Die Behörde vertrete auch (in Parallelverfahren) die irrige Auffassung, dass Strom- und Gaskosten, Telefongebühren sowie die Kosten der Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen im Richtsatz enthalten seien. Eine Berechnung all dieser Bedürfnisse zeige jedoch, dass dann fast nichts mehr zum Essen übrig bleibe. Die Behörde hätte sich im Rahmen eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens mit der vom Beschwerdeführer vorgelegten Aufstellung seiner Kosten auseinandersetzen müssen. Die belangte Behörde behaupte in Verkennung der Sachlage, dass die beantragten Fahrtkosten ausschließlich unter den Begriff der Pflege der Beziehungen zur Umwelt fielen. Er habe jedoch die Fahrkosten unter anderem für Maßnahmen zu Erlangung eines Arbeitsplatzes, Arbeitsmarktvorsprachen und Arzttermine seiner beiden Kinder geltend gemacht. Der Verwaltungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom , Zl. 1705/77, Fahrtspesen im Zuge der Arbeitsplatzsuche ausdrücklich anerkannt. Sein geltend gemachter Bedarf hätte daher nach § 13 Abs. 6 WSHG durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen, deren Ausmaß nach den Erfordernissen des einzelnen Falles zu bemessen sei, gedeckt werden müssen. Dass Fahrtkosten nicht im laufenden Richtsatz enthalten seien, ergebe sich auch daraus, dass die Magistratsabteilung 12 solche Kosten, die durch eine Vorsprache beim Sozialreferat entstünden, bar refundiere.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid der Behörde erster Instanz bestätigt. Nach der Begründung sei bei der Berechnung des Sozialhilfeanspruches des Beschwerdeführers der ab geltende Richtsatz für einen Erwachsenen und zwei Kinder in Höhe von EUR 706,82 zugrunde gelegt worden. Dieser Richtsatz sei gemäß § 13 Abs. 4 WSHG ein erhöhter Richtsatz, der bei Familien mit Kindern im Einzelfall herangezogen werden könne. Dieser erhöhte Richtsatz sei aufgrund der familiären Situation des Beschwerdeführers, insbesondere für seinen familiären Mehraufwand
(Neurodermitis beider Kinder, Skoliose bei Wilhelm), gewährt worden. Durch die zuerkannten Geldaushilfen zur Sicherung des Lebensunterhaltes würden auch die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Aufwendungen zur Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln abgedeckt, da gemäß § 13 Abs. 3 WSHG der Richtsatz so zu bemessen sei, dass er unter anderem auch im angemessenen Ausmaß den Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben decke. Zu den vom Beschwerdeführer vorgebrachten ergänzenden Beweisanträgen sei auszuführen, dass alle für die Bescheiderlassung maßgebenden Umstände erhoben worden seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Bei der Hilfegewährung nach dem Wiener Sozialhilfegesetz ist grundsätzlich situationsbezogen auf die aktuelle Notlage abzustellen. Dem gemäß scheidet im Regelfall die Gewährung von Leistungen für die Vergangenheit, die bereits aus eigenen Mitteln finanziert worden sind, aus. Die Abwendung eines akuten Notfalles ist im Zusammenhang mit den vom Beschwerdeführer getätigten Aufwendungen für eine Monatsmarke bzw. Fahrscheine nicht ersichtlich (vgl. dazu etwa das den Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis vom , Zl. 2002/10/0196).
Die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde erweist sich daher im Ergebnis als zutreffend.
Die Beschwerde war somit gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei Abweisung der Beschwerden nach § 35 VwGG kann von der Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages abgesehen werden (vgl. z. B. das bereits genannte Erkenntnis vom ).
Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.
2. Aus grundsätzlichen Erwägungen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf ähnliche Fälle zu folgenden Ausführungen veranlasst:
Nach dem Wiener Sozialhilfegesetz, LGBl. Nr. 11/1973, gehört zum Lebensbedarf auch der Lebensunterhalt eines Hilfe Suchenden (vgl. § 11 Abs. 1 Z. 1).
Der Lebensunterhalt umfasst nach § 12 WSHG insbesondere Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung, Beleuchtung, Kochfeuerung und andere persönliche Bedürfnisse. Zu den persönlichen Bedürfnissen gehört auch die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben in angemessenem Ausmaß.
Gemäß § 13 Abs. 1 WSHG hat die Bemessung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Anwendung von Richtsätzen zu erfolgen. Die Richtsätze sind durch Verordnung der Landesregierung (Richtsatzverordnung) festzusetzen.
Nach § 13 Abs. 3 WSHG ist der Richtsatz so zu bemessen, dass er den monatlichen Bedarf an Nahrung, Beleuchtung, Kochfeuerung, Instandsetzung der Bekleidung, Körperpflege, Wäschereinigung sowie in angemessenem Ausmaß den Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben deckt.
Der Richtsatz kann gemäß § 13 Abs. 4 WSHG im Einzelfall überschritten werden, wenn infolge der persönlichen oder familiären Verhältnisse des Hilfe Suchenden ein erhöhter Bedarf besteht. Dies gilt insbesondere bei alten, kranken oder behinderten Menschen sowie bei Familien mit Kindern.
Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Aufwendungen sind der Pflege der Beziehungen zur Umwelt zuzurechnen. Der diesbezügliche Bedarf ist daher bereits - im angemessenen Ausmaß - bei der Richtsatzbemessung als berücksichtigt anzusehen. Zu einer Richtsatzüberschreitung könnte es nach § 13 Abs. 4 WSHG kommen, wenn infolge der persönlichen oder familiären Verhältnisse des Hilfesuchenden ein erhöhter Bedarf besteht. Dies gilt nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere bei alten, kranken oder behinderten Menschen sowie bei Familien mit Kindern.
Die Abgeltung der Kosten für öffentliche Verkehrsmittel wurden vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren wegen sehr vieler Arzttermine mit seinen beiden Kindern und Amtswegen bzw. Arbeitssuche und Terminen beim Arbeitsmarktservice begründet. Damit hat der Beschwerdeführer aber nicht im Sinne des § 13 Abs. 4 WSHG dargetan, dass bei ihm aufgrund seiner persönlichen und familiären Verhältnisse ein durch den Richtsatz nicht gedeckter erhöhter Bedarf bestünde (vgl. dazu das den Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2002/10/0050). Im Übrigen gewährte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer - ohne jeglichen Nachweis - unter Berufung auf § 13 Abs. 4 WSHG einen um EUR 92,21 erhöhten Richtsatz gegenüber dem im Gesetz vorgesehenen Richtsatz für einen Hauptunterstützten und zwei Mitunterstützte mit Anspruch auf Familienbeihilfe.
Wenn der Beschwerdeführer unter Hinweis auf das (zum Salzburger SHG ergangene) Erkenntnis vom , Zl. 1705/77, die Auffassung vertritt, dass der geltend gemachte Bedarf zumindest unter dem Gesichtspunkt einer Arbeitsplatzsuche nach § 13 Abs. 6 WSHG zu finanzieren gewesen wäre, so ist ihm zu erwidern, dass der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis - unter Hinweis auf sein Erkenntnis vom , Zlen. 401, 402/77 - die Auffassung vertreten hat, eine von den Salzburger Behörden der damaligen Beschwerdeführerin gewährte Richtsatzüberschreitung nach dem Salzburger SHG unter dem Titel "Zulage für Arbeitssuche, Fahrtspesen" könne nicht als rechtswidriger Nachteil der Beschwerdeführerin angesehen werden. Dass solche Aufwendungen nach § 13 Abs. 6 WSHG zu gewähren sind, kann daraus nicht abgeleitet werden.
Aus dem Umstand, dass die Behörde (bestimmte) Kosten, wie die Beschwerde vorbringt, "bar refundiert" hat, kann für sich allein ein Rechtsanspruch auf "Erstattung" solcher Kosten nicht abgeleitet werden.
Wien, am