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VwGH vom 16.02.1994, 93/13/0256

VwGH vom 16.02.1994, 93/13/0256

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Büsser, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Beschwerdeentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 10-584/93, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Gesellschaftsvertrag vom gründete der Beschwerdeführer mit zwei weiteren Personen die MK GmbH. Nach einem Unterschriftenprobenblatt vom war der Beschwerdeführer als Geschäftsführer allein zeichnungsberechtigt.

Mit einem weiteren Gesellschaftsvertrag vom gründeten der Beschwerdeführer und Nina F. die MN GmbH. Nach einem "Unterschriftenprobenblatt" vom waren die beiden Gesellschafter gegenüber dem Finanzamt zeichnungsberechtigt.

In den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten erliegt ein Bericht der Bundespolizeidirektion Wien an die Staatsanwaltschaft Wien. Nach diesem Bericht hatte das Landesarbeitsamt Wien festgestellt, daß die MK GmbH in der Zeit vom bis Ausländer unter Verwendung falscher Arbeitsbewilligungen beschäftigt hatte. Der Beschwerdeführer habe bei seiner Vernehmung angegeben, er habe bei der MN GmbH als Gesellschafter fungiert und "die Einlage" in Höhe von S 200.000,-- geleistet. Im Februar 1993 sei "die Firma" von Ilija O. übernommen worden. Die Anstellung der Arbeitskräfte sei durch ihn oder Nina F. erfolgt. Im Februar 1993 sei er aus der Firmenleitung ausgeschieden.

Nina F. habe angegeben, im September 1991 ihre Tätigkeit bei der MK GmbH als Bürokaufmann begonnen zu haben. Als "direkter Chef" fungiere der Beschwerdeführer. Im März 1992 sei dann auf Grund einer Idee des Beschwerdeführers die MN GmbH gegründet worden. Sie habe den vom Beschwerdeführer erhaltenen Geldbetrag von S 200.000,-- einbezahlt. Die Firma sei "unter ihrem Namen" gegründet worden; im Mai 1993 sei sie aus dem Handelsregister gestrichen worden.

Nach den weiteren Ausführungen im angeführten Bericht habe sich ergeben, daß von der MK GmbH und der MN GmbH Arbeiter an verschiedene Bauunternehmen verliehen worden seien. Die Arbeitskräfte seien nicht sozialversichert gewesen; auch sonst seien keine Abgaben für sie geleistet worden.

Mit Bescheid vom wurde gegen den Beschwerdeführer "sowohl als handelsrechtlicher Geschäftsführer als auch in Wahrnehmung der tatsächlichen Geschäftsführung im Rahmen" der MK GmbH und der MN GmbH das Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes der Hinterziehung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer "für den Zeitraum, der im Zuge der laufenden Betriebsprüfung noch abgegrenzt werden wird in Höhe von S durch laufende Betriebsprüfung noch festzustellen" eingeleitet.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde vorgebracht, der Beschwerdeführer sei als handelsrechtlicher Geschäftsführer der MK GmbH schon vor langer Zeit ausgeschieden; er sei auch vor fünf Monaten als Geschäftsführer gelöscht worden. Er hätte auf die Geschäfte der MK GmbH seit zwei Jahren keinen Einfluß mehr gehabt; hiefür sei ausschließlich Slobodan O.

verantwortlich gewesen. Hinsichtlich der MN GmbH wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe die ihm von seinem Steuerberater zugegangenen Zahlscheine stets regelmäßig und pünktlich bezahlt; darunter müßten auch die angesprochenen Vorauszahlungen gewesen sein.

Mit der angefochtenen Beschwerdeentscheidung wurde die Administrativbeschwerde gegen den Einleitungsbescheid als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde der erstinstanzliche Bescheid dadurch berichtigt, daß als verkürzte Vorauszahlungen an Umsatzsteuer diejenigen von Jänner bis Dezember 1992 und von Jänner bis April 1993 bezeichnet wurden. In der Begründung wurde ausgeführt, die Finanzstrafbehörde habe durch eine Anzeige des Landesarbeitsamtes davon Kenntnis erlangt, daß die MK GmbH zahlreiche Rechnungen über Arbeitsleistungen ausgestellt habe, obgleich gegenüber der Abgabenbehörde keine Umsätze mehr gemeldet worden seien. Im Zuge der Prüfungen bei der MK GmbH und bei der MN GmbH seien Verkürzungen von Umsatzsteuer-Vorauszahlungen festgestellt worden. Auf Grund der Aussage der Nina F., wonach der Beschwerdeführer "de facto als direkter Chef" der MK GmbH fungiert habe, bestehe der Verdacht, daß der Beschwerdeführer als Täter von Finanzvergehen in Betracht komme.

Dem Inhalt der Beschwerde nach werden vom Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt zunächst, die "Berichtigung" des erstinstanzlichen Bescheides stelle "quasi die Erlassung eines neuen Bescheides" dar. Damit ist der Beschwerdeführer nicht im Recht: Die Rechtsmittelbehörde darf zwar in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelentscheidung in Aussicht genommenen rechtlichen Art nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war, nicht einen Sachbescheid (im Ergebnis erstmals) erlassen (vgl. z.B. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom , 88/17/0013). Wechselt also die Rechtsmittelbehörde die von der Erstbehörde als erwiesen angenommene Tat aus, so nimmt sie eine ihr nicht zustehende Befugnis in Anspruch (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 85/17/0065). Eine Auswechslung der Tat liegt aber nicht vor, wenn lediglich die Spruchfassung präzisiert wird (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 91/14/0096).

Insbesondere unter dem Gesichtspunkt, daß es für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens genügt, wenn gegen den Verdächtigen ausreichende Verdachtsgründe dafür, daß er als Täter eines Finanzvergehens in Betracht kommt, vorliegen, daß aber die endgültige Beantwortung der Frage, ob der Verdächtige das Finanzvergehen tatsächlich begangen hat, dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens vorbehalten bleibt, kann hinsichtlich der von der belangten Behörde vorgenommenen zeitlichen EINSCHRÄNKUNG des Tatvorwurfs keine Auswechslung der "Sache" im Sinne des § 161 Abs. 1 FinStrG erblickt werden. Die Rechtsmittelbehörde ist vielmehr - dies auch entgegen der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid an anderer Stelle geäußerten Meinung - gemäß § 157 in Verbindung mit § 115 FinStrG verpflichtet, bei Erlassung der Beschwerdeentscheidung auf die während des Rechtsmittelverfahrens festgestellten Tatsachen Bedacht zu nehmen und dementsprechend den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides hinsichtlich des Umfanges des Verdachtes, somit insbesondere hinsichtlich Höhe und Zeitraum der Abgabenverkürzungen entsprechend zu konkretisieren.

Dem weiteren, kaum nachvollziehbaren Vorbringen des Beschwerdeführers, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, "weil der gesetzliche Tatbestand des begründeten Verdachts unzureichend bzw. nur zum Scheine und daher auch im Sinne des Artikels im BVG" (gemeint offenkundig Art. 18 B-VG) "dem Wortlaut der Bundesverfassung und ihrem Inhalt nicht entsprechend, jedenfalls auch einfach rechtswidrig, vorausgesetzt und tatsächlich aber nachvollziehbare Gründe für den Tatverdacht nicht dargelegt wurden", ist entgegenzuhalten, daß der im § 82 Abs. 1 FinStrG enthaltene Gesetzesbegriff der "genügenden Verdachtsgründe", wie die seit dem Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom , 88/13/0021, ergangene zahlreiche Rechtsprechung des Gerichtshofes zu § 82 Abs. 1 FinStrG zeigt, einen solchen Inhalt hat, daß das Verhalten der Behörde auf seine Übereinstimmung mit dem Gesetz geprüft werden kann (vgl. Klecatsky-Morscher, Das österreichische Bundesverfassungsrecht3, E 41, 42 zu Art. 18 Abs. 1 B-VG).

Im Zuge der der Finanzstrafbehörde erster Instanz nach der Anordnung des § 82 Abs. 1 FinStrG obliegenden Prüfung der ihr nach den §§ 80 oder 81 FinStrG zukommenden Verständigungen und Mitteilungen kann die Finanzstrafbehörde zwar - im Finanzstrafgesetz hinsichtlich ihres tatsächlichen Ablaufes nicht näher umschriebene - "Vorerhebungen" durchführen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist die Finanzstrafbehörde aber nicht jedenfalls zu solchen Vorerhebungen verpflichtet, da sich schon aus der äußeren Erscheinung der der Finanzstrafbehörde vorliegenden Verständigungen und Mitteilungen der Verdacht eines Finanzvergehens gegen einen bestimmten Verdächtigen ergeben kann (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 92/13/0275). Liegen der Finanzstrafbehörde wie im Beschwerdefall Mitteilungen darüber vor, daß ein Unternehmen Rechnungen über Bauleistungen nicht unerheblichen Umfanges ausgestellt hat, ohne daß die dadurch entstandene Schuld an Umsatzsteuer-Vorauszahlungen entrichtet worden ist, so bestehen für die Finanzstrafbehörde gewichtige Verdachtsgründe, die ohne weitere Vorerhebungen eine Einleitung eines Finanzstrafverfahrens nach sich zu ziehen haben. Überdies wird vom Beschwerdeführer dabei außer acht gelassen, daß von der Abgabenbehörde ohnedies Ermittlungen in der Form der Durchführung von abgabenrechtlichen Prüfungen vor der Erlassung des erstinstanzlichen Einleitungsbescheides und in weiterer Folge auch in der Zeit bis zur Erlassung der Beschwerdeentscheidung durchgeführt worden sind.

Wie ausgeführt, rechtfertigten die der Finanzstrafbehörde vorliegenden Verständigungen den Verdacht, daß eine Hinterziehung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer bewirkt worden ist. Die im Bericht der Bundespolizeidirektion festgehaltene Aussage der Nina F. begründete weiters den Verdacht, Täter dieser Abgabenhinterziehung sei der Beschwerdeführer als die Angelegenheiten der beiden in Rede stehenden Gesellschaften mit beschränkter Haftung zumindest in faktischer Weise Wahrnehmender. Bestanden aber dadurch genügend Verdachtsgründe gegen den Beschwerdeführer, so war die Finanzstrafbehörde verpflichtet, das Finanzstrafverfahren einzuleiten. Dabei liegt es im Wesen des durch die Einleitung formell begonnenen verwaltungsbehördlichen Untersuchungsverfahrens, daß in dessen Zuge die für die Ermittlung des Sachverhaltes zweckdienlichen Ermittlungen durchgeführt werden. Wenn der Beschwerdeführer daher rügt, daß die belangte Behörde die Beischaffung des Gerichtsaktes unterlassen habe, so verkennt er, daß derartige Untersuchungshandlungen erst im Rahmen des - nach einer Einleitung des Finanzstrafverfahrens auf Grund eines begründeten Verdachtes - durchzuführenden Untersuchungsverfahrens vorzunehmen sind. Die Beschwerdeausführungen, die sich auf in den Gerichtsakten erliegende Aktenstücke berufen, gehen daher ins Leere, zumal es bei den Ausführungen über den Inhalt von Teilen der gerichtlichen Akten um ein im gegenständlichen Verfahren unbeachtliches neues Vorbringen des Beschwerdeführers handelt.

Soweit der Beschwerdeführer im Ergebnis die Glaubwürdigkeit der Nina F. in Zweifel zieht und sich gegen die aus ihrer Aussage gezogenen Folgerungen der Finanzstrafbehörden wendet, bekämpft er in Wahrheit die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Dem ist entgegenzuhalten, daß sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle eines angefochtenen Bescheides auf die Überprüfung beschränkt, ob die bei der Beweiswürdigung angestellten Überlegungen der belangten Behörde schlüssig sind, d.h. ob sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen. In diesem Sinn hat die belangte Behörde aus der Aussage der Nina F. über die tatsächliche Wahrnehmung der Leitungsfunktion in den in Rede stehenden Gesellschaften, wie ausgeführt, zutreffend den Schluß gezogen, daß der Beschwerdeführer als Täter von Hinterziehungen der diese Gesellschaften treffenden Abgaben in Betracht kommt.

Die Beschwerde erwies sich somit als unbegründet, sodaß sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung war aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.