VwGH vom 25.09.2001, 98/14/0204
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Dr. Urtz, über die Beschwerde der AB in M, vertreten durch Dr. Johannes Kirschner, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Fabrikstraße 26, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat II) vom , FS 800/42-10/1998, betreffend Wiederaufnahme eines Strafverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Linz vom wurde über die Beschwerdeführerin wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung als Beitragstäterin nach § 33 Abs. 1 Finanzstrafgesetz eine Geldstrafe von S 250.000,-- verhängt. Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde im Erkenntnis vom teilweise Folge und reduzierte die verhängte Geldstrafe auf S 200.000,--.
Am wurde die Beschwerdeführerin wegen Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2 erster Fall StGB vom Landesgerichtes Wels zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.
Am beantragte sie die Wiederaufnahme des Finanzstrafverfahrens im Wesentlichen mit folgender Begründung: Im gerichtlichen Strafverfahren sei ihr vorgeworfen worden, sie habe im Zeitraum 1990 bis 1992 Einnahmen der S-GesmbH nicht dieser Gesellschaft zugeführt, sondern für private Zwecke verwendet. Diese Anklage habe sich auf eine bei der Beschwerdeführerin anlässlich einer Hausdurchsuchung gefundene "zweite Buchhaltung" gestützt. Diese "zweite Buchhaltung" sei auch Grundlage des Finanzstrafverfahrens gewesen, in dem ihr vorgeworfen worden sei, sie habe vorsätzlich als Geschäftsführerin der Fa. S-GesmbH unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht in den Jahren 1990 bis 1992 eine Verkürzung an Umsatzsteuer und an Gewerbesteuer dadurch bewirkt, dass sie nicht alle Einkünfte der S-GesmbH in der Buchhaltung erfasst habe. Von der Finanzbehörde seien sämtliche Eintragungen in dieser "zweiten Buchhaltung" als Einnahmen und somit abgabenrechtlich als Bemessungsgrundlage für angeblich hinterzogene Umsatz- und Gewerbesteuer angesehen worden. Dies habe die Beschwerdeführerin ebenso wie im gerichtlichen Strafverfahren bestritten. Im gerichtlichen Strafverfahren sei ein Buchsachverständiger beigezogen worden, der nach Überprüfung der Aufzeichnungen zu dem Schluss gekommen sei, dass die Verantwortung der Beschwerdeführerin nicht widerlegt werden könne. Das Landesgericht Wels habe daher die Beschwerdeführerin wegen Veruntreuung lediglich eines Betrages von S 402.587.-- verurteilt. Es habe aber nicht festgestellt werden können, dass diejenigen Beträge, die angeblich samt und sonders als Einnahmen tituliert worden seien, nicht auch zum überwiegenden Teil als Ausgaben und somit als Aufwand ohne Buchung für die S-GesmbH getätigt worden seien. Diese Beträge seien aber als Einnahmendifferenz für die Jahre 1990 bis 1992 auf Grund der "Uraufzeichnungen" dem gegenständlichen Finanzstrafverfahren zu Grunde gelegt worden. Aus der Urteilsbegründung des Landesgerichtes Wels habe sich nun ergeben, dass dieser Vorwurf nicht mehr aufrecht erhalten werden könne. Dieses Urteil sei dem Vertreter der Beschwerdeführerin über dessen Intervention erst am ausgefolgt worden. "Das Urteil des Landesgerichtes Wels mit der darin enthaltenen Urteilsbegründung ist als eine neue Tatsache bzw. ein neues Beweismittel anzusehen, das eine Wiederaufnahme rechtfertigt und eine günstigere Entscheidung im gegenständlichen Finanzstrafverfahren zu Gunsten der Beschuldigten bewirken kann."
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Wiederaufnahmeantrag zurück und begründete diese Entscheidung im Wesentlichen folgendermaßen: Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin sei der Aktenlage zu entnehmen, dass die von ihr angeführten Beträge in vollem Ausmaß zu ihren Gunsten berücksichtigt worden seien. Die Beweislage, welche dem Landesgericht Wels zur Verfügung gestanden ist, sei - mit Ausnahme des darauf aufbauenden Sachverständigengutachtens und der sich ebenfalls daraus ableitenden Verteidigungsargumentation der Beschuldigten - in diesem Bereich im Ergebnis ident mit derjenigen, welche der Berufungssenat einer finanzstrafrechtlichen Würdigung zu unterziehen gehabt habe; es seien lediglich die Ergebnisse der Beweiswürdigung offenkundig unterschiedlich ausgefallen. Die Beschwerdeführerin benenne daher auch konsequenterweise als relevante Beweismittel die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wels und das Urteil des Landesgerichtes Wels. Tatsachen und Beweismittel könnten im Sinn des § 165 Abs. 1 lit. b Finanzstrafgesetz nur dann einen Wiederaufnahmegrund bilden, wenn sie bei Abschluss des Verfahrens (hier am ) schon vorhanden gewesen wären, nicht aber dann, wenn sie erst nach Abschluss des Verfahrens neu entstanden seien. Dies beziehe sich hier auf die Anklageschrift vom , das Strafurteil vom , aber auch das Gutachten des Sachverständigen in der fortgesetzten Hauptverhandlung des Schöffensenates vom . Der Wiederaufnahmeantrag wäre daher mangels geeigneter Wiederaufnahmegründe als unbegründet abzuweisen.
Darüber hinaus erweise er sich aber auch als verspätet. Gemäß § 165 Abs. 4 FinStrG sei nämlich der Antrag auf Wiederaufnahme binnen Monatsfrist von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von den behaupteten Wiederaufnahmegründen Kenntnis erlangt habe, bei der Finanzstrafbehörde einzubringen. Nun sei das Sachverständigengutachten in der am in Anwesenheit der Beschwerdeführerin durchgeführten Hauptverhandlung vorgetragen und das Strafurteil im Anschluss an die Verhandlung verkündet worden. Die schriftliche Urteilsausfertigung sei bereits im Jänner 1998 vorgelegen und sei jederzeit sowohl der Beschwerdeführerin als auch ihrem Verteidiger zugänglich gewesen. Dass dem Vertreter der Beschwerdeführerin die Urteilsausfertigung erst am über dessen Intervention ausgefolgt worden sei, vermöge an der Verfristung des Wiederaufnahmeantrages nichts zu ändern.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Gemäß § 165 Abs. 1 FinStrG kann die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis (Bescheid, Rechtsmittelentscheidung) abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens auf Antrag oder von Amts wegen verfügt werden, wenn ein ordentliches Rechtsmittel gegen die Entscheidung nicht oder nicht mehr zulässig ist und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht werden konnten (lit. b) und die Kenntnis dieser Umstände allein oder iVm dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich eine im Spruch anders lautende Entscheidung herbeigeführt hätte.
Gemäß § 165 Abs. 4 leg. cit. ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen Monatsfrist von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, bei der Finanzstrafbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren die Entscheidung in erster Instanz erlassen hat.
Die Beschwerde wendet sich vorerst gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass die Behauptungen der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren voll berücksichtigt worden seien. Es kann jedoch ungeprüft bleiben, ob das Strafgericht und die Berufungsbehörde vom selben hinterzogenen bzw. veruntreuten Geldbetrag ausgegangen sind und die Differenz nur in den von der Beschwerdeführerin behauptetermaßen getätigten Ausgaben für die S-GesmbH liegt. Zutreffend wies nämlich die belangte Behörde darauf hin, dass nur solche Tatsachen oder Beweismittel einen Wiederaufnahmegrund darzustellen vermögen, die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits vorhanden waren, aber erst später hervorgekommen sind. Abgesehen davon, dass die als Wiederaufnahmegrund herangezogenen Urkunden, nämlich die Anklageschrift sowie das Strafurteil, von vornherein keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund darstellen können (unterschiedliche Beweiswürdigungen durch Behörden bzw. Gerichte oder verschiedene rechtliche Beurteilungen eines Sachverhalts stellen nämlich weder eine neue Tatsache noch ein neues Beweismittel dar, vgl. etwa die bei Ritz, Bundesabgabenordnung2, Tz 9 zur ähnlichen Bestimmung des § 303 BAO wiedergegebene Rechtsprechung; so auch das hg. Erkenntnis vom , 91/12/0065), sind beide Urkunden, auf die sich der Wiederaufnahmeantrag stützt, erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Finanzstrafverfahrens entstanden. Entgegen der Beschwerdemeinung stellt ein "Rechenfehler" der Finanzstrafbehörde erster Instanz keine bereits bestanden habende und nunmehr unter Beweis gestellte Tatsache dar. Auch hier handelt es sich um eine behördliche Beurteilung, die für sich weder eine Tatsache noch ein Beweismittel darstellen kann.
Das von beiden Parteien angesprochene, in der Hauptverhandlung vom erstattete Sachverständigengutachten wurde von der Beschwerdeführerin im Antrag vom nicht als Wiederaufnahmegrund herangezogen; in der Beschwerde spricht sie dem Gutachten ausdrücklich die Eignung als Wiederaufnahmegrund ab. Bemerkt sei, dass dieses Gutachten bei Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens noch nicht existent war und daher schon deswegen keinen Wiederaufnahmegrund bilden kann.
Zutreffend kam somit die belangte Behörde zur Ansicht, dass die Beschwerdeführerin keine tauglichen Wiederaufnahmegründe vorgebracht hat.
Ebenso zutreffend durfte sie weiters eine Verfristung des Wiederaufnahmegrundes annehmen. Maßgebend ist nämlich die Kenntnis (des Vertreters; vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2915) vom Beweismittel und nicht erst die Protokollsausfertigung (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis 91/12/0065). Dasselbe muss für die Ausfertigung eines verkündeten Gerichtsurteils - das im Übrigen, wie erwähnt, als Wiederaufnahmegrund untauglich ist - gelten, zumal hier der in Streit stehende Betrag der Veruntreuung bzw. Abgabenhinterziehung unbestritten bei der Urteilsverkündung angeführt worden ist.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am