VwGH vom 16.02.1994, 93/13/0266
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Büsser, über die Beschwerde der D-Ges.m.b.H. in X, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat III, vom , Zl. 6/2-2148/92-10 und 6/2-2292/92-10, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1983 bis 1989, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:
Die Beschwerdeführerin ist Betreiberin des X. Turmes sowie von Restaurants, Kaffeehäusern und Espressi auf diesem Aussichtsturm. Sowohl die Aussichtsplattform des X. Turmes als auch das Turmrestaurant können von den Besuchern nur durch die Benützung eines Aufzuges erreicht werden. Zur Aussichtsplattform führt zwar eine Notstiege, die aber den Besuchern nur im Notfall zur Verfügung steht. Für die Aufzugsbenützung ist ein Entgelt unabhängig davon zu entrichten, ob nur die Aussicht von der Aussichtsplattform aus betrachtet oder aber auch eine Konsumation im Restaurantionsbetrieb getätigt wird.
Den einzigen Streitpunkt des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bildet die Frage, ob das von der Beschwerdeführerin beim Betrieb des Aufzuges im X. Turm erzielte Entgelt mit dem Normalsteuersatz oder mit dem begünstigten Steuersatz des § 10 Abs. 2 Z. 19 UStG 1972 zu versteuern ist.
Die belangte Behörde verneinte im angefochtenen Bescheid die Anwendbarkeit des begünstigten Steuersatzes des § 10 Abs. 2 Z. 19 UStG 1972 auf die für die Aufzugbenützung erzielten Entgelte unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 87/15/0022.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung jedoch mit seinem Beschluß vom , B 353/93, ablehnte und sie über Antrag der Beschwerdeführerin mit seinem Beschluß vom dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Vor diesem erklärt die Beschwerdeführerin sich im Recht auf richtige Berechnung der Umsatzsteuer, insbesondere im Recht auf Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In dem von der belangten Behörde zitierten, die Beschwerdeführerin betreffenden Erkenntnis vom , 87/15/0022, hat der Verwaltungsgerichtshof die Anwendbarkeit des begünstigten Steuersatzes des § 10 Abs. 2 Z. 19 UStG 1972 auf die von der Beschwerdeführerin beim Betrieb des Aufzugs im X. Turm erzielten Entgelte verneint. Auf die eingehende Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen. Die Beschwerdeführerin hält die vom Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis gewonnene Rechtsauffassung für verfehlt; die von ihr dagegen vorgetragenen Argumente überzeugen aber nicht.
Für die Richtigkeit des von der Beschwerdeführerin abgelehnten historischen Interpretationsansatzes zum Verkehrsmittelbegriff aus dem Beförderungssteuergesetz 1953 spricht die Gleichheit des Regelungsgegenstandes (vgl. Kranich-Siegl-Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer III, Anm. 358 zu § 10 UStG 1972, ebenso wie das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 6026/F). Wenn die Beschwerdeführerin das zeitlich nahtlose Zusammentreffen des Außerkrafttretens des Beförderungssteuergesetzes 1953 am mit dem Inkrafttreten des Umsatzsteuergesetzes 1972 am als bloße "Zufälligkeit" bezeichnet, erscheint diese ihre Behauptung umso unverständlicher, als das Außerkrafttreten des Beförderungssteuergesetzes 1953 gerade durch Art. II Abs. 1 Z. 2 des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 224, über die Einführung des Umsatzsteuergesetzes 1972 normiert worden war.
Die Gleichheit des Regelungsgegenstandes hat mit der Unterschiedlichkeit der inhaltlich in den genannten Gesetzen getroffenen Regelungen nichts zu tun. Daß das Umsatzsteuergesetz 1972 die umsatzsteuerliche Behandlung von Sachverhalten, deren Entgeltsbesteuerung zuvor dem Beförderungssteuergesetz 1953 unterlegen war, neu und anders als bisher geregelt und sich dabei auch anderer Gesetzgebungstechniken bedient hat, hindert den auf das außer Kraft gesetzte Beförderungssteuergesetz 1953 zurückgreifenden historischen Interpretationsansatz indessen nicht für die Frage, ob ein bestimmter Sachverhalt vom Regelungsgegenstand des neuen Gesetzes überhaupt erfaßt werden sollte. Zur Lösung des Problems, ob ein bestimmter Sachverhalt dem Tatbestand der Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln aller Art zu subsumieren ist, erweist sich für die Erforschung des im Rahmen des Wortlautes gelegenen gesetzgeberischen Willens der Rückgriff auf den Inhalt der den Regelungsgegenstand zum Ausdruck bringenden Vorgängerbestimmungen als zweckmäßig und geboten.
Die vom Verwaltungsgerichtshof schon in seinem bereits zitierten Erkenntnis vom , Slg. Nr. 6026/F, und im die Beschwerdeführerin betreffenden Vorerkenntnis vom , 87/15/0022, auf der Basis des historischen Interpretationsansatzes gewonnene Anschauung vom Begriff der "Verkehrsmittel aller Art" trägt dabei dem inhaltlich erweiterten Wortlaut der neuen Regelung durchaus Rechnung und bedeutet keine von der Beschwerdeführerin gesehene Einengung dieses Begriffes; dies hat der Gerichtshof im letztzitierten Erkenntnis auch eingehend klargestellt. Die Anwendbarkeit des begünstigten Steuersatzes auf Entgelte für die Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln aller Art schließt gewiß mehr Verkehrsmittel als jene ein, die vom Regelungsinhalt des Beförderungssteuergesetzes 1953 betroffen waren. Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, ob eine bestimmte, die Beförderung von Personen bewirkende Maschinerie überhaupt als "Verkehrsmittel" im Sinne der die Entgeltsbesteuerung regelnden Vorschrift angesehen werden kann. Für die Prüfung dieses Problems aber bedarf es der Betrachtung des gesetzgeberischen Willens auch vor dem Horizont der Rechtsentwicklung. Der bloße Umstand der Raumüberwindung allein macht diese noch nicht zum Verkehr im Sinne solcher Leistungen, welche der Gesetzgeber begünstigen wollte. Wie die Rolltreppe im Kaufhaus unter diesem Aspekt als Verkehrsmittel nicht angesehen werden könnte, so gilt dies in gleicher Weise für den Fall eines im Kaufhaus gleichfalls eingebauten Personenaufzugs. Für den in das Gebäude der Beschwerdeführerin eingebauten Lift kann nichts anderes gelten. Diese Anschauung ist nicht Ergebnis einer Einschränkung des Begriffes des Verkehrsmittels, sondern einer Klarstellung des Begriffes des Verkehrs. Fortbewegung innerhalb eines Gebäudes kann vor dem Verständnishintergrund des gesetzlichen Regelungszwecks nicht als Verkehr angesehen werden; Einrichtungen zur mechanischen Fortbewegung von Personen innerhalb eines Gebäudes sind demnach nicht Verkehrsmittel irgendeiner Art, sondern überhaupt keine Verkehrsmittel im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 19 UStG 1972. Daß Verkehrsmittel unterschiedlichster Art nicht selten in unterirdisch oder unter Dach gebauten Trassen verlaufen, wie die Beschwerdeführerin einwendet, ändert nichts am grundsätzlichen Unterschied solcher, tatsächlichen Verkehr darstellenden Fortbewegungsweisen zur bloßen Ortsveränderung innerhalb eines Gebäudes, welche in Abgrenzung dazu "Verkehr" im aufgezeigten Sinne nicht begründet. Angesichts der sachlichen Unterschiede zwischen Raumüberwindung bloß innerhalb eines Gebäudes und anderer, tatsächlich Verkehr darstellender Fortbewegungsweisen kann der Gerichtshof die von ihm schon im Vorerkenntnis gefundene Interpretation nicht als gleichheitswidrig erkennen. Ebensowenig sind ihm Bedenken gegen die im Lichte des Gleichheitssatzes zu beurteilende Verfasssungskonformität der Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 19 UStG 1972 gekommen, sodaß er sich nicht veranlaßt sieht, zum Zwecke eines Gesetzesprüfungsverfahrens an den Verfassungsgerichtshof heranzutreten.
Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.