VwGH vom 22.12.1993, 93/13/0177

VwGH vom 22.12.1993, 93/13/0177

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde des Dr. P in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat I, vom , Zl 6/1-1247/92-06, betreffend Einkommensteuer 1990, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erwarb von einer Dentistin deren Praxis mit sämtlichen Geräten und Einrichtungsgegenständen, Werkzeugen und der Patientenkartei sowie mit gesondertem Vertrag die im Wohnungseigentum des Gatten der Dentistin stehenden Ordinationsräumlichkeiten von diesem.

In seiner Einkommensteuererklärung für 1990 erklärte der Beschwerdeführer negative Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von S 312.405,--. Darin (verlusterhöhend) enthalten ist eine Dotierung für Investitionsfreibeträge in Höhe von S 269.726,-- unter anderem für die angeführten Ordinationsräumlichkeiten. Für die oben angeführten Geräte und Einrichtungsgegenstände wurde ein Investitionsfreibetrag nicht geltend gemacht.

Im Einkommensteuerbescheid für 1990 bezifferte das Finanzamt ausgehend von Einkünften aus selbständiger Arbeit in Höhe von S 183.390,-- und unter Berücksichtigung nicht ausgleichsfähiger Verluste in Höhe von S 140.711,-- den Gesamtbetrag der Einkünfte mit S 42.679,--, und setzte das Einkommen mit 0 und eine Einkommensteuer gemäß § 33 EStG 1988 ebenfalls mit 0 fest.

In einer gesonderten Begründung zu diesem Bescheid wurde ausgeführt, daß der Investitionsfreibetrag für die erworbene Eigentumswohnung nicht zulässig sei, weil auch deren Ankauf zum Erwerb des Betriebes zähle.

Gegen den Einkommensteuerbescheid für 1990 erhob der Beschwerdeführer Berufung und beantragte, "den Investitionsfreibetrag für den Ankauf der Eigentumswohnung zu belassen", weil der Beschwerdeführer vom Ehegatten der Dentistin keinen Betrieb erworben hätte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen, wobei zur Begründung dargelegt wurde, daß der mit gesondertem Kaufvertrag getätigte Erwerb der Eigentumswohnung - in der unbestrittenermaßen auch die Ordinationsräumlichkeiten der Vorgängerin des Beschwerdeführers untergebracht gewesen seien - nicht getrennt vom übrigen Betriebserwerb zu sehen sei. In wirtschaftlicher Betrachtungsweise ergebe sich, daß die Ordinationsräumlichkeiten und die Einrichtung samt Patientenkartei dem Beschwerdeführer in einem einheitlichen Vorgang übertragen worden seien und demzufolge ein bloßer Unternehmerwechsel vorliege.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf Inanspruchnahme der steuerlichen Investitionsbegünstigung des Investitionsfreibetrages verletzt und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, worin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs 5 EStG 1988 darf ein Investitionsfreibetrag im Sinn des § 10 Abs 1 leg cit unter anderem nicht geltend gemacht werden bei Erwerb eines Betriebes oder Teilbetriebes.

Unbestritten ist, daß der Erwerb der Praxis der Dentistin mit sämtlichen Geräten und Einrichtungsgegenständen, Werkzeugen und der Patientenkartei einen solchen eines Betriebes darstellt. Fest steht weiters, daß die Ordinationsräumlichkeiten, welche von der Dentistin gemietet waren, im Wohnungseigentum ihres Gatten standen und mit gesondertem Kaufvertrag von diesem erworben wurden.

Zu klären ist daher die Frage, ob die Ordinationsräumlichkeiten in einem einheitlichen Vorgang oder nur anläßlich eines Betriebserwerbes von einem mit der Betriebsveräußerung nicht im Zusammenhang stehenden Dritten erworben wurden.

Die belangte Behörde behandelt den Erwerb des Wirtschaftsgutes "Ordinationsräumlichkeiten" als einen zum Betriebserwerb gehörenden Erwerbsvorgang, weil entscheidend die tatsächliche Einräumung des "Verfügungsrechtes in einer Weise, die es ermöglicht den Betrieb im wesentlichen unverändert weiterzuführen", sei. Dieser Ansicht könnte jedoch nur gefolgt werden, wenn der wirtschaftliche Gehalt des Erwerbes lediglich im Erwerb eines derartigen Verfügungsrechtes läge. Dem Beschwerdeführer wurden jedoch durch den Kaufvertrag mit dem Gatten der Dentistin wesentlich umfassendere Rechte, nämlich alle mit dem Eigentum verbundenen Rechte, eingeräumt. Der wirtschaftliche Gehalt des Erwerbes geht daher über ein bloßes Nutzungsrecht weit hinaus.

Auch ein Mietrecht wurde dem Beschwerdeführer (anders als bei dem Sachverhalt, wie er dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom , 82/13/0091, zugrundelag) weder von der Verkäuferin des Betriebes im Rahmen dieser Veräußerung mitübertragen noch von deren Gatten eingeräumt, sodaß die Ausführungen in der Gegenschrift, es stehe fest, daß das "dem Betriebsveräußerer zugestandene Mietrecht an den Räumlichkeiten im abgabenrechtlichen Sinn ein immaterielles betriebliches Wirtschaftsgut darstellte und zu den wesentlichen Grundlagen des bisherigen Betriebes gehörte", an der Sache vorbeigehen.

Feststeht demgegenüber, daß im Beschwerdefall weder (nur) ein Nutzungsrecht noch (nur) ein Mietrecht übertragen wurde, sondern ein - darüber hinausgehendes - Eigentumsrecht. Für diesen Fall könnte - in wirtschaftlicher Betrachtungweise - ein einheitlicher Vorgang hinsichtlich des "Betriebserwerbes" nur angenommen und der Umstand, daß der Kaufvertrag mit dem Gatten der Verkäuferin des Betriebes abgeschlossen wurde, nur vernachlässigt werden, wenn die Verkäuferin der Dentistenpraxis als wirtschaftliche Eigentümerin der Ordinationsräumlichkeiten anzusehen gewesen wäre. Feststellungen, welche die Annahme wirtschaftlichen Eigentums der Dentistin hinsichtlich der Ordinationsräumlichkeiten rechtfertigten, hat die belangte Behörde jedoch nicht getroffen. Im übrigen blieben die ausdrücklichen Ausführungen in der Beschwerde, hinsichtlich der Ordinationsräumlichkeiten wäre wirtschaftliches Eigentum der Dentistin im Sinn des § 24 BAO nicht vorgelegen, in der Gegenschrift der belangten Behörde unerwidert.

Der belangten Behörde kann daher nicht gefolgt werden, wenn sie im Erwerb der Praxis der Dentistin und im Erwerb der Ordinationsräumlichkeiten rechtlich einen einheitlichen Vorgang gesehen hat. Vielmehr wurden vom Beschwerdeführer anläßlich der Betriebsveräußerung in einem weiteren Erwerbsvorgang Rechte erworben, die der Verkäuferin des Betriebes in keinem Zeitpunkt zustanden.

Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991. Das Mehrbegehren an Stempelgebühren war abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war.