VwGH vom 03.07.2002, 2002/08/0127
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. Josef Schima, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 28/1/3/21, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 15-II-G 44/2001, betreffend Zusatzbeitrag gemäß § 51d ASVG (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, 1103 Wien, Wienerbergstraße 15-19), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer bezieht eine Invaliditätspension in Höhe von S 24.523,70 vierzehn mal jährlich. Als Pensionsbezieher ist er in der Krankenversicherung (nach dem ASVG) teilversichert. Seine Ehefrau hat als Angehörige (§ 123 Abs. 2 Z. 1 ASVG) Anspruch auf die Leistungen dieser Krankenversicherung. Weder der Beschwerdeführer noch seine mitversicherte Ehefrau beziehen Pflegegeld. Die Ehefrau des Beschwerdeführers widmet sich weder derzeit der Kindererziehung noch hat sie sich ihr jemals mindestens vier Jahre hindurch gewidmet.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, für seine Ehefrau gemäß § 51d ASVG einen Zusatzbeitrag für Angehörige in bestimmter Höhe und für einen bestimmten Zeitraum zu leisten. Die Voraussetzungen hiefür seien auf Grund des unstrittigen Sachverhaltes gegeben. Eine soziale Schutzbedürftigkeit, wonach von der Einhebung des Zusatzbeitrages abzusehen oder dieser herabzusetzen sei, sei nicht behauptet worden. Die Berechnung des Zusatzbeitrages durch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse sei nicht bestritten worden. Die Bestimmung sehe keinen Ausnahmetatbestand bei ungewollter Kinderlosigkeit vor.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte deren Behandlung ab (Beschluss vom , B 12/02) und trat sie über nachträglichen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluss vom ).
Vor dem Verwaltungsgerichtshof begehrt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Er macht geltend, die belangte Behörde habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass seine Ehefrau am ein Kind tot geboren habe. An diese Geburt habe sich eine über mehrere Jahre dauernde Phase des Siechtums angeschlossen. Seine Ehegattin habe in der Folge mehrere operative Eingriffe über sich ergehen lassen müssen. Bei Berücksichtigung dieser Umstände hätte die belangte Behörde davon ausgehen müssen, dass die Kinderlosigkeit seiner Ehefrau ungewollt sei. Es sei nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber bei den Ausnahmetatbeständen des § 51d ASVG ungewollt kinderlose Ehepaare habe diskriminieren wollen. Es liege daher eine Gesetzeslücke vor. Der Ausnahmetatbestand des § 51d ASVG sei daher auf den Sachverhalt der ungewollten Kinderlosigkeit im Wege der Analogie auszudehnen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Durch Art. 66 Z. 7 des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I
Nr. 142/2000, wurde der am in Kraft getretene § 51d
ASVG eingefügt; dieser lautet wie folgt:
"Zusatzbeitrag für Angehörige
§ 51d. (1) Für Angehörige (§ 123) ist ein Zusatzbeitrag im Ausmaß von 3,4 % der für den Versicherten (die Versicherte) heranzuziehenden Beitragsgrundlage (Pension) zu leisten, für deren Ermittlung § 21 AlVG sinngemäß anzuwenden ist. Der Zusatzbeitrag entfällt zur Gänze auf den (die) Versicherte(n).
(2) Alle für die Beiträge zur Pflichtversicherung in der Krankenversicherung geltenden Rechtsvorschriften sind, sofern nichts anderes bestimmt wird, auf den Zusatzbeitrag nach Abs. 1 anzuwenden. Der (die) Versicherte schuldet jedoch den Zusatzbeitrag selbst und hat ihn auf seine (ihre) Gefahr und Kosten selbst einzuzahlen.
(3) Kein Zusatzbeitrag nach Abs. 1 ist einzuheben
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1. | für Personen nach § 123 Abs. 2 Z. 2 bis 6 und Abs. 4; | |||||||||
2. | wenn und solange sich der (die) Angehörige der Erziehung eines oder mehrerer im gemeinsamen Haushalt lebender Kinder nach § 123 Abs. 4 erster Satz widmet oder durch mindestens vier Jahre hindurch gewidmet hat; | |||||||||
3. wenn und solange der (die) Angehörige Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 4 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze hat; | ||||||||||
4. wenn und solange der (die) Angehörige den Versicherten (die Versicherte) mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 4 nach dem Bundespflegegeldgesetz oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze pflegt. |
(4) Der Versicherungsträger hat bei Vorliegen einer besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit des (der) Versicherten nach Maßgabe der vom Hauptverband hiezu erlassenen Richtlinien (§ 31 Abs. 5 Z. 16a) von der Einhebung des Zusatzbeitrages nach Abs. 1 abzusehen oder diesen herabzusetzen. Eine besondere soziale Schutzbedürftigkeit liegt jedenfalls dann vor, wenn das Nettoeinkommen im Sinne des § 292 des (der) Versicherten den Richtsatz nach § 293 Abs. 1 lit. a aa nicht übersteigt."
Der Beschwerdeführer geht zutreffend davon aus, dass der unstrittige Sachverhalt nicht expressis verbis von einem der gesetzlichen Ausnahmetatbestände des § 51d Abs. 3 ASVG erfasst wird. Streit herrscht, ob eine Gesetzeslücke gegeben ist, und die Ausnahmebestimmung des § 51d Abs. 3 Z. 2 leg. cit. auf den vorliegenden Sachverhalt zu erstrecken ist.
Bei einer Gesetzeslücke handelt es sich um eine planwidrige und daher durch Analogie zu schließenden Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts, gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung (vgl. Koziol/Welser, I., 10. Auflage, Seite 23f; Werndl, ÖJZ 1997, 298, Zur Analogie im Steuerrecht). Eine Lücke ist demnach nur dort anzunehmen, wo das Gesetz, gemessen an der mit seiner Erlassung verfolgten Absicht und seiner immanenten Teleologie unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Die bloße Meinung, eine (fehlende) Regelung wäre rechtspolitisch wünschenswert, reicht zur Annahme einer Gesetzeslücke nicht hin.
Gemäß § 51d Abs. 3 Z. 2 ASVG ist kein Zusatzbeitrag nach Abs. 1 einzuheben, wenn und solange sich der Angehörige der Erziehung eines oder mehrerer im gemeinsamen Haushalt lebender Kinder nach § 123 Abs. 4 erster Satz ASVG widmet oder durch mindestens vier Jahre hindurch gewidmet hat. Das Gesetz knüpft damit an den Umstand an, dass die Erziehung von Kindern mitunter einen Elternteil zum Ausscheiden aus dem Berufsleben geführt hat und damit nachteilige Auswirkungen auf die Einkommenssituation der Familie mit sich bringt. Diese nachteiligen Auswirkungen treffen alle - ob gewollt oder ungewollt - kinderlosen Ehepaare in gleicher Weise nicht. Für die Dauer dieser Kindererziehung, hat diese aber mindestens vier Jahre gedauert, darüber hinaus, soll - für die weitere Dauer des Vorliegens der sonstigen Voraussetzungen für die Mitversicherung - diese beitragsfrei bleiben. Das Gesetz knüpft daher an eine bestimmte Dauer der Erziehung von Kindern im Sinne des § 123 Abs. 4 erster Satz ASVG an. Die vom Beschwerdeführer angesprochene Analogie ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 998/01). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann von einer Gesetzeslücke nicht gesprochen werden, weil weder die Unvollständigkeit des Gesetzes evident ist noch aus dem Zweck der dargelegten Ausnahmebestimmung des § 51d Abs. 3 Z. 2 ASVG eine Bewertungslücke klar zu Tage tritt.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am