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VwGH vom 30.07.2002, 98/14/0203

VwGH vom 30.07.2002, 98/14/0203

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des Dr. J in K, vertreten durch Dr. Anton Knees, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Alter Platz 31/I, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom , Zl. RV 475/1-8/98, betreffend Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für Jänner bis August 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, Facharzt für Innere Medizin, betreibt an zwei Standorten eine Dialysestation. Im Ergebnis einer abgabenbehördlichen Prüfung vertrat das Finanzamt die Ansicht, dass die Umsätze aus dem Betrieb der Dialysestation ab nach § 6 Abs. 1 Z. 19 UStG 1994 (unecht) steuerbefreit sind. Mit Umsatzsteuerfestsetzungsbescheiden vom (für die Monate Jänner bis April 1997) und (für die Monate Mai bis August 1997) wurden dementsprechend die vom Beschwerdeführer insoweit geltend gemachten Vorsteuerbeträge nicht anerkannt.

In den dagegen erhobenen Berufungen brachte der Beschwerdeführer vor, die Umsätze der Dialysestation erfüllten den Tatbestand des § 10 Abs. 2 Z. 15 UStG 1994 (Umsätze von Kranken- und Pflegeanstalten), unterlägen daher dem ermäßigten Steuersatz und vermittelten das Recht auf Vorsteuerabzug. Er betreibe die Dialysestation von der übrigen fachärztlichen Praxis räumlich und organisatorisch getrennt als selbständiges Ambulatorium auf der Grundlage einer Betriebsbewilligung nach dem "Kärntner Krankenanstaltengesetz". Im Ambulatorium stehe ausgebildetes Fachpersonal, u.a. eine Ärztin und fünf diplomierte Krankenschwestern, zur Verfügung. Die gleichzeitige Behandlung mehrerer Personen sei möglich. Insgesamt würde sich die gegenständliche Dialysestation aus Sicht der medizinischen Betreuung und Ausstattung sowie den Qualitätserfordernissen in nichts von Dialysestationen öffentlicher Spitäler unterscheiden. Die vom Finanzamt vertretene Anknüpfung an die einkommenssteuerliche Behandlung der Einkünfte als solcher aus freiberuflicher Tätigkeit gehe an der umsatzsteuerlich gebotenen Differenzierung zwischen Krankenanstalten und ärztlichen Praxen vorbei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z. 19 UStG 1994 befreie ausdrücklich die Umsätze "aus der Tätigkeit als Arzt". Der Tatbestand "Tätigkeit als Arzt" sei daher begriffsident mit dem im § 22 EStG 1988 enthaltenen Tatbestand "Berufstätigkeit der Ärzte". Der Beschwerdeführer bestreite nicht, dass er mit dem Betrieb der Dialysestation Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit erziele, vielmehr habe er anlässlich einer früheren abgabenbehördlichen Prüfung im Jahr 1990 sogar "mit besonderem Nachdruck" auf den freiberuflichen Charakter der hier strittigen Tätigkeit hingewiesen. Überdies seien die im Rahmen der Dialysestation erzielten Umsätze noch im Jahr 1996 dem Normalsteuersatz unterzogen und in den Einkommensteuererklärungen als freiberufliche Einkünfte gewertet worden. Es möge zutreffen, dass die fragliche Tätigkeit auch den Tatbestand des § 10 Abs. 2 Z. 15 UStG 1994 erfülle. Im Sinne der Subsidiaritätsklausel der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie (Anhang H Kategorie 16) sei ein möglicher Qualifikationskonflikt jedoch zugunsten der Steuerbefreiung zu lösen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Durch den angefochtenen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, dass die in der Dialysestation erzielten Umsätze als solche einer Kranken- und Pflegeanstalt gemäß § 10 Abs. 2 Z. 15 UStG 1994 mit dem damit verbundenen Recht des Vorsteuerabzuges behandelt werden und nicht, wie von der belangten Behörde als Umsätze eines Arztes gemäß § 6 Abs. 1 Z. 19 UStG 1994.

Im Erkenntnis vom , 2000/15/0053, hatte der Verwaltungsgerichtshof die Frage zu behandeln, ob die Umsätze aus dem Betrieb einer Dialysestation, die in der Betriebsform eines selbstständigen Ambulatoriums nach dem Steiermärkischen Krankenanstaltengesetz betrieben wird, als - unecht - steuerfreie "Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt" im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 19 UStG 1994 (idF BGBl. Nr. 756/1996) zu qualifizieren sind und dabei zusammenfassend ausgeführt, dass von der genannten Befreiungsbestimmung - in richtlinienkonformer Interpretation - (nur) solche Tätigkeiten erfasst sind, die durch das Ärztegesetz 1984, BGBl. Nr. 373/1984, (bzw. das Ärztegesetz 1998, BGBl. I Nr. 169/1998) abgedeckt sind.

Während nach dem Ärztegesetz für freiberuflich tätige Ärzte die Verpflichtung besteht, ihren Beruf persönlich und unmittelbar, also ohne Unterstützung durch einen oder mehrere angestellte Ärzte, auszuüben, fordert das Krankenanstaltenrecht (vgl. für das Land Kärnten, Krankenanstaltenordnung 1992, LGBl. Nr. 2/1993, in der jeweils geltenden Fassung, § 1 Abs. 3 lit. e) das Vorliegen einer Organisation, die eine gleichzeitige Behandlung von mehreren Personen ermöglicht und jener einer Anstalt entspricht. Zu den Voraussetzungen einer Anstalt gehört unter anderem die Bestellung eines Stellvertreters des ärztlichen Leiters in der Person eines geeigneten Arztes, woraus sich die Notwendigkeit ergibt, dass mindestens zwei Ärzte der Krankenanstalt zur Verfügung stehen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 89/18/0138, VwSlg 13.102 A, und vom , 92/11/0141, VwSlg. 13.756 A).

Zur Abgrenzung, ob die Tätigkeit eines Arztes noch unter das Ärztegesetz oder bereits unter das Krankenanstaltengesetz (nunmehr Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz, BGBl. I Nr. 65/2002) fällt, kann auch auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zurückgegriffen werden. Danach ist als unterscheidendes Merkmal zwischen Ambulatorien und den Ärztepraxen bei ersteren eine organisatorische Einrichtung, bei Ordinationen die medizinische Eigenverantwortlichkeit des behandelnden Arztes gegenüber dem Patienten maßgeblich. Überdies liegt bei Ambulatorien der (Behandlungs-)Vertrag nicht (nur) mit dem Arzt, sondern (auch) mit dieser Einrichtung, die unter sanitätsbehördlicher Aufsicht steht, vor. In der Regel weisen Krankenanstalten eine Anstaltsordnung auf, der sowohl die Patienten als auch die Ärzte unterliegen (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 198/90, VfSlg 13.023).

Im Beschwerdefall stützt sich die belangte Behörde zur Subsumtion der gegenständlichen Umsätze unter die Befreiungsbestimmung des § 6 Abs. 1 Z. 19 UStG 1994 ausschließlich auf die Erklärung des Beschwerdeführers, (auch) aus der Dialysestation freiberufliche Einkünfte im Sinne des § 22 EStG 1988 zu erzielen. Ob die im angefochtenen Bescheid vertretene Ansicht, das Vorliegen freiberuflicher Einkünfte und die umsatzsteuerliche Behandlung als steuerfreie Umsätze gemäß § 6 Abs. 1 Z. 19 UStG 1994 gingen Hand in Hand, zutrifft, kann im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, hat es die belangte Behörde doch unterlassen, jene Sachverhaltsfeststellungen zu treffen, auf deren Grundlage sie sich der Beurteilung des Beschwerdeführers, es lägen gegenständlich Einkünfte im Sinne des § 22 EStG 1988 vor, angeschlossen hat.

Aus der dem Akt beiliegenden Betriebsbewilligung als selbstständiges Ambulatorium nach der Krankenanstaltenordnung geht hervor, dass die in Rede stehende Dialysestation über die Möglichkeit verfügt, bis zu acht Patienten gleichzeitig zu behandeln. Weiters wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, eine Anstaltsordnung zu erlassen und der Kärntner Landesregierung vorzulegen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren, die Dialysestation verfüge über eigene Organisationsstrukturen, die die gleichzeitige Behandlung mehrerer Patienten (tatsächlich) ermöglichten, er beschäftige eine Ärztin und weiteres nichtärztliches Personal, sprechen - offenbar teilweise im Gegensatz zu seinen im Jahr 1990 gemachten Ausführungen - dafür, dass der hier strittige Betrieb einer Dialysestation gleich jenem im eingangs angeführten Beschwerdefall 2000/15/0053 nicht mehr unter das Ärztegesetz und die Befreiungsbestimmung des § 6 Abs. 1 Z. 19 UStG 1994 fallen könnte.

Da die Begründung des angefochtenen Bescheides zur Prüfung seiner inhaltlichen Rechtmäßigkeit nach dem Gesagten nicht hinreicht, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am