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VwGH vom 21.02.1991, 90/09/0196

VwGH vom 21.02.1991, 90/09/0196

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom , GZ. 11.053-DK/89, betreffend Einleitungsbeschluß in einer Disziplinarsache, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.680,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Revierinspektor der Zollwache in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist das Hauptzollamt Wien.

Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte die belangte Behörde auf Grund der vom Dienstvorgesetzten am an die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland erstatteten Disziplinaranzeige am beschlossen, gegen den Beschwerdeführer gemäß § 123 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (BDG 1979), das Disziplinarverfahren einzuleiten. Der Beschwerdeführer stehe im Verdacht, er habe

I.

a) als zur Vertretung des Fan- und Freizeitclubs "D", welcher als unbefugter Gastgewerbebetrieb in Wien, X-Gasse 28, geführt worden sei, nach außen Berufener seine Nebenbeschäftigung im Sinne des § 56 Abs. 1 BDG 1979, gemäß dem Abs. 3 der zitierten Bestimmung nicht gemeldet;

b) als zur Vertretung des Fan- und Freizeitclubs "D" nach außen Berufener gemäß der Strafverfügung und dem Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom , Zl. 2-160219/Str und vom , Zl. MBA 2-160229/Str, entgegen den Rechtsvorschriften eine ausländische Staatsangehörige beschäftigt;

c) als zur Vertretung des Fan- und Freizeitclubs "D" nach außen Berufener gemäß der Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien vom , Zl. MBA 2160239/Str ein konzessioniertes Gewerbe ausgeübt, ohne die erforderliche Konzession hiefür erlangt zu haben;

II.

sich Organen der öffentlichen Sicherheit gegenüber im Feber 1989 in Wien, X-Gasse 28, ohne Dienstauftrag und unter Verwendung seines Dienstabzeichens für den Erhebungsdienst der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, als verdeckter Suchtgiftfahnder ausgegeben;

III.

am entgegen den Weisungen des Dienstvorgesetzten während der von ihm im Dienstbuch ausgewiesenen Zeit von 14.00 Uhr den angeordneten Kanzleidienst in seiner Dienststelle in Wien, R-Gasse 9, ab ca. 15.00 Uhr nicht vollzogen und sich zu außerdienstlichen Zwecken in das Kaffeehaus H in Wien, im Bereiche des Z-Platzes, begeben;

IV.

a) von ihm mit verrechenbaren Drucksorten FStr 65, Nr. 8920, Bl. 15-20, am 23. Juni, 29. Oktober, 3. Juli und sowie Za 19a Nr. 192735, Bl. 9 und 10, am 23. Feber 1988, eingehobene Geldbeträge von insgesamt S 4500, erst am ,

b) von ihm mit verrechenbaren Drucksorten FStr 65, Nr. 8920, Bl. 15-17 am 23. Juni, Ende Juni, Anfang Juli und am abgenommene Tatgegenstände und zwar zwei Flaschen zu 1 Liter Napoleon Vinjak, 800 Stk. Zigaretten der Marke Marlboro, 10 Dosen Kaviar, im Gesamtgewicht von 1,96 Kilo und 1000 Stück Zigaretten der Marke Lord Extra, erst am ,

c) die von der Zollkasse an Rev.Insp. A am ausgegebene und von ihm am ausgeschriebene verrechenbare Drucksorte FStr 65, Nr. 8920, erst am der Zollkasse des Zollamtes Wien abgeführt

und somit gegen die Verfügung des Zollamtes Wien vom , Zl. Org/0-300/1392/12/88 sowie

zu a) und b) gegen die Zollkassenvorschrift TZ 1.3.(3) und

zu c) gegen die Zollkassenvorschrift TZ 1.3.6.(4) verstoßen

und hiedurch folgende Dienstpflichten verletzt:

zu I.a) nach § 56 Abs. 3 BDG 1979

zu I.b) und c) sowie II. nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 zu III. nach §§ 44 Abs. 1 und 48 Abs. 1 BDG 1979 zu IV.nach § 44 Abs. 1 BDG 1979

Dieser Bescheid war unangefochten in Rechtskraft erwachsen.

Mit Schreiben vom teilte der Beschwerdeführer der belangten Behörde mit, daß er bei "zufälliger Durchsicht" des oben wiedergegebenen Bescheides festgestellt habe, daß anläßlich der Beschlußfassung entgegen der Bestimmung des § 101 Abs. 2 BDG 1979 kein Mitglied des Berufsstandes, welches vom Zentralausschuß der Zollwache bestellt worden sei, anwesend gewesen sei. Er ersuche daher um bescheidmäßige Feststellung, ob der Einleitungsbeschluß rechtswirksam sei.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom , der wortwörtlich mit dem oben wiedergegebenen Bescheid übereinstimmt, beschloß die belangte Behörde in geänderter Senatszusammensetzung abermals, gegen den Beschwerdeführer aus den oben dargelegten Gründen das Disziplinarverfahren gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 einzuleiten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde legte die Akten des Disziplinarverfahrens vor; von der ihr eingeräumten Möglichkeit, zur Beschwerde eine Gegenschrift zu erstatten, machte sie keinen Gebrauch.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht darauf, daß ein Disziplinarverfahren gegen ihn nicht trotz gemäß § 94 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 eingetretener Verjährung eingeleitet (die Durchführung nach § 123 leg. cit. verfügt) werde, durch unrichtige Anwendung dieser Norm verletzt. Weiters erachtet er sich durch den angefochtenen Bescheid in dem aus §§ 68 ff AVG abzuleitenden Recht verletzt, daß nicht eine Doppelentscheidung in ein und derselben Sache ergehe. Wäre der Bescheid vom als Einleitungsbeschluß (weiterhin) wirksam, so hätte der nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid nicht erlassen werden dürfen.

Die Beschwerde ist begründet.

Da gegen den Beschluß auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens gemäß § 123 Abs. 2 letzter Satz BDG 1979 kein Rechtsmittel zulässig ist, ist damit der Instanzenzug erschöpft und nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ua. das Erkenntnis vom , Zl. 90/09/0107) die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig. Der Beschwerdeführer hat es unterlassen, eine solche Beschwerde gegen den Bescheid vom zu erheben. Dieser Einleitungsbeschluß ist damit nicht Gegenstand dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, sodaß es sich in dem anhängigen Verfahren der Kognition durch den Verwaltungsgerichtshof entzieht, ob dieser Beschluß in Widerspruch zu § 101 Abs. 2 BDG 1979 gefaßt wurde und daher rechtswidrig ist; ungeachtet dessen ist dieser Einleitungsbeschluß rechtskräftig.

Nach § 68 Abs. 1 AVG, welche Bestimmung zufolge der ausdrücklichen Verweisung in § 105 Z. 1 BDG 1979 auch im Disziplinarverfahren Anwendung zu finden hat, sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Bei unverändertem Sachverhalt ist die Disziplinarbehörde angesichts der imperativen Bestimmung des § 68 Abs. 1 AVG gar nicht berechtigt, eine rechtskräftig entschiedene Sache nochmals aufzurollen. Die Rechtskraft bewirkt bei unverändertem Sachverhalt und unveränderter Rechtslage das Prozeßhindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache.

Ist ein Bescheid unanfechtbar und unwiderrufbar geworden, so entfaltet er die Wirkung, daß die mit ihm erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann. Diese Rechtswirkung wird Unwiederholbarkeit genannt ("ne bis in idem crimen iudicetur").

Da sich der nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid über den in Rechtskraft erwachsenen Einleitungsbeschluß vom hinwegsetzt, mußte er iSd § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG schon aus diesem Grunde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes der Aufhebung verfallen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom , BGBl. Nr. 206.