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VwGH vom 11.05.1993, 93/14/0021

VwGH vom 11.05.1993, 93/14/0021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Dipl. Ing. J in S, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , Zl. 1/7/27-BK/F-1992, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 1979 bis 1985 und Vorauszahlungen an Einkommensteuer 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom , 91/14/0041, verwiesen, welches eine Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom zum Gegenstand hatte.

Mit Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, den er im wesentlichen darauf stützte, daß Beweismittel beschlagnahmt und ihm erst nach Aufsichtsbeschwerden fünf Jahre später ausgehändigt worden seien. Er behauptete, aus diesen retournierten Unterlagen ergebe sich, daß er während des strittigen Zeitraumes den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Deutschland gehabt hätte und daß diese Beweismittel ohne Verschulden der Partei bisher nicht geltend gemacht werden konnten. Dabei verwies er insbesondere auf einen als Beilage vorgelegten Tagebuchauszug aus dem Jahr 1982; aus der vorgelegten Kopie eines Kalenderblattes der Woche vom 7. bis ging hervor, daß der Beschwerdeführer für die meisten Tage Eintragungen über abendliche Aufenthalte bzw. Nächtigungen in Bayern gemacht hatte. Weiters legte er seinem Antrag eine eidesstattliche Erklärung von Frau F bei, in welcher sie bestätigte, daß der Beschwerdeführer zeitweilig fast täglich zur Stelle war, um zu helfen. Als weiteres Beweismittel legte der Beschwerdeführer eine Kopie einer Gewerbeanmeldung der Firma K & B vom vor. Er behauptete, daß er damit die Feststellung der Finanzbehörde, bei der genannten Firma handle es sich lediglich um eine Scheinfirma, widerlegt habe. Weiters behauptete der Beschwerdeführer als neues Beweismittel US-Steuererklärungen vorzulegen, welche von der Behörde bislang nur zum Teil und unvollständig retourniert worden wären. Als Beilagen angeschlossen waren Kopien einer amerikanischen Steuererklärung von 1982 (profit or loss from business or profession) sowie mehrere Kopien von Einzahlungsbelegen betreffend real estate tax (offenbar Grundsteuer).

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers ab bzw. hinsichtlich der Vorauszahlungen an Einkommensteuer 1986 zurück und führte unter anderem aus:

Der Beschwerdeführer begründe seinen Antrag im wesentlichen damit, daß im Zuge der Hausdurchsuchungen vom verschiedene Unterlagen und Beweismittel beschlagnahmt worden seien und diese Beweismittel bei entsprechender Würdigung (im Sinne des Beschwerdeführers) zu einem im Spruch anderslautenden Bescheid geführt hätten. Er bestreite hingegen nicht, daß die Abgabenbehörde und insbesondere der zuständige Betriebsprüfer des Finanzamtes von den beschlagnahmten Beweismitteln Kenntnis erlangt habe und daß diese Beweismittel im Sinne der ergangenen Entscheidung der belangten Behörde vom gewürdigt wurden. Er behaupte auch, daß er ohne sein Verschulden die vorgelegten Beweismittel bisher nicht geltend habe machen können. Zu den vom Beschwerdeführer beigelegten Beweismitteln sei im einzelnen folgendes auszuführen:

1. Die eidesstattliche Erklärung von Frau F sowie die Gewerbeanmeldung der Firma K & B vom seien aktenkundig und auch dem Verwaltungsgerichtshof bereits vorgelegen. Es könne daher auf Grund der Aktenlage mit Sicherheit ausgeschlossen werden, daß die genannten Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren nicht berücksichtigt worden und erst nachher neu hervorgekommen seien.

2. In dem als Beweismittel vorgelegten Tagebuchauszug für die Zeit vom 7. bis fänden sich lediglich Eintragungen, daß der Antragsteller in dieser Woche viermal abends in S/Bayern gewesen sei bzw. dort genächtigt habe. Diese Eintragungen seien zwar ein Hinweis dafür, daß der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt dort einen Wohnsitz gehabt habe, sie würden aber nichts darüber aussagen, wo der Beschwerdeführer in den gegenständlichen Jahren 1979 bis 1985 den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen gehabt habe. Wie aus dem erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom hervorgehe, sei auch die belangte Behörde in ihrer Entscheidung vom davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer in Deutschland einen Wohnsitz habe, aber auf Grund des vorliegenden Beweismaterials (insbesondere zahlreicher Zeugenbefragungen) zu der Überzeugung gelangt, daß der Wohnsitz in H derjenige Wohnsitz des Antragstellers sei, zu dem er die stärksten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen gehabt habe. Auf Grund der Ausführungen der genannten Berufungsentscheidung sowie des zitierten Verwaltungsgerichtshoferkenntnisses könne es daher als völlig ausgeschlossen angesehen werden, daß die belangte Behörde bei Kenntnis des vom Beschwerdeführer vorgelegten Tagebuchauszuges einen im Spruch anderslautenden Bescheid erlassen hätte. Darüber hinaus stelle dieser Tagebuchauszug keineswegs ein neues Beweismittel im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar, da nach den Angaben des Antragstellers dieses Tagebuch fünf Jahre lang beschlagnahmt gewesen sei und somit im bereits abgeschlossenen Verfahren als Beweismittel zur Verfügung gestanden habe. Es sei daher anzunehmen, daß dieses Beweismittel im abgabenbehördlichen Prüfungsverfahren gewürdigt worden sei. Sollte das Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren jedoch nicht gewürdigt worden sein, so könne dies allenfalls ein Verfahrensmangel des abgeschlossenen Verfahrens sein, keinesfalls könne aber ein nicht oder mangelhaft gewürdigtes Beweismittel einen Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 303 BAO darstellen.

3. Auch die vom Beschwerdeführer in Kopie vorgelegten amerikanischen Steuerunterlagen stellten keine neuen Beweismittel im Sinn des § 303 BAO dar; denn der zuständige Betriebsprüfer habe sie anläßlich einer Besprechung als Kopien von beschlagnahmten Unterlagen erkannt. Selbst für den Fall, daß tatsächlich amerikanische Einkünfte in Österreich besteuert worden wären, könnte die darauf entrichtete amerikanische Steuer, deren Bezahlung allerdings erst nachzuweisen wäre (der Nachweis der Bezahlung von real estate tax, also Grundsteuer, sei in diesem Zusammenhang bedeutungslos) nicht mehr angerechnet werden, da kein Wiederaufnahmsgrund vorliege. Der Beschwerdeführer hätte also einen derartigen Antrag während des noch offenen Verfahrens stellen müssen, was ihm anläßlich der durchgeführten Betriebsprüfung oder im anschließenden Rechtmittelverfahren ohne weiteres möglich gewesen wäre.

Durch diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer erkennbar in seinem Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen in der Berufungsentscheidung vom und im hg. Erkenntnis vom vorgenommene Beurteilungen wendet, ist vorauszuschicken, daß im gegenständlichen Verfahren lediglich zu prüfen ist, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen, wobei im Hinblick auf die geltend gemachten Wiederaufnahmsgründe die Bestimmung des § 303 Abs. 1 lit. b BAO heranzuziehen ist. Danach ist die Wiederaufnahme zu bewilligen, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Es muß sich um tatsächliche Umstände handeln, die bereits vor Abschluß des Erstverfahrens bestanden haben, aber erst nach dessen rechtskräftigem Abschluß bekannt geworden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 87/13/0257). Die nachteiligen Folgen einer früheren unzutreffenden Würdigung oder Wertung des offengelegt gewesenen Sachverhaltes oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung - gleichgültig durch welche Umstände veranlaßt - lassen sich bei unveränderter Tatsachenlage nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 90/15/0118). Ein Verschulden im Sinn des § 303 Abs. 1 lit. b BAO liegt nicht nur dann vor, wenn der Partei die Tatsachen oder Beweismittel im vorangegangenen Verfahren bereits bekannt waren, sondern auch dann, wenn sie ihr bei gehöriger Aufmerksamkeit hätten bekannt sein müssen (vgl. hg. Erkenntnis vom , 83/15/0095).

Die vom Beschwerdeführer als neue Beweismittel bezeichneten Urkunden waren auch seinem Vorbringen nach Teil des bei ihm im Zuge von Hausdurchsuchungen beschlagnahmten Beweismaterials. Es haben sich keine Hinweise darauf ergeben, daß dieses Material der belangten Behörde bei ihrer Entscheidung im abgeschlossenen Verfahren nicht zur Verfügung gestanden wäre. Was die Möglichkeit des Beschwerdeführers anlangt, die in Rede stehenden Urkunden im Verfahren selbst zu verwerten, so hat er nicht behauptet, er hätte von der Beschlagnahme dieser Urkunden keine Kenntnis gehabt oder sich nicht zumindest - durch Akteneinsicht - Kenntnis davon verschaffen können, welche Beweismittel der belangten Behörde zur Verfügung standen.

Zur eidesstättigen Erklärung einer mit dem Beschwerdeführer befreundeten deutschen Witwe und zur Gewerbeanmeldung aus 1981, betreffend die "Firma" K & B, ist zu bemerken, daß sich der Beschwerdeführer auf diese bereits damals aktenkundigen Beweismittel schon in seiner zu 91/14/0041 protokollierten Beschwerde (dort Seiten 13 und 18) berufen hat; auch der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom mit diesen Urkunden befaßt (Seiten 9 und 13 der Ausfertigung).

Der Gerichtshof pflichtet der belangten Behörde weiters darin bei, daß im Beschwerdefall Eintragungen des Beschwerdeführers auf dem Kalenderblatt einer einzigen Woche des Jahres 1982 weder für sich allein noch in Verbindung mit den sonstigen Verfahrensergebnissen geeignet sind, zu einer anderen Beurteilung der Frage, wo der Beschwerdeführer von 1979 bis 1985 den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hatte, zu führen.

Schließlich hat die belangte Behörde bereits in ihrer Berufungsentscheidung vom ausgeführt, daß eine Anrechnung von angeblich in den USA bezahlten Steuern mangels entsprechender Belege bzw. Bescheide nicht erfolgen könne. Hiebei wurden zwar die Unterlagen, auf die sich der Beschwerdeführer nunmehr beruft, nicht im einzelnen angeführt. Sowohl nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers als auch nach den Angaben der damals befaßten behördlichen Prüfer handelte es sich aber um Teile der beschlagnahmten, der Behörde bekannten Unterlagen. Der Beschwerdeführer hat in seiner zu 91/14/0041 erhobenen Beschwerde die Frage einer allfälligen Doppelbesteuerung bestimmter amerikanischer Einkünfte nicht berührt und hat diesbezüglich auch keine Rechtswidrigkeit der damals zu überprüfenden Berufungsentscheidung geltend gemacht. Im übrigen wird auch in der vorliegenden Beschwerde nicht näher ausgeführt, hinsichtlich welcher Abgaben und hinsichtlich welcher Beträge eine Doppelbesteuerung vorliegen soll und inwieweit dies aus den dem Wiederaufnahmeantrag angeschlossenen Unterlagen zu entnehmen wäre. Insbesondere erläutert der Beschwerdeführer nicht, welche Bedeutung die Bezahlung amerikanischer Grundsteuern im Zusammenhang mit den gegenständlichen österreichischen Abgaben hätte oder warum sich eine tatsächliche Doppelbesteuerung bereits aus der Ausfüllung eines amerikanischen Steuererklärungsformulares ergeben soll.

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß in der Versagung der beantragten Wiederaufnahme des Verfahrens eine Rechtswidrigkeit nicht gelegen war. Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.