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VwGH vom 16.12.2002, 2002/10/0182

VwGH vom 16.12.2002, 2002/10/0182

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:

* Vorabentscheidungsantrag:

99/10/0064 B

* EuGH-Entscheidung:

EuGH 62001CJ0099

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des Dkfm. Gottfried L in Wien, vertreten durch Dr. Georg Legat, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 07/L/49/00083/98, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom einer Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 lit. a und § 8 lit. f Lebensmittelgesetz 1975 (LMG) schuldig erkannt, weil er es (als Geschäftsführer) zu verantworten habe, dass die C. Gesellschaft m.b.H. an die B. AG das Produkt "Palmolive flüssige Seife Prima Antibakteriell" mit der Angabe "Dermatologisch getestet" geliefert habe. Damit sei beim Konsumenten der Eindruck einer gesunderhaltenden Wirkung erweckt und das Produkt somit falsch bezeichnet worden. Es wurde eine Geldstrafe von S 2.000,-- verhängt.

Die gegen diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde macht unter anderem geltend, im Beschwerdefall sei bei der Auslegung des nationalen Rechts Art. 7 Abs. 1 der RL 76/768 zu beachten. Der Beschwerdeführer vertritt unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom , Österreichische Unilever GmbH/Smithkline Beecham Markenartikel GmbH, Slg. 1999, I-0431, die Auffassung, er hätte nicht bestraft werden dürfen, weil es die Behörde unterlassen habe, im Einzelfall die Irreführungseignung seiner Behauptung "dermatologisch getestet" zu überprüfen. Die vom österreichischen Gesetz (§ 9 Abs. 2 in Verbindung mit § 26 Abs. 2 LMG) geforderte behördliche Zulassung solcher Bezeichnungen stelle ein unzulässiges Hindernis für den freien Warenverkehr dar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom gemäß Art. 234 EG dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"1. Stehen die Art. 28 und 30 EG, die Richtlinie 76/768/EWG des Rates vom zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel in ihrer durch die Richtlinien 88/667/EWG des Rates vom und die Richtlinie 93/35/EWG des Rates vom geänderten Fassung (im Folgenden: RL 76/768) insbesondere deren Art. 6 Abs. 3, sowie die Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über irreführende Werbung (im Folgenden: RL 84/450), insbesondere deren Art. 4 und 7, der Regelung eines Mitgliedstaates entgegen, wonach es verboten ist, beim Inverkehrbringen von kosmetischen Mitteln - insbesondere durch den Gebrauch der Bezeichnung "klinisch getestet" bzw. "dermatologisch getestet" - auf ärztliche Gutachten hinzuweisen, wenn beim Verbraucher mangels Angaben über Gegenstand und Ergebnis des Gutachtens unrichtige Vorstellungen über Beschaffenheit und Wirkungsweise des kosmetischen Mittels hervorgerufen werden können?

2. Stehen die Art. 28 und 30 EG, die RL 76/768, insbesondere deren Art. 6 Abs. 3, und die RL 84/450, insbesondere deren Art. 4 und 7, der Regelung eines Mitgliedstaates entgegen, die die Verwendung von Angaben im Sinne von Frage 1 nur nach einer vorherigen Genehmigung durch den zuständigen Bundesminister zulässt?"

Mit Urteil vom , C-99/01, erkannte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften über die ihm vom Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Fragen für Recht:

"1. Artikel 6 Absatz 3 der Richtlinie 76/768/EWG des Rates vom in der durch die Richtlinie 93/35/EWG des Rates vom geänderten Fassung steht der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, nach der es verboten ist, beim Inverkehrbringen von kosmetischen Mitteln - insbesondere durch den Gebrauch der Bezeichnung dermatologisch getestet - auf ärztliche Gutachten hinzuweisen, wenn dieser Hinweis keine Angaben über Gegenstand und Ergebnis dieser Gutachten enthält .

2. Artikel 6 Absatz 3 der Richtlinie 76/768 in der durch die Richtlinie 93/35 geänderten Fassung steht der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, die die Verwendung von Angaben im Sinne der ersten Frage nur nach einer vorherigen Genehmigung durch den zuständigen Minister zulässt."

In der Begründung führte der Gerichtshof unter anderem Folgendes aus:

"32. Demgemäß kann die Angabe dermatologisch getestet auf der Verpackung bestimmter kosmetischer Mittel, im vorliegenden Fall von Seifen und Haarpflegemitteln, bei einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher nur die Vorstellung wecken, dass das Mittel einem Test zur Ermittlung seiner Auswirkungen auf die Haut unterzogen wurde, und dass sein Inverkehrbringen auf günstige Ergebnisse dieses Tests und darauf hinweist, dass festgestellt wurde, dass es für die Haut gut verträglich oder zumindest unschädlich ist.

33. Zudem können die nationalen Behörden diese Ergebnisse überwachen.

34. Nach Artikel 7a Absatz 1 Buchstaben f und g der Richtlinie 76/768 ist der für das Inverkehrbringen eines kosmetischen Mittels Verantwortliche nämlich verpflichtet, sicherzustellen, dass den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bekannte Daten über unerwünschte Nebenwirkungen für die menschliche Gesundheit, die durch das kosmetische Mittel bei seiner Anwendung hervorgerufen werden, und den Nachweis der angepriesenen Wirkung für diese Mittel leicht zugänglich sind.

35. Daher kann die Angabe dermatologisch getestet einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher nicht dadurch irreführen, dass sie den in Rede stehenden Erzeugnissen Eigenschaften zuschreibt, die sie nicht besitzen, und zudem kann ein Irrtum über diese Eigenschaften die Gesundheit nicht gefährden."

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 26 Abs. 1 lit. d LMG ist es verboten, kosmetische Mittel in Verkehr zu bringen, die falsch bezeichnet sind.

Nach § 26 Abs. 2 LMG gelten (für den Verkehr mit kosmetischen Mitteln) § 8 lit. a, b und f sinngemäß, § 9 gilt mit der Maßgabe, dass nicht irreführende Hinweis auf physiologische oder pharmakologische Wirkungen sowie bildliche Darstellungen zur Erläuterung des Anwendungsbereiches zulässig sind. Werden solche Wirkungen behauptet, sind der Behörde auf Verlangen die wirksamen Komponenten bekanntzugeben.

Nach § 8 lit. f (in Verbindung mit § 26 Abs. 2) LMG sind kosmetische Mittel falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich sind, wie über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht, oder in solcher Form oder Aufmachung oder mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§ 9) in Verkehr gebracht werden.

Nach § 9 Abs. 1 in Verbindung mit § 26 Abs. 2 LMG ist es verboten, beim Inverkehrbringen von kosmetischen Mitteln

a) sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken;

b) auf Krankengeschichten, ärztliche Empfehlungen oder auf Gutachten hinzuweisen;

c) gesundheitsbezogene, bildliche oder stilisierte Darstellungen von Organen des menschlichen Körpers, Abbildungen von Angehörigen der Heilberufe oder von Kuranstalten oder sonstige auf Heiltätigkeiten hinweisende Abbildungen - ausgenommen bildliche Darstellungen zur Erläuterung des Anwendungsbereiches - zu verwenden.

Nach § 9 Abs. 3 in Verbindung mit § 26 Abs. 2 LMG hat der Bundesminister auf Antrag für bestimmte kosmetische Mittel gesundheitsbezogene Angaben mit Bescheid zuzulassen, wenn dies mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar ist.

Nach § 74 Abs. 1 LMG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer -

unter anderem - kosmetische Mittel falsch bezeichnet oder kosmetische Mittel, die falsch bezeichnet sind, in Verkehr bringt.

Mit der Zulässigkeit der Hinweise "klinisch getestet" bzw. "dermatologisch getestet" hatte sich der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach, jedoch ausschließlich in Fällen zu beschäftigen, die sich vor dem Beitritt der Republik Österreich zum Europäischen Wirtschaftsraum bzw. zur Europäischen Union ereignet hatten. Die zu diesen Fällen ergangene Rechtsprechung ist wie folgt zusammenzufassen:

Das Gesetz (§ 9 Abs. 1 lit. b LMG) lasse Hinweise auf ärztliche Gutachten beim Inverkehrbringen von kosmetischen Mitteln nicht zu, wenn der Hinweis nicht dahin konkretisiert werde, welche Eigenschaften des Produktes mit welchem Ergebnis untersucht worden seien (Erkenntnisse vom , 92/10/0468, vom , 93/10/0219, 93/10/0220, 94/10/0107, vom , 93/10/0180, und vom , 98/10/0009). Tragend war dabei die Auffassung, der Gesetzgeber gehe beim Verbot des § 9 Abs. 1 lit. b LMG davon aus, dass der in der Hervorhebung eines klinischen bzw. dermatologischen Tests gelegene Hinweis auf ein ärztliches Gutachten beim Verbraucher wenigstens unterschwellig die unbestimmte Vorstellung gesundheitlicher Wirkungen suggerieren könne, wenn der Hinweis in keiner Weise konkretisiert sei. Als im Hinblick auf die Vorschrift des § 26 Abs. 2 LMG erlaubt wurde hingegen der Hinweis auf ärztliche Gutachten ("klinisch getestet", "dermatologisch getestet") beim Inverkehrbringen von kosmetischen Mitteln dann angesehen, wenn klargestellt wurde, dass sich die Untersuchung - losgelöst von den Folgen, die sich daraus für den Gesundheitszustand des Menschen ergeben - auf einzelne physiologische oder pharmakologische Wirkungen des betreffenden Produktes bezogen habe, z.B. mit dem Hinweis "klinisch auf Hautverträglichkeit und Entfernung des Haares samt Wurzel geprüft" beim Inverkehrbringen eines Haarentfernungsmittels (Erkenntnis vom , 91/10/0005).

Die den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bildende Bestrafung beruht auf der Auffassung, die Verwendung der Bezeichnung "dermatologisch getestet" beim Inverkehrbringen einer Flüssigseife ohne Genehmigung falle unter das Verbot gesundheitsbezogener Angaben nach § 9 Abs. 1 LMG.

Nach dem oben erwähnten Urteil des EuGH muss die so aufgefasste Regelung im Beschwerdefall wegen eines Widerspruchs zu

Artikel 6 Absatz 3 der Richtlinie 76/768/EWG des Rates vom in der durch die Richtlinie 93/35/EWG des Rates vom geänderten Fassung unangewendet bleiben. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH - AufwandersatzVO 2001.

Bemerkt wird, dass der Schriftsatz des Beschwerdeführers vom ein an den EuGH gerichtetes Begehren auf Ersatz des Schriftsatzaufwandes enthält. Der EuGH hat dazu ausgesprochen, dass die Kostenentscheidung betreffend die Auslagen der Parteien Sache des vorlegenden Gerichts sei (Rn. 47). Mangels eines an den VwGH gerichteten Antrages im Sinne des § 59 Abs. 1 VwGG war in der vorliegenden Entscheidung über das erwähnte Begehren des Beschwerdeführers nicht abzusprechen. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 99/03/0199, vom , Zlen. 99/10/0069, 0070, und vom , Zl. 2000/09/0116, wonach keine gesetzliche Grundlage für den Ersatz des Aufwandes besteht, der dem Beschwerdeführer auf Grund seiner Beteiligung an einem Zwischenverfahren, das nicht vor dem Verwaltungsgerichtshof geführt wurde, entstanden ist. Weiters ist auf das , Slg. 2001 I-09687, hinzuweisen, wonach Artikel 104 § 5 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes in der kodifizierten Fassung 1999/C 65/01 vom dahin auszulegen ist, dass sich die Festsetzung der Kosten, die den Parteien des Ausgangsverfahrens für ein Vorabentscheidungsverfahren nach

Artikel 234 EG entstanden sind, nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften bestimmt, die auf den beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit anwendbar sind, soweit diese nicht ungünstiger sind als diejenigen für vergleichbare Zwischenverfahren, zu denen es im Rahmen eines solchen Rechtsstreits nach nationalem Recht kommen kann. In der Begründung hat der EuGH dargelegt, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, zu untersuchen, ob eine nationale Regelung, die - wie das VwGG und die Verordnung - vorsieht, dass die in einem Rechtsstreit vor einem nationalen Gericht obsiegende Partei Anspruch auf Erstattung bestimmter Aufwendungen hat, die aber keine besonderen Bestimmungen hinsichtlich der Aufwendungen enthält, die im Rahmen dieses Rechtsstreits durch ein Zwischenverfahren wie das durch

Artikel 234 EG geschaffene Vorabentscheidungsverfahren entstanden sind, unterschiedslos auf das Vorabentscheidungsverfahren nach

Artikel 234 EG und auf vergleichbare Zwischenverfahren, zu denen es im Rahmen des Ausgangsverfahrens nach nationalem Recht kommen kann, Anwendung finden muss (Rn. 29 bis 31). Dies ist hier der Fall; denn das VwGG begründet weder für die mit einem Vorabentscheidungsverfahren nach Artikel 234 EG noch für die mit vergleichbaren "Zwischenverfahren", beispielsweise einem gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG durch Antrag des Verwaltungsgerichtshofes eingeleiteten Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof, in Zusammenhang stehenden Aufwendungen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens einen Anspruch auf Ersatz. Diese Regelung steht nach dem oben Gesagten somit nicht im Widerspruch zu Gemeinschaftsrecht.

Wien, am