VwGH vom 21.09.1993, 93/14/0078
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des M in A, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat III) vom , Zl. 4/34/1-BK/Hd-1992, betreffend Einkommensteuer 1989 bis 1991, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Aufwandersatzmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Strittig ist im Beschwerdefall nur, ob dem Beschwerdeführer für Aufwendungen für eine Berufsausbildung seiner Kinder außerhalb des Wohnortes die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 gebührt.
Der Beschwerdeführer begehrte die Zuerkennung dieses Pauschbetrages, weil die Kinder das von der Wohnung des Beschwerdeführers 27,3 Kilometer entfernte Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium besuchten; und zwar 1989 zwei Töchter (2. und 3. Klasse bzw. 1. Klasse), 1990 drei Töchter (3. und 4. Klasse bzw. 1. und 2. Klasse bzw. 1. Klasse), 1991 drei Töchter (4. und 5. Klasse bzw. 2. und 3. Klasse bzw. 1. und 2. Klasse). Die Kinder müssen an den Schultagen den Gehweg zur jeweiligen Bushaltestelle (Entfernung 100 bzw. 1.200 Meter) zu Fuß zurücklegen (Gehzeit zusammen ca. 26 Minuten). Die Fahrzeit im Autobus für eine Strecke beträgt 52 Minuten. Die Abfahrt muß morgens um 6.18 Uhr angetreten werden, die Heimfahrt (bei Unterrichtsende um 11.30 Uhr) um 12.28 Uhr (Ankunft im Wohnort 13.20 Uhr), (bei Unterrichtsende um 12.30 bzw. 13.15 Uhr) um
13.40 Uhr (Ankunft im Wohnort um 14.40 Uhr), (bei Unterrichtsende um 14.55 Uhr) um 16.30 Uhr (Ankunft im Wohnort 17.10 Uhr).
Die belangte Behörde versagte die Anerkennung der außergewöhnlichen Belastung mit der Begründung, daß die Belastung der Kinder dem österreichischen Durchschnitt entspreche, weil in Ballungszentren die durchschnittliche einfache Wegstrecke zur Schule eine Stunde betrage. Die Intention des Gesetzgebers sei es, die finanziellen Mehraufwendungen des Unterhaltspflichtigen bei auswärtiger Berufsausbildung der Kinder durch Abzug eines Pauschbetrages zu mildern, nicht jedoch die Unbequemlichkeiten und Strapazen der Kinder bei Zurücklegung des Schulweges beim Unterhaltspflichtigen mittels außergewöhnlicher Belastung "absetzbar" zu machen.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf Anerkennung des Pauschbetrages für außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 verletzt, behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid - wie den Ausführungen in der Gegenschrift zu entnehmen ist (Seite 4, zweiter Absatz) - davon aus, daß dem Beschwerdeführer keine Aufwendungen durch die auswärtige Berufsausbildung der Kinder entstanden seien.
Zutreffend weist der Beschwerdeführer demgegenüber in seiner Äußerung zur Gegenschrift (OZ 8) darauf hin, daß er in der Berufung vom vorgebracht habe, die beschränkt angebotenen Verkehrszeiten des Postautobusses hätten die auswärtige Verpflegung der Kinder in der Schulstadt erforderlich gemacht.
Dem angefochtenen Bescheid ist nicht entnehmbar, auf Grund welcher Überlegungen die belangte Behörde ungeachtet dieses Vorbringens davon ausgegangen ist, daß dem Beschwerdeführer durch die Berufsausbildung der Kinder außerhalb des Wohnortes keine Aufwendungen, also auch nicht solche durch Mehraufwendungen für auswärtige Verpflegung entstanden seien.
Der belangten Behörde ist zwar - entgegen der Rechtsmeinung des Beschwerdeführers - darin beizupflichten, daß der Pauschbetrag nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 nicht schon allein auf Grund der Berufsausbildung des Kindes außerhalb des Wohnortes zusteht, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Es müssen dem Steuerpflichtigen durch diese auswärtige Berufsausbildung auch Aufwendungen entstehen, die er allerdings nicht ziffernmäßig nachweisen muß, weil ein Pauschbetrag vorgesehen ist. Dem Grunde nach müssen aber Aufwendungen zumindest nicht auszuschließen sein. Insofern ist daher die Rechtslage nicht anders als etwa bei der Pauschalierung von Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 1 Z. 9 in Verbindung mit § 26 Z. 7 EStG 1972; auch dort gebührt das Pauschale nicht, wenn Aufwendungen gar nicht angefallen sind (vgl. etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 90/14/0182, und vom , 89/13/0183).
Daß durch auswärtigen Schulbesuch, bei dem eine Teilnahme an den Familienmahlzeiten zu den üblichen Essenszeiten nicht möglich ist, in der Regel Mehraufwendungen für die Verpflegung der Kinder entstehen, worauf der Beschwerdeführer in seiner Äußerung zur Gegenschrift zutreffend hingewiesen hat, liegt auf der Hand (zur Berücksichtigung des Verpflegungsmehraufwandes vgl. Wanke, Der "Einzugsbereich des Wohnortes" i.S.d. § 34 Abs. 8 EStG 1988, FJ 1992, 7). Das Gegenteil wäre daher im angefochtenen Bescheid auf Grund eines gesetzmäßigen Verfahrens begründet festzustellen gewesen, was nicht geschehen ist.
Diese Mangelhaftigkeit des Verfahrens wird durch die folgende inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in den Hintergrund gedrängt:
Der belangten Behörde kann nämlich auch darin nicht gefolgt werden, die erwähnte Schule liege noch im Einzugsbereich des Wohnortes des Beschwerdeführers, weil die durchschnittliche Belastung österreichischer Kinder - ausgehend von den in Ballungszentren wohnenden Schülern - täglich für eine Wegstrecke eine Stunde betrage.
Abgesehen davon, daß der Zeitaufwand der Kinder des Beschwerdeführers nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid unter Berücksichtigung der Gehzeiten von 26 Minuten für eine Strecke noch wesentlich größer als eine Stunde ist (52 Minuten Busfahrt plus 26 Minuten Gehzeit = 1 Stunde 18 Minuten), müssen auch noch die nicht unmaßgeblichen Wartezeiten auf das öffentliche Verkehrsmittel (eine halbe bis eineinhalb Stunden) berücksichtigt werden, weil der Autobusfahrplan nicht nahtlos an das Ende der täglichen Schulzeit plus Gehzeit anknüpft.
Bei der Beurteilung des Einzugsbereiches im Sinne des § 34 Abs. 8 EStG 1988 müssen aber außerdem, wie die Lohnsteuerrichtlinien 1992 zutreffend erkannt haben, das Alter des Kindes sowie die zur Verfügung stehenden Verkehrsmöglichkeiten berücksichtigt werden.
Für ein Kind im Pflichtschulalter - anders als für einen Hochschüler (vgl. Erkenntnis vom , 93/14/0102) - liegt eine Schule, die nur mit dem oben geschilderten Zeitaufwand erreicht werden kann, außerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes.
Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage verkannt und hiedurch den Beschwerdeführer im Rahmen des Beschwerdepunktes in seinen Rechten verletzt.
Der angefochtene Bescheid mußte deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.
Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Danach gebührt für Schriftsatzaufwand ein Pauschbetrag. Dies schließt Aufwandersatz für jeden einzelnen eingebrachten Schriftsatz aus. Für die Äußerung zur Gegenschrift gebührt daher nur der Ersatz von Stempelgebühren im verzeichneten Ausmaß. Das Aufwandersatzmehrbegehren war somit abzuweisen.