VwGH vom 14.09.2005, 2002/08/0125
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des B in R, unterfertigt ohne Berufung auf die Erteilung einer Vollmacht durch Dr. Joachim W. Leupold, Rechtsanwalt in 8952 Irdning, Klostergasse 54, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. 5-s26p 166/7-2001, betreffend Beitragszuschlag (mitbeteiligte Partei: Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 8010 Graz, Josef-Pongratz-Platz 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Kostenbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem an den Beschwerdeführer gerichteten Bescheid vom sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, wegen Nichterstattung seiner Anmeldung zur Pflichtversicherung per werde ihm gemäß § 113 Abs. 1 Z. 1 ASVG ein Beitragszuschlag von S 60.000,-- vorgeschrieben. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, nach § 33 ASVG seien die Dienstgeber verpflichtet, jeden von ihnen beschäftigten, in der Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz Pflichtversicherten binnen sieben Tagen nach Beginn der Pflichtversicherung beim zuständigen Träger der Krankenversicherung anzumelden. Diese Verpflichtung sei auf Grund der von ihm mit der V. GmbH & Co KG in Straubing (Bundesrepublik Deutschland) abgeschlossenen Vereinbarung nach "Art. 109 - VO 574/72" auf den Beschwerdeführer übergegangen.
Die Versicherungsanmeldung für den Beschwerdeführer als freien Dienstnehmer per sei nicht erstattet worden, sodass die Versicherungspflicht habe bescheidmäßig festgestellt werden müssen. Werde die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht erstattet, berechtige dies die Kasse, einen Beitragszuschlag bis zum Doppelten jener Beiträge, die auf die Zeit ab Beginn der Pflichtversicherung bis zur Feststellung des Fehlens der Anmeldung entfallen, vorzuschreiben. Der Beitragszuschlag dürfe jedoch die Höhe der Verzugszinsen nicht unterschreiten, die ohne seine Vorschreibung auf Grund des § 59 Abs. 1 ASVG für die nachzuzahlenden Beiträge zu entrichten gewesen wären. Verzugszinsen seien in der Höhe von S 46.593,72 angefallen. Der Beschwerdeführer habe die ihm auf Grund der erwähnten Vereinbarung zukommende Meldepflicht verletzt, weshalb ihm unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse, der Art des Meldeverstoßes und der angefallenen Verzugszinsen der im Spruch angeführte Betrag als Ordnungsmaßnahme vorgeschrieben werde.
Der Beschwerdeführer beantragte im Einspruch vom den Beitragszuschlag mit S 0,-- festzusetzen und den Bescheid demgemäß zu berichtigen. Er habe mit der V. GmbH & Co KG einen Beratungsvertrag abgeschlossen. Dieser sei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vorgelegt worden. Am sei der Beratungsvertrag auch der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vorgelegt worden. Bereits am habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse festgestellt, dass der Beschwerdeführer als freier Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG anzusehen sei. Am habe die mitbeteiligte Partei eine neuerliche Prüfung der Versicherungspflicht nach den Bestimmungen des ASVG durchgeführt. Sie habe dem Beschwerdeführer aufgetragen, einen Fragebogen auszufüllen. Nach Rücksendung dieses Fragebogens am habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse am neuerlich Fragen gestellt. Auch diese Fragen habe er beantwortet und zwar mit Brief vom . Mit Bescheid vom habe sodann die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse ausgesprochen, dass eine amtliche Versicherungsanmeldung per vorgenommen werde. Gegen diesen Bescheid habe er "Berufung" eingelegt und darin ausgeführt, dass bereits die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft mit Bescheid vom festgestellt habe, dass er seit in der Kranken- und Pensionsversicherung pflichtversichert sei. (Nach Ausweis des Verwaltungsaktes wurde dieser Bescheid im Wege der Wiederaufnahme mit Bescheid vom dahingehend abgeändert, dass eine Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG ab nicht besteht.) Seiner "Berufung" sei keine Folge gegeben worden. Schließlich habe er sich mit der ASVG-Versicherungspflicht abgefunden und gleichzeitig der mitbeteiligten Partei das "Formular gemäß Art. 109" ausgefüllt und unterschrieben übermittelt, mit welchem er erklärte, dass er selbst "die Sozialversicherung abführe" und nicht die V. GmbH & Co KG. Aus diesem Sachverhalt ergebe sich ohne Zweifel, dass die Versicherungsanmeldung als freier Dienstnehmer per erstattet worden sei. Es hätten lediglich Zweifel bestanden, ob er nach dem ASVG oder nach dem GSVG pflichtversichert sei.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat den Einspruch der belangten Behörde vorgelegt und im Schreiben vom zu den Ausführungen des Beschwerdeführers im Einspruch Stellung genommen. Darin führte sie aus, den Meldepflichtigen treffe hinsichtlich seiner Melde- und Beitragspflicht eine Erkundigungspflicht. Der Dienstgeber habe nicht nur seine Erkundigungspflicht verletzt, sondern überdies wiederholte telefonische wie schriftliche Aufforderungen beharrlich missachtet. Mit rechtskräftigem Abschluss des Versicherungspflichtverfahrens sei festgestanden, dass der Dienstgeber verpflichtet sei, die Beiträge für den Beschwerdeführer ab Versicherungsbeginn zu entrichten. Der Dienstgeber und der Beschwerdeführer haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach Art. 109 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (Verordnung über soziale Sicherheit) die Verpflichtung zur Zahlung der Beiträge und damit auch die Meldepflicht auf den Dienstnehmer zu übertragen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge. In der Begründung führte sie nach einer kurzen Darstellung des Verwaltungsgeschehens ergänzend zur "zutreffenden" Begründung des bekämpften Bescheides aus, gemäß § 33 Abs. 1 ASVG i.V.m. § 15 Abs. 1 der Satzung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse seien die Dienstgeber oder deren gemäß § 35 Abs. 3 ASVG Bevollmächtigte grundsätzlich verpflichtet, jeden von ihnen beschäftigten, in der Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz Pflichtversicherten (Voll- und Teilversicherten) binnen sieben Kalendertagen nach Beginn der Pflichtversicherung beim Träger der Krankenversicherung anzumelden.
Beitragszuschläge sollten als Ordnungsmaßnahme die Einhaltung der Meldevorschriften für die Zukunft sicherstellen. Sie seien außerdem wegen des durch die Säumigkeit verursachten Mehraufwandes der Verwaltung sachlich gerechtfertigt. Im vorliegenden Fall sei nach einem relativ langen Ermittlungsverfahren mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom die Pflichtversicherung des Beschwerdeführers als freien Dienstnehmers im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG festgestellt worden. Die Feststellung dieser Pflichtversicherung bilde die Grundlage für den gegenständlichen Beitragszuschlag. Nach Rechtskraft dieses Bescheides sei auch die Vorschreibung des Beitragzuschlages zu bestätigen gewesen.
In der der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Bei der Vorschreibung eines Beitragszuschlages ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Einspruchsbescheides maßgebend (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2004/08/0141-0143). Nach dem Einleitungssatz des § 113 Abs. 1 ASVG können den in § 111 genannten Personen (Stellen) Beitragszuschläge vorgeschrieben werden.
Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer auf Grund eines freien Dienstvertrages der Pflichtversicherung nach dem ASVG unterliegt. Als (freier) Dienstnehmer ist der Beschwerdeführer nicht Adressat eines Beitragzuschlages gemäß § 113 Abs. 1 ASVG. Diese Bestimmung verweist nämlich diesbezüglich auf die in § 111 ASVG genannten Personen und Stellen. Diese Gesetzesstelle nennt Dienstgeber und sonstige nach § 36 meldepflichtige Personen (Stellen), im Falle einer Bevollmächtigung nach § 35 Abs. 3 oder § 36 Abs. 2 die Bevollmächtigten.
Dass der Beschwerdeführer als freier Dienstnehmer weder Dienstgeber noch nach § 36 meldepflichtige Person ist, bedarf keiner Erörterung. Einem (freien) Dienstnehmer, selbst wenn ihm gemäß § 35 Abs. 4 lit. b ASVG die Pflicht zur Erstattung von Meldungen obliegt, kann mangels Aufzählung des die Strafbarkeit für solche Verstöße normierenden § 112 Abs. 2 ASVG im § 111 ASVG kein Beitragszuschlag vorgeschrieben werden.
Die belangte Behörde hat in der Bescheidbegründung (Seite 3) auch die gemäß § 35 Abs. 3 ASVG Bevollmächtigten erwähnt. Das ASVG hat in dieser Bestimmung eine besondere gesetzliche Anordnung getroffen, die die Abwälzung der Verantwortlichkeit des Dienstgebers für die Einhaltung der Pflichten nach den §§ 33 und 34 ASVG ermöglicht. Nach dieser Gesetzesstelle kann der Dienstgeber die Erfüllung der ihm nach den §§ 33 und 34 ASVG obliegenden Pflichten auf Bevollmächtigte übertragen. Name und Anschrift dieser Bevollmächtigten sind unter deren Mitfertigung dem zuständigen Versicherungsträger bekannt zu geben.
Dem angefochtenen Bescheid können keine Feststellungen entnommen werden, die eine derartige Bevollmächtigung des Beschwerdeführers im Sinne des § 35 Abs. 3 ASVG dartun. Auch im Verwaltungsakt befindet sich keine entsprechende Vollmacht.
Da § 113 ASVG auf die in § 111 ASVG genannten Personen (Stellen) verweist und der Beschwerdeführer nach dem Gesagten nicht zu diesem Personenkreis zählt, war die Vorschreibung eines Betragszuschlages unzulässig.
Ob der Dienstgeber eine Betriebsstätte im Inland hatte, der Beschwerdeführer als Dienstnehmer gemäß § 35 Abs. 4 lit. b ASVG die Pflicht zur Erstattung der Meldungen bzw. gemäß § 53 Abs. 3 lit. b ASVG die Pflicht zur Beitragsentrichtung hatte, oder ob der Dienstgeber Beitragsschuldner war, bzw. ob und wann er mit dem Beschwerdeführer eine Vereinbarung nach Art. 109 der VO (EWG) 574/72 geschlossen hat und ob eine solche Vereinbarung auch Konsequenzen nicht nur für die Beitragszahlungen, sondern auch für die Verpflichtung zur Erstattung von Meldungen hatte, kann dahingestellt bleiben.
Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Der Schriftsatzaufwand gemäß § 49 Abs. 1 VwGG in der Fassung BGBl. Nr. 88/1997 steht dem Beschwerdeführer nicht zu, weil er im Verfahren nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war (der Beschwerdeschriftsatz weist die Unterschrift eines Rechtsanwaltes ohne Berufung auf eine erteilte Vollmacht auf). Zum Antrag auf Ersatz der Gebühr gemäß § 24
Abs. 3 VwGG wird auf die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 110 ASVG geltende sachliche Abgabenfreiheit hingewiesen.
Wien, am