VwGH vom 27.01.1998, 93/14/0112
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der L-GmbH & Co. KG in W, vertreten durch Dr. Bernhard Heitzmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, Müllerstraße 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol, Berufungssenat I, vom , Zl 30.890-3/91, betreffend ua Umsatzsteuer 1984 bis 1989, Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für Jänner bis August 1990, einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften 1984 bis 1989, Gewerbesteuer 1984 bis 1988, Gewerbesteuerzerlegung 1984 bis 1988 und Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages 1989, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung, somit hinsichtlich Umsatzsteuer 1984 bis 1989, Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für Jänner bis August 1990, einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften 1984 bis 1989, Gewerbesteuer 1984 bis 1988, Gewerbesteuerzerlegung 1984 bis 1988 und Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages 1989, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Gegenstand des Unternehmens der beschwerdeführenden KG ist der Betrieb von Liftanlagen. In den Jahren 1983 und 1984 errichtete die Beschwerdeführerin eine Sommerrodelbahn.
In ihren Umsatzsteuererklärungen für 1984 bis 1989 erklärte die Beschwerdeführerin neben geringfügigen mit dem Normalsteuersatz zu versteuernden Umsätzen weitaus überwiegend Umsätze zum begünstigten Steuersatz aus Beförderungsleistungen.
Anläßlich der Veranlagung der Beschwerdeführerin zur Umsatzsteuer 1984 ersuchte das Finanzamt um Aufgliederung der mit 10 % versteuerten Umsätze betreffend Personenbeförderung in Umsätze hinsichtlich der Sommerrodelbahn und übrige Umsätze, weil Umsätze aus dem Betrieb der Sommerrodelbahn dem Normalsteuersatz überlägen.
In ihrer Vorhaltsbeantwortung vom wies die Beschwerdeführerin darauf hin, daß die von ihr betriebenen Aufstiegshilfen im Winter insbesondere die vorhandenen Skiabfahrten, aber auch Wanderwege erschlössen. Der Sommerbetrieb der Sesselbahn habe seinen Schwerpunkt überwiegend als Aufstiegshilfe für Bergwanderer und Bergsteiger in einem bekannterweise stark frequentierten Gebirgsmassiv. Überdies dienten die vorhandenen Anlagen im Winter sowie im Sommer der Personenbeförderung zu den vorhandenen Berggasthäusern bzw Jausenstationen. Als Zielsetzung der in den Jahren 1983 und 1984 errichteten Sommerrodelbahn sei grundsätzlich eine Frequenzsteigerung bzw Mehrauslastung der vorhandenen Sesselliftanlagen in Ausicht genommen gewesen. Als weitere begleitende Maßnahmen seien insbesondere auch in Zusammenarbeit mit Gemeinde und Fremdenverkehrsverband die Skiabfahrten sowie Wander- und Spazierwege errichtet bzw ausgebaut sowie Wegmarkierungen, Beschilderung, Ruhebänke bzw Aussichtspunkte angelegt worden. Sämtliche Maßnahmen und infrastrukturelle Investitionen seien aus dem Blickwinkel der begleitenden Angebotsabrundung für den Gast bzw Benützer der Liftanlagen zu sehen, zumal aus Konkurrenzgründen auf möglichst optimale Anlagen hinsichtlich Sicherheit und Bequemlichkeit stets Bedacht zu nehmen sei. Die Tarifgestaltung für den Liftbetrieb sei daher auch unter dem Aspekt der zu verbessernden Sommer-Auslastung in der Weise gestaltet, daß dem Gast mit dem Erwerb der Karte für die Beförderung mit dem Sessellift das gesamte Paket der infrastrukturellen Einrichtungen mitgeboten werde. Die Beförderung mit dem Sessellift bergwärts lasse dem Benützer anschließend eine Vielzahl von Möglichkeiten offen; das Beförderungsentgelt werde jedoch ausschließlich für die Benützung der Sesselliftanlage, somit für eine Personenbeförderung gemäß § 10 Abs 2 Z 19 UStG 1972, eingehoben. Überdies sei bei Erwerb der Liftkarte durch den Gast für das Unternehmen nicht erkennbar, welche Angebotsmöglichkeit der Gast annehme. Eine Aufgliederung der erklärten Umsätze in "Umsätze-Sommerrodelbahn" und "übrige Umsätze" sei daher nicht möglich und auch nicht notwendig, da im gegenständlichen Fall die Beförderung mit dem Sessellift eine selbständige Hauptleistung darstelle.
In der Folge veranlagte das Finanzamt die Beschwerdeführerin zur Umsatzsteuer für die Jahre 1984 bis 1988 erklärungsgemäß.
Anläßlich einer abgabenbehördlichen Prüfung ua betreffend die Umsatzsteuer für die Jahre 1984 bis 1988 stellte der Prüfer fest, daß ungeachtet der Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihrem Antwortschreiben vom durch die Investitionen der Sommerrodelbahn in den Monaten 4 bis 11 ein enormer Umsatzzuwachs zu verzeichnen gewesen sei, der fast ausschließlich auf die Sommerrodelbahn zurückzuführen gewesen sein dürfte, weil die Umsätze vom Zeitraum 4 bis 11/83 (noch ohne Sommerrodelbahn) von rd S 440.000,-- gegenüber dem Zeitraum 4 bis 11/84 und Folgejahre auf zwischen S 2,2 Mio und nahezu S 4 Mio angestiegen seien. Nachdem eine Trennung des Entgeltes für Besucher, die wirklich nur den Lift als Aufstiegshilfe benützten (Bergwanderer) und den Sommerrodelbahnbenützern nicht vorgenommen worden sei, seien die auf die Rodelbahn entfallenden Umsätze im Schätzungsweg zu ermitteln. Ertragsteuerlich seien die daraus folgenden Umsatzsteuernachforderungen zu passivieren.
Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers und unterzog die vom Prüfer in der Folge auf Normalsteuersatz und begünstigten Steuersatz aufgeteilten Umsätze nach Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren der entsprechenden Besteuerung und erließ auch - nach Wiederaufnahme der Verfahren - entsprechende neue Sachbescheide hinsichtlich einheitlicher und gesonderter Feststellung von Einkünften und Gewerbesteuer. Für das Jahr 1989 ergingen nach einem vorläufigen ein endgültiger Umsatzsteuerbescheid, in welchem ebenfalls eine entsprechende Aufteilung der Umsätze erfolgte, sowie Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften und hinsichtlich Gewerbesteuer, in welchen ebenfalls die ertragsteuerlichen Konsequenzen aus der daraus folgenden Umsatzsteuernachforderung gezogen wurden. Das Finanzamt setzte auch die Umsatzsteuervorauszahlungen für 1 bis 8/1990 entsprechend fest.
In dagegen eingebrachten Berufungen und einem diese ergänzenden Schriftsatz wandte sich die Beschwerdeführerin gegen die Aufteilung der Umsätze für die Beförderungsleistungen auf den Normalsteuersatz und den begünstigten Steuersatz, wiederholte ihr bereits in der Vorhaltsbeantwortung erstattetes Vorbringen und ergänzte es insbesondere dahin, daß die Betriebsführung der Beschwerdeführerin in ihrer Gesamtheit eindeutig als "Liftbetrieb" ausgerichtet sei. Sämtliche organisatorischen, kalkulatorischen und investitionspolitischen Entscheidungen und Maßnahmen seien nur unter dem Blickwinkel der Entwicklung bzw weiteren Verbesserungen des Liftbetriebes zu sehen. Die betriebswirtschaftlichen Grundlagen und Maßnahmen zur Verbesserung der Unternehmensleistungen würden insbesondere durch die Faktoren "Frequenzsteigerung" sowie "Angebotsverbesserung" zu beeinflussen versucht. Die zur Angebotsverbesserung konzipierte Rodelbahn habe also zwar wesentlich zur Frequenzsteigerung beigetragen, die Tarifgestaltung sei durch dieses Zusatzangebot keineswegs beeinflußt worden. Die entgeltliche Personenbeförderung mit dem Sessellift, für die von seinen Benutzern ausschließlich ein Entgelt unter Berücksichtigung des dafür gesetzlich vorgesehenen begünstigten Umsatzsteuersatzes eingehoben werde, könne nicht für Zwecke der Umsatzbesteuerung von einem "aktiven Tun" einer Beförderungsleistung in ein passives "Benützenlassen" einer Einrichtung (hier Rodelbahn) umgewandelt werden. Der Leistungsaustausch zwischen leistendem Unternehmen und zahlendem Gast sei eindeutig und unmißverständlich in der Beförderung mit dem Sessellift gegeben. Die dem Entgelt gegenüberstehende Beförderungsleistung bestehe letztlich im Energiebedarf pro Höhen- und Längenmeter des Liftes.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, daß die Umsätze aus dem Betrieb einer Sommerrodelbahn nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Normalsteuersatz zu unterziehen seien. Im gegenständlichen Fall gehe es um die "Besteuerung der Sommerrodelbahn" und nicht um die Besteuerung des Umsatzes des "dabei mitverwendeten Sesselliftes". Unmaßgeblich seien hiebei die unternehmenspolitischen und betriebswirtschaftlichen Gründe, die für die Errichtung der Sommerrodelbahn ausschlaggebend gewesen seien. Es liege klar auf der Hand, daß den Benützern einer Sommerrodelbahn als Leistung das Benützendürfen der gesamten Sommerrodelbahn angeboten und erbracht werde. Eine Unterteilung dieser Gesamtleistung, die wohl auch das Hinaufbefördern des Benützers der Sommerrodelbahn zum Ausgangspunkt beinhalte, sei schon deshalb nicht möglich, weil bei einer Gesamtleistung, die nur als solche für den Leistungsempfänger von Bedeutung sei, eine unterschiedliche Betrachtung der einzelnen, die Gesamtleistung ergebenden Teilleistungen dem Gesetz widersprechen würde. Aber selbst wenn man im vorliegenden Fall in Haupt- und Nebenleistungen aufspalten wollte, wäre für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen, weil unabhängig von der kalkulatorischen Wertigkeit der einzelnen Haupt- und Nebenleistungen bei dem Betrieb einer Sommerrodelbahn nur die Erlaubnis, die Sommerrodelbahn benützen zu dürfen, als Hauptleistung, die Beförderung des Leistungsempfängers zum Ausgangspunkt der Rodelbahn immer nur als Nebenleistung angesehen werden könne.
In der gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde (soweit sie die Zurücknahmeerklärung der Berufung zum Inhalt hat, wurde Beschwerde ausdrücklich nicht erhoben) wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides unter Kostenzuspruch beantragt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde stellt im angefochtenen Bescheid fest, daß es im gegenständlichen Fall um die "Besteuerung der Sommerrodelbahn" und nicht um die Besteuerung des Umsatzes des "dabei mitverwendeten Sesselliftes" gehe.
Nun birgt jedoch bereits diese Formulierung die Gefahr einer möglichen Fehlerquelle in sich, weil eine Sommerrodelbahn als solche nicht "besteuert" wird. Der Umsatzsteuer unterliegen unter Berücksichtigung des § 1 Abs 1 Z 1 UStG 1972 allenfalls die aus dem Betrieb einer Sommerrodelbahn erzielten Umsätze. Mit der Frage, ob solche im Beschwerdefall vorliegen, hat sich die belangte Behörde aber sachverhaltsbezogen nicht auseinandergesetzt. Bereits der Prüfer folgerte lediglich aus einem "enormen Umsatzzuwachs" nach Errichtung der Sommerrodelbahn, daß dieser auf Umsätze der Sommerrodelbahn entfallen "dürfte", ohne entsprechende Ermittlungen im Sachverhaltsbereich anzustellen, etwa, unter welchen konkreten Voraussetzungen die Benützung der Sommerrodelbahn möglich ist (ob und in welcher Weise deren Benützung an die Benützung des Sesselliftes gebunden ist oder - wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid meint - der Sessellift bei Benützung der Sommerrodelbahn "mitverwendet" wird) oder ob das Entgelt für die Beförderung mit dem Sessellift nach Fertigstellung der Sommerrodelbahn signifikant erhöht wurde. Soweit die belangte Behörde in der Folge eine Leistung in Form eines "Benützendürfens der gesamten Sommerrodelbahn" erwähnt und darunter die berg- und talwärts erfolgende Fortbewegung versteht, vermengt sie die neu erbaute Vorrichtung zur talwärts gerichteten Fortbewegung mittels "Rodel" mit der bergwärts gerichteten Fortbewegung mittels des bereits bestehenden Sesselliftes. Vor dem Hintergrund der - wie aufgezeigt - mangelnden Ermittlungen im Verwaltungsverfahren findet der Sachverhalt einer so verstandenen "gesamten Sommerrodelbahn" keine Deckung.
Die belangte Behörde setzte sich mit dem ausdrücklichen Vorbringen der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren, wonach ua die Tarifgestaltung - für die Beförderungsleistung mit dem Sessellift - durch das neue Zusatzangebot keineswegs beeinflußt worden sei und insgesamt zum Ausdruck gebracht wurde, daß für die Benützung der Sommerrodelbahn - wie etwa auch für die Benützung der angelegten und gepflegten Skipisten im Winter - kein Entgelt verlangt werde, konkret nicht auseinander, sondern erachtet unter der erwähnten Feststellung, daß es um die "Besteuerung der Sommerrodelbahn" gehe, das diesbezügliche Vorbringen als unmaßgebliche unternehmenspolitische und betriebswirtschaftliche Gründe für die Errichtung der Sommerrodelbahn. Damit ist aber die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht geeignet, die Beurteilung der belangten Behörde zu tragen, daß die im Schätzungsweg aus den erklärten Umsätzen aus dem Liftbetrieb herausgelösten und insoweit der Sommerrodelbahn zugeordneten "Umsätze" nicht dem begünstigten Steuersatz unterlägen, weil diese Beurteilung jedenfalls die Erzielung von Umsätzen aus dem Betrieb der Sommerrodelbahn voraussetzte, von der belangten Behörde aber sachverhaltsbezogen nicht dargetan wurde, daß solche Umsätze tatsächlich erzielt wurden.
Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang seiner Anfechtung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit BGBl Nr 416/1994. An Ersatz für Stempelgebühren konnten nur S 510,-- (für drei Beschwerdeausfertigungen und den angefochtenen Bescheid in einfacher Ausfertigung) gewährt werden.