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VwGH 02.10.1990, 90/11/0140

VwGH 02.10.1990, 90/11/0140

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AVG §69 Abs1 litc;
KFG 1967 §73;
RS 1
Wurde die für die Entziehung der Lenkerberechtigung wesentliche Vorfrage, ob eine Übertretung nach § 99 Abs 1 StVO begangen wurde, durch einen rechtskräftigen Strafbescheid bindend gelöst, führt die Aufhebung des Strafbescheides durch den VwGH noch nicht zu einer anderslautenden Vorfragenentscheidung iSd § 69 Abs 1 lit c AVG. Ein Wiederaufnahmegrund liegt auch dann nicht vor, wenn in der Folge mit dem Ersatzbescheid nicht über die Vorfrage selbst (zB Einstellung nach § 45 Abs 1 lit c VStG) entschieden wird (Hinweis E VS , 87/11/0008, VwSlg 12555 A/1987 und E , 88/11/0261).
Normen
AVG §38;
AVG §69 Abs1 litc;
RS 2
Der VwGH hat in gleichgelagerten Fällen nicht zum Ausdruck gebracht, daß der Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs 1 lit c AVG schon unmittelbar auf Grund des aufhebenden Erkenntnisses des VwGH und nicht erst auf Grund des dadurch notwendig werdenden, ihm nachfolgenden Verwaltungsaktes der hiefür zuständigen Behörde gegeben sei (Hinweis E , 3007, 3068/79).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des W gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom , Zl. 420.702/1-IV/2/90, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens in Angelegenheit Kraftfahrwesen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 89/11/0131, wurde die gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers, erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Im Hinblick darauf, daß dieser auf mangelnde Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers gegründeten Entziehungsmaßnahme u.a. eine am begangene Übertretung nach (§ 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit) § 5 Abs. 1 StVO 1960 zugrunde lag und der diesbezüglich im Verwaltungsstrafverfahren ergangene Bescheid der Wiener Landesregierung vom mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 89/18/0020, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde, begehrte der Beschwerdeführer mit Antrag vom die Wiederaufnahme des Entziehungsverfahrens. Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom , B 396/90, nach Ablehnung ihrer Behandlung abgetretene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 69 Abs. 1 lit. c AVG 1950 ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

Die Frage, ob der Beschwerdeführer (auch) am eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen hat, stellte bei Erlassung des Entziehungsbescheides vom eine Vorfrage gemäß § 38 AVG 1950 dar, die - wie der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits erwähnten Erkenntnis vom ausgesprochen hat - für den Landeshauptmann von Wien auf Grund des vorangegangenen rechtskräftigen Strafbescheides vom bindend gelöst war. Mit der Aufhebung des Strafbescheides mit Erkenntnis vom wurde - entgegen der offenbaren Ansicht des Beschwerdeführers - diese Vorfrage, unabhängig von der Begründung des Erkenntnisses, nicht im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. c AVG 1950 "von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden", sondern nur der Strafbescheid aus dem Rechtsbestand beseitigt, und es oblag daraufhin dem Landeshauptmann von Wien als der hiefür zuständigen Behörde, in der betreffenden Angelegenheit neuerlich über die Strafberufung des Beschwerdeführers (wenn auch nunmehr unter Beachtung der Bestimmung des § 63 Abs. 1 VwGG) zu entscheiden. Der Verwaltungsgerichtshof hat in gleichartigen Fällen nicht, und zwar auch nicht in den in der Beschwerde zitierten Erkenntnissen vom , Zlen. 3007, 3068/79, und vom , Zl. 87/11/0113, zum Ausdruck gebracht, daß der betreffende Wiederaufnahmsgrund schon unmittelbar auf Grund des aufhebenden Erkenntnisses und nicht erst auf Grund des dadurch notwendig werdenden, ihm nachfolgenden Verwaltungsaktes der hiefür zuständigen Behörde gegeben sei. Auch in dem die gegenständliche Entziehungsmaßnahme betreffenden Erkenntnis vom hat der Verwaltungsgerichtshof im gegebenen Zusammenhang bei einleitender Wiedergabe seiner Judikatur lediglich bemerkt, daß bei Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Entziehungsbescheides allenfalls nach dessen Erlassung eintretende Änderungen, wie die Aufhebung des im Verwaltungsstrafverfahren ergangenen, die Vorfrage lösenden Berufungsbescheides, keine Berücksichtigung finden können, sondern nur in einem späteren Wiederaufnahmeverfahren gemäß § 69 Abs. 1 lit. c AVG 1950 von Bedeutung sein könnten; dahingehend, daß bereits die bloße Aufhebung des Strafbescheides einen geeigneten Wiederaufnahmsgrund bildet, wurde darin keine Aussage getroffen.

Wie aus der Beschwerde weiters hervorgeht, hat auch die Wiener Landesregierung in der Folge auf Grund des aufhebenden Erkenntnisses vom mit Ersatzbescheid vom das Verwaltungsstrafverfahren mit der Begründung, es sei Verfolgungsverjährung eingetreten, gemäß § 45 Abs. 1 lit. c VStG 1950 eingestellt. Damit ist aber für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen, weil auf diese Weise über die genannte Vorfrage gar keine Entscheidung getroffen wurde und demnach auch keine anderslautende Vorfragenentscheidung im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. c AVG 1950 vorliegt (vgl. u.a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 12555/A, und sein Erkenntnis vom , Zl. 88/11/0261). Die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens auf Grund eines Umstandes, der die Verfolgung ausschließt, bedeutete nicht, daß der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Übertretung nicht begangen hat. Der Verwaltungsgerichtshof verkennt zwar nicht, daß dieses Ergebnis vom Standpunkt des Rechtsschutzbedürfnisses her höchst unbefriedigend ist; doch läge es am Gesetzgeber, die bestehende Rechtslage - der zufolge im Katalog der Wiederaufnahmsgründe gemäß § 69 Abs. 1 AVG 1950 der bloße Wegfall einer die Behörde bindenden Vorfragenentscheidung (ohne daß darin schon eine anderslautende Entscheidung liegt) nicht enthalten ist - zu ändern.

Da somit der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §38;
AVG §69 Abs1 litc;
KFG 1967 §73;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1990:1990110140.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
IAAAE-49827