VwGH vom 15.11.2000, 96/08/0093
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der E in H, vertreten durch Dr. Gottfried Eypeltauer u. a., Rechtsanwälte in Linz, Museumstraße 17/II, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom , Zl. B1-AlV-7022-7- B/2043 240169/Freistadt, betreffend Rückerstattung von Facharztkosten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist auf den hg. Beschluss vom , Zl. 95/08/0266, zu verweisen.
Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde - anstelle der säumig gewordenen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Freistadt, und nunmehr in Bescheidform - über den von der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom gestellten Antrag auf Ersatz von Barauslagen in der Höhe von S 800,--, die der Beschwerdeführerin "für die Erstellung des auf Anregung der Behörde erstellten fachärztlichen Gutachtens" entstanden seien.
Die belangte Behörde sprach aus, dem Antrag werde "nicht stattgegeben", und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin im Zuge einer Vorsprache bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Freistadt am (an diesem Tag wurde das Formblatt für die Beantragung des Arbeitslosengeldes an die Beschwerdeführerin ausgegeben) angegeben habe, sie habe ihr Dienstverhältnis aus gesundheitlichen Gründen selbst gelöst. Die Beschwerdeführerin sei darauf aufmerksam gemacht worden, dass vor Einleitung weiterer Vermittlungs- oder Umschulungsbemühungen die von ihr angegebenen gesundheitlichen Probleme "durch den Amtsarzt untersucht" werden müssten. Sie habe dies abgelehnt und "selbst den Vorschlag gemacht, ein Facharztgutachten zu besorgen bzw. nachzureichen". Über eventuell daraus entstehende Kosten sei nicht gesprochen worden. Bei der Antragsabgabe habe die Beschwerdeführerin ein von Dr. B. erstelltes orthopädisches Facharztgutachten vorgelegt und den Antrag auf Ersatz der Arztkosten gestellt. Gemäß § 74 Abs. 1 AVG habe jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten. Die Beschwerdeführerin habe "das Angebot auf Untersuchung bei einem Vertrauensarzt (Amtsarzt) der regionalen Geschäftsstelle Freistadt abgelehnt und auf die Beibringung eines eigenen Facharztgutachtens bestanden". Ein "Auftrag" zur fachärztlichen Untersuchung bei Dr. B. sei ihr nicht erteilt worden, weshalb eine Refundierung der entstandenen Kosten nicht möglich sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Gemäß Art. II Abs. 2 Z. 41 EGVG ist "das AVG, dessen § 64 jedoch nur, wenn nicht anderes ausdrücklich bestimmt ist" auf das behördliche Verfahren u.a. der Landesgeschäftsstellen und der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice anzuwenden.
§ 64 AVG regelt die aufschiebende Wirkung von Berufungen.
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des AVG
lauten:
"Kosten der Beteiligten
§ 74. (1) Jeder Beteiligte hat die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten.
(2) Inwiefern einem Beteiligten ein Kostenersatzanspruch gegen einen anderen Beteiligten zusteht, bestimmen die Verwaltungsvorschriften. Der Kostenersatzanspruch ist so zeitgerecht zu stellen, dass der Ausspruch über die Kosten in den Bescheid aufgenommen werden kann. Die Höhe der zu ersetzenden Kosten wird von der Behörde bestimmt und kann von dieser auch in einem Bauschbetrag festgesetzt werden.
Kosten der Behörden
§ 75. (1) Sofern sich aus den §§ 76 bis 78 nicht anderes ergibt, sind die Kosten für die Tätigkeit der Behörden im Verwaltungsverfahren von Amts wegen zu tragen.
(2) Die Heranziehung der Beteiligten zu anderen als den in den §§ 76 bis 78 vorgesehenen Leistungen, unter welchem Titel immer, ist unzulässig.
(3) Die gesetzlichen Bestimmungen über die Stempel- und Rechtsgebühren des Bundes bleiben unberührt."
Die §§ 76 bis 78 AVG enthalten weitere Vorschriften über die Kosten des Verwaltungsverfahrens. Danach hat u.a. für die als Barauslagen der Behörde geltenden Kosten eines Sachverständigen in der Regel die Partei aufzukommen, die um die Amtshandlung der Behörde angesucht hat (§ 76 Abs. 1 AVG), und die Behörde kann eine Partei unter bestimmten Voraussetzungen auch zum Erlag eines Vorschusses verhalten (§ 76 Abs. 4 AVG). Ersatzansprüche der Partei gegenüber der Behörde sehen diese Bestimmungen nicht vor.
Gemäß § 70 Abs. 2 AlVG sind die §§ 76 bis 78 AVG und die aufgrund dieser Bestimmungen erlassenen Verordnungen im Verfahren nach dem AlVG nicht anzuwenden.
Im vorliegenden Fall macht die Beschwerdeführerin geltend, es treffe zwar zu, dass für die Kosten u.a. eines nichtamtlichen Sachverständigen gemäß § 76 Abs. 1 AVG in der Regel die (gemeint: um die Amtshandlung ansuchende) Partei aufzukommen habe. Diese Bestimmung sei gemäß § 70 AlVG im vorliegenden Fall aber nicht anzuwenden gewesen, woraus sich ergebe, dass "im Verfahren nach dem AlVG der Barauslagenersatz durch die Behörde stattzufinden hat". Den darauf abzielenden Antrag habe die Beschwerdeführerin vor der Entscheidung über ihren Antrag auf Arbeitslosengeld und somit im Sinne des § 74 Abs. 2 AVG jedenfalls rechtzeitig gestellt.
Diesen Ausführungen ist zunächst entgegenzuhalten, dass § 70 Abs. 2 AlVG, wonach die §§ 76 bis 78 AVG und die aufgrund dieser Bestimmungen erlassenen Verordnungen im Verfahren nach dem AlVG nicht anzuwenden sind, mit der EGVG-Novelle 1959, BGBl. Nr. 92, in das AlVG eingefügt und seither nicht mehr geändert wurde. Demgegenüber wurde mit Art. 17 des AMS-BegleitG, BGBl. Nr. 314/1994, der Art. II Abs. 2 Z. 41 EGVG (der bis dahin geltende Text dieser Ziffer stammte gleichfalls aus der EGVG-Novelle 1959) dahingehend geändert, dass das AVG insgesamt - mit einer Einschränkung hinsichtlich ausdrücklich gegenteiliger Vorschriften nur in Bezug auf § 64 - auf das behördliche Verfahren u. a. der Landesgeschäftsstellen und der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice anzuwenden sei. Davon scheint die in § 70 Abs. 1 (nicht Abs. 2, wie Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 1722, annehmen) AlVG vorgesehene Gebührenbefreiung schon wegen des Vorbehalts in § 78 Abs. 1 AVG nicht berührt zu sein (vgl. Walter/Thienel, a.a.O, 53 und 1722), wohingegen es gedankliche Schwierigkeiten bereitet, die in § 76 Abs. 1 AVG enthaltene Bezugnahme auf "Verwaltungsvorschriften" über die amtswegige Tragung von Barauslagen auf eine Vorschrift zu beziehen, deren hier relevanter Regelungsinhalt sich darin erschöpft, § 76 AVG insgesamt für unanwendbar zu erklären. Soll § 76 AVG - und damit auch die darin vorgesehene Bedachtnahme auf gegenteilige "Verwaltungsvorschriften" - anwendbar sein, so setzt dies vielmehr voraus, dass dem die Nichtanwendung der Bestimmung vorsehenden § 70 Abs. 2 AlVG - wie dies mit dem AMS-BegleitG, BGBl. Nr. 314/1994, dem Wortlaut nach geschehen wäre - materiell derogiert wurde. Als verwiesene "Verwaltungsvorschrift" kommt die Bestimmung dann nicht mehr in Betracht. Eine klare Rechtsgrundlage für die Nichtüberwälzung von Barauslagen gemäß § 76 AVG in den behördlichen Verfahren vor den Landesgeschäftsstellen und den regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice scheint sich aus § 70 Abs. 2 AlVG - mit Rücksicht auf die spätere Regelung in der nunmehrigen Fassung des Art. II Abs. 2 Z. 41 EGVG - daher nicht mehr zu ergeben.
Im vorliegenden Fall kommt es darauf jedoch - anders, als die Beschwerdeführerin meint - nicht an. Im angefochtenen Bescheid wurde nämlich nicht die Beschwerdeführerin dazu verpflichtet, gemäß § 76 Abs. 1 AVG für Barauslagen der Behörde aufzukommen, sondern einem Antrag der Beschwerdeführerin, mit dem diese den Ersatz ihr entstandener Auslagen begehrt hatte, mit dem Hinweis u. a. auf § 74 Abs. 1 AVG nicht stattgegeben. § 74 Abs. 1 AVG, wonach jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten hat, ist auch im Verfahren nach dem AlVG zweifelsfrei anzuwenden. § 74 Abs. 2 AVG bezieht sich auf Kostenersatzansprüche gegenüber "anderen Beteiligten" und setzt eine Verwaltungsvorschrift voraus, die einen solchen Ersatzanspruch vorsieht. Aus dieser Bestimmung ist für die Beschwerdeführerin schon mangels einer im AVG, im AlVG oder an anderer Stelle auffindbaren Verwaltungsvorschrift, auf die sich ihr geltend gemachter Ersatzanspruch stützen könnte, nichts zu gewinnen. In Ermangelung einer derartigen Vorschrift bleibt es vielmehr bei der Kostentragungsregelung des § 74 Abs. 1 AVG, von der der Verwaltungsgerichtshof in einem Erkenntnis aus jüngerer Zeit ausgesprochen hat, dass es sich dabei um einen "dem Verwaltungsverfahren innewohnenden ... Grundsatz" handle, der - bei Fehlen einer gegenteiligen Regelung - auch dort gelte, wo die Anwendung des § 74 AVG (anders als im vorliegenden Fall) nicht ausdrücklich vorgesehen sei (Erkenntnis vom , Zl. 99/11/0268).
Bei dieser Rechtslage kommt es nicht darauf an, wie das Gespräch am , von dem in der Beschwerde behauptet wird, es habe die "behördliche Aufforderung" zur Beibringung eines fachärztlichen Gutachtens enthalten, verlaufen ist. Für die Entscheidung ist es daher auch nicht wesentlich, dass die belangte Behörde der Beschwerdeführerin nicht Gelegenheit gegeben hat, zu den Ergebnissen des diesbezüglichen Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen, die Beweisanträge der Beschwerdeführerin stillschweigend übergangen wurden und der angefochtene Bescheid keine Ausführungen zur Beweiswürdigung enthält. Da es keine verwaltungsrechtliche Grundlage für den geltend gemachten Anspruch gibt, wäre ein anderer Bescheid auch bei Vermeidung dieser Verfahrensmängel nicht möglich gewesen (vgl. zum Kostentragungssystem der §§ 74 ff AVG aus verfassungsrechtlicher Sicht etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 11.301; zur Unmaßgeblichkeit der Frage, ob die Partei zu dem Verfahrensschritt, durch den ihr die Kosten entstanden sind, verpflichtet war, das hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/11/0157).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am