VwGH 26.01.2005, 2002/08/0274
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | AlVG 1977 §46 Abs1; |
RS 1 | Nach dem klaren Wortlaut des § 46 Abs 1 AlVG kommt es für die Qualifizierung eines Sachgeschehens als "Geltendmachung des Anspruches", an die das Gesetz den Beginn des Bezuges von Leistungen nach dem AlVG knüpft, auf die persönliche Abgabe des Antrages bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice unter Verwendung des hiefür bundeseinheitlich aufgelegten Antragsformulars innerhalb der in § 46 Abs 1 dritter und vierter Satz AlVG genannten Fristen an (Hinweis E , 92/08/0097; E , 97/08/0517; E , 98/08/0099). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 97/08/0428 E RS 3 |
Normen | AHG 1949 §1; AlVG 1977 §46; |
RS 2 | § 46 AlVG nimmt eine umfassende Regelung der Rechtsfolgen fehlerhafter oder unterlassener fristgerechter Antragstellungen vor. Diese abschließende Normierung lässt es - selbst im Falle des Fehlens eines Verschuldens des Arbeitslosen - nicht zu, die Folgen einer (irrtümlich) unterlassenen rechtzeitigen Antragstellung nachträglich zu sanieren, zumal selbst in jenen Fällen, in denen ein Arbeitsloser auf Grund einer von einem Organ des Arbeitsmarktservice schuldhaft erteilten unrichtigen Auskunft einen Schaden erleidet, dieser auf die Geltendmachung allfälliger Amtshaftungsansprüche verwiesen ist und die Fiktion einer dem Gesetz entsprechenden Antragstellung keine gesetzliche Grundlage findet (Hinweis E , 2001/08/0227). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 98/08/0145 E RS 2 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des W in K, vertreten durch Mag. Rainer Rienmüller, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kohlmarkt 16, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom , Zl. LGS NÖ/JUR/12181/2002, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom wies die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice den vom gleichen Tag stammenden Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld (als Pensionsvorschuss) mangels Erfüllung der Anwartschaft ab.
In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice sei zu Unrecht von einer erstmaligen Antragstellung auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld am ausgegangen. Nachdem er dreißig Jahre lang berufstätig gewesen sei und sein letztes Beschäftigungsverhältnis Ende Juni 2000 geendet habe, habe er bereits am bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice, Zweigstelle K., einen Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld gestellt. Zu diesem Zeitpunkt habe er die Anwartschaft erfüllt, weil er in den 24 Monaten vor der Geltendmachung des Anspruches durchgehend 24 Monate arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Die Behörde habe es jedoch verabsäumt, über diesen Antrag zu entscheiden und beurteile nun seine Vorsprache im Juli 2002, die lediglich der Urgenz gedient habe, als Erstantrag. Als Beweis legte der Beschwerdeführer eine Kopie der ersten Seite des Antragsformulares vom , ausgegeben von der Zweigstelle K., vor. Für den Fall, dass die belangte Behörde seinen Antrag vom Juli 2000 nicht als Erstantrag werte, mache der Beschwerdeführer als ausdrücklichen Verfahrensmangel geltend, die Behörde habe ihn nicht ausreichend aufgeklärt und somit gegen die ihr obliegende Manuduktionspflicht verstoßen.
Der Beschwerdeführer stellte in seiner Berufung folgende Anträge:
"1) Die Berufungsbehörde wolle über meinen Antrag vom entscheiden (Devolutionsantrag),
2) meine Berufung gegen den Bescheid vom folge geben, den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass man dem Antrag auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes seit Juli 2000 folge gegeben wird in eventu
3) den angefochtenen Bescheid aufheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die erste Instanz zurückverweisen."
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gemäß § 7 Abs. 1 Z. 2 i.V.m. § 14 und § 23 AlVG ab und gab dem Devolutionsantrag mangels Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 73 Abs. 1 AVG keine Folge.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dem Beschwerdeführer sei am , anlässlich einer persönlichen Vorsprache bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice, Zweigstelle K., ein Antragsformular für die Zuerkennung von Arbeitslosengeld ausgefolgt worden. Für die Rückgabe des Antrages sei dem Beschwerdeführer eine Frist bis gesetzt worden. Auf der vom Beschwerdeführer vorgelegten Kopie des Antragsformulares scheine auch der Hinweis auf, dass der Antrag bis spätestens in der Leistungsabteilung des AMS T. abzugeben sei. Weiters werde im Antragsformular auf die ausdrückliche Rechtsfolge bei Versäumung der Rückgabefrist hingewiesen, wonach die Leistung bei Nichteinhaltung der Rückgabefrist erst ab dem Tag gewährt werde, an dem der Antrag abgegeben werde. Der Beschwerdeführer habe seinen Antrag vom nie retourniert.
Am sei dem Beschwerdeführer von der regionalen Geschäftsstelle neuerlich ein Antragsformular ausgefolgt worden, welches dieser noch am gleichen Tag abgegeben habe. Aus einem Auszug aus der zentralen Datenspeicherung des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger vom gingen ein vollversichertes Dienstverhältnis des Beschwerdeführers vom bis zum bei der Spedition L. OHG und der Bezug einer Urlaubsentschädigung vom bis hervor. Weiters sei vom bis laufend eine Krankenversicherung, vom bis eine ASVG-Weiterversicherung in der Pensionsversicherung bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten und vom bis ein Zeitraum als Arbeitssuchender aufgezeichnet. Mit Schreiben vom seien dem Beschwerdeführer die anzuwendenden rechtlichen Bestimmungen zur Kenntnis gebracht worden. Gleichzeitig sei der Beschwerdeführer um Bekanntgabe und Nachweise etwaiger sonstiger anwartschaftsbegründender Zeiten oder Rahmenfristerstreckungsgründe in der Zeit vom bis zum ersucht worden. Für die schriftliche Antwort und Beibringung der entsprechenden Nachweise sei dem Beschwerdeführer eine Frist bis gesetzt und dieser darauf hingewiesen worden, dass bei fruchtlosem Verstreichen der Frist nach der derzeitigen Aktenlage entschieden werde. Weiters sei dem Beschwerdeführer in dem Schreiben mitgeteilt worden, der Anspruch auf Arbeitslosengeld gelte gemäß § 46 Abs. 1 AlVG erst dann als geltend gemacht, wenn das Antragsformular innerhalb der von der regionalen Geschäftsstelle festgesetzten Frist bei der regionalen Geschäftsstelle persönlich abgegeben worden sei. Auf das Schreiben vom sei keine Reaktion seitens des Beschwerdeführers erfolgt. Da der Beschwerdeführer seinen Antrag vom nie retourniert habe, habe er seinen Anspruch auch nie geltend gemacht. Der Beschwerdeführer sei in der Zeit zwischen und weder persönlich noch telefonisch mit der regionalen Geschäftsstelle in Kontakt getreten.
Da der Beschwerdeführer in der Rahmenfrist gemäß § 14 AlVG von bis keine anwartschaftsbegründenden Zeiten nachweisen könne, habe er keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Weiters lägen die Voraussetzungen für eine Devolution gemäß § 73 AVG nicht vor, weil der Beschwerdeführer seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld nie geltend gemacht habe und daher über keinen Antrag zu entscheiden gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Der Beschwerdeführer führt darin aus, die belangte Behörde habe es unterlassen, den Sachverhalt dahingehend zu erheben, ob die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice, Zweigstelle K., ein Verschulden daran träfe, dass er seinen Antrag nicht fristgerecht retourniert habe. Das Offizialprinzip im Leistungsverfahren verpflichte die Behörden, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen festzustellen. Insbesondere einer rechtsunkundigen und nicht rechtsfreundlich vertretenen Partei gegenüber sei die Verwaltungsbehörde zur Manuduktion verpflichtet.
Des Weiteren gibt der Beschwerdeführer an, die Feststellung der belangten Behörde, wonach er sich im Zeitraum zwischen und weder persönlich noch telefonisch bei der regionalen Geschäftsstelle gemeldet habe, sei aktenwidrig, weil er nicht nur einen "Antrag auf Arbeitslosengeld ausgehändigt" bekommen habe, sondern auch eine Terminkarte, auf welcher der als Termin vermerkt worden sei. Außerdem habe der Beschwerdeführer mit dem zuständigen Bearbeiter telefoniert und bekannt gegeben, dass er den Termin nicht einhalten könne. Auch anlässlich dieses Gespräches sei er nicht darauf hingewiesen worden, dass der Antrag als nicht gestellt gelte, wenn er nicht fristgerecht abgegeben werde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 14 Abs. 1 AlVG ist die Anwartschaft bei der erstmaligen Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist die Anwartschaft bei jeder weiteren Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 28 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Die Anwartschaft ist im Falle einer weiteren Inanspruchnahme auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz erfüllt.
Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend ausgeführt, dass ausgehend von der Ausgabe des Antragsformulars am der Beschwerdeführer die Anwartschaft im Sinne des § 14 AlVG nicht erfüllt. Diese Ausführungen werden in der Beschwerde nicht bestritten. Der Beschwerdeführer beharrt jedoch auf seiner Auffassung, durch die Ausgabe des Antragsformulars am an ihn habe er bereits die Antragstellung vorgenommen.
Damit verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage. Nach dem klaren Wortlaut des § 46 Abs. 1 AlVG kommt es für die Qualifizierung eines Sachgeschehens als "Geltendmachung des Anspruches", an die das Gesetz den Beginn des Bezuges von Leistungen nach dem AlVG knüpft, auf die persönliche Abgabe des Antrages bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice unter Verwendung des hiefür bundeseinheitlich aufgelegten Antragsformulars innerhalb der genannten Fristen an (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 97/08/0428 und vom , Zl. 2001/08/0227). Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer das ihm am ausgefolgte Antragsformular nie bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice abgegeben hat.
§ 46 AlVG nimmt eine umfassende Regelung der Rechtsfolgen fehlerhafter oder nicht fristgerechter Antragstellungen vor. Diese abschließende Normierung lässt es - selbst im Falle des Fehlens eines Verschuldens des Arbeitslosen - nicht zu, die Folgen einer (irrtümlich) unterlassenen rechtzeitigen Antragstellung nachträglich zu sanieren, zumal selbst in jenen Fällen, in denen ein Arbeitsloser auf Grund einer von einem Organ des Arbeitsmarktservice schuldhaft erteilten unrichtigen Auskunft einen Schaden erleidet, dieser auf die Geltendmachung allfälliger Amtshaftungsansprüche verwiesen ist und die Fiktion einer dem Gesetz entsprechenden Antragstellung keine gesetzliche Grundlage findet (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/08/0145).
Die Behauptung des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe keinerlei Feststellungen darüber getroffen, ob das Arbeitsmarktservice im Rahmen seiner Manuduktionspflicht verhalten gewesen wäre, den Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass der Antrag bis zur Retournierung nicht als "geltend gemacht" zu werten sei, geht ins Leere. Abgesehen davon, dass der Antrag des Beschwerdeführers - wie soeben ausgeführt - selbst bei Verschulden des Arbeitsmarktservice gemäß § 46 Abs. 1 AlVG nicht als geltend gemacht zu beurteilen wäre, weist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Recht auf die im Antragsformular abgedruckte Rechtsbelehrung, wonach die Leistung bei Nichteinhaltung der Rückgabefrist erst ab dem Tag gewährt werden könne, an dem der Antrag abgegeben werde, hin.
Ausgehend von der unstrittigen Tatsache, dass der Beschwerdeführer das ihm am ausgefolgte Antragsformular innerhalb der gesetzten Frist nicht wieder vorgelegt hat, kann entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht von einer "Geltendmachung des Anspruches" mit Wirkung von diesem Tag gesprochen werden. Die regionale Geschäftsstelle traf daher keine Entscheidungspflicht, die auf die belangte Behörde hätte übergehen können.
Die Beschwerde erwies sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2005:2002080274.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAE-49167