zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 02.10.1990, 90/11/0025

VwGH vom 02.10.1990, 90/11/0025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des M gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. I/7-St-B-89156, betreffend Erteilung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom , ihm aufgrund seines im Jahre 1983 ausgestellten tunesischen Führerscheines eine österreichische Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B zu erteilen, gemäß § 64 Abs. 6 KFG 1967 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 64 Abs. 6 zweiter Satz KFG 1967 darf einem Antrag auf Erteilung einer (österreichischen) Lenkerberechtigung aufgrund einer im Ausland erteilten Lenkerberechtigung nur stattgegeben werden, wenn der Antragsteller unter anderem seit länger als sechs Monaten seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich hat und glaubhaft macht, daß er aufgrund der im Ausland erteilten Lenkerberechtigung seit mindestens einem Jahr Kraftfahrzeuge der Gruppe gelenkt hat, für die die Lenkerberechtigung erteilt wurde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnisse vom , Zl. 83/11/0163, dessen wesentliche Rechtssätze in Slg. Nr. 11912/A veröffentlicht worden sind, vom , Zl. 86/11/0080, vom , Zl. 88/11/0020, und vom , Zl. 89/11/0067) ist die in dieser Gesetzesstelle gebrauchte Wendung "seit mindestens einem Jahr" dahin zu verstehen, daß das glaubhaft zu machende Lenken von Kraftfahrzeugen der betreffenden Gruppe im Zeitraum eines Jahres rückgerechnet vom Zeitpunkt der Antragstellung liegen muß und weiter zurückliegende Lenkzeiten nicht zu berücksichtigen sind. Wenn der Beschwerdeführer demgegenüber meint, erforderlich sei lediglich eine irgendeinmal erlangte einjährige Fahrpraxis, das Gesetz verlange aber nicht eine solche im letzten Jahr vor der Antragstellung, ist er im Sinne des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die besagte Rechtsprechung hinzuweisen. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auch durch die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Argumente nicht veranlaßt, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde der gegenständliche Antrag offenbar allein mangels ausreichender Fahrpraxis abgewiesen. Der angefochtene Bescheid enthält zwar zu dieser Frage keinerlei Feststellungen und Erwägungen. Aus seiner Begründung ist aber zu erschließen, daß die belangte Behörde diesbezüglich den Standpunkt der Erstbehörde geteilt hat, wonach der Beschwerdeführer eine ausreichende Fahrpraxis deshalb nicht habe glaubhaft machen können, weil er gemäß § 64 Abs. 5 KFG 1967 nur für die Dauer eines Jahres ab Begründung seines ordentlichen Wohnsitzes in Österreich am Fahrzeuge der Gruppe B aufgrund seiner tunesischen Lenkerberechtigung in Österreich habe lenken dürfen und die daran anschließende Fahrpraxis - weil rechtswidrig erlangt - nicht habe berücksichtigt werden können. Der Beschwerdeführer bekämpft die Annahme der belangten Behörde, er habe bereits seit seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich, von einem solchen könne seiner Meinung nach frühestens ab die Rede sein.

Der Zeitpunkt der Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes in Österreich ist insofern rechtlich bedeutsam, als ein Lenken von Kraftfahrzeugen in Österreich aufgrund einer ausländischen Lenkerberechtigung nach Ablauf eines Jahres ab Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes in Österreich nicht mehr zulässig ist und daher bei der Entscheidung über einen Antrag nach § 64 Abs. 6 KFG 1967 unberücksichtigt zu bleiben hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 84/11/0231). Mit dieser Rechtsprechung steht im Einklang, wenn im vorliegenden Fall - ausgehend von der Annahme des Bestehens eines ordentlichen Wohnsitzes des Beschwerdeführers in Österreich seit - das Lenken von Kraftfahrzeugen durch den Beschwerdeführer in Österreich aufgrund seiner tunesischen Lenkerberechtigung nach dem unberücksichtigt geblieben ist. Zu prüfen ist daher zunächst, ob die besagte Annahme berechtigt ist. Wäre dies nicht der Fall, sondern im Sinne des Beschwerdevorbringens von der Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes in Österreich "frühestens mit " auszugehen, so wäre auch die von ihm glaubhaft gemachte Fahrpraxis nach dem anrechenbar und damit die weitere dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Annahme, es liege keine ausreichende Fahrpraxis im Zeitraum eines Jahres vor der Antragstellung vor, nach der Aktenlage offensichtlich unrichtig.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der ordentliche Wohnsitz einer Person an dem Ort begründet, an dem sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, ihn bis auf weiteres zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu wählen; hiebei ist es unerheblich, ob die Absicht darauf gerichtet war, für immer an diesem Ort zu bleiben (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 82/11/0054, und vom , Zl. 87/11/0238). Für den Begriff des ordentlichen Wohnsitzes ist zum einen ein tatsächliches Moment - die Niederlassung einer Person an einem Ort - und zum anderen ein psychisches Moment maßgebend, nämlich die (erweisliche oder aus den Umständen hervorgehende) Absicht, diesen Ort bis auf weiteres (wenn auch nicht für immer) zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen, d.h. ihrer wirtschaftlichen, beruflichen oder gesellschaftlichen Betätigung, zu gestalten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 02/3867/80).

Die belangte Behörde begründete ihre Annahme, der Beschwerdeführer habe seit seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich, damit, daß bereits aus der Bezeichnung der Unterkunft in St. Pölten (damals: J-Straße 2) als ordentlicher Wohnsitz die Absicht des Beschwerdeführers erkennbar sei, St. Pölten zum Mittelpunkt seiner wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und beruflichen Betätigung zu gestalten. Aus seinem "weiteren Lebensweg" sei nicht ersichtlich, daß er diese Absicht je aufgegeben hätte; vielmehr sei seine Absicht offenkundig auf Belassung seines ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet gerichtet gewesen. Die gegenständliche Annahme konnte die belangte Behörde insbesondere auf die Äußerungen des Beschwerdeführers anläßlich seiner Vernehmung am durch die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten (Blatt 23 des Aktes dieser Behörde) stützen. Der Beschwerdeführer gab damals an, er habe ab seinen ordentlichen Wohnsitz in St. Pölten, J-Straße 2, genommen, nach ca. einem Monat sei er wegen Streitigkeiten mit dem Vermieter aus dieser Wohnung ausgezogen und er habe in der Folge seine Schwester in Frankreich besucht. Nach seiner neuerlichen Rückkehr nach Österreich habe er (ab Anfang Februar 1988) in der Pension E in St. Pölten Quartier bezogen. Seit Juni 1988 wohne er bei seiner Freundin in R. Befragt, weshalb er meine, sein Aufenthalt in der Pension E vom 6. Februar bis sei nicht als ordentlicher Wohnsitz zu werten, gab er an, seiner Meinung nach sei der Begriff "Pension" mit einer ordentlichen Wohnsitznahme unvereinbar. Ausdrücklich fügte er hinzu, er habe in dieser Zeit keinen anderen Wohnsitz gehabt, er habe damals abwechselnd einige Tage in der Pension und dann wieder bei seinem Bruder in der B-Gasse (in St. Pölten) verbracht, der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen sei aber unzweifelhaft St. Pölten gewesen. Im Hinblick auf diese Äußerungen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren vermag der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie zu der Auffassung gelangt ist, der Beschwerdeführer habe seit einen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet.

Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, diese Annahme zu erschüttern. Abgesehen davon, daß dieses Vorbringen zum Teil neu und damit unbeachtlich ist sowie zum Teil im Widerspruch mit den Angaben des Beschwerdeführers vor der Erstbehörde am steht, fehlt in der Beschwerde eine konkrete Behauptung des Inhalts, der Beschwerdeführer habe in der fraglichen Zeit an einem Ort außerhalb des Bundesgebietes den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen gehabt. Die Beschwerde verneint im übrigen lediglich das für den Wohnsitzbegriff unter anderem wesentliche psychische Moment (die Absicht, einen Ort bis auf weiteres zum Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu gestalten), und zwar mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe "nicht in einer normalen Wohnung, sondern in der Pension E" in St. Pölten gewohnt; dies allein sei Hinweis genug auf die mangelnde Absicht, sich in Österreich niederzulassen. Dem Beschwerdeführer ist zwar einzuräumen, daß die Unterkunftnahme in einer Pension in der Regel auf einen bloß vorübergehenden Aufenthalt dortselbst hindeutet. Damit ist aber für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen. Auch wenn eine Person an einer bestimmten Unterkunft nur vorübergehend Aufenthalt nimmt, schließt dies allein die Begründung (die Beibehaltung) eines ordentlichen Wohnsitzes in Österreich im Sinne des § 64 Abs. 6 KFG 1967 nicht aus. Entscheidend ist im gegebenen normativen Zusammenhang vielmehr, daß diesem Aufenthalt und allfälligen weiteren (wenn auch in bezug auf die konkrete Unterkunft nur vorübergehenden) Aufenthalten an einem Ort die Absicht zugrunde liegt, in Österreich bis auf weiteres oder für dauernd den Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu gestalten. Der Verwaltungsgerichtshof hegt im Hinblick auf die Ausführungen des Beschwerdeführers bei seiner Vernehmung am und in Anbetracht dessen, daß er selbst nie konkret behauptet hat, er habe nach dem zumindest zeitweise an einem Ort außerhalb des Bundesgebietes den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen gehabt, keinen Zweifel daran, daß den wechselnden Unterkunftnahmen des Beschwerdeführers in St. Pölten jeweils die Absicht zugrundelag, zumindest bis auf weiteres den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in St. Pölten zu gestalten. Die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe seit seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich, ist nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Damit ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer ungeachtet der Nichtanrechenbarkeit seiner inländischen Fahrpraxis nach dem dennoch eine ausreichende Fahrpraxis in dem hier maßgebenden Zeitraum eines Jahres vor der Antragstellung am glaubhaft gemacht hat. Hiebei ist zu beachten, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst eine erst geraume Zeit nach dem Ablauf der besagten Einjahresfrist erfolgte Antragstellung dann nicht schadet, wenn der Antragsteller in der dazwischenliegenden Zeit eine Fahrpraxis im Ausland in ausreichendem Ausmaß glaubhaft zu machen vermag; ohne eine solche Fahrpraxis allerdings wird der Antrag mit Aussicht auf Erfolg nicht erst geraume Zeit später gestellt werden können (Erkenntnis vom , Zl. 84/11/0231).

Im vorliegenden Fall wurde der Antrag vom ca. zweieinhalb Monate nach dem Ende des Jahres ab der von der belangten Behörde angenommenen Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes durch den Beschwerdeführer in Österreich () gestellt. Hiebei handelt es sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes um einen erst geraume Zeit später gestellten Antrag, weil im Hinblick auf die besagte Zeitspanne von rund zweieinhalb Monaten nicht mehr davon die Rede sein kann, der Beschwerdeführer weise eine ZUMINDEST EINJÄHRIGE, im Sinne der zitierten Rechtsprechung anrechenbare Fahrpraxis aufgrund seiner tunesischen Lenkerberechtigung auf. Daß er eine anrechenbare Fahrpraxis nach dem im Ausland erworben hätte, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nie behauptet. Dies trotz des Umstandes, daß die Erstbehörde ihre abweisliche Entscheidung ausdrücklich damit begründet hat, der Beschwerdeführer könne die erforderliche Fahrpraxis im Zeitraum eines Jahres vor der Antragstellung deshalb nicht glaubhaft machen, weil er gemäß § 64 Abs. 5 KFG 1967 ab in Österreich Kraftfahrzeuge auf Grund seiner tunesischen Lenkerberechtigung nicht mehr habe lenken dürfen. Das Vorbringen in der Beschwerde, der Beschwerdeführer habe "nach dem mehrfach auch Fahrzeuge im benachbarten Ausland gelenkt", ist im Hinblick auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG) unbeachtlich.

Da sich die Beschwerde als nicht berechtigt erwiesen hat, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.