VwGH vom 20.10.2004, 2002/08/0254
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des V in W, vertreten durch Dr. Alexander Cizek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 13, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2002-8325, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I. 1. Mit dem am ausgegebenen bundeseinheitlichen Antragsformular beantragte der Beschwerdeführer bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice die Gewährung von Arbeitslosengeld. Die Fragestellungen zu Punkt 5 ("Ich stehe derzeit in Beschäftigung.") und Punkt 8 ("Ich habe ein eigenes Einkommen. Wenn ja, welcher Art ? (z.B. Pensionen, Renten, Unterhaltsleistungen, Einkommen aus geringfügiger, selbständiger oder freiberuflicher Tätigkeit, Vermietung oder Hausbesorgertätigkeit)") des Formulars verneinte er. Aus der im Verwaltungsakt befindlichen Arbeitsbescheinigung vom (OZ. 3) geht hervor, dass der Beschwerdeführer vom bis als "GF-Sozialarbeiter" bei der "Vereinigung (...)" beschäftigt gewesen sei. Das Dienstverhältnis sei durch "einverständliche Lösung" beendet, Bezüge seien bis ausbezahlt worden. Dem Beschwerdeführer wurde daraufhin in der Zeit vom 1. April bis Arbeitslosengeld gewährt.
Mit dem am ausgegebenen Antragsformular beantragte der Beschwerdeführer in der Folge auch die Zuerkennung von Notstandshilfe. Wie bereits im Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld beantwortete er auch diesmal die Fragen zu den Punkten 5 und 8 mit "Nein".
2. Mit Bescheid vom entschied die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste folgendermaßen:
"Gemäß § 24 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 7 und 12 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977 in geltender Fassung, wird das Arbeitslosengeld mangels Arbeitslosigkeit ab dem nachstehend angeführten Tag eingestellt:
"
Nach Wiedergabe der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen, unter anderem des § 12 Abs. 3 lit. i AlVG, wird begründend ausgeführt, dass der Beschwerdeführer "laufend" in einem aufrechten Dienstverhältnis zur "Vereinigung (...)" gestanden sei. Arbeitslosigkeit sei somit nicht gegeben.
Gegen den Einstellungsbescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er unter anderem ausführte (Wiedergabe wie im Original):
"(...) Falls ein Ende der Arbeitslosigkeit ab dem angenommen wird, trifft dies nicht zu. Ich war nicht seit dem bei der Vereinigung (...) beschäftigt. Ab Mai 2001 war ich bei A (di. Vereinigung ...) geringfügig beschäftigt. Mir wurde bei AMS (Schönnbrunner Straße) und der Arbeiterkammer telefonisch die Auskunft gegeben, eine geringfügige Beschäftigung sei auch bei dem Bezug von Arbeitslosengeld möglich, ohne den Anspruch auf Arbeitslosengeld zu verlieren. Erst ab (richtig: ) stehe ich mit der Vereinigung 'C' in einem regulären Beschäftigungsverhältnis."
3. Mit einem weiteren Bescheid vom entschied die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste folgendermaßen:
"Gemäß § 24 Abs. 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977 in geltender Fassung, wird der Bezug des Arbeitslosengeldes für den nachstehend angeführten Zeitraum widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und gemäß § 25 Abs. 1 AlVG werden Sie zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe des nachstehend angeführten Gesamtbetrages verpflichtet:
-
ÖS 31.187,-- (...)"
In der Begründung wird dazu ausgeführt, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Beschwerdeführer die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für den Zeitraum vom 1. April bis zu Unrecht bezogen habe, da er - wie im Bescheid vom festgestellt worden sei - nicht als arbeitslos gelte.
Auch gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er unter anderem ausführte (Wiedergabe wie im Original):
"(...) Falls ein Ende der Arbeitslosigkeit ab dem angenommen wird, trifft dies nicht zu. Ich war nicht seit dem bei der Vereinigung (...) beschäftigt. Mir wurde bei AMS (Schönnbrunner Straße) und der Arbeiterkammer telefonisch die Auskunft gegeben, eine geringfügige Beschäftigung sei auch bei dem Bezug von Arbeitslosengeld möglich, ohne den Anspruch auf Arbeitslosengeld zu verlieren. Erst ab stehe ich mit der Vereinigung 'C' in einem regulären Beschäftigungsverhältnis."
4. Die erstinstanzliche Behörde führte sodann bei der Wiener Gebietskrankenkasse Erhebungen durch, welche ergaben, dass der Beschwerdeführer bis in einem vollversicherten und ab in einem geringfügigen Dienstverhältnis zu der "Vereinigung (...)" gestanden sei. Ein vollversichertes Dienstverhältnis zu der "C" habe mit begonnen. Dem Erhebungsbericht schloss die Gebietskrankenkasse auch die Anmeldung des Beschwerdeführers zum erwähnten geringfügigen Beschäftigungsverhältnis an.
5. Mit Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Einstellungsbescheid vom keine Folge. Begründend führte sie dazu folgendes aus:
"(...) Sie stellten am einen Antrag auf Arbeitslosengeld. Laut der vorgelegten Arbeitsbescheinigung vom waren Sie vom bis bei der Vereinigung (...) / A-Verein beschäftigt, als Grund für die Beendigung des Dienstverhältnisses war 'Einverständliche Lösung' angegeben. Im Antragsformular gaben Sie unter Punkt 5 an, nicht in Beschäftigung zu stehen. In der Folge wurde Arbeitslosengeld ab dem für 210 Tage angewiesen. Am stellten Sie einen Antrag auf Notstandshilfe. Im Zuge der Antragsprüfung wurde festgestellt, dass seit dem laufend eine Versicherung aufgrund einer geringfügigen Beschäftigung bei der Vereinigung (...) / A-Verein besteht.
Das Vorliegen einer geringfügigen Beschäftigung bei der Vereinigung (...) / A-Verein haben Sie in der Berufung im wesentlichen selbst bestätigt. Hinsichtlich Ihrer Angaben zum Beginn der Tätigkeit im Mai 2001 wurde Einsicht in die entsprechenden Unterlagen der Wiener Gebietskrankenkasse genommen. Demnach erfolgte mit der Beginn einer geringfügigen Beschäftigung bei der Vereinigung (...) / A-Verein. Die Versicherung erfolgte zur selben Dienstgeberkontonummer wie die Vollversicherung bis , als monatliche Beitragsgrundlage ist ein Betrag von S 4.076-- brutto monatlich angeführt - dies entspricht genau der im Jahr 2001 geltenden Geringfügigkeitsgrenze. Die Versicherung wurde seither nicht mehr geändert, eine Berichtigung der Versicherungszeit wurde nie beantragt und ist auch nicht erfolgt.
Es ist daher entgegen Ihrer Angaben in der Berufung von einem Beginn der geringfügigen Beschäftigung bei der Vereinigung (...) / A-Verein bereits mit auszugehen. Das vollversicherte Dienstverhältnis beim Verein C begann hingegen nach den Versicherungsunterlagen entgegen der Angaben in Ihrer Berufung erst mit .
Nach der Bestimmung des § 12 Abs. 3 lit. i AlVG gilt, wer beim selben Dienstgeber ohne Unterbrechung von mindestens einem Monat eine geringfügige Beschäftigung aufnimmt, nicht als arbeitslos. Diese Bestimmung ist zwingendes Recht, Ausnahmen sind nicht vorgesehen. Da Sie ohne Unterbrechung von der Vollbeschäftigung zur geringfügigen Beschäftigung bei der Vereinigung (...) / A-Verein wechselten, liegt nach den obigen Ausführungen ab dem Arbeitslosigkeit nicht vor. Das Arbeitslosengeld war daher ab Beginn der Zuerkennung mit einzustellen."
Dieser Bescheid blieb vor dem Verwaltungsgerichtshof unbekämpft.
6. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde auch der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom betreffend Widerruf der Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vom 1. April bis und Rückforderung des unberechtigt Empfangenen in der Höhe von EUR 2.266,45 (S 31.187,--) mit im wesentlichen gleich lautender Begründung keine Folge. Betreffend den Widerruf des zuerkannten Arbeitslosengeldes führte die belangte Behörde aus, dass eine Meldung der geringfügigen Beschäftigung an das Arbeitsmarktservice nicht erfolgt sei, diese sei auch weder im Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld noch im Antrag betreffend die Gewährung von Notstandhilfe vorgenommen worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
In seiner Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, er habe bereits in seinen Berufungen vorgebracht, dass er erst ab Mai 2001 bei der "Vereinigung (...)" geringfügig beschäftigt gewesen sei, und legt dazu einen Versicherungsdatenauszug vom vor, aus dem der Versicherungsbeginn mit ersichtlich ist. Betreffend die Rückforderung führt er aus, er habe in seinem Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld die geringfügige Beschäftigung deshalb nicht angegeben, da sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestanden habe. In weiterer Folge sei er davon ausgegangen, dass eine Meldung nicht erforderlich sei, da diese keinerlei Auswirkungen auf den Bezug haben könne.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die belangte Behörde hat mit Bescheid vom den Bescheid vom betreffend die Einstellung des Arbeitslosengeldbezuges ab bestätigt. Ob dieser Bescheid insoweit verfehlt gewesen ist, als nicht mit Einstellung, sondern mit Widerruf des Bezuges hätte vorgegangen werden müssen (vgl. zu dieser Unterscheidung zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/08/0074 mit zahlreichen Hinweisen), kann hier dahingestellt bleiben, weil der Beschwerdeführer den genannten Einstellungsbescheid nicht beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft hat.
Es ist aber in diesem Beschwerdeverfahren die Rechtskraftwirkung des Bescheides vom , vor allem die Reichweite seines Spruchs zu beachten: Normativ bedeutet der von der belangten Behörde bestätigte (und damit der Sache nach aufrechterhaltene), oben wiedergegebene und ohne zeitliche Begrenzung formulierte Spruch des erstinstanzlichen Bescheides vom , dass dem Beschwerdeführer ab das Arbeitslosengeld bis auf weiteres nicht (mehr) gebührt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erstreckt sich die Rechtskraftwirkung eines im Instanzenzug bestätigten, hinsichtlich des Zeitraums "offenen Abspruchs" über zeitraumbezogene Ansprüche (erstens) auf den Zeitraum bis zur Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides (hier also des Berufungsbescheides vom ) sowie (zweitens) auch in die Zukunft bis zu einer Änderung der Sach- und Rechtslage. Tritt eine relevante Änderung der Sach- und Rechtslage schon vor Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides ein, hat dies schon die bescheiderlassende Behörde entsprechend zu berücksichtigen (vgl. zB das Erkenntnis vom , Zl. 93/08/0162 mwH).
Bei Erlassung des unbekämpft gebliebenen Berufungsbescheides über die rückwirkend ab erfolgte "Einstellung" des Arbeitslosengeldes hat nun die belangte Behörde zwar zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass der Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld auf Grund dessen befristeter Zuerkennung schon zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides (umso mehr des Berufungsbescheides vom ) gar nicht mehr bestanden hat, und es daher unterlassen, die verfügte "Einstellung" entsprechend zu befristen. Dies hat aber für die Auslegung dieses rechtskräftigen Bescheides nur zur Folge, dass er, soweit er nach dem Wortlaut seines Spruchs über den Zeitpunkt seiner Erlassung hinaus zu wirken scheint, als ins Leere gegangen und damit nicht weiter relevant zu erachten ist. Im Übrigen stand nach dem Gesagten aber auf Grund der Rechtskraftwirkung des Berufungsbescheides vom schon vor Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides jedenfalls bindend fest, dass dem Beschwerdeführer ein Anspruch auf Arbeitslosengeld ab für den gesamten (potenziellen) Zeitraum dieses Anspruchs, dh. bis , auf Grund der insoweit wirksam verfügten, der Sache nach einem Widerruf gemäß § 24 Abs. 2 AlVG gleich kommenden "Einstellung" des Arbeitslosengeldes nicht (mehr) zugestanden ist.
Auf Grund dieser Bindungswirkung ist auf die in der vorliegenden Beschwerde relevierte Frage nach der richtigen Anwendung des § 24 AlVG im angefochtenen Bescheid nicht mehr einzugehen, sondern nur mehr zu prüfen, ob die belangte Behörde den Beschwerdeführer dadurch in seinen Rechten verletzt hat, dass sie für denselben Zeitraum trotz der verfügten "Einstellung" auch einen Widerrufsbescheid - nämlich den angefochtenen Bescheid - mit demselben normativen Inhalt erlassen hat (2.1.) , sowie ferner, ob die Rückforderung berechtigt ist (2.2.).
2.1. Eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers durch die erneute Feststellung des Nichtgebührens des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 1. April bis - nunmehr in Form eines "Widerrufes" für diesen Zeitraum - ist in der hier zu beurteilenden Fallkonstellation nicht ersichtlich. Dazu wurde auch in der Beschwerde nichts vorgebracht. Insoweit ist daher eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers zu verneinen.
2.2. Auch die Rückforderung des ausgezahlten Arbeitslosengeldes erweist sich aus folgenden Gründen als nicht rechtswidrig:
Der Beschwerdeführer stand sowohl im Zeitpunkt der Antragstellung auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld am , als auch in weiterer Folge in einem (zunächst bis vollversicherungspflichtigen, ab als geringfügig entlohnt versicherten) Beschäftigungsverhältnis. Er hätte daher die einschlägigen, deutlich formulierten Fragen im Antragsformular nach Beschäftigung und Einkommen für jeden von ihm für die Beantwortung als maßgeblich erachteten Zeitpunkt jedenfalls bejahen (und den Sachverhalt entsprechend aufklären bzw. präzisieren) müssen, und zwar auch dann, wenn er die geringfügige Beschäftigung aus welchen Gründen immer als für den Anspruch unschädlich gehalten hätte (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/08/0208). Dies hat der Beschwerdeführer beim Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld, aber auch noch in seinem Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe unterlassen.
Er hat daher im Sinne des § 25 Abs. 1 AlVG durch die wahrheitswidrige Verneinung der erwähnten Fragen maßgebende Tatsachen verschwiegen, weshalb der von der belangten Behörde herangezogene Rückforderungstatbestand dem Grund nach verwirklicht ist. Gegen die Höhe der rückgeforderten Summe wird in der Beschwerde nichts vorgebracht.
3. Die Beschwerde erweist sich daher aus den dargelegten Gründen als insgesamt unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am
Fundstelle(n):
BAAAE-49099