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VwGH vom 26.01.1999, 98/14/0218

VwGH vom 26.01.1999, 98/14/0218

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde 1. des GA in I,

2. des MW in O, 3. des RG in N und 4. des CP in S, alle vertreten durch Dr. Josef Thaler und Mag. Wilfried Huber, Rechtsanwälte in Zell am Ziller, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom , RV 112/1-T7/98, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1992 bis 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Gesellschafter einer volkstümliche Schlagermusik darbietenden Gesellschaft nach bürgerlichem Recht.

Anläßlich einer die Veranlagungsjahre 1992 bis 1995 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung vertrat der Prüfer unter Bezugnahme auf ein Gutachten der Hochschule Mozarteum Salzburg (Gutachter Prof. Sulz und Mag. Nußbaumer, Institut für musikalische Volkskunde) die Auffassung, die Tätigkeit der Musikgruppe sei nicht als künstlerisch einzustufen und erziele daher Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Musikgruppe hatte ihrerseits drei Gutachten vorgelegt, die für ihre Künstlereigenschaft sprechen sollten.

Das Finanzamt erließ Bescheide betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1992 bis 1995 und qualifizierte dabei die Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb.

In der Berufung wurde u.a. vorgebracht, die Musikgruppe habe mehrere Schallplatten und CDs produziert; sie habe auch einige Goldene Schallplatten erreicht. Sie erziele breite Anerkennung durch ein sachverständiges Publikum, was in zahlreichen Auftritten in Rundfunk und Fernsehen sowie bei Konzerten und sonstigen Veranstaltungen im In- und Ausland zum Ausdruck komme. Aufgrund des hohen Niveaus habe die Musikgruppe beim Grand Prix der Volksmusik einmal den ersten und einmal den zweiten Platz errungen. Die Beschwerdeführer könnten zwar keine künstlerische Hochschulausbildung vorweisen, ihre Darbietungen würden aber hohe Professionalität und großes Talent unter Beweis stellen. Jeder der Beschwerdeführer verfüge über ein umfassendes instrumentaltechnisches Können und über eine Gesangsausbildung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Für die Einstufung einer Musikdarbietung als Kunst sei die technisch-handwerkliche Qualität der Interpretation und auch die Qualität der dargebotenen Musikstücke ausschlaggebend. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes spreche der Anschein für das Fehlen des künstlerischen Charakters der Darbietung, wenn die dargebotenen Musikstücke nicht als Kunst anzusehen seien. In einem solchen Fall müßten besondere Umstände für den künstlerischen Charakter des Vortrages sprechen, um von einer künstlerischen Betätigung sprechen zu können.

Im gegenständlichen Fall gehe es um eine in der volkstümlichen Szene sehr bekannte und auch sehr erfolgreiche Musikgruppe. Die Beschwerdeführer würden ihr Repertoire handwerklich ausgezeichnet bewältigen und über vortreffliche gesangliche Qualitäten verfügen. In Würdigung der vorliegenden Gutachten gehe die belangte Behörde aber dennoch nicht von einer künstlerischen Tätigkeit aus.

Im Gutachten von Prof. Födermayr würde die künstlerische Qualität ausschließlich an der Akzeptanz der Zielgruppe gemessen. Nach Ansicht der belangten Behörde könne aber aus der Publikumsakzeptanz nicht auf das künstlerische Niveau einer musikalischen Darbietung geschlossen werden.

Im Gutachten von Prof. Gattermeyer würden nahezu ausschließlich die interpretatorischen Fähigkeiten der Beschwerdeführer beurteilt. Der musikalische Vortrag werde als rhythmisch präzis, homogen im mehrstimmigen Verlauf, sauber im harmonischen Geschehen und ausgezeichnet in der Diktion beschrieben. Auch sei von schönen, gut aufeinander abgestimmten Stimmen die Rede. Die dynamischen Kontraste der Gruppe würden als nicht sehr abwechslungsreich beschrieben. Stilistisch entspreche die Interpretation dem üblichen Hörbild. Prof. Gattermeyer bewerte die Interpretationskunst als künstlerisch. Nach Ansicht der belangten Behörde lasse dieses Gutachten eine hinreichende Auseinandersetzung mit den dargebotenen Musikwerken vermissen.

Im Gutachten von Dr. Gstrein werde nicht ausgeführt, welche Kriterien bei der Musikrichtung "volkstümlicher Schlager" vorliegen müßten, um eine künstlerische Tätigkeit annehmen zu können. Wenn der Gutachter auf zahlreiche Auftritte der Beschwerdeführer im Fernsehen sowie auf die Erfolge beim Grand Prix der Volksmusik verweise, halte die belangte Behörde entgegen, daß diese Umstände keine ausreichenden Hinweise auf die Künstlereigenschaft darstellten. Die Verleihung von Goldenen Schallplatten spreche zwar für einen Publikumserfolg, sei aber für die Frage der künstlerischen Qualität wenig aussagekräftig. Zur Beschaffenheit der Musikstücke werde in diesem Gutachten lediglich ausgeführt, "harmonisch bewegt sich ihre Musik im Rahmen der Hauptstufendreiklänge und deren Stellvertreterakkorde, diese strukturelle Einfachheit ist bedingt durch die Grenzen der Musikrichtung; trotzdem gelingt es den Komponisten und Arrangeuren, immer wieder originelle Akkordverbindungen herzustellen." Das Gutachten zeige allerdings nicht auf, worin die Originalität zu erblicken sei. Dr. Gstrein stütze sein positives Urteil im wesentlichen auf den Umstand, daß die Arrangements zwar im wesentlichen nicht über das in diesem Genre Übliche hinausgingen, innerhalb dieser Grenzen aber auf hohem Niveau gestaltet seien und sich positiv von trivialeren Beispielen abheben würden. Nach Ansicht der belangten Behörde seien aber hohe Anforderungen zu erfüllen, um eine Tätigkeit als künstlerisch zu qualifizieren.

Die belangte Behörde schließe sich dem Gutachten von Prof. Sulz und Mag. Nußbaumer an. Dieses sei schlüssig begründet und nachvollziehbar. Nur in diesem Gutachten werde angeführt, welche Kriterien für die Annahme der künstlerischen Qualität einer musikalischen Darbietung erfüllt sein müßten. Die belangte Behörde folge auch der Ansicht dieser Gutachter, wonach das Arrangieren, Setzen und Instrumentalisieren als Handwerk einzustufen sei. Jeder Musiker, der gewerbsmäßig musiziere, müsse danach trachten, einen gewissen technisch-handwerklichen Standard zu erreichen.

Es möge zutreffen, daß die Beschwerdeführer als erste Musikgruppe im Bereich der volkstümlichen Schlagermusik eine Mischung von Akkordeon, Synthesizer und Keyboard verwendet hätten. Darin könne aber nach Ansicht der belangten Behörde nicht der entscheidende Qualitätssprung von technisch-handwerklichem Können zur Kunst erblickt werden, zumal von keinem Gutachter festgestellt worden sei, daß der Musikgruppe dadurch ein spezifisches Klangprofil verliehen worden sei.

Die Gutachter Prof. Sulz und Mag. Nußbaumer hätten die dargebotenen Musikstücke als nicht künstlerisch bewertet, weil sie nicht im ausreichenden Maße innovativ bzw originell gewesen seien. Die Musikgruppe zeige sich in der Wahl ihres Repertoires stilistisch den textlich-musikalischen Genres des volkstümlichen Schlagers verpflichtet. Das treffe sowohl auf die recht einfache harmonische Gestaltung der Gesangsnummern als auch auf deren formale Gestaltung (Strophenlieder meist mit Refrain) zu. Nach Ansicht dieser Gutachter zeige sich auch in der durchaus konventionellen Besetzung, daß im Vergleich mit ähnlichen, innerhalb des volkstümlichen Schlagers wirkende Musikgruppen keinerlei innovative Gestaltungsmittel zur Anwendung kämen.

Nach Ansicht der belangten Behörde könnten auch die Liedtexte, die untrennbarer Bestandteil der zu beurteilenden Werke seien, hinsichtlich Inhalt und Wortwahl dem Anspruch künstlerischer Qualität nicht gerecht werden, auch wenn sich einzelne Liedtexte aufgrund ihres zeitkritischen Inhaltes vom üblichen Klischee abheben würden. Auch die Gutachter Prof. Sulz und Mag. Nußbaumer hätten die Liedtexte im Hinblick auf ihre Sprachebene, Reimschemata und Thematik als solides Handwerk ohne künstlerische Qualität beschrieben.

Was die Qualität des musikalischen Vortrages anlange, werde im Gutachten von Prof. Sulz und Mag. Nußbaumer ausgeführt, die Beschwerdeführer seien bestausgebildete Musiker, die das Repertoire zweifellos musikantisch spielten; im Hinblick auf die spieltechnisch nicht sehr hohen Anforderungen des überwiegenden Teiles der Musikstücke sei aber der handwerklich ausgezeichneten Bewältigung des Repertoires nur geringe Aussagekraft beizumessen.

Komme den vorgetragenen Musikstücken hinsichtlich Melodie und Text kein künstlerischer Wert zu, führe die technisch handwerkliche Qualität der Interpretation nicht zu einer künstlerischen Bestätigung. Die Tätigkeit der Beschwerdeführer sei sohin nach Ansicht der belangten Behörde als gewerblich zu qualifizieren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 22 Z. 1 lit. a EStG 1988 gehören zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit u.a. die Einkünfte aus einer künstlerischen Tätigkeit. Gemäß § 22 Z. 3 EStG 1988 zählen Gewinnanteile der Gesellschafter von Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, unter der Voraussetzung zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit, daß die Tätigkeit der Gesellschaft ausschließlich als selbständige Arbeit anzusehen ist und - soweit nicht berufsrechtliche Sondervorschriften Gesellschaften mit Berufsfremden zulassen -jeder einzelne Gesellschafter im Rahmen der Gesellschaft selbständig iSd Z 1 oder 2 tätig ist.

Musikdarbietungen können als künstlerische Tätigkeit anzusehen sein. Wenn allerdings die dargebotenen Musikstücke nicht als Kunstwerke qualifiziert werden können, spricht nach der hg Rechtsprechung der Anschein für das Fehlen des künstlerischen Charakters der Darbietung. In einem solchen Fall müßten besondere Umstände für den künstlerischen Charakter des Vortrages sprechen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 94/14/0060, und vom , 97/14/0038).

Zu Recht wird in der Beschwerde vorgetragen, daß auch die Darbietung von Volksmusik im Einzelfall eine künstlerische Tätigkeit darstellen kann.

Im Gutachten von Dr. Sulz und Mag. Nußbaumer wird ausgeführt, ein Musikstück sei dann künstlerisch, wenn es innovative Züge in Bezug auf Form, Melodieverlauf, Harmonik, Tonalität, Satztechnik und Instrumentierung aufweise oder zumindest gängige musikalische Schemata in neuartiger Weise verarbeite. Auch der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Auffassung, daß nur im Falle derartiger eigenschöpferischer Elemente ein Kunstwerk vorliegt.

Daß die von den Beschwerdeführern aufgeführten Musikstücke den vorgenannten Anforderungen für Kunstwerke entsprechen würden, wird auch in der Beschwerde nicht behauptet. Sollte allerdings das Beschwerdevorbringen, die Beschwerdeführer hätten mit dem erstmaligen Einsetzen einer Mischung von Akkordeon, Synthesizer und Keyboard eine neue Richtung eingeschlagen, auf die künstlerische Qualität der Musikwerke abzielen, so hat die belangte Behörde hiezu ohne die Rechtslage zu verkennen ausführen können, daß diese Elemente für sich ein Musikstück nicht zu einem Kunststück machen.

In der Beschwerde wird vorgebracht, die choreographischen Liveauftritte seien künstlerisch. Die belangte Behörde hätte entsprechende Gutachten bzw Gutachtensergänzungen einholen müssen.

Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, daß auch in den drei von den Beschwerdeführern der Abgabenbehörde vorgelegten Gutachten keine Untersuchung der Choreographie der Liveauftritte erfolgt ist. Es wäre Sache der Beschwerdeführer gewesen, entsprechende Gutachten vorzulegen oder entsprechende Beweisanträge zu stellen.

Können die dargebotenen Musikstücke nicht als Kunstwerke angesehen werden, könnte die Darbietung selbst nur dann künstlerisch sein, wenn sie nicht nur handwerklich einwandfrei ist, sondern besondere Umstände für ihren künstlerischen Charakter sprechen.

In der Beschwerde werden diese besonderen Umstände darin erblickt, daß die Beschwerdeführer große Publikumswirksamkeit erreicht haben und bei Wettbewerben, wie insbesondere dem Grand Prix der Volksmusik, sehr gut abgeschnitten haben. Der belangten Behörde kann aber nicht entgegengetreten werden, wenn sie diese Umstände nicht als ausreichende Hinweise auf eine künstlerische Tätigkeit angesehen hat.

Die Beschwerde bringt schließlich vor, angesichts der unterschiedlichen Gutachten hätte die belangte Behörde einen weiteren Gutachter bestellen müssen. Die Gutachter des Mozarteums, Prof. Sulz und Mag. Nußbaumer, hätten sich zu Unrecht die Stellung von "Obergutachtern" gegenüber den drei von den Beschwerdeführern vorgelegten Gutachten angemaßt.

Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Gutachten sind Beweismittel, die der Behörde zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes dienen. Die Sachverhaltsfeststellung ist aber ausschließlich Sache der Behörde. Im Beschwerdefall hat sich die belangte Behörde mit allen vier Gutachten auseinandergesetzt und ausführlich begründet, warum sie sich den Schlußfolgerungen, die sich aus den drei von den Beschwerdeführern vorgelegten Gutachten ergeben, nicht anschließt, und warum sie andererseits die gutachterlichen Äußerungen von Prof. Sulz und Mag. Nußbaumer für schlüssig erachtet. Der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, aus welchen Gründen ein weiteres Gutachten hätte eingeholt werden sollen. Da die Behörde ausführlich, schlüssig und in Übereinstimmung mit den Denkgesetzen ihre insbesondere aufgrund der vier Gutachten getroffenen Sachverhaltsfeststellung begründet hat, liegt eine Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht vor.

Was die Beschwerdeführer mit dem Begriff "Obergutachten" - einen derartigen Begriff kenne die BAO nicht - bezeichnen, stellt in Wahrheit lediglich ein Schreiben von Prof. Sulz und Mag. Nußbaumer dar, in welchem sie auf die ihnen von der belangten Behörde übermittelten anderen Gutachten reagieren und die in ihrem Gutachten enthaltenen Schlußfolgerungen aufrechterhalten. Im übrigen kommt diesem Schreiben im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung der belangten Behörde keine entscheidende Bedeutung zu.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am