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VwGH vom 26.06.2002, 98/13/0172

VwGH vom 26.06.2002, 98/13/0172

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde des M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IA) vom , Zl. GA 15-93/1282/13, betreffend

u. a. Umsatzsteuer für die Jahre 1987 bis 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt in Wien. Streitpunkt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bildet die Frage, ob betreffend die Vermietung von Ferienwohnungen in D. die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 5 Z. 2 UStG 1972 (Liebhaberei) erfüllt sind.

Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde u.a. die zur Liebhaberei getroffene Beurteilung des Finanzamtes für den 1. Bezirk in Wien, das sich seinerseits auf die Feststellungen im zur StNr. 840/4475 erstatteten Bericht über eine abgabenbehördliche Prüfung vom gestützt hatte. Im Prüfungsbericht wurde u.a. ausgeführt, dass wegen der "Unternehmereinheit" nach § 2 Abs. 1 UStG 1972 die Umsatzsteuer aus der Ferienwohnungsvermietung unter der angeführten Steuernummer veranlagt worden sei. Wegen der unter Tz. 11b des Prüfungsberichtes zu StNr. 610/5983 enthaltenen Feststellungen liege Liebhaberei vor, sodass die Entgelte aus der Vermietung der Appartements ebenso aus der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage auszuscheiden seien wie auch der diesbezügliche Vorsteuerabzug nicht zustehe. Die Entgeltminderung betrug deshalb nach Tz. 13 des Prüfungsberichtes 1987 47.591 S 1988 46.928,18 S und 1989 211.959,02 S. Die Vorsteuerbeträge erfuhren lt. Tz. 14 eine Minderung um 9.977,39 S 1987), 46.807,39 S 1988) und 18.480,20 S 1989). Tz. 15 enthielt noch den Hinweis, dass für 1989 wegen ausgestellter Rechnungen die Umsatzsteuer nach § 11 Abs. 12 UStG 1972 in Höhe von 21.965,44 S geschuldet werde.

Im angefochtenen Bescheid wird nach ausführlicher Wiedergabe der bisher im Verwaltungsverfahren vertretenen Standpunkte (Beschwerdeführer sowie Betriebsprüfung) der Inhalt der mündlichen Berufungsverhandlung wiedergegeben. In dieser habe der Beschwerdeführer u.a. ausgeführt, er habe im Jahr 1975 den Alpengasthof erworben und bewusst langsam renoviert, bis er vermietungsreif gewesen sei. In der Zwischenzeit habe er die eine oder andere Wohnung so halbwegs fertig gehabt und diese Kindern und Freunden unentgeltlich bzw. um ein "geringeres" Entgelt zur Verfügung gestellt. Die "wirklich" aktive Vermietungstätigkeit habe erst ab den Jahren 1988, 1989 mit Einnahmen von rund 212.000 S beginnen können. In diesen Jahren sei weiter investiert worden. Eine "normale" Prognoserechnung könne nicht vorgelegt werden, weil das Haus in einem Schigebiet liege und deshalb vollkommen wetterabhängig sei. Für das Schigebiet bestehe eine durchaus positive Prognose, auch wenn in den letzten Jahren die Übernachtungszahlen infolge schlechter Schneelage zurückgegangen seien.

Im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde zunächst aus, dass die Vermietungstätigkeit einkommensteuerrechtlich nicht als gewerbliche, sondern als vermögensverwaltende Tätigkeit (gegebenenfalls Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) anzusehen sei. Für die umsatzsteuerrechtliche Zuordnung zum Unternehmensbereich iSd § 2 Abs. 5 Z. 2 UStG 1972 komme es entscheidend darauf an, ob der Betätigung der Charakter einer Einkunftsquelle zukomme. Umsatzsteuerrechtlich sei eine "Sofortbeurteilung" vorzunehmen. Es sei zu prüfen, ob die Tätigkeit innerhalb eines absehbaren Zeitraumes einen Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zulasse. Der Beginn dieses Zeitraumes sei im Jahr 1975 mit dem Ankauf der Liegenschaft und der Vornahme der ersten baulichen Tätigkeiten zu sehen. In die bereits in Rechtskraft erwachsenen Bescheide betreffend die Veranlagungen der Jahre 1975 bis einschließlich 1986 werde durch diese Betrachtungsweise entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht eingegriffen. Als "absehbarer Zeitraum" sei nach der Judikatur und Literatur ein Zeitraum von rund 20 Jahren anzusetzen. Von der Betriebsprüfung sei für die Jahre 1975 bis einschließlich 1989 bei Entgelten von insgesamt 629.322 S ein Gesamtbetrag an Werbungskostenüberschüssen von 7,028.723 S festgestellt worden. Berichtige man diese Ergebnisse um geltend gemachte Investitionsbegünstigungen und die AfA-Differenz (richtig 1,5 %) ergebe eine Addition unter Einbeziehung der erklärten Ergebnisse der Jahre 1990 bis 1994 einen "Werbungskostenüberschuss gesamt" für die Jahre 1975 bis 1994 von 4,636.237 S.

Eine vom Beschwerdeführer im Rahmen der Berufungsverhandlung vorgelegte Prognoserechnung weise für den Zeitraum 1987 bis 2022 einen "Gesamtgewinn" von 10,074.000 S aus. Stelle man diese Prognoserechnung, die auf Grund verschiedener Mängel auch nicht wirklich aussagekräftig sei, in Relation zu den adaptierten Ergebnissen der Jahre 1975 bis einschließlich 1986, sei ersichtlich, dass auch nach der Prognose des Beschwerdeführers erst im Jahr 2012 - somit nach 37 Jahren ab Beginn der Tätigkeit - ein Gesamtüberschuss erwirtschaftet werden könne (erst in diesem Jahr würde der bis einschließlich 1986 erwirtschaftete Gesamtverlust von 4,259.655 S ausgeglichen). Eine vom Beschwerdeführer geforderte Einbeziehung eines Veräußerungserlöses der "angeblichen Einkunftsquelle" komme bei der in Rede stehenden Einkunftsart nicht in Betracht. Der vom Beschwerdeführer vorgelegten Prognoserechnung sei im Übrigen entgegenzuhalten, dass die dazu angenommene Einnahmensteigerung von 4 % per anno keineswegs dem bisherigen wirtschaftlichen Ergebnisverlauf und auch nicht den entsprechenden Branchenerwartungen entspreche. Die ausgewiesenen Betriebskosten und Instandhaltungskosten wiesen entgegen der wohl stetigen Preisentwicklung und angenommenen größeren Auslastung keinerlei Steigerung auf (sie seien auch mit einem niedrigeren Wert angesetzt, als sich dieser für die Jahre 1987 bis 1994 im Durchschnitt ergeben habe). Eine Vorsorge für zu erwartende Renovierungsarbeiten oder Reparaturen fehle zur Gänze. Der angesetzte Betrag für AfA sei ebenfalls als wesentlich zu gering anzusehen. Korrigiere man die vorgelegte Prognoserechnung würde es auch "bei optimistischester Sicht" nochmals 23 Jahre dauern, bis der bis einschließlich 1994 erzielte Gesamtverlust von rd. 4,6 Mio S ausgeglichen sei. Ein derart langer Zeitraum von damit insgesamt 43 Jahren könne "aber wohl keinesfalls mehr als dem absehbaren Zeitraum entsprechend, innerhalb dessen ein an Vermietungseinkünften Interessierter kalkuliert, angesehen werden".

Die Behandlung der vom Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Bescheid vor dem Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde hat dieser mit Beschluss vom , B 2975/97, abgelehnt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die antragsgemäß zur Entscheidung abgetretene - ergänzte - Beschwerde erwogen:

Festzuhalten ist, dass der im Beschwerdefall strittige Zeitraum noch nach der Rechtslage vor dem zeitlichen Geltungsbereich der Lieberhabereiverordnungen 1990 bzw. 1993 zu beurteilen ist. Soweit die Beschwerde vorbringt, dem "Gedankengebäude" der Liebhaberei komme für die Umsatzsteuer wegen inhaltlicher Aufhebung durch die sechste Mehrwertsteuer-Richtlinie, 77/388/EG, keine Bedeutung mehr zu, ist darauf hinzuweisen, dass der genannten Richtlinie der EG für Zeiträume vor dem in Österreich keine normative Wirkung zukommt (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 97/15/0051).

Nach § 61 Abs. 1 BAO ist unbeschadet der Bestimmung des Abs. 2 für die Erhebung der Umsatzsteuer das Finanzamt örtlich zuständig, von dessen Bereich aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Der Beschwerdeführer bringt vor, bei Qualifizierung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung seien "die Bestimmungen der BAO anzuwenden, die für Vermietung und Verpachtung gelten, und das Finanzamt I Wien zur Entscheidung über 'Liebhaberei' und Unternehmerqualität nicht zuständig gewesen". Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer verschweigt, welche Bestimmungen der BAO "für Vermietung und Verpachtung" konkret angewendet werden sollten, übersieht er den bereits im Prüfungsbericht angesprochenen Grundsatz der umsatzsteuerrechtlichen Unternehmenseinheit, woran sich die besondere Zuständigkeitsregelung des § 61 Abs. 1 BAO knüpft.

Nach der maßgebenden Rechtslage (§ 2 Abs. 5 Z. 2 UStG 1972) ist Liebhaberei in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht anzunehmen, wenn unter Bedachtnahme auf den Betriebsgegenstand und die Art der Betriebsführung Gewinne oder Einnahmenüberschüsse aus der Betätigung auf Dauer gesehen und unter Anwendung objektiver Kriterien nicht zu erwarten sind (vgl. beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 86/15/0025, 0056, VwSlg. Nr. 6168/F, vom , 86/15/0105, vom , 93/13/0171, VwSlg. Nr. 7107/F, und vom , 97/15/0146). Wenngleich im Bereich der Umsatzsteuer insbesondere in jenen Fällen, in denen am Leistungsaustausch Unternehmer beteiligt sind, die Entscheidung, ob Liebhaberei vorliegt, sofort getroffen werden muss, bedeutet dies nicht, dass in derartigen Fällen ein anderes Kriterium für die objektive Ertragsfähigkeit herangezogen werden kann, als die Prognose auf die Erzielung eines Gesamterfolges innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 93/14/0028). Der für das Einkommensteuerrecht entwickelte Begriff der Liebhaberei hat auch im Umsatzsteuerrecht grundsätzlich Bedeutung (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 96/13/0191).

Die mit Verlusten aus einer Betätigung konfrontierte Abgabenbehörde ist verpflichtet, die Verluste zum Anlass dafür zu nehmen, an Hand der Ertragsfähigkeit der Betätigung zu prüfen, ob Liebhaberei vorliegt. Sache des Steuerpflichtigen ist es dabei, der Abgabenbehörde alle Beurteilungsgrundlagen offen zu legen, aus denen sich eine zuverlässige Beurteilung der Betätigung ableiten lässt (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 97/15/0173). Bei der Frage, ob eine Betätigung objektiv geeignet ist, Einnahmenüberschüsse (innerhalb eines bestimmten Zeitraumes) zu erwirtschaften, handelt es sich um eine auf der Ebene der Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung zu lösende Tatfrage (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 95/15/0207). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seit dem Erkenntnis des verstärkten Senates vom , VwSlg. Nr. 7107/F, ist eine Liegenschaftsvermietung dann als Liebhaberei anzusehen, wenn aus der konkret ausgeübten Art der Vermietung nicht innerhalb eines Zeitraumes von rund 20 Jahren ein Gesamtgewinn oder Gesamt-Einnahmenüberschuss erzielbar ist (vgl. beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 95/15/0177, 0178, vom , 98/13/0025, und vom , 96/13/0191). Der Prognosezeitraum beginnt, sofern eine Liegenschaft in Vermietungsabsicht angeschafft wird, mit der Anschaffung derselben; auch sind Zeiträume, innerhalb derer zwar noch keine Einnahmen erzielt, aber bereits Mittel aufgewendet werden, in den Zeitraum, innerhalb dessen ein wirtschaftlicher Gesamterfolg erzielbar sein muss, einzubeziehen (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 98/15/0056, und vom , 96/15/0241).

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid unter näherer Darstellung der entsprechenden Berechnungen dargelegt, warum sie der Ansicht sei, bei der in Rede stehenden Vermietung von Ferienwohnungen handle es sich um Liebhaberei. So habe in einem absehbaren Zeitraum von rund 20 Jahren (1975 bis 1994) kein Gesamt-Einnahmenüberschuss erzielt werden können und auch die vom Beschwerdeführer vorgelegte Prognoserechnung führe erst nach 37 Jahren zu einem Gesamtüberschuss, wobei notwendige Berichtigungen dieser Prognoserechnung einen Gesamtüberschuss erst nach insgesamt rund 43 Jahren erwarten ließen.

Der in der Beschwerde erhobene Vorwurf, der angefochtene Bescheid enthalte keine klare Darstellung des festgestellten Sachverhaltes und keine Ermittlung und Feststellung sachentscheidender Tatsachen, ist unverständlich. Vielmehr ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerde die Ausführungen im angefochtenen Bescheid zur Ermittlung des Gesamt-Einnahmenüberschusses und auch zur Kritik an der vom Beschwerdeführer vorgelegten Prognoserechnung mit keinem Wort bekämpft.

Zu den den wesentlichen Inhalt der Beschwerde darstellenden allgemeinen Ausführungen zur Liebhabereibeurteilung schlechthin genügt es auf die bereits mehrfach zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Eine grundsätzliche Systemwidrigkeit einer derartigen Beurteilung im Bereich der Umsatzsteuer ist nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer zeigt vor allem durch seine allgemein gehaltenen Ausführungen nicht auf, warum die von ihm konkret ausgeübte Betätigung der Vermietung von Ferienwohnungen (in einem seit 1975 nach und nach renovierten Objekt) von ihrem Zuschnitt her von vornherein geeignet gewesen wäre, innerhalb eines absehbar bleibenden Zeitraumes einen der positiven Steuererhebung aus der betroffenen Einkunftsart zugänglichen wirtschaftlichen Gesamterfolg zu erwirtschaften. Wenn die Beschwerde vorbringt, es gehe keinesfalls an, einen "Beobachtungszeitraum" von dem Zeitpunkt an zu berechnen, zu dem erstmals Verluste aufgetreten sind, und damit in die Rechtskraft und die Tatbestandswirkung der Bescheide betreffend die Veranlagungen für die vor 1987 gelegenen Zeiträume einzugreifen, ist zu erwidern, dass eine solche Rechtskraftwirkung nur für die betreffenden - rechtskräftig veranlagten - Jahre besteht und die Behörde vielmehr verpflichtet ist, von einer von ihr als unrichtig erkannten Beurteilung für noch nicht rechtskräftig veranlagte Jahre abzugehen.

Die Beschwerde war somit nach § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am