VwGH vom 18.05.2004, 2002/10/0011
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde der G in Unterschützen, vertreten durch Dr. Richard Stengg, Rechtsanwalt in 7400 Oberwart, Wiener Straße 2/2/11, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom , Zl. 54.006/10-VII/D/4a/2000, betreffend Nichtigerklärung eines Bescheides in einer Angelegenheit nach dem Studienförderungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung (Spruchpunkt 3.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am bei der Studienbeihilfenbehörde für Studierende der Universität Wien die Gewährung von Studienbeihilfe.
Mit Schreiben der Studienbeihilfenbehörde vom wurde sie daraufhin aufgefordert, die in der Beilage genannten fehlenden Nachweise ("Meldezettel Wien kopiert") innerhalb von zwei Wochen vorzulegen. Die Behörde wies darauf hin, dass der Antrag gemäß § 39 Abs. 6 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305/1992 (StudFG), in Verbindung mit § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen werden müsste, sofern die Beschwerdeführerin dieser Aufforderung nicht nachkomme.
Der Verbesserungsauftrag wurde der Beschwerdeführerin an ihre Wiener Wohnadresse (Studentenheim) zugestellt und dort offensichtlich von einem Bediensteten des Heims entgegen genommen.
Mit Bescheid vom wies die Studienbeihilfenbehörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung einer Studienbeihilfe vom unter Berufung auf § 39 Abs. 6 StudFG in Verbindung mit § 13 Abs. 3 AVG zurück. Nach der Begründung sei die Beschwerdeführerin der ihr am ordnungsgemäß zugestellten Aufforderung bisher nicht nachgekommen. Der Antrag auf Gewährung einer Studienbeihilfe sei daher als mangelhaft zurückzuweisen gewesen.
Im Rahmen einer Vorsprache bei der Studienbeihilfenbehörde am gab die Beschwerdeführerin an, den Verbesserungsauftrag vom "auf Grund eines Zustellmangels" nicht erhalten zu haben. Sie erhob noch am selben Tag gegen den Bescheid der Studienbeihilfenbehörde vom eine als "Einspruch" bezeichnete Vorstellung. Sie begründete diese im Wesentlichen damit, dass ihr die Aufforderung vom nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Sie habe deshalb der Aufforderung nicht Folge leisten können und bitte, die Bearbeitung ihres Antrages wieder aufzunehmen.
Mit Bescheid der Studienbeihilfenbehörde vom wurde der Beschwerdeführerin ab eine Studienbeihilfe in der Höhe von S 5.630,-- pro Monat zuerkannt.
Auf Grund der Vorstellung der Beschwerdeführerin sprach der Senat der Studienbeihilfenbehörde mit Bescheid vom aus, dass der Bescheid vom wie folgt abgeändert wird:
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"1. | Der zurückweisende Bescheid vom wird aufgehoben. | |||||||||
2. | Der bewilligende Bescheid vom wird aufgehoben. | |||||||||
3. | Der Antrag auf Gewährung einer Studienbeihilfe wird abgewiesen. | |||||||||
4. Die ohne Rechtsgrundlage ausbezahlte Studienbeihilfe in Höhe von S 33.780,-- ist zurückzuzahlen." | ||||||||||
Nach der Begründung sei die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom aufgefordert worden, fehlende Unterlagen nachzureichen. Da sie die dafür gesetzte Frist von 14 Tagen nicht eingehalten habe, sei am ein zurückweisender Bescheid ergangen. Am (noch vor Zustellung des zurückweisenden Bescheides) habe die Beschwerdeführerin bei der Studienbeihilfenbehörde persönlich vorgesprochen und angegeben, dass sie das Schreiben vom auf Grund eines Zustellmangels nicht erhalten habe. Aus diesem Grund habe sie am selben Tag schriftlich Vorstellung erhoben. Am sei auf Grund einer fehlerhaften EDV-Bearbeitung ein bewilligender Bescheid ergangen, mit dem der Beschwerdeführerin ab September 1999 Studienbehilfe zuerkannt worden sei; bis Februar 2000 seien danach insgesamt S 33.780,-- ausbezahlt worden. Das Ermittlungsverfahren bezüglich der Vorstellung habe jedoch ergeben, dass der Antrag auf Gewährung von Studienbeihilfe mangels sozialer Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin abzuweisen wäre, weil die zumutbare Unterhaltsleistung der Eltern S 143.854,-- betrage. Da die Beschwerdeführerin die angeforderten Unterlagen nachgereicht habe, sei der zurückweisende Bescheid vom aufzuheben gewesen. Gleichzeitig sei auch der bewilligende Bescheid vom aufzuheben gewesen und über die Höhe der Studienbeihilfe zu entscheiden. Da die zumutbare Unterhaltsleistung der Eltern die höchstmögliche Studienbeihilfe übersteige, habe der Antrag abgewiesen werden müssen. Da der Antrag auf Studienbeihilfe nicht bewilligt worden sei, müsse die Beschwerdeführerin die ausbezahlte Studienbeihilfe in Höhe von insgesamt S 33.780,-- zurückzahlen. | ||||||||||
Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin Berufung erhoben, in der sie im Wesentlichen vorbrachte, ihr Antrag auf Gewährung einer Studienbeihilfe sei mit Bescheid vom aus formellen Gründen zurückgewiesen worden. Am habe sie gegen diesen Bescheid Vorstellung erhoben, da sie auf Grund eines Zustellmangels vom Schreiben vom (Verbesserungsauftrag) keine Kenntnis erlangt habe. Gegenstand der Vorstellung sei daher lediglich der Zurückweisungsbescheid vom gewesen. Mit Bescheid vom sei sodann ihr Antrag auf Gewährung einer Studienbeihilfe bewilligt worden. Über den Antrag auf Gewährung einer Studienbeihilfe sei somit materiell rechtskräftig abgesprochen worden, da sie dagegen kein Rechtsmittel erhoben habe. Der rechtskräftige Bescheid vom sei nunmehr durch den Bescheid des Senates der Studienbeihilfenbehörde vom behoben worden, ohne dass es hiefür eine gesetzliche Grundlage gebe. Mit ihrer Vorstellung vom habe sie nur den Bescheid vom bekämpft und nicht auch den Bescheid vom , da dieser zum Zeitpunkt der Vorstellung noch gar nicht erlassen gewesen sei. Demzufolge könne auf Grund ihrer Vorstellung lediglich über den Zurückweisungsbescheid vom abgesprochen werden. | ||||||||||
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Senates der Studienbeihilfenbehörde vom hinsichtlich der Entscheidung über den Bescheid der Studienbeihilfenbehörde vom (richtig: ), hinsichtlich der Abweisung des Antrages und hinsichtlich der Rückforderung von Studienbeihilfe gemäß den §§ 66 und 68 AVG stattgegeben und der Bescheid (vom ) aufgehoben (Spruchpunkt 1.). | ||||||||||
Mit Spruchpunkt 2. wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Senates der Studienbeihilfenbehörde hinsichtlich der Entscheidung über den Bescheid der Studienbeihilfenbehörde vom gemäß § 13 Abs. 3 AVG abgewiesen. | ||||||||||
Mit Spruchpunkt 3. wurde schließlich der Bescheid der Studienbeihilfenbehörde vom gemäß § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG als nichtig erklärt. | ||||||||||
In der Begründung vertrat die belangte Behörde nach Darstellung des bisherigen Verfahrensgeschehens die Auffassung, der Zurückweisungsbescheid vom sei zu Recht bereits durch den Bescheid des Senates der Studienbeihilfenbehörde vom aufgehoben worden, da der Zurückweisungsbescheid zu dem Zeitpunkt noch nicht zugestellt gewesen sei, als die Beschwerdeführerin ihren Antrag verbessert habe. Somit sei eine Rechtsgrundlage für die Erlassung des Zurückweisungsbescheides, der der Beschwerdeführerin nicht vor dem zugegangen sei, nicht mehr gegeben. | ||||||||||
Hinsichtlich des Bescheides vom , mit dem die Studienbeihilfenbehörde der Beschwerdeführerin eine Studienbeihilfe in Höhe von monatlich S 5.630,-- zuerkannt habe, gelte Folgendes: Dieser Bescheid sei über einen Antrag ergangen, über den bereits durch den Zurückweisungsbescheid (wenn auch rechtswidrig) entschieden worden sei. Es sei somit keine Zuständigkeit der Studienbeihilfenbehörde für die Erlassung dieses Bescheides mehr vorgelegen. Dieser Bescheid sei daher rechtswidrig. Die Beschwerdeführerin habe diesen Bescheid jedoch nicht angefochten, sodass er in Rechtskraft erwachsen sei. Die Aufhebung dieses rechtskräftigen Bescheides durch den Bescheid des Senates der Studienbeihilfenbehörde sei ohne Rechtsgrundlage erfolgt. Die Entscheidung sei daher rechtswidrig und insoweit sei der Berufung der Beschwerdeführerin stattzugeben gewesen. Auch die im Bescheid des Senates der Studienbeihilfenbehörde vorgenommene Abweisung des Antrages auf Gewährung von Studienbeihilfe und die Rückforderung der bereits ausbezahlten Studienbeihilfe seien rechtswidrig. | ||||||||||
Gemäß § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG könne jedoch die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Wege des Aufsichtsrechtes die von einer unzuständigen Behörde erlassenen Bescheide als nichtig erklären. Die belangte Behörde sei sachlich in Betracht kommende Aufsichtsbehörde gegenüber der Studienbeihilfenbehörde und daher berechtigt, eine derartige Nichtigerklärung vorzunehmen. Da die Studienbeihilfenbehörde über den Antrag der Beschwerdeführerin bereits (mit Zurückweisung) entschieden habe, sei sie für einen weiteren Bescheid in dieser Angelegenheit nicht mehr zuständig gewesen. Die Studienbeihilfenbehörde werde nunmehr neuerlich über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Studienbeihilfe zu entscheiden haben. Die bereits ausbezahlte Studienbeihilfe sei auf die Entscheidung über diesen neuerlichen Bescheid anzurechnen. Eine allfällig zu viel ausbezahlte Studienbeihilfe werde durch die Studienbeihilfenbehörde zurückzufordern sein. | ||||||||||
Die vorliegende Beschwerde richtet sich lediglich gegen Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides (Nichtigerklärung des Bescheides der Studienbeihilfenbehörde vom ). | ||||||||||
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird. |
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Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen: | ||||||||||
§ 68 Abs. 4 Z. 1 AVG hat folgenden Inhalt: | ||||||||||
"Außerdem können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid | ||||||||||
1. von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde," | ||||||||||
Dem angefochtenen Bescheid liegt sachverhaltsbezogen die Auffassung zu Grunde, dass der Beschwerdeführerin zunächst der Bescheid der Studienbeihilfenbehörde vom zugestellt worden ist, mit dem ihr Antrag auf Gewährung einer Studienbeihilfe mangels Vorlage der dafür erforderlichen Unterlagen zurückgewiesen worden ist. Gegen diesen Bescheid habe die Beschwerdeführerin am Vorstellung erhoben. Erst danach sei der Bescheid der Studienbeihilfenbehörde vom ergangen, mit dem der Beschwerdeführerin eine Studienbeihilfe in Höhe von S 5.630,-- pro Monat zuerkannt worden sei. | ||||||||||
Die Beschwerdeführerin ist dem weder im Verwaltungsverfahren noch in ihrer Beschwerde entgegen getreten. In dieser vertritt sie vielmehr die Auffassung, die belangte Behörde habe § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG insofern unrichtig ausgelegt, als diese die Auffassung vertrete, die Studienbeihilfenbehörde sei zur Erlassung des Bescheides vom unzuständig gewesen sei. Die belangte Behörde verkenne dabei den Begriff der Zuständigkeit, wie er von Lehre und Rechtsprechung angewendet werde. Unter der Zuständigkeit sei demnach die grundsätzliche Zuständigkeit zu verstehen, die sich als sachliche, örtliche und funktionelle Zuständigkeit äußere. Die von der belangten Behörde angeführte Begründung sei als res iudicata aufzufassen, welche jedoch im gegenständlichen Fall keinen Grund für eine Nichtigerklärung nach § 68 AVG darstelle. | ||||||||||
Dem hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift unter Hinweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 88/18/0333, die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen, wonach eine Behörde mit einer Entscheidung über eine bereits entschiedene Sache eine ihr nach dem Gesetz nicht zustehende Kompetenz in Anspruch nehme und daher ihre Entscheidung mit Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit belaste. | ||||||||||
Mit dieser Auffassung ist die belangte Behörde allerdings aus folgenden Erwägungen nicht im Recht: | ||||||||||
Nach der von der belangten Behörde zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf zwar die Berufungsbehörde über ein und dasselbe Rechtsmittel im selben Rechtsgang bei sonstigem Verstoß gegen das Verbot, über eine entschiedene Sache nochmals zu entscheiden, nicht nochmals entscheiden. Eine Behörde, die über eine bereits rechtskräftig entschiedene Sache neuerlich entscheidet, nimmt eine ihr nach dem Gesetz nicht zustehende Kompetenz in Anspruch und belastet ihre Entscheidung mit Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit. | ||||||||||
Der Beschwerdefall ist jedoch insofern anders gelagert, als die Beschwerdeführerin auf Grund des Zurückweisungsbescheides der Studienbeihilfenbehörde vom Vorstellung (von ihr als "Einspruch" bezeichnet) erhoben hat. Damit ist aber davon auszugehen, dass sich die Sachlage zwischen dem Zurückweisungsbescheid vom und dem Gewährungsbescheid vom in entscheidungswesentlicher Weise geändert hat. Es kann daher nicht gesagt werden, dass die Studienbeihilfenbehörde mit der Entscheidung vom eine ihr nicht zustehende Kompetenz in Anspruch genommen hat, kann die Studienbeihilfenbehörde doch gemäß § 43 StudFG ohne Befassung des zuständigen Senates auf Grund einer Vorstellung und allfälliger weiterer Ermittlungen binnen zwei Monaten den von ihr erlassenen Bescheid nach jeder Richtung abändern, ergänzen oder aufheben. Ihre Entscheidung vom ist somit nicht mit Unzuständigkeit behaftet. | ||||||||||
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war ihre Entscheidung im bekämpften Umfang (Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. | ||||||||||
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Kostenersatzverordnung 2003. | ||||||||||
Wien, am |