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VwGH vom 17.11.2004, 2002/08/0211

VwGH vom 17.11.2004, 2002/08/0211

Beachte

Serie führend:2002/09/0212 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Dipl. Ing. Hannes H in V, vertreten durch Dr. Hermann Rieder, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Stiftgasse 23, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom , Zl. 221.385/1-6/02, betreffend Selbstversicherung gemäß § 19a ASVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Tiroler Gebietskrankenkasse, 6021 Innsbruck, Klara-Pölt-Weg 2, 2. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter Straße 65, 3. Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 4. Arbeitsmarktservice Tirol, 6010 Innsbruck, Schöpfstraße 5, und 5. Irmgard H in V), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) den Aufwand in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse stellte mit einem mit (offensichtlich unrichtig) datierten Bescheid (zugestellt am ) fest, dass die ab dem ausgeübte Beschäftigung des Beschwerdeführers bei seiner Ehefrau, der fünftmitbeteiligten Partei, als Verwalter nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege und "eine Selbstversicherung gem. § 19a ASVG daher nicht möglich ist".

Die Ehefrau des Beschwerdeführers hat am vor der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Folgendes angegeben:

"Ich bin Betriebsführerin einer Landwirtschaft in K (seit Dezember 1996). Die Landwirtschaft ist seit 1996 verpachtet. Mit stellte ich meinen Mann DI H. für alle Angelegenheiten, welche die Landwirtschaft betreffen, ein. Er verrichtet folgende Arbeiten. Einmal jährlich Pachtverträge aushandeln, Holzverträge ausfertigen, Abwicklung der Grundangelegenheiten mit der Gemeinde, Grund- und Waldbegehungen. Vor der Anmeldung am verrichtete diese Arbeiten seit 1996 immer mein Mann. Aus diesem Grund stellte ich ihn jetzt ein. Er kann sich die Arbeitszeit frei einteilen, diverse Termine werden auch von der Gemeinde K vorgegeben. Bezüglich der Arbeitszeit kann ich keine Angaben machen. Diese ist sehr unterschiedlich, Stundenaufzeichnungen führen wir keine. Den vereinbarten Monatslohn von S 2.000,-- erhält mein Mann bar ausbezahlt. Den Erhalt des Geldes muss er nicht bestätigten. Vor der Anmeldung am arbeitete mein Mann für mich unentgeltlich. Wenn mein Mann diese Arbeiten nicht verrichten würde, müsste ich einen anderen Dienstnehmer geringfügig beschäftigen."

Die Gebietskrankenkasse führte begründend aus, der Beschwerdeführer, der die Arbeiten für seine Ehefrau bereits seit 1996 verrichtet habe, sei mit zur gesetzlichen Sozialversicherung angemeldet worden. Die familienhafte Mitarbeit des Ehemanns stelle den Normalfall, die Begründung eines Dienstverhältnisses zwischen den Ehepartnern den Ausnahmefall dar. Der Beschwerdeführer habe sich seine Arbeitszeit frei einteilen können. Eine persönliche Abhängigkeit vom Dienstgeber liege nicht vor. Es sei daher auch für den Zeitraum ab der Anmeldung zur Sozialversicherung von einer familienhaften Mitarbeit auszugehen. Sowohl die Versicherungspflicht als auch der Antrag zur Selbstversicherung gemäß § 19a ASVG seien daher abzulehnen.

Den dagegen erhobenen Einspruch hat der Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen. Ein Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau sei nicht zu Stande gekommen. Der Beschwerdeführer sei nicht an eine bestimmte Dienst- bzw. Bürozeit gebunden gewesen. Die flexible Zeiteinteilung sei eine Bedingung für die Übernahme der Verwaltertätigkeit gewesen. Angesichts der behaupteten vereinbarten Arbeitsleistung von zehn Stunden an fünf Tagen in der Woche könne nicht davon gesprochen werden, dass die Bestimmungsfreiheit des Beschwerdeführers durch seine Beschäftigung als Verwalter für seine Ehefrau weitgehend ausgeschaltet gewesen wäre. Persönliche Abhängigkeit liege nicht vor. Das jährlich einmal stattfindende Aushandeln von Pachtverträgen, die Ausfertigung von Holzverträgen und die Abwicklung von Grundangelegenheiten mit der Gemeinde sowie die Grund- und Waldbegehungen könnten zumindest zum überwiegenden Teil durch Vereinbarungen mit dem Pächter bzw. der Gemeinde so angesetzt werden, dass die Bestimmungsfreiheit des Beschwerdeführers nicht ausgeschaltet werde. Die Wahrung bestimmter Termine sei nicht Ausfluss des Arbeitsvertrages, sondern ergebe sich ausschließlich aus der Natur der Verwaltertätigkeit. Die Behauptung einer täglichen Arbeitszeit von zwei Stunden an fünf Tagen wöchentlich erweise sich als untauglicher Versuch, eine nicht gegebene Abhängigkeit zu konstruieren, um eine Sozialversicherungspflicht zu bewirken. Sollten überhaupt Tätigkeiten in diesem zeitlichen Ausmaß anfallen, könne darin allenfalls die Angabe eines Durchschnittswertes der Beschäftigung erblickt werden, nicht jedoch eine Bindung an eine Dienstvorschrift oder Weisung einer Dienstgeberin. Eine solche Bindung sei erst nachträglich behauptet worden und stehe im Widerspruch zu anderem Vorbringen über die Bedingung, die Zeit flexibel einteilen zu können. Gerade bei der räumlichen Trennung zwischen dem Wohnort des Beschwerdeführers in I und der von ihm zu verwaltenden Landwirtschaft in K, Bezirk K, erscheine eine regelmäßige Arbeitszeit von zwei Stunden an je fünf Tagen wöchentlich völlig lebensfremd. Der Beschwerdeführer sei mit Sicherheit bestrebt, jene Tätigkeiten, die seine Anwesenheit an Ort und Stelle erfordern würden, zusammenzufassen. Die übrigen Tätigkeiten würden zum Großteil Schreibtischtätigkeiten darstellen, die allenfalls termingebunden seien, aber nicht ein Tätigwerden zu einer bestimmten Zeit und schon gar nicht an jeweils zwei Stunden pro Tag erfordern würden. Wenn die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon ausgehe, dass in der Regel das geleistete Entgelt für die Mithilfe zwischen Ehegatten als Art Gewinnbeteiligung und nicht als Lohn anzusehen sei, so treffe dies im hier zu beurteilenden Fall, in dem ursprünglich gar kein Stundenausmaß habe angegeben werden können, kein (schriftlicher) Arbeitsvertrag sowie kein Dienstzettel und keine Stundenaufzeichnungen vorliegen würden, sicher das Wesen des geleisteten Entgeltes weit besser als die Bezeichnung Lohn oder Gehalt.

Da nicht von einer Entgeltlichkeit des Beschäftigungsverhältnisses gesprochen werden könne und da die fünfmitbeteiligte Partei als Auftraggeberin eine Privatperson sei, erübrige sich auch die Prüfung, ob die Dienstleistung allenfalls im Rahmen eines freien Dienstvertrages erbracht worden sei.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen. Die fünfmitbeteiligte Partei habe ihren Ehemann, den Beschwerdeführer, mit als geringfügig Beschäftigten zur gesetzlichen Sozialversicherung angemeldet. Die Behauptung, die Arbeitszeit betrage zehn Stunden pro Woche, stehe im Widerspruch zu den Angaben, die die fünfmitbeteiligte Partei zuvor bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse getätigt habe und die auch der Beschwerdeführer bestätigt habe. Eine solche regelmäßige Arbeitszeit erscheine völlig lebensfremd. 1999 sei die Ehefrau des Beschwerdeführers schwer erkrankt. Sie habe die anfallenden Verwaltungsaufgaben nicht mehr allein bewältigen können. Der Beschwerdeführer habe jährlich Pachtverträge ausgehandelt, Holzverträge ausgefertigt, Grundangelegenheiten mit der Gemeinde abgewickelt und Grund- sowie Waldbegehungen vorgenommen. Vor dem habe der Beschwerdeführer diese Arbeiten für seine Frau unentgeltlich verrichtet. Den Unterinstanzen sei beizupflichten, dass es nie zu einem sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis gemäß § 4 Abs. 2 ASVG gekommen sei, zumal die flexible Zeiteinteilung sogar Bedingung für die Übernahme der Verwaltertätigkeit geworden sei. Nach § 90 ABGB treffe den Beschwerdeführer die Pflicht, seiner Ehefrau Beistand zu leisten. Dazu gehöre auch die berufliche Mithilfe, soweit sie nach den Lebensverhältnissen der Ehepartner üblich ist. Den Beschwerdeführer treffe diese Beistandspflicht um so mehr, als seine Frau die Verwaltungstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen nicht selbst durchführen könne. Die Tätigkeiten seien dem Beschwerdeführer auch zumutbar. Verwaltungsaufgaben würden nach allgemeiner Lebenserfahrung keine große Belastung darstellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen. Die mitbeteilige Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt. Die anderen mitbeteiligten Parteien haben sich an dem Verfahren nicht beteiligt bzw. auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Ob bei Erfüllung einer übernommenen Arbeitspflicht die Merkmale persönlicher Abhängigkeit einer Person vom Empfänger der Arbeit gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen, hängt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen einer Beschäftigung (zum Beispiel auf Grund eines freien Dienstvertrages) - nur beschränkt ist. Unterscheidungskräftige Kriterien dieser Abgrenzung sind nur die Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzlich) persönliche Arbeitspflicht, während das Fehlen anderer (im Regelfall freilich auch vorliegender) Umstände (wie zum Beispiel die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Empfängers der Arbeit) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/08/0174, mwN).

Grundsätzlich kann auch zwischen Ehepartnern ein Beschäftigungsverhältnis bestehen. In Anbetracht ihrer Pflicht zum wechselseitigen materiellen Beistand iSd § 90 zweiter Satz ABGB, idF BGBl. Nr. 412/1975, hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass auch im wirtschaftlichen Bereich die Unterstützung eines Ehepartners durch den anderen die Regel und die Begründung eines Dienst- bzw. Beschäftigungsverhältnisses zwischen ihnen eher als Ausnahmefall angesehen werden muss. Im Zweifel ist von einer unentgeltlichen Beschäftigung als Ausfluss einer familienrechtlichen Verpflichtung auszugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/08/0134).

Es kann dahingestellt bleiben, ob die (entgeltlichen) Tätigkeiten des Beschwerdeführers zur Erfüllung seiner Beistandspflichten iSd § 90 ABGB zählen oder nicht, weil schon das Vorliegen einer persönlichen Abhängigkeit von seiner Ehefrau als Auftraggeberin zu verneinen ist. Der Beschwerdeführer hat - ohne von seiner Frau diesbezügliche Weisungen zu benötigen oder zu erhalten oder gar einer Kontrolle zu unterliegen - einmal jährlich Pachtverträge ausgehandelt, Holzverträge ausgefertigt, Grundangelegenheiten mit der Gemeinde abgewickelt sowie Grund- und Waldbegehungen vorgenommen. Vor dem (seit 1996) hat er diese Arbeiten unentgeltlich verrichtet. Der Beschwerdeführer konnte sich die dafür erforderliche Arbeitszeit frei einteilen. Es bestehen damit keine Anhaltspunkte für das Vorliegen der genannten Kriterien, die für eine persönliche Abhängigkeit des Beschwerdeführers sprechen würden.

Das Vorliegen von Weisungsrechten hinsichtlich Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenem Verhalten ist im Verwaltungsverfahren nicht behauptet worden. Die Beschwerde erschöpft sich im Vorbringen, dass keine Mitwirkungspflicht nach § 90 ABGB bestanden habe und "dass zwischen der Tätigkeit des Beschwerdeführers und einem Familienfremden kein Unterschied besteht". Darauf kommt es nach dem Gesagten aber nicht an.

Der Beschwerdeführer war nicht Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG. Auch eine Pflichtversicherung als freier Dienstnehmer nach § 4 Abs. 4 ASVG kommt nicht in Betracht, da er nicht für "einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes, seiner Gewerbeberechtigung, seiner berufsrechtlichen Befugnis (Unternehmen, Betrieb usw.) oder seines statutenmäßigen Wirkungsbereiches (Vereinsziel usw.), mit Ausnahme der bäuerlichen Nachbarschaftshilfe" (§ 4 Abs. 4 Z. 1 ASVG) tätig war, sondern von seiner Ehefrau als Privatperson beauftragt worden ist (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen des Bescheides des Landeshauptmannes von Tirol, die vom Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde bekämpft worden sind).

Die Voraussetzungen für eine Selbstversicherung gemäß § 19a Abs. 1 ASVG liegen nicht vor. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am