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VwGH vom 20.04.1993, 93/14/0004

VwGH vom 20.04.1993, 93/14/0004

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

93/14/0005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerden 1.) der A-GmbH & Co KG, 2.) des Dkfm. A, beide in K und vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in K, gegen die Bescheide der FLD Krnt zu 1) vom , Zl. 109-5/92, zu 2) vom , Zl. 110-5/92, jeweils betr Zurückweisung einer Berufung gegen die Abweisung von Wiederaufnahmeanträgen in Umsatzsteuersachen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Erstbeschwerdeführerin Aufwendungen von S 11.720,-- und dem Zweitbeschwerdeführer Aufwendungen von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Aufwandersatzmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Bei einem Brand waren sämtliche Unterlagen der Beschwerdeführer vernichtet worden. Anläßlich von Betriebsprüfungen wurden die Steuerbemessungsgrundlagen daher im Schätzungsweg ermittelt. Es ergingen diesen Schätzungen entsprechende Steuerbescheide. Im April 1985 wurde über das Vermögen der Beschwerdeführer der Konkurs eröffnet, der nach Verteilung des Massevermögens hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin im August 1989 und hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers im September 1990 einschließlich aller die freie Verfügung des Gemeinschuldners beschränkender Maßnahmen aufgehoben wurde. Gleichzeitig wurde auch der Masseverwalter seines Amtes enthoben.

1988 stellten die Beschwerdeführer (die Erstbeschwerdeführerin vertreten durch den Zweitbeschwerdeführer als ihren "alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer") auf § 303 Abs 1 lit. b BAO gestützte Wiederaufnahmeanträge in den erwähnten Steuerverfahren mit der Begründung, es seien nun Nachweise für Vorsteuerbeträge hervorgekommen, die im Steuerfestsetzungsverfahren unberücksichtigt geblieben seien. Der Antrag bezeichnete die Beschwerdeführer als "vertreten durch den Masseverwalter", von dem der Antrag mit folgendem (ergänzenden) Vermerk mitgefertigt worden war:

"Jeder Gemeinschuldner ist berechtigt auch während des Konkursverfahrens Schritte auch allein zu unternehmen, wenn sie den Vorteilen der Konkursmasse dienen sollen. Aus formellen Gründen wird die Eingabe vom Masseverwalter gefertigt, wobei zur Richtigkeit des Vorbringens keine Stellungnahme möglich ist."

Das Finanzamt wies mit Bescheiden vom Juli 1988 die Anträge mit der Begründung ab, dem Vorbringen seien keine dem gesetzlichen Wiederaufnahmetatbestand entsprechende, fristgerecht geltend gemachte Tatsachen entnehmbar. Diese Bescheide waren an die Beschwerdeführer, hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin zu Handen des Zweitbeschwerdeführers, adressiert; sie wurden auf Grund der Postsperre vom Zusteller dem Masseverwalter ausgefolgt.

Der Zweitbeschwerdeführer erhob im August 1988 im eigenen Namen sowie im Namen der Erstbeschwerdeführerin gegen diese Bescheide Berufung. Diese Berufungen wies das Finanzamt im Jahre 1991 - also jeweils bereits nach Aufhebung der Konkurse - als unzulässig mit der Begründung zurück, die Berufungen hätten, da sie die Konkursmasse berührten und noch während der Anhängigkeit des Konkurses erhoben worden seien, vom Masseverwalter unterfertigt werden müssen, was nicht geschehen sei.

In den Berufungen gegen diese Bescheide brachten die Beschwerdeführer vor, sie hätten die Abweisungsbescheide des Finanzamtes, die dem Masseverwalter zugestellt worden seien, von diesem mit dem Ersuchen übermittelt erhalten, hiegegen die entsprechenden Rechtsmittel einzubringen, wobei die Unterfertigung der Rechtsmittel durch den Masseverwalter - wie dieser bereits in den Wiederaufnahmeanträgen dargelegt hatte - nicht erforderlich sei; sollte die Behörde eine andere Rechtsauffassung vertreten, werde er die Rechtsmittel nachträglich fertigen. Für diese Behauptung boten die Beschwerdeführer einen Zeugenbeweis an.

Mit den nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde diese Berufungen als unbegründet ab. Zur Zeit ihrer Erhebung wäre nur der Masseverwalter rechtsmittelberechtigt gewesen. Auch wenn das Vorbringen der Beschwerdeführer den Tatsachen entspräche, wäre eine Mitunterfertigung der Berufungen durch den Masseverwalter erforderlich gewesen. Nach der Aktenlage könne von einer Zustimmung des Masseverwalters zur Berufung keine Rede sein, ergebe sich doch aus dessen Vermerk auf dem Wiederaufnahmeantrag, daß ihm die Notwendigkeit einer Mitunterzeichnung bekannt gewesen sei. Außerdem habe er in diesem Vermerk erklärt, daß er zur Richtigkeit des Vorbringens nicht Stellung nehmen könne. Es sei daher nicht glaubhaft, daß der Masseverwalter bei der Einbringung der Berufung die Einhaltung der Formerfordernisse nicht für erforderlich gehalten habe. Eine Vernehmung des früheren Masseverwalters als Zeuge sei nicht mehr möglich gewesen, weil dieser mittlerweile verstorben sei. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 85/13/0183, sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil der Konkurs vor Erlassung des Zurückweisungsbescheides des Finanzamtes aufgehoben worden sei. Da das Fehlen der Unterschrift des Masseverwalters von der Abgabenbehörde erst 1991 bemerkt worden sei, wäre eine nachträgliche Sanierung des Mangels nicht mehr möglich gewesen, weil der Masseverwalter zu dieser Zeit (infolge Aufhebung des Konkurses) bereits aus seiner Funktion entlassen gewesen sei.

Die Beschwerdeführer erachten sich durch diese Bescheide jeweils in ihrem Recht auf ersatzlose Aufhebung der Zurückweisung ihrer Berufungen gegen die Ablehnung der Wiederaufnahmeanträge verletzt. Sie behaupten inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragen die Aufhebung der angefochtenen Bescheide.

Die belangte Behörde hat die Akten der Verwaltungsverfahren vorgelegt und in ihren Gegenschriften die Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß mit der Konkurseröffnung die Wahrnehmung aller abgabenrechtlichen Belange des Gemeinschuldners auf den Masseverwalter übergeht und zwar auch hinsichtlich solcher Abgaben, die Konkursforderungen darstellen, sowie hinsichtlich der Antragstellung auf Wiederaufnahme von Abgabenverfahren, weshalb auch das Berufungsrecht lediglich dem Masseverwalter zusteht (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 90/14/0072, die Beschlüsse vom , 91/14/0109, und vom , 92/14/0029, 0030). Mag der Antragsteller mit seinem Begehren um Wiederaufnahme des Verfahrens auch die Absicht verfolgen "dem Vorteil der Konkursmasse" zu dienen, ändert dies nichts daran, daß die positive Erledigung des Antrages im Hinblick auf § 303 Abs 1 BAO von einem solchen Vorteil völlig unabhängig ist. Entscheidend ist, daß die Kenntnis der Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte, gleichgültig, ob dieser der Konkursmasse zum Vorteil oder zum Nachteil gereicht. Es besteht für die Wiederaufnahme nämlich ebensowenig ein Verbot der reformatio in peius wie für das Abgabenfestsetzungsverfahren selbst.

Der Gemeinschuldner verliert durch die Konkurseröffnung aber nicht die Prozeßfähigkeit, sondern nur die Verfügungsfähigkeit über die Masse. Er kann also Bevollmächtigter in einem Verfahren sein (vgl. MGA KO7 E 63., 64. zu § 1 KO). Der Verwaltungsgerichtshof hat es daher in dem von der belangten Behörde erwähnten Erkenntnis vom , 85/13/0183, ÖStZB 1987, 462, als zulässig angesehen, daß der Gemeinschuldner mit Zustimmung des Masseverwalters einen Berufungsvorlageantrag stellt; weist der Gemeinschuldner erstmals in der Berufung gegen die Zurückweisung des Vorlageantrages auf die Zustimmung des Masseverwalters zum Vorlageantrag des Gemeinschuldners hin, so hat die Behörde die Richtigkeit dieses Vorbringens bei sonstiger wesentlicher Mangelhaftigkeit des Verfahrens zu prüfen. Der Verwaltungsgerichtshof hält diese Entscheidung für zutreffend und sieht daher keine Veranlassung, von ihr abzugehen. Nichts anderes gilt daher für einen Antrag um Wiederaufnahme eines Steuerfestsetzungsverfahrens oder eine Berufung gegen die Ablehnung eines derartigen Antrages.

Im Beschwerdefall hatte der Masseverwalter bereits im Wiederaufnahmeantrag seine Zustimmung zu dieser Antragstellung durch Unterfertigung samt dem oben dargestellten Vermerk unmißverständlich zu erkennen gegeben, mag die in dem Vermerk vom Masseverwalter vertretene Rechtsansicht im gegebenen Zusammenhang auch unrichtig gewesen sein. Bereits dieses Verhalten des Masseverwalters indizierte seine grundsätzliche Haltung in der Angelegenheit der Wiederaufnahme, den Gemeinschuldner bzw. dessen ehemals allein vertretungsbefugten Geschäftsführer mit der Vertretung in der Wiederaufnahmsangelegenheit zu betrauen. Das Finanzamt hat die Äußerungen des Masseverwalters offenbar auch so verstanden, weil es seine die Wiederaufnahmsanträge abweisenden Bescheide nicht an den Masseverwalter adressierte, sondern an den Zweitbeschwerdeführer als Vertreter der Erstbeschwerdeführerin bzw. an diesen unmittelbar. Lediglich die Ausfolgung der Geschäftsstücke durch den Zusteller erfolgte im Hinblick auf die Postsperre, jedoch nicht im Hinblick auf die Zustellverfügung der Behörde, nicht an den Gemeinschuldner, sondern an den Masseverwalter. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde, es sei unglaubwürdig, daß der Masseverwalter einen Auftrag zur Erhebung von Berufungen erteilt habe, ist deshalb unschlüssig. Gerade im Hinblick auf den vom Masseverwalter auf dem Wiederaufnahmeantrag angebrachten Vermerk und die geschilderte Vorgangsweise des Finanzamtes durfte der Masseverwalter nämlich damit rechnen, daß sich die Behörde auch im Rechtsmittelverfahren mit dem Einschreiten des Gemeinschuldners, an den sie die Bescheide adressiert hatte, begnügen werde, zumal der Masseverwalter schon sein Einverständnis mit dem Einschreiten der Gemeinschuldner selbst im Wiederaufnahmeantrag zum Ausdruck gebracht hatte, und zwar unabhängig davon, ob er die Richtigkeit des Vorbringens im Antrag bestätigen könne oder nicht. Hätte die Behörde daher trotzdem Zweifel daran gehabt, daß der Masseverwalter seine Zustimmung auch auf die Erhebung der Berufung durch den Gemeinschuldner erstreckt hatte, wäre es Aufgabe der Behörde gewesen, die Berechtigung dieser Zweifel auf geeignete Weise zu überprüfen. Sobald eine Vernehmung des Masseverwalters als Zeuge wegen dessen Ablebens nicht mehr möglich war, hätte die belangte Behörde daher wenigstens den Einschreiter von ihren Zweifeln in Kenntnis setzen und diesen zur Zerstreuung der Zweifel der Behörde auffordern müssen. Daß den Beschwerdeführern eine solche Zerstreuung der Zweifel möglich gewesen wäre, zeigen die mit den Beschwerden vorgelegten Urkunden (Schreiben an den Masseverwalter und Aktenvermerk einer Zeugin vom ). Der Beschwerdevorwurf einer wesentlichen Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist daher berechtigt.

Diese Rechtswidrigkeit wird aber durch folgende Rechswidrigkeit des Inhaltes in den Hintergrund gedrängt:

Wie der Verwaltungsgerichtshof erst jüngst in seinem Beschluß vom , 89/17/0037, 0038, zum Ausdruck gebracht hat, ist die Verfügungsunfähigkeit des Gemeinschuldners hinsichtlich der Konkursmasse für das Abgabenverfahren aus § 3 Abs 1 KO abzuleiten. Diese Verfügungsunfähigkeit ist aber keine absolute und zeitlich unbegrenzte, sondern eine relative (Unwirksamkeit gegenüber den Konkursgläubigern) und eine zeitlich begrenzte (für die Dauer des Konkurses). Daher sind alle vom Gemeinschuldner vorgenommenen Rechtshandlungen, die nach § 3 KO relativ unwirksam waren, nach Konkursaufhebung wirksam (vgl. MGA KO7 E 7. zu § 3 KO) und zwar ex tunc (vgl. auch Petschek-Reimer-Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht, S. 459). Nichts anderes gilt daher für Rechtshandlungen des Gemeinschuldners, die Verfahrenshandlungen darstellen und die im Zeitpunkt der Konkursaufhebung mangels Erledigung durch die Behörde noch einen Gegenstand der Entscheidung bilden können. Sie sind daher ab Konkursaufhebung als wirksam zu behandeln.

Da die Berufungen bis zur Konkursaufhebung noch keiner Erledigung durch Bescheid zugeführt waren, bedurfte es einer weiteren Klärung der Frage der Zustimmung des Masseverwalters zu den Rechtsmitteln ebensowenig wie deren allfälliger nachträglicher Genehmigung, die entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht wegen Entfalles der Funktion des Masseverwalters durch die Konkursaufhebung unmöglich gewesen wäre, sondern vielmehr durch den nun in seiner Verfügungsfähigkeit frei gewordenen ehemaligen Gemeinschuldner selbst hätte erfolgen können. Eine derartige Genehmigung wäre im übrigen bereits im Schriftsatz vom (Vorlage weiterer Beweismittel in Form von Rechnungskopien) zu erblicken gewesen.

Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage verkannt und infolgedessen durch Bestätigung der Zurückweisungsbescheide die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf ersatzlose Aufhebung der Bescheide des Finanzamtes über die Zurückweisung der Berufungen verletzt.

Die angefochtenen Bescheide mußten deshalb gemäß § 42 Abs 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Danach gebührt als Schriftsatzaufwand ein Pauschbetrag, was einen darüber hinausgehenden Ersatz von Umsatzsteuer ausschließt. Gemäß § 28 Abs 5 VwGG ist mit der Beschwerde eine Ausfertigung, Gleichschrift oder Kopie des angefochtenen Bescheides vorzulegen. Die mehrfache Vorlage war daher zur Rechtsdurchsetzung nicht notwendig. Das auf Umsatzsteuer vom Schriftsatzaufwand und auf weitergehende Stempelgebühren entfallende Aufwandersatzmehrbegehren mußte deshalb abgewiesen werden.