VwGH vom 22.10.1997, 93/13/0267
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des D in F, vertreten durch Dr. Josef Lagler, Rechtsanwalt in Frauenkirchen, Franziskanerstraße 62, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat X) vom , Zl 6/4 - 4102/93-10, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1989 und 1990, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, welcher sein Einkommen aus selbständiger Arbeit als praktischer Arzt gemäß § 4 Abs 3 EStG 1988 ermittelt (in seiner Funktion als Gemeindearzt erzielte er daneben auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit), errichtete in den Jahren 1989 und 1990 auf einer ihm und seiner Ehefrau gehörenden Liegenschaft ein Einfamilienhaus. In seinen Umsatz- und Einkommensteuererklärungen für 1989 und 1990 machte der Beschwerdeführer für einen Teil der Herstellungskosten dieses Gebäudes (31,68 %, betreffend ein Arbeitszimmer/Notordination und eine Vertreterwohnung) infolge (vorgesehener) betrieblicher Nutzung Vorsteuern und Betriebsausgaben (insbesondere Zinsen) geltend.
Anläßlich einer im Jahr 1992 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung wurde die Nutzflächenaufteilung überprüft und festgestellt, daß das als "Notordinationsraum" gedachte Arbeitszimmer und die Vertreterwohnung nur 22 % der Gesamtnutzfläche umfaßten; das Arbeitszimmer allein 10 %. Hinsichtlich der Vertreterwohnung vertrat der Prüfer die Ansicht, daß diese nicht betrieblich erforderlich erscheine, weil davon ausgegangen werden könne, daß dieser Gebäudeteil anderen als betrieblichen Zwecken zugeführt werden könnte. Da das Gebäude noch nicht fertiggestellt gewesen sei, habe die tatsächliche Nutzung nicht festgestellt werden können. Es seien daher die entsprechenden Vorsteuern und Betriebsausgaben nicht anzuerkennen.
Das Finanzamt folgte diesen Feststellungen und erließ nach Wiederaufnahme der Verfahren entsprechende (vorläufige) Umsatz- und Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1989 und 1990.
In einer dagegen eingebrachten Berufung bestätigte der Beschwerdeführer zunächst das einvernehmlich festgestellte Ausmaß des Arbeitszimmers und der Vertreterwohnung mit 22 %, bzw des Arbeitszimmers allein mit 10 % der Gesamtnutzfläche des Gebäudes, wandte sich aber gegen die steuerliche Behandlung der Vertreterwohnung. In unmittelbarem Anschluß an das 2 km von der Ordination entfernte Wohnhaus (die Fertigstellung sei für das Jahr 1993 vorgesehen) sei außerhalb des Wohnungsverbandes, mit eigenem Eingang die sogenannte Vertreterwohnung errichtet worden. Diese Kleinstwohnung bestehe aus Vorraum/Küche, Bad/WC und einem Zimmer und erstrecke sich insgesamt über 36 m2. Die Vertreterwohnung sei für den Fall errichtet worden, daß der Beschwerdeführer einen Arztkollegen als Vertreter für seine Ordination einsetzen wolle, wenn er infolge einer längeren Behinderung (hauptsächlich sei hier an einen Krankheitsfall gedacht) seine betriebliche Tätigkeit nicht ausüben könne. Da ein solcher Vertreter nicht leicht zu finden sei und die Ärzte in der Nachbarschaft oder gar der zweite praktische Arzt in der Gemeinde aus Konkurrenzgründen nicht in Frage kämen, müßten einem potentiellen Vertreter außer einem angemessenen Vertreterhonorar noch andere Annehmlichkeiten angeboten werden, eben eine eigene, wenn auch bescheidene Wohnung. Sollte der Beschwerdeführer tatsächlich mehrere Monate ausfallen und kein von ihm bestimmter Vertreter seine Ordination weiterführen, liege es auf der Hand, daß sich die Patienten
- existenzgefährdend - "verlaufen". Als Gemeindearzt habe der Beschwerdeführer ein Vorschlagsrecht hinsichtlich seines Vertreters. Nur weil die Vertreterwohnung - wie vom Prüfer formuliert - anderen als betrieblichen Zwecken zugeführt werden "könnte", gehe deshalb die betriebliche Veranlassung nicht verloren. In dieser Vermutung liege wohl der Verdacht, daß die Vertreterwohnung (fast) ausschließlich privat genutzt werden könne. Diese Vermutung sei unbegründet, weil die eigentlichen Wohnräume derart groß gestaltet und von der Anzahl her ausreichend seien, daß eine Großfamilie zuzüglich eventueller Verwandtenbesuche darin ausreichend Platz fände.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und änderte die erstinstanzlichen Bescheide betreffend Umsatzsteuer 1989 und 1990 insofern ab, als sie auch hinsichtlich des Arbeitsraumes keine Vorsteuern anerkannte. Dies im wesentlichen mit der Begründung, daß die Vertreterwohnung nicht als notwendiges Betriebsvermögen qualifiziert werden könne, weil es weder nach den Verhältnissen und Besonderheiten des Betriebes des Beschwerdeführers notwendig sei noch der Verkehrsauffassung entspreche, daß ein Arzt einem möglichen Vertreter eine wenn auch Kleinstwohnung zur Verfügung stelle. Eine an sich denkbare, jedoch in der Zukunft gelegene und bloß durch unbeweisbare Behauptungen gestützte Verwendung der Räumlichkeiten zu betrieblichen Zwecken verleihe diesen nicht den Charakter von notwendigem Betriebsvermögen. Die Errichtung einer Vertreterwohnung aus Gründen der Existenzsicherung im Krankheits- oder Unglücksfall und die damit verbundene Unsicherheit hinsichtlich der tatsächlichen betrieblichen Inanspruchnahme erreiche nicht die Qualität eines zeitnahen und zielgerichteten Handelns zur Dokumentation einer unmittelbaren betrieblichen Verwendung. Hinsichtlich des Arbeitszimmers vertrat die belangte Behörde die Ansicht, daß die Errichtung des Gebäudes durch den Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Ehefrau auf dem im gemeinsamen Eigentum stehenden Grundstück erfolgt sei und der Vorsteuerabzug daher mangels Unternehmereigenschaft der Gemeinschaft und mangels Nichtzugehörigkeit (gemeint wohl: mangels Zugehörigkeit) des Arbeitszimmers zum Betriebsvermögen (10 %) nicht zustehe.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Anerkennung der Vertreterwohnung als notwendiges Betriebsvermögen und der Vorsteuer für das Arbeitszimmer verletzt und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides infolge Rechtswidrigkeit unter Kostenzuspruch.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. "Vertreterwohnung"
Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs 3 EStG 1988 kann nur notwendiges Betriebsvermögen Berücksichtigung finden. Maßgebend für die Zuordnung zum notwendigen Betriebsvermögen sind die Zweckbestimmung des Wirtschaftsgutes, die Beschaffenheit des Betriebes und des Berufszweiges des Steuerpflichtigen sowie die Verkehrsauffassung, nicht aber subjektive Motive, wie zB der Grund der Anschaffung (vgl das hg Erkenntnis vom , 88/14/0204 mwN, und Doralt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, Tz 46 zu § 4).
Vor diesem Hintergrund konnte die belangte Behörde unbedenklich die Ansicht vertreten, daß die Vertreterwohnung unter den gegebenen Umständen kein Betriebsvermögen darstellt. Von der belangten Behörde wurde unter Berücksichtigung des Berufes des Beschwerdeführers und der Verkehrsauffassung zu Recht die Überlassung einer Wohnung an einen (insbesondere Urlaubs-)Vertreter als weder berufstypisch noch üblich beurteilt, weil es gerade in der Berufsgruppe der Ärzte - entgegen der in der Berufung vorgetragenen Behauptung, daß Ärzte aus der Nachbarschaft "oder gar der zweite praktische Arzt in F" aus Konkurrenzgründen als Vertreter "nicht in Frage kämen" - üblich ist, in solchen Fällen einen in der Nähe ordinierenden Arzt als Vertreter zu bestimmen. Der Beschwerdeführer räumt selbst ein, daß auch nach dem Gemeindesanitätsgesetz 1971, LGBl für Burgenland 14/1972, in welchem unter anderem die Vertretung von Gemeindeärzten geregelt ist, in erster Linie ein benachbarter Gemeindearzt mit der Vertretung zu betrauen ist, auch wenn dem zu vertretenden Gemeindearzt hiebei ein Vorschlagsrecht zusteht. Daß der Beschwerdeführer in dem den Streitjahren folgenden Jahr tatsächlich für insgesamt elf Tage einen nicht aus dem Nahebereich der Gemeinde stammenden Vertreter bestellt hat, ändert nichts an der Unüblichkeit dieses Umstandes und ist auch im Hinblick auf die Dauer dieser Vertretung kein Grund, hinsichtlich der Wohnung Betriebsvermögen anzunehmen. Die Vertreterwohnung ist aber auch nach der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren dargestellten Zweckbestimmung nicht als Betriebsvermögen zu beurteilen. Nach dieser Zweckbestimmung sollte die Wohnung überhaupt nur dann für den Betrieb des Beschwerdeführers verwendet werden, wenn dieser durch Krankheit oder Unfall langfristig seiner ärztlichen Tätigkeit nicht hätte nachkommen können. Da im Zeitpunkt der Errichtung der Vertreterwohnung in keiner Weise festgestanden ist, wann und ob ein solcher Fall in Zukunft überhaupt eintreten wird, kann von einer selbst künftigen tatsächlichen betrieblichen Verwendung nicht ausgegangen werden, weil die Zuordnung zum Betriebsvermögen eine endgültige Funktionszuweisung erfordert, an welcher es aber fehlt, wenn der Einsatz im Betrieb erst als möglich in Betracht kommt, aber noch nicht sicher ist (vgl Doralt, aaO). Soweit der Beschwerdeführer gestützt auf Doralt, aaO, Tz 228 meint, "Betriebsvermögen (Betriebsausgaben) liegt dann vor, wenn die Aufwendungen mit dem Betrieb im Zusammenhang stehen, die betriebliche Veranlassung ist weit zu sehen, auf die Angemessenheit, Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit kommt es grundsätzlich nicht an", so übersieht er, daß die zitierte Literaturstelle sich ausschließlich mit Betriebsausgaben, nicht aber mit der Frage beschäftigt, wann notwendiges Betriebsvermögen anzunehmen ist. Zu dieser Frage äußert sich der zitierte Kommentar demgegenüber wie oben angeführt.
Wenn der Beschwerdeführer zur Widerlegung der Vermutung einer überwiegenden privaten Nutzung der im Einfamilienhaus errichteten - wenn auch gesonderten und durch einen eigenen Eingang erreichbaren - Wohnung vorbringt, daß die eigentlichen Wohnräume derart groß gestaltet und von der Anzahl her ausreichend seien, daß eine "Großfamilie" zuzüglicher eventueller Verwandtenbesuche darin Platz fände, so findet dieses Vorbringen in dem in den vorgelegten Verwaltungsakten erliegenden Bauplan, wonach die "eigentlichen Wohnräume" aus insgesamt vier Zimmern (hievon eines mit rund 48 m2 inklusive Wintergarten, zwei mit je rund 12 m2 und eines mit rund 21 m2) bestehen, keine nachvollziehbare Deckung.
2. "Arbeitszimmer"
Hiezu wird in der Beschwerde vorgebracht, daß die Errichtung des Gebäudes - unabhängig davon, daß die Liegenschaft im zivilrechtlichen Eigentum beider Ehegatten stehe - ausschließlich durch den Beschwerdeführer erfolgt sei, wie dies aus dem Einreichplan ersichtlich sei, wo als Bauwerber nur der Beschwerdeführer genannt sei. Nur dieser sei nach außen in Erscheinung getreten. Daß auf dem Einreichplan auch die Ehefrau des Beschwerdeführers auf Wunsch der Baubehörde eine Unterschrift geleistet habe, drücke nur die Zustimmung des Grundstücksmiteigentümers aus, welche nach der Bauordnung zwingend erforderlich sei.
Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer durch seinen steuerlichen Vertreter in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde ausdrücklich zugestanden hat, das Gebäude mit seiner Gattin errichtet zu haben. Wer nach dem Einreichplan als Bauwerber auftritt, ist für die Frage der Eigenschaft als Errichter nicht von allein ausschlaggebender Bedeutung. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, daß alle Baurechnungen ausnahmslos auf ihn lauteten, und er alle organisatorischen und finanziellen Abwicklungen vorgenommen habe, fällt dieses Vorbringen unter das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot und muß daher unbeachtlich bleiben. Da die das Einfamilienhaus betreffenden Lieferungen und sonstigen Leistungen somit nicht für das Unternehmen des Beschwerdeführers ausgeführt worden waren, gehen auch die Beschwerdeausführungen zur Frage des Vorsteuerabzuges ins Leere. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wird daher auch in diesem Punkt nicht aufgezeigt.
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.