VwGH vom 04.08.2004, 2002/08/0218

VwGH vom 04.08.2004, 2002/08/0218

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der A GmbH in W, vertreten durch DDr. Wolfgang Doppelbauer, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Eisenhowerstraße 26, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. SV(SanR)-410943/2-2002-Bit/Ws, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4021 Linz, Gruberstraße 77), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin verpflichtet, allgemeine Beiträge in der Höhe von EUR 28.637,94 zu entrichten. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, es sei von folgendem unstrittigen Sachverhalt auszugehen:

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe anlässlich einer Beitragsprüfung bei der Beschwerdeführerin festgestellt, dass für die im Jahr 1998 laut Lohnkonto an die Dienstnehmer mit aufrechtem Dienstverhältnis ausbezahlten Pensionsabfindungen keine Sozialversicherungsbeiträge abgerechnet worden seien. Die Abfindungen seien auf Grund einer betrieblichen Pensionsordnung gewährt worden. Die betriebliche Pensionsordnung habe eine Alterszuschussrente an die Dienstnehmer vorgesehen. Nach dieser Pensionszusage habe das Unternehmen eine nach allgemeinen Billigkeitsgründen festgelegte Kürzung vornehmen können, wenn in der wirtschaftlichen Leistungskraft des Unternehmens Veränderungen aufträten, die eine künftige Erfüllung der Pensionszusage nicht mehr zumutbar erscheinen ließen. Im Jahr 1998 sei die Pensionszusage gemäß dieser Bestimmung zurückgenommen und den Pensionsanwärtern eine einmalige Abfindung in Höhe von 20 v.H. des auf Basis des versicherungsmathematischen Gutachtens ermittelten Barwertes ausbezahlt worden. Die Auszahlung sei bis längstens vorgenommen worden. Mit dieser einmaligen Abfindung seien alle Ansprüche der Dienstnehmer aus der Pensionszusage einschließlich der Invaliden-, Witwen- und Waisenzuschussrente abgegolten worden.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe diese Pensionsabfindung bei aufrechtem Dienstverhältnis als beitragspflichtiges Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG behandelt. Sie habe im Monat der Auszahlung die Pensionsabfindung als laufenden Bezug behandelt und bis zur Höhe der Höchstbeitragsgrundlage allgemeine Beiträge verrechnet. Die Beschwerdeführerin habe sich im Einspruch gegen die Behandlung der Pensionsabfindung als Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG ausgesprochen. Sie meine, es handle sich um Aufwendungen des Dienstgebers für die Zukunftssicherung seiner Dienstnehmer im Sinne des § 49 Abs. 3 Z. 18 lit. a ASVG. Eine Beitragsvorschreibung für die Pensionsabfindung sei daher rechtswidrig.

In rechtlicher Hinsicht hat die belangte Behörde ausgeführt, § 49 Abs. 1 ASVG definiere den Begriff des Entgeltes. Abs. 3 dieser Bestimmung zähle taxativ jene Vergütungen auf, die nicht als Entgelt im Sinne des Abs. 1 gelten. Nach der von der Beschwerdeführerin angesprochenen Z. 18 lit. a des § 49 Abs. 3 ASVG seien Aufwendungen des Dienstgebers für die Zukunftssicherung seiner Dienstnehmer, soweit diese Aufwendungen für alle Dienstnehmer oder bestimmte Gruppen seiner Dienstnehmer getätigt werden oder dem Betriebsratsfonds zufließen und für den einzelnen Dienstnehmer EUR 300,-- nicht übersteigen, nicht als Entgelt zu werten. Nach der Rechtsprechung seien unter solchen Aufwendungen Ausgaben des Dienstgebers zu verstehen, die dazu dienen, Arbeitnehmer oder diesen nahe stehende Personen für den Fall der Krankheit, der Invalidität, des Alters oder des Todes sicherzustellen. Im Beschwerdefall sei davon auszugehen, dass die ursprünglich unter Zukunftssicherung subsumierbare Firmenpension auf Grund der Veränderung der Betriebsstruktur diesen ursprünglichen Zweck nicht mehr erfülle. Die Beschwerdeführerin habe durch die Zurücknahme ihrer Pensionszusage nicht die Möglichkeit eröffnet, den ausbezahlten Betrag in eine Pensionskasse zu zahlen, sondern "den Vorteil herausgestellt", dass die Dienstnehmer über den Betrag in geeigneter Weise, also völlig frei und ohne Zielsetzung in Richtung Zukunftssicherung, verfügen könnten. Es sei ohne Belang, ob die Beträge "nach einem versicherungsmathematisch berechneten Wert" oder generell pauschaliert abgegolten worden seien. Die Abfindungsbeträge, die die Zusage einer Alterszuschussrente auf Grund der Pensionsordnung ablösen, können nicht als "getätigte Aufwendungen für die Zukunftssicherung" gewertet werden. Die von der Beschwerdeführerin angesprochene Ausnahmebestimmung des § 49 Abs. 3 Z. 18 lit. a ASVG komme daher nicht zum Tragen. Die Abfindungsbeträge fielen daher unter den Entgeltbegriff des § 49 Abs. 1 ASVG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht geltend, es sei unstrittig, dass die zugesagte Firmenpension ursprünglich eine Maßnahme der Zukunftssicherung dargestellt habe. Nichts anderes könne jedoch für ihre Ablöse gelten. Es könne keine Rede davon sein, dass die Firmenpension ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr erfülle. Zwecks Befreiung von einer dauernden Belastung der Beschwerdeführerin sei der Ausweg einer einmaligen Zahlung aus dem Titel Pensionsvorsorge gewählt worden. Das Wesen der Zahlung sei daher unverändert geblieben. Es komme nur auf die vertragliche Zweckwidmung, nämlich den Zahlungsgrund Pensionszusage an. Die Verwendung durch den Begünstigten sei nicht von Bedeutung. Die belangte Behörde hätte die einkommensteuerrechtliche Behandlung der fraglichen Pensionsabfindung durch das Finanzamt beachten müssen. Einkommensteuerrechtlich sei der Sockelbetrag von seinerzeit jährlich S 4.000,-- als einkommensteuerfrei betrachtet worden. Dass die Zahlung schon während des aufrechten Dienstverhältnisses erfolgt sei, sei unerheblich. Die Abschlagszahlung stehe nämlich mit der erwarteten späteren Auflösung des Dienstverhältnisses in einem ursächlichen Zusammenhang. Durch die versicherungsmathematische Bezugnahme auf den voraussichtlichen Anfallszeitpunkt sei der ursächliche Zusammenhang mit der Auflösung des Dienstverhältnisses und der nachfolgenden Pension nachdrücklich und eindeutig gewahrt geblieben. In der Abfindung sei eine einmalige Abgeltung des künftigen Pensionsanspruches zu sehen, welche aus betriebswirtschaftlichen Gründen zwar noch während des aufrechten Dienstverhältnisses flüssig gemacht worden sei. Es handle sich jedoch um einen Bezug, der mit der Auflösung des Dienstverhältnisses in einem ursächlichen Zusammenhang stehe und aus diesem Grund anfalle. Es werde zwar regelmäßig gefordert, dass Aufwendungen gemäß § 49 Abs. 3 Z. 18 lit. a ASVG nur bei Bezahlung einer Prämie an ein Versicherungsunternehmen, eine sonstige Versorgungseinrichtung oder Kasse mit eigener Rechtspersönlichkeit vorliegen. Die vorliegende Abfindungszahlung sei jedoch als Ausnahme von dieser Regel anzusehen. Bei der Abfindung handle es sich lediglich um eine vorgezogene Zahlung.

Gemäß § 44 Abs. 1 erster Satz ASVG - in der für das Streitjahr geltenden Fassung - ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (allgemeine Beitragsgrundlage) für Pflichtversicherte, sofern im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, der im Beitragszeitraum gebührende, auf volle Schilling gerundete Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2. Als Arbeitsverdienst in diesem Sinn gilt nach der Z. 1 des zweiten Satzes des § 44 Abs. 1 leg. cit. bei den pflichtversicherten Dienstnehmern das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6. Unter dem Entgelt pflichtversicherter Dienstnehmer sind nach § 49 Abs. 1 ASVG die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält. Nach § 49 Abs. 2 ASVG sind Sonderzahlungen, das sind Bezüge im Sinne des Abs. 1, die in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen gewährt werden, wie z. B. ein 13. oder 14. Monatsbezug, Weihnachts- oder Urlaubsgeld, Gewinnanteile oder Bilanzgeld, als Entgelt nur nach Maßgabe der Bestimmungen des § 54 und der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, in denen die Sonderzahlungen ausdrücklich erfasst werden, zu berücksichtigen.

§ 49 Abs. 3 leg. cit. enthält eine taxative Aufzählung jener Geld- und Sachbezüge, die nicht als Entgelt im Sinne der Abs. 1 und 2 leg. cit. gelten, d.h. die an sich die Merkmale der in den Abs. 1 und 2 angeführten Art aufweisen, jedoch kraft dieser besonderen gesetzlichen Vorschrift im § 49 Abs. 3 leg. cit. von der Bewertung als beitragspflichtiges Entgelt ausgenommen sind. Der Anwendungsbereich des durch § 49 Abs. 3 ASVG normierten Ausnahmekatalogs erstreckt sich somit auf solche Bezüge, die "an sich" Entgelt im Sinne des Abs. 1 und 2 ASVG sind (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse in der Gegenschrift erwähnte hg. Erkenntnis vom , 92/08/0254).

Bevor somit auf die von der Beschwerdeführerin ausschließlich erörterte Frage eingegangen werden kann, ob die strittigen Bezüge dem Ausnahmetatbestand des § 49 Abs. 3 Z. 18 lit. a ASVG zuzuordnen sind, ist zu untersuchen, ob es sich bei den Bezügen um Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 und 2 ASVG handelt.

Nach den im Beschwerdeverfahren nicht strittigen Sachverhaltsannahmen des angefochtenen Bescheides handelt es sich bei den strittigen Bezügen um "Pensionsabfindungen", die Dienstnehmer der Beschwerdeführerin für den Verzicht auf ihre Anwartschaftsrechte auf den Bezug von Betriebspensionen erhalten hatten. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit eben dieser Frage in seinem Erkenntnis vom , 90/08/0189, befasst. Er hat unter Hinweis auf die herrschende Lehre und Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Arbeitsrechtssachen ausgesprochen, es sei im Allgemeinen davon auszugehen, dass Leistungen aus einer betrieblichen Pensionszusage wenigstens überwiegend Entgeltcharakter zukomme. Auch wenn die Betriebspension erst nach längerer Dauer des Arbeitsverhältnisses anfalle, werde sie dem Arbeitnehmer wegen seiner Arbeitsleistung versprochen und beruhe auf dem Arbeitsvertrag. Sie sei gewissermaßen ein aufgespartes, "thesauriertes" Entgelt, das sich der einzelne Arbeitnehmer durch seine Tätigkeit und Loyalität gegenüber dem Betrieb verdiene. Ausgehend von dem Grundgedanken, dass die Leistung einer Betriebspension "aufgespartes Entgelt" darstelle, sei auch bei jener Zahlung, die die Gegenleistung des Dienstgebers für den Verzicht des Dienstnehmers auf die erworbenen Anwartschaftsrechte darstelle, der kausale Zusammenhang zwischen Arbeitsleistung und Gegenleistung des Dienstgebers zu bejahen, weil die in Rede stehende Leistung an die Stelle der aufschiebend bedingt zugesagten Entgeltansprüche trete. Auf solche Bezüge treffen somit die in § 49 Abs. 1 ASVG normierten Merkmale zu. Es handle sich auch nicht um Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2 ASVG.

Der Verwaltungsgerichtshof hält an dieser Rechtsansicht fest. Die Ausführungen in der Beschwerde geben keinen Anlass, davon abzurücken. Es ist im Sinne des Beschwerdevorbringens lediglich zu untersuchen, ob der angesprochene Ausnahmetatbestand des § 49 Abs. 3 Z. 18 lit. a ASVG erfüllt ist. Unter Aufwendungen für die Zukunftssicherung im Sinne dieser Gesetzesbestimmung sind Ausgaben des Arbeitgebers zu verstehen, die dazu dienen, Arbeitnehmer oder diesen nahe stehende Personen für den Fall der Krankheit, der Invalidität, des Alters oder des Todes des Arbeitnehmers sicherzustellen, und die der Arbeitgeber für die Gesamtheit oder eine Mehrzahl von Arbeitnehmern aufwendet. Die Ausgaben des Dienstgebers müssen ihrem Wesen nach auf die Sicherstellung der Dienstnehmer oder diesen nahe stehenden Personen für die erwähnten zukünftigen Ereignisse abzielen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2001/08/0028). Wenn die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin ihren Dienstnehmern bei aufrechtem Dienstverhältnis einen einmaligen Betrag bezahlt, kann darin keine Maßnahme der Zukunftssicherung im Sinne des § 49 Abs. 3 Z. 18 lit. a ASVG erblickt werden, auch wenn damit die Absicht verfolgt wird, zur Pensionsvorsorge der Dienstnehmer beizutragen. Vielmehr handelt es sich bei dieser zur freien Verfügung der Dienstnehmer geleisteten Zahlung um laufendes Entgelt. Bei Aufwendungen des Dienstgebers für die Zukunftssicherung der Dienstnehmer im Sinne des § 49 Abs. 3 Z. 18a ASVG handelt es sich nicht nur um zweckbestimmte, sondern um zweckgebundene Leistungen des Dienstgebers.

Dass solche Pensionsabfindungen nicht die Voraussetzungen der Ausnahmetatbestände des § 49 Abs. 3 Z. 7 (Vergütungen aus Anlass der Beendigung des Dienstverhältnisses) und der Z 11 (freiwillige soziale Zuwendungen des Dienstgebers) ASVG erfüllen, hat der Verwaltungsgerichtshof im oben zitierten Erkenntnis vom , 90/08/0189, ausgesprochen. Auf die nähere Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Da somit keiner der im § 49 Abs. 3 ASVG normierten Ausnahmetatbestände zutrifft, hat die belangte Behörde der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse folgend die Pensionsabfindung entsprechend dem § 44 ASVG zutreffend der jeweiligen allgemeinen Beitragsgrundlage des Kalendermonates zugeordnet, in dem der Betrag zur Auszahlung gelangt ist.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am