VwGH vom 04.11.1998, 93/13/0308
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie Hofrat Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde der K in W, vertreten durch Dr. Elisabeth Rech, Rechtsanwalt in Wien I, Lugeck 7/21, gegen den Bescheid des Vorsitzenden des Berufungssenates I der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom , Zl. GA 10-537/93, betreffend Rechtmäßigkeit einer Hausdurchsuchung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Zuge eines Finanzstrafverfahrens gegen den
geschiedenen Ehegatten der Beschwerdeführerin (in der Folge als K bezeichnet) ordnete der Vorsitzende des Spruchsenates mit Befehl vom Hausdurchsuchungen in
verschiedenen Räumlichkeiten (zwei Wohnungen und eine Werkstätte) in Wien sowie in zwei Kraftfahrzeugen an. Aufgrund der durchgeführten Ermittlungen bestehe der begründete Verdacht von Finanzvergehen nach § 33 FinStrG (Abgabenhinterziehung) seit zumindest 1983. Weiters bestehe der begründete Verdacht, daß sich in den zu durchsuchenden Örtlichkeiten (Räumlichkeiten, Behältnissen, Fahrzeugen) Gegenstände befänden, die als Beweismittel in Betracht kämen.
Die angeordneten Hausdurchsuchungen fanden am statt. Die in einer der Wohnungen anwesende G gab niederschriftlich bekannt, daß sie mit K und einer weiteren männlichen Person eine "Lebensgemeinschaft zu dritt" lebe. K halte sich derzeit vermutlich in der Wohnung der Beschwerdeführerin auf.
Da der begründete Verdacht bestand, in der Wohnung der Beschwerdeführerin könnten sich Gegenstände befinden, die als Beweismittel im Finanzstrafverfahren gegen K in Betracht kämen, versuchte der Leiter der Amtshandlung einen
richterlichen Hausdurchsuchungsbefehl betreffend die Wohnung der Beschwerdeführerin zu erwirken. Da die mehrfach
wiederholten Versuche bei insgesamt vier Richtern (großteils urlaubsbedingt) erfolglos blieben, wurde diese Hausdurchsuchung ebenfalls am wegen Gefahr im Verzug ohne richterlichen Befehl und in Abwesenheit der Beschwerdeführerin gemäß § 93 Abs. 4 FinStrG durchgeführt, wobei auch ein Safe geöffnet und verschiedene Gegenstände (vornehmlich Urkunden und Belege) beschlagnahmt wurden.
Eine weitere Hausdurchsuchung gemäß § 93 Abs. 4 FinStrG fand in einem Mobilheim statt, das im Bereich der Wohnung der Beschwerdeführerin abgestellt war. Bei dieser Hausdurchsuchung wurden insgesamt 55 Schachteln ausländischer Zigaretten beschlagnahmt.
Zeit- und ortsgleich mit den beiden letztgenannten Hausdurchsuchungen wurden vom Finanzamt aufgrund eines Sicherstellungsauftrages vom verschiedene Gegenstände gepfändet.
Mit Schriftsatz vom erhob die Beschwerdeführerin Widerspruch gegen die Pfändung (§ 14 AbgEO), wies darauf hin, daß K seit 1987 von ihr getrennt lebe, und daß die gepfändeten Gegenstände ihr Eigentum seien; weiters stellte sie eine Beschwerde gemäß § 152 Abs. 1 FinStrG bezüglich des widerrechtlichen Eindringens in ihre Wohnung und ihr Mobilheim in Aussicht.
Diese Beschwerde wurde in der Folge mit Schriftsatz vom erhoben. Dabei wurde nicht nur die Vornahme der Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Befehl als widerrechtlich bezeichnet und das Vorliegen von Gefahr im Verzug bestritten, sondern es wurden auch die gleichzeitig vorgenommenen Pfändungen aufgrund des Sicherstellungsauftrages als rechtswidrig bekämpft, weil sie ohne gerichtliche Bewilligung gemäß § 233 Abs. 2 BAO erfolgt seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Administrativbeschwerde abgewiesen. Die ohne richterlichen Befehl durchgeführten Hausdurchsuchungen seien rechtmäßig erfolgt, weil Gefahr im Verzug bestanden habe. Nichts sei "naheliegender", als daß jene Verwandten des K, die von den vorangegangenen, aufgrund richterlichen Befehls durchgeführten Hausdurchsuchungen Kenntnis erlangten, K davon verständigt hätten. Um ein Verbringen allfälliger Beweismittel zu vermeiden, sei daher die unverzügliche Durchführung der weiteren Hausdurchsuchungen erforderlich gewesen. Daß hiefür keine Genehmigung in Form eines Hausdurchsuchungsbefehles habe erlangt werden können, sei von der Finanzstrafbehörde schlüssig dargelegt worden. Es treffe auch nicht zu, daß diese Hausdurchsuchungen "zu
unzulässigen Pfändungsmaßnahmen mißbraucht" worden seien, weil diesbezüglich ein Sicherstellungsauftrag vorgelegen habe. Jedenfalls sei in der Pfändung "kein Verstoß gegen die Vorschrift des § 93 FinStrG" zu erblicken.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin vermengt auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die behauptete Rechtswidrigkeit der Vornahme von Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Befehl mit der behaupteten Rechtswidrigkeit von Pfändungsmaßnahmen aufgrund des Sicherstellungsauftrages. Es ist ihr allerdings zuzugestehen, daß diese Vermengung offensichtlich auch durch den angefochtenen Bescheid mitverursacht wurde. Gegenstand dieses Bescheides konnte nämlich nur die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Befehl gemäß § 93 Abs. 4 FinStrG, nicht aber die Rechtmäßigkeit von zeit- und ortsgleich vorgenommenen Pfändungsmaßnahmen aufgrund eines Sicherstellungsauftrages seien. Dazu war die belangte Behörde, wie sie in ihrer "Stellungnahme" zutreffend hervorhebt, nicht zuständig. Dessen ungeachtet erwecken aber Begründungselemente, wonach die Pfändung rechtmäßig gewesen sei, den falschen Eindruck, daß mit dem angefochtenen Bescheid auch hierüber abgesprochen worden wäre. Aus dem Kontext von Spruch und Begründung des angefochtenen Bescheides wird aber ausreichend deutlich, daß die zeit- und ortsgleich durchgeführte Pfändung nur aus dem Blickwinkel betrachtet wurde, ob sie geeignet war, die Hausdurchsuchungen selbst als rechtswidrig erscheinen zu lassen. Dies wurde aus nachstehenden Gründen zutreffend verneint:
Die Hausdurchsuchungen dienten dazu, belastendes Material, das im Finanzstrafverfahren gegen K als Beweismittel verwendet hätte werden können, zu beschlagnahmen. Nun stellte sich bei den aufgrund richterlichen Befehls durchgeführten Hausdurchsuchungen heraus, daß solches belastendes Material mit großer Wahrscheinlichkeit in der Wohnung der Beschwerdeführerin aufgefunden werden könnte, weil G, die mit K in Lebensgemeinschaft lebte, ausgesagt hatte, daß sich K derzeit bei der Beschwerdeführerin aufhalte. Es liegt auf der Hand, daß K durch G, einer ihm nahestehenden Person, sehr schnell über die ersterwähnten Hausdurchsuchungen informiert worden wäre, sodaß bei Zuwarten bei den weiteren Hausdurchsuchungen die Gefahr bestanden hätte, daß wichtiges Beweismaterial vernichtet oder zumindest verbracht worden wäre. Daß sich diese Gefahr im Verzug nicht auch auf die Pfändung von Gegenständen bezog, war unerheblich, weil die Hausdurchsuchungen nicht dem Zweck dienten, dem Sicherstellungsauftrag entsprechende exekutive Handlungen zu setzen. Das Bemühen um die Erwirkung eines
richterlichen Hausdurchsuchungsbefehls betreffend die Wohnung und das Mobilheim der Beschwerdeführerin ist aktenkundig und wird von der Beschwerdeführerin auch nicht in Zweifel gezogen. Damit entspricht aber das Vorgehen der Organe der Finanzstrafbehörde den gesetzlichen Bestimmungen; mit dem angefochtenen Bescheid wurde somit zurecht ausgesprochen, daß in der Vornahme der in Rede stehenden Hausdurchsuchungen kein Verstoß gegen § 93, insbesondere dessen Abs. 4 FinStrG zu erblicken war.
Ob die Pfändungsmaßnahmen den gesetzlichen Vorschriften entsprachen, war nicht zu untersuchen, weil diese, wie bereits erwähnt, nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides waren.
Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am