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VwGH vom 15.07.1998, 93/13/0297

VwGH vom 15.07.1998, 93/13/0297

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der S Handelsgesellschaft m.b.H. und Mitbesitzer in W, vertreten durch Dr. Arnold, Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat I), vom , Zl. 6/1 - 1196/92-03, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1988 und 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine Hausgemeinschaft bestehend aus der S. GmbH und M.S. Mit Kaufvertrag vom hat die S. GmbH den Miteigentumsanteil von M.S. erworben, wodurch das gemeinschaftliche Eigentum beendet wurde.

Am brachte die F & P OHG (Gebäudeverwaltung) namens der Beschwerdeführerin die Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1988 beim Finanzamt ein. Unbestritten ist, daß diese OHG zum damaligen Zeitpunkt von der Beschwerdeführerin bevollmächtigt war und daß die Vollmacht auch eine Zustellvollmacht beinhaltete.

Am wurde die Umsatzsteuererklärung der Beschwerdeführerin für das Jahr 1989 beim Finanzamt eingebracht. Unter "steuerliche Vertretung" schien die F & P GmbH auf, die auch die Erklärung einbrachte und dieselbe Adresse hatte wie die F & P OHG.

Mit Datum vom erließ das Finanzamt die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1988 und 1989. In beiden Bescheiden wurde ausgesprochen, daß gemäß § 21 Abs. 7 UStG 1972 keine Umsatzsteuer festgesetzt werde, weil die maßgebenden Umsätze S 40.000,-- nicht überstiegen hätten und kein fristgerechter Antrag auf Regelbesteuerung im Sinne des § 21 Abs. 8 UStG 1972 gestellt worden sei. Beide Bescheide ergingen an die Beschwerdeführerin z.Hd. der F & P OHG.

Innerhalb offener Frist erhob die Beschwerdeführerin, nunmehr vertreten durch eine Wirtschaftstreuhand-GmbH Berufung. Bei den Umsatzsteuererklärungen seien Anträge auf Regelbesteuerung angeschlossen gewesen. Zum Nachweis legte die Wirtschaftstreuhand-GmbH Kopien zweier entsprechender Schreiben vom und vom vor. Beide Schreiben sind für die F & P GmbH unterzeichnet.

Über Aufforderung des Finanzamtes, die Einbringung von Regelbesteuerungsanträgen zu beweisen - die Aufforderung war an die F & P OHG gerichtet - legte die F & P GmbH die Kopie eines Postaufgabescheines vor, der das Datum trägt, sonst aber keinen Hinweis auf den Inhalt der Postsendung aufweist.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab und begründete dies damit, daß kein Nachweis dafür erbracht worden sei, daß die Beschwerdeführerin Regelbesteuerungsanträge gestellt hätte.

Namens der Beschwerdeführerin beantragte die Wirtschaftstreuhand-GmbH mit Schreiben vom die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Es sei irrtümlich nur die Vorderseite des Postaufgabescheines in Kopie vorgelegt worden. Nunmehr werde auch eine Kopie der Rückseite vorgelegt, die den Vermerk "USt + Fest + Regel" trage. Der Postaufgabeschein stamme von der F & P GmbH. Da die beiden Steuererklärungen betreffend Umsatzsteuer und einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften unbestritten beim Finanzamt eingelangt seien, sei auch der Nachweis erbracht, daß der Antrag auf Regelbesteuerung beim Finanzamt eingelangt sei. Bezüglich der Umsatzsteuer für das Jahr 1988 enthält der Antrag auf zweitinstanzliche Entscheidung folgende Passage:

"Da im Verfahren zur Festsetzung der Umsatzsteuer 1988 es zu einer Nachzahlung käme, gehen wir im weiteren Vorbringen auf das Jahr 1988 nicht näher ein, da unser Klient in diesem Jahr nicht beschwert ist".

Die belangte Behörde wies die Berufung hinsichtlich beider Jahre ab. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, daß für beide Jahre Regelbesteuerungsanträge beim Finanzamt eingebracht worden seien, sei nicht als erwiesen anzunehmen. Denn einerseits sei in beiden Erklärungen die vorgesehene Spalte "Regelbesteuerung wurde beantragt am ..." nicht ausgefüllt worden und andererseits sei die Behauptung, zwei solche Anträge gestellt zu haben, unglaubwürdig, weil bereits der behauptete Erstantrag eine diesbezüglich fünfjährige Bindung zur Folge gehabt hätte, sodaß ein weiterer Antrag sinnlos gewesen wäre.

Die Berufungsentscheidung vom wurde vorerst zu Handen der F & P OHG zugestellt. Daraufhin teilte die Wirtschaftstreuhand-GmbH der belangten Behörde mit, daß die F & P OHG bereits am infolge ihrer Beendigung im Handelsregister gelöscht worden sei. Es gebe keinen Rechtsnachfolger. Schon die erstinstanzlichen Bescheide seien sohin nie rechtswirksam geworden; die dagegen erhobene Berufung hätte daher als unzulässig zurückgewiesen werden müssen. Für das weitere Verfahren werde beantragt, J.K. als Zeugin dafür zu vernehmen, daß sie seinerzeit die beiden Regelbesteuerungsanträge einkuvertiert habe.

Über Auftrag der belangten Behörde forderte das Finanzamt die beiden Miteigentümer der Beschwerdeführerin auf, einen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen. Da dieser Forderung nicht entsprochen wurde, bestellte das Finanzamt die S. GmbH gemäß § 81 Abs. 2 BAO zum Vertreter der Beschwerdeführerin. In der Folge wurde der angefochtene Bescheid der S. GmbH zugestellt.

Die Beschwerdeführerin erhob zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung jedoch abgelehnt wurde. Mit Beschluß vom , B 703/93-5, hat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, der angefochtene Bescheid sei schon deswegen rechtswidrig, weil damit eine Sachentscheidung getroffen worden sei, der keine rechtswirksam erlassenen erstinstanzlichen Bescheide zugrundelägen. Diese seien nämlich einer nicht mehr existenten OHG zugestellt und damit nicht rechtswirksam erlassen worden.

Dazu ist folgendes zu sagen:

Im Verwaltungsverfahren hat die Beschwerdeführerin vorgebracht, daß die mit ihrer Vertretung vor den Abgabenbehörden beauftragte und bevollmächtigte OHG am erloschen sei und keine Rechtsnachfolge stattgefunden habe. Sollte sie damit zum Ausdruck bringen wollen, daß die F & P GmbH nicht bevollmächtigte Vertreterin der Beschwerdeführerin gewesen sei, so erweist sich dieses Vorbringen als widersprüchlich. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß eine OHG, die berufsmäßig Parteien vertritt, in der Regel ihren Klientenstock auch dann weiterbetreut, wenn sie ihre Rechtsform ändert. Ändert demnach eine solche OHG ihre Rechtsform dergestalt, daß sie ihre Vertretertätigkeit im Rechtskleid einer GmbH fortsetzt, so liegt der Gedanke nahe, daß die GmbH jene Klienten weiterbetreut, die bisher von der OHG betreut wurden. Für eine derartige rechtsformändernde Umwandlung spricht im Beschwerdefall der Umstand, daß sowohl die Adresse als auch die Tätigkeit der GmbH jener der OHG entsprechen, vor allem aber, daß die beiden mit den Buchstaben F & P beginnenden Namen gleichermaßen die Firma der OHG wie jene der GmbH bezeichnen.

Dessen ungeachtet rechtfertigen allerdings diese Umstände für sich allein noch nicht die Annahme, daß das Vertretungsverhältnis tatsächlich von der (untergegangenen) OHG auf die (Nachfolge)GmbH übergegangen ist. Im Beschwerdefall treten jedoch noch weitere Umstände hinzu, die diese Annahme rechtfertigen:

Zum einen ist die Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1989 von der F & P GmbH erstellt und beim Finanzamt eingereicht worden. Zum anderen tragen auch die vorgelegten Regelbesteuerungsanträge eine Unterzeichnung namens der F & P GmbH. Wollte man davon ausgehen, daß die F & P GmbH nicht Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin gewesen sei, so könnten die beiden Regelbesteuerungsanträge nicht der Beschwerdeführerin zugerechnet werden. Dies stünde nicht nur im Widerspruch zu den ausdrücklichen Erklärungen der Beschwerdeführerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, sondern auch zu jenen ihrer unbestritten bevollmächtigten Wirtschaftstreuhand-GmbH und hätte letztlich zur Folge, daß die Auffassung der belangten Behörde, solche Regelbesteuerungsanträge seien nie rechtswirksam gestellt worden, schon aus diesem Grund zutreffend wäre. Der Gerichtshof geht daher davon aus, daß die F & P GmbH bevollmächtigte Vertreterin der Beschwerdeführerin war. Dieses Vertretungsverhältnis wurde dem Finanzamt bereits mit der Einreichung der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1989 am und nicht erst, wie in der Gegenschrift der belangten Behörde behauptet, mit Schreiben vom bekannt. Die Zustellung der Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1988 und 1989 an die bereits erloschene OHG im April 1992 war daher zweifellos zunächst nicht rechtswirksam. § 9 Abs. 1 Zustellgesetz sieht allerdings vor, daß die Behörde eine zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigte Person als Empfänger zu bezeichnen hat. Geschieht dies nicht, gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist. Diese Bestimmung ist auch dann zu beachten, wenn eine falsche oder eine bereits nicht mehr existente Person zu Unrecht als Empfänger bezeichnet wird, weil auch in einem solchen Fall die tatsächlich zum Empfang des Schriftstückes bevollmächtigte Person nicht als solche bezeichnet wurde.

Im Beschwerdefall wurden beide Umsatzsteuerbescheide mit Berufung bekämpft, die von der unbestritten von der Beschwerdeführerin bevollmächtigten Wirtschaftstreuhand-GmbH namens der Beschwerdeführerin erhoben wurde. In der Berufung wurde ein Zustelldatum des jeweils angefochtenen erstinstanzlichen Bescheides bekanntgegeben. Die belangte Behörde konnte daher zu Recht als erwiesen annehmen, daß die laut Zustellverfügung für die F & P OHG bestimmten Bescheide rechtswirksam erlassen wurden, wobei es rechtlich unerheblich war, ob dies dadurch bewirkt wurde, daß die Bescheide der F & P GmbH oder der Wirtschaftstreuhand-GmbH zugekommen waren, weil beide GmbH als Empfänger in Betracht kamen.

Das Beschwerdevorbringen, die beiden erstinstanzlichen Bescheide seien nie rechtswirksam zugestellt worden, erweist sich daher jedenfalls als unbegründet.

Die Beschwerde bekämpft weiters die Beweiswürdigung der belangten Behörde als unschlüssig, wonach die Regelbesteuerungsanträge in Wahrheit nicht den Umsatzsteuererklärungen angeschlossen gewesen seien.

Die belangte Behörde hat dabei folgende Überlegung angestellt: Da ein Regelbesteuerungsantrag den Steuerpflichtigen für fünf Jahre binde, sei die Wiederholung eines solchen Antrages für das nächstfolgende Jahr sinnlos. Es liege daher die Vermutung nahe, daß es sich bei dem diesbezüglichen Vorbringen um eine reine Zweckbehauptung handle.

Der Gerichtshof kann dieser Überlegung nicht folgen. Der Umstand, daß ein behaupteter Antrag, ohne daß es erforderlich wäre, wiederholt wird, läßt nicht den Schluß zu, daß keiner der beiden Anträge gestellt wurde. Dessen ungeachtet erweist sich jedoch die Beschwerde auch insoweit als unbegründet, als sie die Beweiswürdigung der belangten Behörde angreift; dies aus nachstehenden Gründen:

Bei Überprüfung der Beweiswürdigung der belangten Behörde durch den Verwaltungsgerichtshof kommt es nicht darauf an, ob jeder einzelne Denkvorgang schlüssig und mit menschlichem Erfahrungsgut vereinbar ist. Diesem Erfordernis muß lediglich das Ergebnis der Beweisaufnahme, das der Partei gemäß § 183 Abs. 4 BAO zur Kenntnis zu bringen ist, entsprechen. Bei der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof, ob das Ergebnis der Beweisaufnahme den Denkgesetzen und menschlichem Erfahrungsgut entspricht, ist auch das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren miteinzubeziehen. Das bedeutet, daß der Gerichtshof bei Nachprüfung der Beweiswürdigung der belangten Behörde auch ein solches Vorbringen zu berücksichtigen hat und zwar sowohl zugunsten als auch zu Lasten des Beschwerdeführers.

Im Beschwerdefall wurden zum Beweis dafür, daß die Regelbesteuerungsanträge fristgerecht eingereicht worden seien, Kopien vorgelegt, die beide namens der F & P GmbH unterzeichnet worden waren. Zum Zeitpunkt des ersten Antrages () war jedoch nach dem Beschwerdevorbringen und der Aktenlage nur die F & P OHG, die erst mehr als ein Jahr später gelöscht wurde, vertretungsbefugt. Ein Antrag, der bereits damals namens der F & P GmbH unterzeichnet wurde, legt die Vermutung nahe, daß er erst wesentlich später (ab dem Zeitpunkt, in dem die F & P GmbH als Vertreter der Beschwerdeführerin auftrat) formuliert wurde. Erweist sich aber das Vorbringen der Beschwerdeführerin bezüglich des "Erstantrages" als unwahr, so läßt dies auch den Schluß zu, daß der in der Wortfolge völlig idente und nur mit anderen Daten versehene Zweitantrag ebenfalls ein nachträglich erstelltes Schriftstück darstellt. Dazu kommt noch, daß es äußerst unwahrscheinlich ist, daß eine bestimmte Beilage, die einer Steuererklärung angeschlossen sein soll, anders als die Steuererklärung selbst zweimal nacheinander beim Finanzamt nicht eintrifft bzw. dort in Verstoß gerät. So gesehen kann der Gerichtshof nicht finden, daß das Ergebnis der Beweisaufnahme, es seien von der Beschwerdeführerin keine fristgerechten Regelbesteuerungsanträge eingebracht worden, rechtswidrig wäre.

Schließlich regt die Beschwerdeführerin an, der Gerichtshof möge an den Verfassungsgerichtshof den Antrag stellen, die Bestimmung des § 21 Abs. 8 UStG 1972 im Hinblick auf die Kürze der Frist, die für den Antrag auf Regelbesteuerung vorgesehen ist, als verfassungswidrig aufheben. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, diese Anregung aufzugreifen, weil er die diesbezüglichen Bedenken der Beschwerdeführerin nicht teilt. Ein Steuerpflichtiger kann nämlich in einem Zeitraum von zwei Jahren gerechnet ab dem Ende des Veranlagungszeitraumes unschwer erkennen, ob seine im Veranlagungszeitraum erzielten Umsätze S 40.000,-- nicht überschritten haben, er aber dennoch mit Rücksicht auf die Vorsteuerabzugsmöglichkeit dem Regelfall entsprechend besteuert werden möchte.

Die Beschwerde erweist sich sohin zur Gänze als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.