VwGH vom 20.11.2002, 2002/08/0208
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. Friedrich Flendrovsky, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Garnisongasse 22/5, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2002-8057, betreffend Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom sprach das Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste Wien für die Bezirke 14. bis 16. gemäß § 38 in Verbindung mit § 24 Abs. 2 AlVG gegenüber dem Beschwerdeführer aus, dass der Bezug der Notstandshilfe für die Zeiträume vom bis und vom bis widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und der Beschwerdeführer gemäß § 38 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in Höhe des Betrages von EUR 2.449,59 verpflichtet werde. Nach der Begründung dieses Bescheides habe der Beschwerdeführer die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für die erwähnten Zeiträume zu Unrecht bezogen, da er Unfallrente beziehe. Er hätte erkennen müssen, dass ihm "diese Erhöhung" nicht zustehe.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung, worin er darauf hinwies, dass ein Unfallrentenbezug immer aktenkundig gewesen sei. Er sei daher der Meinung gewesen, dass ihm "diese Leistungen" (gemeint: Notstandshilfe ohne Anrechnung der Unfallrente) auch zustünden. Da ihm die Unfallrente schon jahrelang zustehe, sei er der Meinung gewesen, dass die Zuerkennung der Leistungen auf der Grundlage der Unfallrente erfolgt sei. Er fechte den Bescheid daher insoweit an, als die Rückzahlung eines Betrages von EUR 2.449,59 verfügt worden sei.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid nach Zitierung der angewendeten Rechtsvorschriften und der Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens; die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid damit, dass der Beschwerdeführer lediglich in seinem ersten Leistungsantrag im Februar 1998 "ein eigenes Einkommen" angeführt habe. In allen weiteren Leistungsanträgen ab Dezember 1998 habe er unter Punkt 8 im Antragsformular zum eigenen Einkommen immer "Nein" angegeben. Als eigenes Einkommen sei dazu (gemeint: im erwähnten Formular) beispielhaft ausdrücklich ein Rentenbetrag angeführt. Im Hinblick auf die diesbezügliche Angabe im ersten Antrag sei davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer die Bedeutung eines eigenen Einkommens nicht völlig fremd gewesen sei. Es sei richtig, dass der Bezug der Unfallrente dem Arbeitsmarktservice grundsätzlich "vorerst bekannt" gewesen und die Unfallrente auch bis Dezember 2000 auf die Notstandshilfe angerechnet worden sei. Auf Grund der Angabe im Antrag vom (insbesondere über die Ehescheidung und kein vorhandenes eigenes Einkommen) sei irrtümlich davon ausgegangen worden, dass eine Einkommensanrechnung nicht mehr zu erfolgen habe. Nach Auffassung der belangten Behörde hätte dem Beschwerdeführer die Erhöhung der Auszahlungen von zunächst S 3.000,-- (ab April S 1.600,-- monatlich) auffallen müssen. Er habe erkennen können, dass ihm die Notstandshilfe (als Bevorschussung einer Leistung aus der Pensionsversicherung) in dieser Höhe nicht habe zustehen können. Die unberechtigt erhaltenen Leistungen seien daher zurückzufordern gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gegenstand des angefochtenen Bescheides und daher auch des Beschwerdeverfahrens ist die Rückforderung des entstandenen Überbezuges.
Die belangte Behörde hat auf Grund der Aktenlage zutreffend festgestellt, dass der Beschwerdeführer in seinem Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld als Pensionsvorschuss am durch Ankreuzen der Antwort "Ja" bei Frage 8 ("Ich habe ein eigenes Einkommen. Wenn ja, welcher Art?") und durch Leistung seiner Unterschrift unter das Antragsformular (das Antragsformular wurde in diesem Punkt - abgesehen vom Kreuz - im Übrigen offenkundig vom Sachbearbeiter des AMS ausgefüllt) angegeben hat, eine Unfallrente von der AUVA zu beziehen. Diese Frage ist in dem Formular mit folgenden Beispielen erläutert:
"(zB. Pensionen, Renten, Unterhaltsleistungen, Einkommen aus geringfügiger, selbständiger oder freiberuflicher Tätigkeit, Vermietung oder Hausbesorgertätigkeit)".
Auch trifft es nach der Aktenlage zu, dass aus Anlass weiterer Anträge des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Notstandshilfe als Pensionsvorschuss (vom , vom , vom , vom und vom ) die Frage 8 des Antragsformulars stets durch entsprechendes Ankreuzen mit "Nein" beantwortet wurde. Hingegen findet sich im Antragsformular vom bei Frage 8 einerseits das "Nein" angekreuzt, andererseits ein Vermerk des Sachbearbeiters "lt. HVB seit lt. Beleg ab S 7.781,80 (EUR 565,53)". Aus einer mit datierten Rentenbestätigung der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt ergibt sich die Höhe der vom Beschwerdeführer bezogenen Unfallrente seit . Aktenkundig - und unbestritten - ist ferner, dass die Unfallrente - ungeachtet der unrichtigen Angaben des Beschwerdeführers in den Antragsformularen - tatsächlich bis zur Hälfte auf die Notstandshilfe angerechnet worden, seither aber nicht mehr berücksichtigt worden war.
Die Rückforderung des Überbezuges erfolgte zu Recht:
§ 25 Abs. 1 AlVG in der zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 103/2000 lautet:
"§ 25. (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Die Verpflichtung zum Ersatz des empfangenen Arbeitslosengeldes besteht auch dann, wenn im Falle des § 12 Abs. 8 das Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses festgestellt wurde, sowie in allen Fällen, in denen rückwirkend das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt oder vereinbart wird. Der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz ist auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte; in diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen. Ebenso ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes (der Notstandshilfe) zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn nachträglich festgestellt wird, dass der Empfänger nicht arbeitslos im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. g war. Die Verpflichtung zum Rückersatz besteht auch hinsichtlich jener Leistungen, die wegen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels weiter gewährt wurden, wenn das Verfahren mit der Entscheidung geendet hat, dass die Leistungen nicht oder nicht in diesem Umfang gebührten."
Die Verwendung der Begriffe "unwahr" (und nicht bloß "unrichtig") bzw. "Verschweigung" in § 25 Abs. 1 AlVG deutet auf eine subjektive Komponente hin, das heißt, dass von jenem Arbeitslosen nichts zurückgefordert werden kann, der zwar objektiv unzutreffende Angaben, jedoch in unverschuldeter Unkenntnis vom wahren Sachverhalt gemacht hat. Der Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG ist - anders als dies bei Leistungen mit Unterhaltscharakter im Zivilrecht sonst der Fall ist - nicht danach differenziert, ob ein gutgläubiger Verbrauch der nicht gebührenden Geldleistung erfolgt ist, sondern (nur) danach, ob die Leistung gutgläubig empfangen wurde, wobei sich aus der Regelung weiters ergibt, dass der gutgläubige Empfang stets anzunehmen ist, wenn nicht entweder einer der beiden ersten im § 25 Abs. 1 AlVG genannten Tatbestände (unwahre Angaben, Verschweigung maßgebender Tatsachen) für den Leistungsbezug kausal war (arg: "herbeigeführt hat") oder der Empfänger der Leistung erkennen musste, dass diese nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte (ohne dass es in diesem Fall darauf ankäme, dass den Empfänger der Leistung am Überbezug ein Verschulden trifft, vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 92/08/0183, und vom , Zl. 92/08/0243 ).
Die sich aus der in § 25 Abs. 1 AlVG (iVm § 38 AlVG) vorgesehenen Sanktionierung ergebende Verpflichtung von Antragstellern auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, hinsichtlich maßgebender Tatsachen vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu machen, soll sicherstellen, dass der Behörde, die zahlreiche gleichartige Verfahren relativ rasch abzuwickeln hat, grundsätzlich die für den Leistungsanspruch maßgebenden Umstände vollständig und wahrheitsgemäß zur Kenntnis gelangen. Der Rückforderungstatbestand "unwahre Angaben" liegt daher jedenfalls dann vor, wenn die Behörde in einem Antragsformular eine rechtserhebliche Frage stellt und diese Frage unrichtig oder unvollständig beantwortet wird. Da die Angaben zur Geltendmachung einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung im Antragsformular die Behörde in die Lage versetzen sollen, ihrerseits zu beurteilen, ob ein Anspruch besteht, ist das Risiko eines Rechtsirrtums, aus dem ein Arbeitsloser meint, die darin gestellten Fragen nicht vollständig oder richtig beantworten zu müssen, von ihm zu tragen (vgl. die ständige Rechtsprechung, vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 98/08/0111, und Hinweis auf die Vorjudikatur).
Es kommt daher beim Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 erster Satz Fall 1 und 2 AlVG (unwahre Angaben, Verschweigen maßgebender Tatsachen) nach dem offenkundigen Zweck der Norm nicht darauf an, dass ein die Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung beeinflussender Umstand zu einem früheren Zeitpunkt bereits aktenkundig wurde oder von der Behörde hätte leicht festgestellt werden können, so wie überhaupt ein Mitverschulden der Behörde am Überbezug im Falle des Verschweigens von maßgeblichen Tatsachen oder unwahrer Angaben ohne Belang ist. Maßgebend ist nur, ob der fragliche Umstand in Beantwortung der Fragen im Antragsformular richtig und vollständig einbekannt oder der Behörde gleichzeitig oder doch rechtzeitig vor Anweisung des jeweiligen Leistungsanspruchs in einer zumindest gleichwertigen Weise (zB durch Vorlage einer entsprechenden Bestätigung) mitgeteilt wurde.
Hat der (hier: Notstandshilfe-)Empfänger, wenn auch (bloß) fahrlässig, durch Verschweigen maßgebender Tatsachen einen Überbezug bewirkt, so ist nicht relevant, ob er diesen auch "erkennen musste" (vgl. das Erkenntnis vom , Slg. Nr. 13627/A).
Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat die belangte Behörde festgestellt, dass der Beschwerdeführer nur in seinem Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld, jedoch bei keinem seiner weiteren Anträge den Bezug der Unfallrente angegeben und die Frage nach einem eigenen Einkommen immer verneint hat. Wenn die belangte Behörde daraus den Schluss gezogen hat, dass dem Beschwerdeführer die Bedeutung eines eigenen Einkommens "nicht völlig fremd" gewesen sei (woraus sich ergibt, dass er zumindest fahrlässig, jedenfalls daher schuldhaft gehandelt hat), so kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.
Die Rückforderung der Notstandshilfe ist daher schon nach dem ersten Fall des § 25 Abs. 1 AlVG und ungeachtet eines allfälligen Mitverschuldens der belangten Behörde begründet.
Die Beschwerde war daher gem. § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am