VwGH vom 17.09.1997, 93/13/0066
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der W AG in W, vertreten durch Dr. Paul Doralt, Dr. Wilfried Seist und Dr. Peter Csoklich, Rechtsanwälte in Wien IX, Währinger Straße 2 - 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl GA 8-1305-1991, betreffend Feststellungsbescheid zum , Artfortschreibung gemäß § 21 Abs 1 Z 2 Bewertungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Jahr 1990 erfolgte auf einer im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden und bewertungsrechtlich als bebautes Grundstück beurteilten Liegenschaft der Abbruch des darauf befindlichen Gebäudekomplexes zwecks Errichtung eines Neubaues. Zum Stichtag erließ das Finanzamt einen Bescheid betreffend Feststellung des Einheitswertes, Artfortschreibung gemäß § 21 Abs 1 Z 2 Bewertungsgesetz, für die wirtschaftliche Einheit Betriebsgrundstück, bewertet als unbebautes Grundstück (Bescheiddatum ).
In einer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde vorgebracht, zum Bewertungsstichtag habe es Teile der Grundmauern und der Kellergeschoße gegeben, andererseits sei bereits mit dem Neubau durch Errichtung von Schlitzwänden begonnen worden. In keiner Phase des Abbruches oder der Neuerrichtung des Gebäudes sei somit der vor der ursprünglichen Verbauung befindliche Zustand wiederhergestellt worden. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 88/15/0176, 89/15/0001) seien daher die Voraussetzungen für eine Artfortschreibung nicht gegeben.
Über Vorhalt eines am durchgeführten Lokalaugenscheines, wonach es nur eine Baugrube gegeben habe, alle alten Gebäudeteile (einschließlich der alten Kellermauern) seien vollkommen abgebrochen und neue Gebäudeteile noch nicht vorhanden gewesen (auch keine Schlitzwände), weshalb eindeutig ein unbebautes Grundstück vorliege, legte die Beschwerdeführerin Bautagebücher der bauausführenden Arbeitsgemeinschaft vor, aus welcher klar hervorgehe, daß noch im Jahr 1991 gleichzeitig sowohl Kellermauern und Fundamente des Altgebäudes abgetragen, als auch Schlitzwände errichtet worden seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid, in welchem "zum Sachverhalt festgehalten" wurde, daß nach den Kopien der Bautagebücher vom Jänner 1991 die Abtragung von Resten der Kellermauern einschließlich deren Fundament unter gleichzeitiger Sicherung des Erdreichs durch Schlitzwände erfolgt sei, wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend führte die belangte Behörde ua aus, die für die Abgrenzung der Begriffe "unbebautes Grundstück", "bebautes Grundstück" und "in Bebauung befindliches Grundstück" entscheidenden Bestimmungen des Bewertungsgesetzes seien aus dem als Vorlage dienenden Bewertungsgesetz 1934 hervorgegangen. Dieses habe keine ausdrückliche Begriffsbestimmung für unbebaute Grundstücke enthalten. § 53 Bewertungsgesetz 1934 habe wortgleich wie § 55 Abs 1 Bewertungsgesetz 1955 bestimmt, daß unbebaute Grundstücke mit dem gemeinen Wert zu bewerten seien. Welche Grundstücke als unbebaute anzusehen gewesen seien, habe sich aus den Bestimmungen der §§ 33a und 45 Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz (BewDV) ergeben. Der erste Satz des § 45 BewDV sei im § 55 Abs. 2 Bewertungsetz 1955 sinngemäß übernommen worden, anstelle der Bestimmungen des § 33a BewDV seien die Bestimmungen des § 53 Abs. 9 Bewertungsgesetz 1955 getreten. In der Folge vertrat die belangte Behörde, gestützt auf größtenteils deutsche Literatur und insbesondere die gesetzliche Bestimmung des § 53 Abs. 9 Bewertungsgesetz, die Ansicht, daß die positivrechtlichen Voraussetzungen für die Qualifikation des gegenständlichen Grundstückes als ein bebautes "(auch als ein im Bau befindliches gemäß § 53 Abs. 9)" Grundstück mangels zum Stichtag vorhandener Gebäude nicht erfüllt seien und das Grundstück deshalb als ein unbebautes iS des Bewertungsgesetzes gelte. Maßgeblich sei die Tatsache des Nicht-Mehr-Bebautseins dieses Grundstückes, eine Rückführung in den Zustand vor seiner ursprünglichen Verbauung verlange das Gesetz nicht.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht verletzt, daß die Liegenschaft zum weiterhin bewertungsrechtlich als bebautes Grundstück behandelt werde und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, allenfalls wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften unter Kostenzuspruch.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Die Beschwerdeführerin hat auf die Gegenschrift repliziert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zu Recht beruft sich die Beschwerde darauf, daß der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 88/15/0176, 89/15/0001, einen im wesentlichen gleichgelagerten Fall zu entscheiden hatte. Im zitierten Erkenntnis, auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof insbesondere zu Recht erkannt, daß es als verfehlt angesehen werden müsse, wenn man einen durch den Abbruch eines vorhandenen Gebäudes eingeleiteten Vorgang der Neuerrichtung eines Gebäudes zum Anlaß für eine Artfortschreibung nur deshalb nimmt, weil zum Bewertungsstichtag auf dem Grundstück nur mehr als Gebäude unbenutzbare Teile desselben vorhanden gewesen seien. Eine Fortschreibung der zuletzt festgestellten Einheitswerte habe zur Voraussetzung, daß Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen seit der letzten Feststellung eingetreten seien. Für den Fall der Rückführung bzw Umwandlung eines bebauten Grundstückes in ein unbebautes Grundstück fehle im Bewertungsgesetz eine Aussage darüber, daß und ab wann das bebaute Grundstück im Zuge des Abbruches des vorhandenen Gebäudes als unbebautes Grundstück gelte. Ausgehend von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise werde man in dem gegebenen Fall von einer Änderung in der Art des Grundstückes erst nach Abbruch bzw Entfernung des gesamten Gebäudes, dh nach Wiederherstellung des vor der Verbauung befindlichen Zustandes sprechen können. Da feststehe, daß das Grundstück am damaligen Bewertungsstichtag nicht den Zustand aufgewiesen habe, in dem es sich vor seiner ursprünglichen Verbauung befunden habe, sei zu dem genannten Zeitpunkt keine Änderung der Art des Grundstückes eingetreten, welche die belangte Behörde zur Vornahme der Artfortschreibung berechtigt hätte.
Der Gerichtshof sieht sich aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles nicht veranlaßt, von dieser zum Ausdruck gebrachten Rechtsmeinung abzugehen: Die belangte Behörde erweckt mit ihren Ausführungen im angefochtenen Bescheid den Anschein, die Rechtslage nach dem (deutschen) Bewertungsgesetz 1934 und nach dem (geltenden) deutschen Bewertungsgesetz wäre mit dem (österreichischen) Bewertungsgesetz 1955 identisch, weshalb die insbesondere zum Bewertungsgesetz 1934 ergangenen Literaturmeinungen auch für das Bewertungsgesetz 1955 von entscheidender Bedeutung seien. Sie verschweigt aber einerseits - wie die Beschwerdeführerin zutreffend rügt -, daß im deutschen Bewertungsgesetz eine dem § 53 Abs 1 Bewertungsgesetz entsprechende Regelung insbesondere hinsichtlich des Klammerausdruckes fehlt und andererseits, daß nach dem Bewertungsgesetz 1934 im Hinblick auf § 33a BewDV, wonach bei Grundstücken im Zustand der Bebauung die für die Baulichkeit bis zum Feststellungszeitpunkt entstehenden Kosten ausdrücklich außer Betracht zu bleiben haben, ein Grundstück im Zustand der Bebauung daher als unbebautes Grundstück nur mit dem gemeinen Wert der Grundfläche zu bewerten war. Bei dieser von der österreichischen Rechtslage abweichenden Rechtslage läßt sich für den Standpunkt der belangten Behörde nichts gewinnen, wenn in deutschen Literaturstellen etwa die Ansicht vertreten wurde, daß Grundstücke, deren Gebäude am Feststellungszeitpunkt abgebrochen waren, als unbebaut gelten. Für die im Beschwerdefall von der belangten Behörde vertretene Rechtsansicht vermögen die im angefochtenen Bescheid zitierten deutschen Literaturstellen schon im Hinblick auf die unterschiedliche Rechtslage nicht zu streiten. Soweit sich die belangte Behörde auf Literaturstellen stützt, welche das (österreichische) Bewertungsgesetz zum Inhalt haben, (insbesondere etwa Wittmann, Unbebautes oder bebautes Grundstück, ÖStZ 1963, 86), ist darauf hinzuweisen, daß darin keine Auseinandersetzung mit dem (gegenständlich gegebenen) Fall eines durch den Abbruch eines vorhandenen Gebäudes eingeleiteten Vorgang einer Neuerrichtung eines anderen Gebäudes erfolgt.
Die Rechtslage verkennt die belangte Behörde aber auch, wenn sie meint, für eine Qualifikation eines Grundstückes als ein zum Feststellungsstichtag im Zustand der Bebauung befindliches werde "das Vorhandensein benützungsfertiger Gebäude oder Gebäudeteile vorausgesetzt". § 53 Abs 9 erster und zweiter Satz Bewertungsgesetz 1955 lautet: "Bei der Feststellung der Einheitswerte von Grundstücken, die sich zum Feststellungszeitpunkt im Zustand der Bebauung befinden, sind zu dem Wert des Grund und Bodens und der benützungsfertigen Gebäude und Gebäudeteile die Kosten hinzuzurechnen, die für die im Bau befindlichen Gebäude und Gebäudeteile bis zum Feststellungszeitpunkt entstanden sind. Der so festgestellte Einheitswert darf jedoch nicht höher sein als der Einheitswert, der sich ergeben wird, wenn das Gebäude oder der Gebäudeteil benützungsfertig (Abs 6 dritter Satz) sind." Die in dieser Bestimmung ersterwähnten auf einem Grundstück befindlichen benützungsfertigen Gebäude oder Gebäudeteile können nun nicht mit den (zweiterwähnten) Gebäuden und Gebäudeteilen, deren Kosten bis zum Feststellungszeitpunkt entstanden sind, gleichgesetzt werden, weil sonst einerseits diese Gebäude oder Gebäudeteile doppelt erfaßt würden und andererseits § 53 Abs 9 zweiter Satz Bewertungsgesetz unverständlich, ja zu § 53 Abs 9 erster Satz Bewertungsgesetz geradezu widersprüchlich wäre, weil diesfalls auf erst künftig benützungsfertig werdende Gebäude und Gebäudeteile Bezug genommen würde, obwohl die gleichen Gebäude zum Feststellungsstichtag bereits benützungsfertig waren.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994. An Stempelgebühren waren für die Beschwerde in dreifacher Ausfertigung und für den angefochtenen Bescheid S 450,-- zuzusprechen.