VwGH vom 30.05.2001, 96/08/0080

VwGH vom 30.05.2001, 96/08/0080

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

96/08/0081

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerden der A. GmbH in K, vertreten durch Dr. Christoph Haffner, Rechtsanwalt in 3300 Amstetten, Burgfriedstraße 11, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zlen. V/2-5188/6-1996 (hg. protokolliert zu 96/08/0080) und VII/2- 5242/4-1996 (hg. protokolliert zu 96/08/0081), jeweils betreffend Beitragsnachverrechnung (jeweils mitbeteiligte Partei:

Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, Dr. Karl Renner Promenade 14-16, 3100 St. Pölten), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen von S 9.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheiden vom 3. Februar und erklärte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse ihre Nachtragsrechnungen vom (Nr. 390) bzw. vom (Nr. 3) als zu Recht bestehend und verpflichtete die beschwerdeführende Gesellschaft (in der Folge A. GmbH genannt), Sozialversicherungsbeiträge und Nebenbeiträge in Höhe von S 1,646.581,72 (96/08/0080) bzw. S 151.522,82 (96/08/0081) zu entrichten.

In der Begründung heißt es in beiden Bescheiden wortgleich, das Landesarbeitsamt Niederösterreich habe der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse die Kopie einer Anzeige vom gegen die A. GmbH wegen unerlaubter Ausländerbeschäftigung und Übertretung des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes übermittelt. Dadurch sei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bekannt geworden, dass die A. GmbH an die U. I. GmbH Arbeitskräfte vermittelt haben soll. Es habe festgestellt werden können, dass die A. GmbH mit der U. I. GmbH am eine als Werkvertrag titulierte Vereinbarung abgeschlossen habe. Darin habe sich die A. GmbH verpflichtet, Arbeitsleistungen gemäß der "vertragsintegrierenden Auftragsbeschreibung" gegen ein gemäß den tatsächlichen Arbeitsstunden festgelegtes Entgelt zu erbringen, wobei bestimmte Stundensätze für Schlosser, Schweißer oder Helfer in Ansatz zu bringen seien. Die jeweils erbrachte Arbeitsleistung sei von der U. I. GmbH wöchentlich zu bestätigen. Die Rechnungslegung erfolge monatlich. Die "vertragsgegenständliche Werkleistung" sei bis zu erbringen. Punkt VI des Vertrages laute:

"Aufgrund des gegenständlichen Werkvertrages findet das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz nach unserer Rechtsmeinung keine Anwendung. Sollten dennoch Rechtsansprüche Dritter erhoben werden, erklärt sich der Auftragnehmer im Sinne des Werkvertrages bereit, uns klag- und schadlos zu halten."

Ein Lokalaugenschein sowie die Befragung von Zeugen hätten hervorgebracht, dass die U. I. GmbH den erwähnten "Werkvertrag" mit der A. GmbH abgeschlossen habe, um ihr Personalwesen - je nach Absatzlage - flexibel gestalten zu können. Die A. GmbH stelle die gewünschte Anzahl von Arbeitskräften zur Verfügung. Die von der A. GmbH zur Verfügung gestellten Arbeitskräfte seien voll in den Schichtbetrieb der U. I. GmbH integriert. Ihre Tätigkeit werde vom Schichtführer oder Meister der U. I. GmbH kontrolliert. Es gebe gemischte Arbeitspartien, aber auch solche, die nur aus Arbeitskräften der A. GmbH bestünden. Die Leute führten selbst Stunden- und Akkordaufzeichnungen, wobei eine Kontrolle durch den Schichtführer erfolge. Diese Aufzeichnungen führe jeder für sich auf einer Karteikarte, auf der auch die im Akkord zu fertigende Stückzahl verzeichnet werde. Die Aufnahme der Tätigkeit, deren Ende sowie jede Unterbrechung (zum Beispiel wegen Maschinenschadens) müsse vom Arbeiter telefonisch durchgesagt werden. Die gefertigten Stücke würden vom Meister geprüft werden; dieser vergleiche auch, ob die vorgeschriebene Stückzahl erreicht werde. Die Stundenaufzeichnungen dienten als Grundlage für die Berechnung der Zahlungen an die A. GmbH, wobei nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden je nach Art der Tätigkeit (Schlosser, Schweißer oder Helfer) bestimmte Stundensätze in Ansatz gebracht würden. Die Entlohnung der Arbeitskräfte selbst erfolge ausschließlich durch die A. GmbH.

Nach der bescheidmäßigen Feststellung der Tätigkeit eines Beschäftigten (I. H.) beim Dienstgeber A. GmbH als versicherungspflichtig habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse für alle von Jänner bis Oktober 1991 (zu 96/08/0080) bzw. im November 1991 (zu 96/08/0081) beschäftigten Arbeitskräfte die genannten Nachtragsrechnungen erstellt.

In rechtlicher Hinsicht ging die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse davon aus, dass die A. GmbH als Dienstgeber die auf sie und die Versicherten entfallenden Beiträge schulde und zur Gänze einzuzahlen habe. Nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt der als "Werkvertrag" bezeichneten Vereinbarung habe die A. GmbH der U. I. GmbH Arbeitskräfte zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt. Da die A. GmbH somit Dienstgeber gemäß § 35 ASVG sei, träfen sie auch die daraus resultierenden Verpflichtungen, insbesondere die Meldungserstattung und die Beitragsentrichtung. Als Grundlage für die Berechnung der nunmehr vorgeschriebenen Beiträge sei jenes Entgelt herangezogen worden, auf das die Arbeitskräfte auf Grund des für den Beschäftigerbetrieb U. I. GmbH anzuwendenden Kollektivvertrages für die Eisen und Metall verarbeitende Industrie (Verwendungsgruppe 3 - Facharbeiter bzw. Verwendungsgruppe 7 - Arbeitnehmer ohne Zweckausbildung) Anspruch hätten.

Die zum jeweiligen Bescheidinhalt erklärten Nachtragsrechnungen samt den Aufstellungen über nicht oder unrichtig gemeldete Beitragsgrundlagen enthalten für jeden einzelnen namentlich angeführten Arbeiter den Beschäftigungszeitraum, die Höhe des Stundenlohns, die Gesamtzahl der geleisteten Arbeits- und Überstunden sowie die sich daraus ergebenden Löhne. Auf der Grundlage der Lohnsummen sind die Sozialversicherungs- und Nebenbeiträge in Prozent- und absoluten Zahlen, auf deren Basis die Vorschreibungen erfolgt sind, berechnet.

In den gegen diese Bescheide erhobenen im wesentlichen gleichlautenden Einsprüchen führte die A. GmbH aus, ein Teil der in den Nachtragsrechnungen genannten Dienstnehmer sei bei der M. GmbH in Wien beschäftigt und bei der Wiener Gebietskrankenkasse gemeldet gewesen; die übrigen genannten Personen seien ungarische Staatsbürger, die in aufrechten Dienstverhältnissen zu ungarischen Unternehmen gestanden seien. Als Dienstnehmer ungarischer Unternehmen seien sie nach ungarischen Rechtsvorschriften sozial- und krankenversichert gewesen. Sie seien im Auftrag ihrer Dienstgeber mit Arbeiten für die A. GmbH in Österreich betraut gewesen. In Erfüllung dieses Auftrages hätten die ungarischen Dienstnehmer mit Dienstnehmern der U. I. GmbH zusammengearbeitet. Sie seien jedoch den Weisungen ihrer ungarischen Dienstgeber unterlegen und persönlich und wirtschaftlich von diesen abhängig gewesen. Die Überprüfung von Leistungsaufstellungen durch Dienstnehmer der U. I. GmbH sei nicht mit einem Weisungsrecht dieses Unternehmens den ungarischen Arbeitnehmern gegenüber zu erklären. Solche Überprüfungen seien wegen der Art der von den ungarischen Unternehmen zu erbringenden Leistungen notwendig gewesen; dabei habe es sich um die Fertigung von Werkstücken im Akkord gehandelt. Die ungarischen Unternehmen seien auf Basis eines Werkvertrages mit der A. GmbH in Österreich tätig geworden, weshalb die A. GmbH den Werklohn an die ungarischen Unternehmen entrichtet habe. Die Entlohnung der ungarischen Dienstnehmer sei ausschließlich durch deren Dienstgeber erfolgt. Die ungarischen Unternehmen verfügten über keine Betriebsstätte, die ungarischen Dienstnehmer über keinen Wohnsitz im Inland. Sohin sei der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 3 Satz zwei ASVG verwirklicht, weshalb keine Versicherungspflicht gegeben sei.Die Entlohnung der ungarischen Dienstnehmer erfolge von ihren Dienstgebern nach den in Ungarn geltenden kollektivvertraglichen Regelungen; somit sei der ungarische Kollektivvertrag als Bemessungsgrundlage für jenes Entgelt heranzuziehen, auf welches die ungarischen Arbeitnehmer Anspruch hätten. In den angefochtenen Bescheiden finde sich keine nachvollziehbare Begründung für die in den Nachtragsrechnungen "angefochtenen" Beschäftigungszeiträume. Ebenso wenig sei die Klassifizierung der Tätigkeiten der einzelnen Arbeitnehmer als Facharbeiter bzw. als Arbeitnehmer ohne Zweckausbildung nachvollziehbar. Damit sei aber die Feststellung der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung (in Zeiteinheiten) sowie das jeweilige Entgelt als Berechnungsgrundlage mangelhaft festgestellt worden. Zudem sei der Kollektivvertrag in seinen verfahrensrelevanten Passagen in den Bescheiden nicht zitiert worden.

In an die belangte Behörde gerichteten Stellungnahmen teilte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in jedem Verfahren unter anderem mit, dass die ungarischen Arbeitskräfte zumindest "unter der Woche" eine Unterkunft in Österreich gehabt hätten, für deren Kosten die A. GmbH aufgekommen sei.

Mit den beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde den Einsprüchen keine Folge und führte begründend aus, dass die Entlohnung sämtlicher Dienstnehmer durch die A. GmbH erfolgt sei, weshalb außer Zweifel stehe, dass der für den Beschäftigerbetrieb gültige Kollektivvertrag für die Eisen und Metall verarbeitende Industrie für die Entgeltberechnung anzuwenden gewesen sei. Es seien jene Stundenaufzeichnungen herangezogen worden, die auch als Unterlagen der Abrechnung zwischen der A. GmbH und der U. I. GmbH gedient hätten. Zur Einstufung sei in den Beiblättern zur Nachtragsrechnung bei jedem Dienstnehmer der Stundenlohn angeführt worden. Die Tätigkeitsbezeichnungen seien den Arbeitsbestätigungen entnommen worden. Nicht die ungarischen Dienstgeber, sondern die A. GmbH sei in einem Vertragverhältnis zur U. I. GmbH gestanden und habe dieser Arbeitskräfte überlassen. Für die Behauptung, ein Teil der Arbeitskräfte sei bei der M. GmbH beschäftigt gewesen, habe die A. GmbH keine Nachweise erbracht. Alle Arbeitskräfte hätten "unter der Woche" eine Unterkunft gehabt, deren Kosten die A. GmbH getragen habe.

Gegen diese Bescheide richten sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerden.

Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse jeweils Gegenschriften, in denen die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt wird.

Wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges wurden beide Beschwerdesachen zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die weitgehend gleichlautenden Beschwerden richten sich ausdrücklich jeweils gegen den "Bescheid des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung". Das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung wird auch im Rubrum der Beschwerden als belangte Behörde bezeichnet. Demgegenüber geht aus den angefochtenen Bescheiden hervor, dass sie der Landeshauptmann von Niederösterreich erlassen hat. Die Falschbezeichnung "Amt der Niederösterreichischen Landesregierung" für die belangte Behörde steht jedoch der sachlichen Behandlung der Beschwerden nicht im Wege, weil durch die in den Bescheiden enthaltene Fertigungsklausel klar ist, dass die A. GmbH (fälschlicherweise) von der Identität der Behörde mit deren Hilfsapparat (dem Amt der Landesregierung) ausgeht (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , VwSlg 11625/A, und den Beschluss eines verstärkten Senates vom , VwSlg 10419/A).

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die A. GmbH das Unterbleiben einer Auseinandersetzung der belangten Behörde mit den Fragen des Wohnsitzes der ungarischen Dienstnehmer, ihres Entgeltanspruches, der Beschäftigung von Dienstnehmern bei der (österreichischen) M. GmbH und deren Anmeldung bei der Wiener Gebietskrankenkasse sowie der damit zusammenhängenden Frage der Doppelversicherung. Eine Auseinandersetzung mit diesen Argumenten sowie die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens hätten zum Ergebnis gehabt, dass die ungarischen Dienstnehmer mangels Wohnsitzes im Inland und auf Grund ihrer Sozialversicherung in Ungarn in Österreich nicht sozialversicherungspflichtig gewesen seien, sowie dass die österreichischen Dienstnehmer wegen ihrer Sozialversicherung bei der Wiener Gebietskrankenkasse in unzulässiger Weise doppelt versichert wären.

Zunächst ist die A. GmbH darauf zu verweisen, dass die belangte Behörde zur Unterkunft der ungarischen Arbeitskräfte Feststellungen getroffen hat (Seite 2 letzter Absatz), die in den Beschwerden nicht bekämpft werden, die Frage des Wohnsitzes der ungarischen Arbeitskräfte aber, wie bei der Behandlung der Rechtsrüge zu zeigen sein wird, im konkreten Fall ohne rechtliche Bedeutung ist. Ebenfalls unangefochten hat die belangte Behörde zum Entgeltanspruch festgehalten, dass sämtliche Dienstnehmer durch die A. GmbH entlohnt würden. Mit ihrer nunmehr auch in den Beschwerden wiederholten bloßen Behauptung, die ungarischen Dienstnehmer hätten ihre Entlohnung ausschließlich durch ungarische Unternehmen erhalten, vermag die A. GmbH keine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung, somit keinen Verfahrensfehler der belangten Behörde aufzuzeigen. An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Beschwerden teilweise mit den Feststellungen unvereinbare Behauptungen aufstellen (etwa zur Zahlung der Arbeitskräfte), ohne aber den Sachverhalt im Einzelnen zu bekämpfen oder Beweise für diese Behauptungen anzubieten.

Zu einer Auseinandersetzung mit der behaupteten Doppel (Mehrfach-) Versicherung sowohl der ungarischen als auch der österreichischen Arbeitskräfte war die belangte Behörde nicht verhalten. Zwar bezeichnet die A. GmbH in rechtlicher Würdigung eines von ihr nicht offengelegten Tatsachensubstrates die Arbeiter als "sozialversichert" bzw. "Dienstnehmer", eine bestehende Pflicht(sozial)versicherung schließt aber eine (mehrere) weitere Versicherungspflicht(en) nicht aus. Soweit nämlich die Sozialversicherungsgesetze keine Subsidiaritätsverhältnisse anordnen, kommt das Prinzip der Mehrfachversicherung zum Tragen. Das heißt, dass im Fall der gleichzeitigen Erfüllung mehrerer Pflichtversicherungstatbestände auch mehrfache Pflichtversicherungen begründet werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird im Hinblick auf das Wesen der Sozialversicherung die Mehrfachversicherung bei unselbstständig Erwerbstätigen auf Grund zweier verschiedener unselbstständiger Beschäftigungen durch das Gesetz nicht ausgeschlossen (vgl. das Erkenntnis vom , 91/08/0174, mit weiteren Judikaturhinweisen). Die aus einer Beschäftigung resultierende Pflichtversicherung ist somit entgegen der Auffassung der A. GmbH kein Hindernis, auf Grund eines anderen Beschäftigungsverhältnisses ebenfalls versicherungspflichtig zu werden. Daher liegt weder in der unterlassenen Überprüfung einer allenfalls bereits bestehenden Versicherungspflicht noch in der unterlassenen Auseinandersetzung mit dieser Behauptung ein Verfahrensfehler.

Insgesamt vermochte die A. GmbH eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht aufzuzeigen, weshalb die Rechtsfrage auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu prüfen ist.

Von diesen Feststellungen entfernt sich die A. GmbH aber, wenn sie im Rahmen der Rechtsrüge davon ausgeht, dass die ungarischen Arbeitskräfte ausschließlich durch ihre ungarischen Dienstgeber entlohnt würden; insoweit ist auf die Beschwerdeargumente nicht einzugehen. Auch geht aus dem Vorbringen der A. GmbH nicht hervor, woraus sich die Beurteilung der zwischen ihr und der U. I. GmbH getroffenen Vereinbarung als Werkvertrag ableiten ließe bzw. welchen konkreten Inhalt der angeblich mit ungarischen Partnern abgeschlossene "Werkvertrag" aufweist. Die A. GmbH unternimmt auch nicht in den Beschwerden den Versuch, die dafür erforderlichen Tatsachenbehauptungen aufzustellen.

Im Zusammenhang mit den angeblich fehlenden Wohnsitzen der ungarischen Arbeitskräfte im Inland beruft sich die A. GmbH auf den Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 3 Satz 2 ASVG, wonach Dienstnehmer eines ausländischen Betriebes, der im Inland keine Betriebsstätte (Niederlassung, Geschäftsstelle, Niederlage) unterhält, nur dann als im Inland beschäftigt gelten - und somit den Regeln des ASVG unterworfen sind -, wenn sie ihre Beschäftigung (Tätigkeit) von einem im Inland gelegenen Wohnsitz aus ausüben und sie nicht auf Grund dieser Beschäftigung einem System der sozialen Sicherheit im Ausland unterliegen. Es kann aber auf sich beruhen, ob die belangte Behörde mit der von ihr offenbar angenommenen Gleichsetzung der Begriffe "Wohnsitz" und "Unterkunft" im Recht ist, weil es darauf aus folgenden Gründen nicht ankommt:

Bei der Entscheidung über die Beitragspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung ist vorfrageweise die Versicherungspflicht zu beurteilen.

Nach § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert).

Dienstnehmer ist, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen (§ 4 Abs. 2 ASVG).

Gemäß § 35 Abs. 1 ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs(Lehr)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse ging in ihren von der belangten Behörde bestätigten Bescheiden auf Grund des bereits wiedergegebenen Sachverhaltes von einer Überlassung von Arbeitskräften durch die A. GmbH an die U. I. GmbH aus. Diese Beurteilung stützte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse auf folgende Bestimmungen des AÜG in der auf den Beschwerdefall anzuwendenden (Stamm-) Fassung BGBl. 1988/196:

"§ 1

(1) Dieses Bundesgesetz gilt für die Beschäftigung von Arbeitskräften, die zur Arbeitsleistung an Dritte überlassen werden.

...

§ 3

(1) Überlassung von Arbeitskräften ist die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte.

(2) Überlasser ist, wer Arbeitskräfte zur Arbeitsleistung an Dritte vertraglich verpflichtet.

(3) Beschäftiger ist, wer Arbeitskräfte eines Überlassers zur Arbeitsleistung für betriebseigene Aufgaben einsetzt.

(4) Arbeitskräfte sind Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnliche Personen. Arbeitnehmerähnlich sind Personen, die, ohne in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, im Auftrag und für Rechnung bestimmter Personen Arbeit leisten und wirtschaftlich unselbständig sind.

§ 4

(1) Für die Beurteilung, ob eine Überlassung von Arbeitskräften vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.

(2) Arbeitskräfteüberlassung liegt insbesondere auch vor, wenn die Arbeitskräfte ihre Arbeitsleistung im Betrieb des Werkbestellers in Erfüllung von Werkverträgen erbringen, aber

1. kein von den Produkten, Dienstleistungen und Zwischenergebnissen des Werkbestellers abweichendes, unterscheidbares und dem Werkunternehmer zurechenbares Werk herstellen oder an dessen Herstellung mitwirken oder

2. die Arbeit nicht vorwiegend mit Material und Werkzeug des Werkunternehmers leisten oder

3. organisatorisch in den Betrieb des Werkbestellers eingegliedert sind und dessen Dienst- und Fachaufsicht unterstehen oder

4. der Werkunternehmer nicht für den Erfolg der Werkleistung haftet.

§ 5

(1) Die Pflichten des Arbeitgebers, insbesondere im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften, werden durch die Überlassung nicht berührt.

...

§ 10

(1) Die Arbeitskraft hat Anspruch auf ein angemessenes, ortsübliches Entgelt, das mindestens einmal monatlich auszuzahlen und schriftlich abzurechnen ist. Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, denen der Überlasser unterworfen ist, bleiben unberührt. Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist für die Dauer der Überlassung auf das im Beschäftigerbetrieb vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlende kollektivvertragliche Entgelt Bedacht zu nehmen.

..."

Die A. GmbH lässt unbestritten, dass die Erbringung der Arbeitsleistung der bei der U. I. GmbH beschäftigten Personen im Rahmen von Dienstverhältnissen erfolgte. Sie bestreitet lediglich, dass sie auf Grund des mit der U. I. GmbH geschlossenen Vertrages als Dienstgeber dieser Dienstnehmer anzusehen sei. Damit ist sie aber nicht im Recht:

Nach den Feststellungen wurden sämtliche Arbeitskräfte von der A. GmbH zur Verfügung gestellt, während zwischen diesen und der U. I. GmbH kein Vertragsverhältnis bestand. Von einer Zustimmung der Arbeitskräfte zur Überlassung kann ausgegangen werden, sodass die Einordnung in den Betrieb des Beschäftigers (U.I.GmbH), die Gebundenheit an seine Weisungen sowie die Unterworfenheit unter seine Kontrolle als Konkretisierung der persönlichen Arbeitspflicht anzusehen ist (vgl. das Erkenntnis vom , 90/08/0096). Dazu kommt eine nach der Aktenlage rechtskräftige Entscheidung des Bundesministers für Arbeit und Soziales, in der für eine dieser Arbeitskräfte (I. H.) die Versicherungspflicht auf Grund der konkreten Überlassungssituation bejaht wurde. Da alle Arbeitskräfte auf Grund ein- und desselben Vertrags der U. I. GmbH zur Verfügung gestellt wurden ist es - in Ermangelung von gegenteiligen Behauptungen und Beweisergebnissen - nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde von einer Gleichartigkeit der Ausgestaltung aller zu beurteilenden Beschäftigungsverhältnisse ausgegangen ist.

Die Herstellung von Werkstücken im Akkord bei gänzlicher Einordnung der überlassenen Arbeitskräfte in den Betrieb des Beschäftigers ist - unbestritten - (zumindest) dem Tatbestand des § 4 Abs. 2 Z 3 AÜG zu unterstellen. Dabei ist es ohne Belang, ob die A. GmbH ihrerseits ungarischen Unternehmen gegenüber vertraglich verpflichtet gewesen ist und auf Grund von Vereinbarungen mit ungarischen Unternehmungen die A. GmbH über deren Dienstnehmer in jener Weise verfügen durfte, wie dies in der vertraglichen Vereinbarung mit der U.I.GmbH seinen Niederschlag findet, weil es im hier maßgeblichen Zusammenhang nur auf das Verhältnis zwischen dem Überlasser und dem Beschäftiger ankommt. Dessen Grundlagen wurden bereits in den Bescheiden der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse ausführlich dargestellt. Danach ist die A. GmbH Überlasser der ungarischen Dienstnehmer. Weil damit die ungarischen Arbeitskräfte als im Inland beschäftigt gelten, kann der erwähnte Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 3 zweiter Satz ASVG nicht zur Anwendung kommen.

Insgesamt qualifizierten sowohl die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse als auch die belangte Behörde den Sachverhalt zutreffend als Arbeitskräfteüberlassung durch die A. GmbH mit der Folge, dass diese als Dienstgeberin und Beitragsschuldnerin ihren sozialversicherungsrechtlichen Arbeitgeberpflichten nachzukommen gehabt hätte (§ 5 Abs. 1 AÜG).

In den Beschwerden wird nicht mehr bestritten, dass die Verpflichtung zu den Beitragsnachzahlungen auf Grund einer nachvollziehbaren und schlüssigen Nachverrechnung erfolgt ist (vgl. zu den Anforderungen an einen Nachverrechnungsbescheid die Erkenntnisse vom , 94/08/0294, und vom , 93/08/0027); jedoch soll sich eine unrichtige Berechnung der Sozialversicherungs- und Nebenbeiträge deshalb ergeben haben, weil die Entlohnung der ungarischen Dienstnehmer nach den mit ihren ungarischen Dienstgebern abgeschlossenen Arbeitsverträgen, somit auf der Grundlage der ungarischen Kollektivverträge, hätte ermittelt werden müssen. Mit diesem Argument entfernt sich die A. GmbH vom festgestellten Sachverhalt, nach dem von einer Entlohnung der Arbeitskräfte (zumindest auch) durch die A. GmbH auszugehen ist. In der Heranziehung des österreichischen kollektivvertraglichen Entgeltes durch die belangte Behörde ist daher keine Rechtswidrigkeit zu erblicken.

Die Beschwerden erweisen sich daher insgesamt als unbegründet. Sie waren gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Für die Gegenschrift der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse war kein Aufwandersatz zuzusprechen, weil sie nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war (vgl. das Erkenntnis vom , 94/08/0139).

Wien, am