VwGH vom 19.12.2001, 98/13/0098
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Heinzl, Dr. Fuchs und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zehetner, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat XI) vom , Zl RV/125-06/03/97, betreffend Körperschaftsteuer 1994 und 1995 (mitbeteiligte Partei: K GesmbH in W, vertreten durch Hügel, Dallmann & Partner, Rechtsanwälte in Mödling, Lerchengasse 14), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Anlässlich einer bei der mitbeteiligten Partei, einer GmbH, deren Unternehmensgegenstand die Bäckerei- und Konditoreiwarenerzeugung ist, durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung wurde u. a. festgestellt, dass die mitbeteiligte Partei im Zeitraum 9/93 bis 3/94 ein Lager-, Büro- und Garagengebäude errichtet hat. Ein 40 % des Neubaues umfassender Teil (die Tiefgarage) werde zum Abstellen der betriebseigenen Lastkraftwagen genutzt. Der restliche Teil des Neubaues (60 %) werde entgeltlich an die V-GmbH vermietet, wobei der Mietvertrag bereits zu Baubeginn abgeschlossen worden sei und erkennen lasse, dass das Büro- und Lagergebäude auf "Wunsch des Mieters" errichtet worden sei.
Hinsichtlich des für das gesamte Gebäude im Jahr 1994 geltend gemachten Investitionsfreibetrages (30 % der Herstellungskosten) sowie eines im Jahr 1995 für nachträgliche Herstellungskosten geltend gemachten Investitionsfreibetrages wurde die Ansicht vertreten, dass ein Investitionsfreibetrag nur insoweit zuzuerkennen sei, als das Gebäude unmittelbar dem Betriebszweck (somit zu 40 %) diene. Für den restlichen Teil des Gebäudes stehe ein Investitionsfreibetrag nicht zu, weil die Voraussetzungen nach § 10 Abs 3 EStG 1988 idF der Einkommensteuer-Novelle BGBl Nr 253/1993 (in der Folge: idF nach der Novelle) nicht erfüllt seien. Gemäß § 10 Abs 3 EStG 1998 idF nach der Novelle dürfe für Gebäude ein Investitionsfreibetrag nur insoweit geltend gemacht werden, als sie unmittelbar dem Betriebszweck dienten oder für Wohnzwecke betriebszugehöriger Arbeitnehmer bestimmt seien. Bei zur entgeltlichen Überlassung an Dritte bestimmten Gebäuden bzw Teilen davon stehe der Investitionsfreibetrag nur dann zu, wenn der Unternehmensgegenstand entweder unmittelbar (wenn auch nicht ausschließlich, aber nach seinem Hauptzweck) die entgeltliche Überlassung von Gebäuden sei, oder die Verwaltung fremden Vermögens sei und das Vermieten von Gebäuden daher der Sicherung dieses Vermögens diene (insbesondere Banken und Versicherungen).
Das Finanzamt folgte der Ansicht des Prüfers und erließ für die Jahre 1994 und 1995 u.a. dem Prüfungsergebnis entsprechende Körperschaftsteuerbescheide.
In einer dagegen erhobenen Berufung wurde vorgebracht, mit BGBl Nr 253/1993 sei § 10 Abs 3 zweiter Satz EStG 1988 ab der Veranlagung 1993 geändert worden und laute nunmehr:
Für Gebäude, die zur entgeltlichen Überlassung an Dritte bestimmt seien, stehe für vor dem angefallene Anschaffungs- oder Herstellungskosten ein Investitionsfreibetrag nur zu, wenn der ausschließliche Betriebsgegenstand die gewerbliche Vermietung von Wirtschaftsgütern sei. In den Erläuterungen sei dazu ausgeführt worden, das für die Inanspruchnahme des Investitionsfreibetrages für vermietete Gebäude aufgestellte Erfordernis, es müsse die gewerbliche Vermietung der ausschließliche Betriebsgegenstand des Vermieters sein, habe sich in der Vergangenheit als vielfach nicht gerechtfertigtes Hindernis für eine steuerlich sinnvolle Investitionsförderung erwiesen. Die zur Konjunkturanhebung vorgenommene temporäre Anhebung des Investitionsfreibetrages solle zum Anlass genommen werden, dieses Hindernis zu beseitigen. Die oben erwähnte Einschränkung des Investitionsfreibetrages bei vermieteten Gebäuden entfalle bei Anschaffungs- oder (Teil-)Herstellungskosten ab . Die zur Frage der unmittelbar betrieblichen Nutzung im Zusammenhang mit der Geltendmachung des Investitionsfreibetrages ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beziehe sich auf den § 10 Abs 2 Z 1 EStG 1972. Mit der Abänderung des zweiten Satzes des § 10 Abs 3 EStG 1988 ab könnten die zitierten Erkenntnisse nicht zu dessen Interpretation herangezogen werden. Ab stehe für Vermietung bestimmter Gebäude der Investitionsfreibetrag auf Grund des eindeutigen Gesetzeswortlautes uneingeschränkt zu. Die vorgenommene Beschränkung des Investitionsfreibetrages auf den unmittelbar betrieblich genutzten Gebäudeteil stehe im Widerspruch zum eindeutigen Gesetzeswortlaut. Es könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, die Investitionstätigkeit durch die Beseitigung von Begünstigungen einschränkender Bestimmungen und deren temporärer Verbesserung durch Anhebung des Investitionsfreibetrages vom bis stimulieren zu wollen, um, nachdem die fristgerechten Investitionsmaßnahmen erfolgt und nicht mehr rückgängig zu machen seien, durch administrative Maßnahmen die Begünstigungswirkungen der gewollten Maßnahmen weitgehend einzuschränken. Weiters sei anzuführen, dass die Errichtung des Lagergebäudes auf Grund der Flächenwidmung erforderlich gewesen sei, da das betriebliche Garagengeschoss ohne das darüber befindliche Gebäude keine baubehördliche Genehmigung erfahren hätte. Es sei somit ein über die Erzielung von Mieteinnahmen hinausgehendes Interesse an der Errichtung des Gesamtgebäudes gegeben gewesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge. Gestützt auf § 10 Abs 3 EStG 1988 idF vor der Novelle BGBl Nr 253/1993 (in der Folge: idF vor der Novelle) verwies die belangte Behörde darauf, dass der Gesetzgeber nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 93/13/0085, mit dem Merkmal "Betriebsgegenstand" kumulativ auf die Gegenstandsbestimmung und auf das tatsächliche Verhalten abgestellt habe. Der Verwaltungsgerichtshof habe im zitierten Erkenntnis festgestellt, dass die Regelung des § 10 Abs 3 EStG 1988 idF vor der Novelle auch für den Einzelunternehmer gelte. Für diesen bestehe aber keine Verpflichtung, einen Betriebs- oder Unternehmensgegenstand in zivilrechtlicher Form festzulegen. In der Betrachtung des ausschließlichen Betriebsgegenstandes eines Einzelunternehmers komme demnach von vornherein nur die in der Steuerperiode tatsächlich ausgeübte Tätigkeit als Beurteilungskriterium in Betracht. Bezogen auf den Einzelunternehmer verlören die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 94/14/0135, gebrauchten Argumente für die Maßgeblichkeit der zivilrechtlichen Feststellung des Unternehmensgegenstandes zwangsläufig jegliche Bedeutung. Dass die Voraussetzungen zur Geltendmachung des Investitionsfreibetrages im Falle gewerblicher Vermietung vom Gesetzgeber für Handelsgesellschaften in anderer Weise als für Einzelunternehmer derart normiert worden wären, dass der Gesetzgeber bei Gewährung einer begünstigenden Ausnahme für den Einzelunternehmer es in Kauf genommen hätte, dafür nur auf ein allenfalls bloß beliebiges Geschehen abzustellen, während er für die Gewährung derselben Ausnahme bei der Handelsgesellschaft die zivilrechtliche Feststellung im Gesellschaftsvertrag hätte fordern wollen, wäre eine Gesetzesauslegung, deren Beurteilung als gleichheitswidrig zu werten wäre. Sei bei einem in der Rechtsform einer GmbH geführten Gewerbebetrieb alles, was dem erwerbswirtschaftlichen Tätigwerden der Gesellschaft unmittelbar diene, Betriebszweck, so sei die vom Gesetzgeber geforderte Unmittelbarkeit gegeben, wenn der mitbeteiligten Partei aus dem mit der V-GmbH abgeschlossenen Bestandvertrag Bestandzinseinnahmen zuflössen. Da somit nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 93/13/0085) und nach der Literatur (Doralt, Einkommensteuergesetz2, Tz 56 zu § 10 EStG 1988) allein nach der tatsächlichen Geschäftsführung zu beurteilen sei, ob die gewerbliche Vermietung von Wirtschaftsgütern einen Betriebsgegenstand bilde, ohne dass es bei einer GmbH hiezu auf die gesellschaftsvertragliche Festlegung des Unternehmensgegenstandes ankomme, sei der Berufung gegen die Körperschaftsteuerbescheide 1994 und 1995 Folge zu geben gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde erwogen:
Gemäß § 10 Abs 3 EStG 1988 idF vor der Novelle darf für Gebäude der Investitionsfreibetrag nur insoweit geltend gemacht werden, als sie unmittelbar dem Betriebszweck dienen oder für Wohnzwecke betriebszugehöriger Arbeitnehmer bestimmt sind. Für Gebäude, die zur entgeltlichen Überlassung an Dritte (ausgenommen betriebszugehörige Arbeitnehmer) bestimmt sind, steht ein Investitionsfreibetrag nur zu, wenn der ausschließliche Betriebsgegenstand die gewerbliche Vermietung von Wirtschaftsgütern ist.
Gemäß § 10 Abs 3 EStG 1988 idF nach der Novelle darf für Gebäude der Investitionsfreibetrag nur insoweit geltend gemacht werden, als sie unmittelbar dem Betriebszweck dienen oder für Wohnzwecke betriebszugehöriger Arbeitnehmer bestimmt sind. Für Gebäude, die zur entgeltlichen Überlassung an Dritte (ausgenommen betriebszugehörige Arbeitnehmer) bestimmt sind, steht für vor dem anfallende Anschaffungs- oder Herstellungkosten ein Investitionsfreibetrag nur zu, wenn der ausschließliche Betriebsgegenstand die gewerbliche Vermietung von Wirtschaftsgütern ist.
Der beschwerdeführende Präsident vertritt die Ansicht, dass die belangte Behörde mit ihrer im angefochtenen Bescheid getroffenen Beurteilung die Rechtslage verkannt hat. Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Ansicht aus folgenden Gründen:
Zutreffend führt der beschwerdeführende Präsident aus, dass bei zur entgeltlichen Überlassung an Dritte bestimmten Gebäuden das bis zur Novelle 1993 verankerte Erfordernis, die gewerbliche Vermietung müsse der ausschließliche Betriebsgegenstand sein, für Anschaffungs- und (Teil-)Herstellungskosten ab zwar entfallen ist, dass für die Geltendmachung eines Investitionsbetrages für Gebäude jedoch weiterhin Voraussetzung ist, dass das Gebäude unmittelbar dem Betriebszweck dient (oder - was gegenständlich unstrittig nicht der Fall ist - für Wohnzwecke betriebszugehöriger Arbeitnehmer bestimmt ist). Zu Recht verweist der beschwerdeführende Präsident unter Bezugnahme auf das hg Erkenntnis vom , 442/79, darauf, dass dies nach der Rechtsprechung dann der Fall ist, wenn das Gebäude von seiner Funktion her jene Tätigkeiten ermöglicht, die der Betrieb nach seinem Hauptzweck zur Erzielung der Betriebseinnahmen entfaltet. Ein vermietetes oder verpachtetes Gebäude dient demnach unmittelbar dem Betriebszweck, wenn die Vermietung oder Verpachtung über die Erzielung von Miet- oder Pachteinnahmen hinaus den Hauptzweck des Betriebes des Bestandgebers fördert und insbesondere zu diesem Zweck Einflussmöglichkeiten des Bestandgebers auf das Unternehmen des Bestandnehmers bestehen. Auch wenn die diesbezügliche in der Rechtsprechung zum Ausdruck gebrachte Ansicht zu § 10 Abs 2 Z 1 EStG 1972 ergangen ist, hat sie entgegen der Ansicht der mitbeteiligten Partei in der Berufung im Hinblick auf die weiterhin geltende Bestimmung des § 10 Abs 3 erster Satz EStG 1988, welche hinsichtlich der Voraussetzung, dass das Gebäude unmittelbar dem Betriebszweck dienen muss, der vorangeführten gesetzlichen Bestimmung des EStG 1972 entspricht, auch im Geltungsbereich des Einkommensteuergesetzes 1988 idF nach der Novelle ihre Bedeutung nicht verloren. Berechtigt ist auch das Vorbringen des beschwerdeführenden Präsidenten, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 93/14/0196, zur Frage, ob die Vermietung dem Betriebszweck einer Bäckerei unmittelbar diene, ausgesprochen hat, dass dies dann der Fall wäre, wenn die Vermietung zur Steigerung der Einnahmen aus der eigentlich betrieblichen Tätigkeit beitragen würde, eine solche Steigerung der Einnahmen im Beschwerdefall durch den von der V-GmbH betriebenen Reifenhandel aber ausgeschlossen sei.
Dem gegenüber geht die belangte Behörde bei ihrer Beurteilung des Streitfalles grundsätzlich von der für den Streitzeitraum nicht mehr geltenden gesetzlichen Bestimmung des § 10 Abs 3 EStG 1988 idF vor der Novelle aus und versucht aus der zu dieser Bestimmung, nämlich zur Frage, was unter dem dort verwendeten Begriff "Betriebsgegenstand" zu verstehen ist, ergangenen Judikatur abzuleiten, dass jede Erzielung von Mieteinnahmen dem Betriebszweck des Bestandgebers in einer die Geltendmachung eines Investitionsfreibetrages rechtfertigenden Weise unmittelbar diene. Dieser Versuch muss schon deswegen scheitern, weil die von der belangten Behörde herangezogenen, zu einer völlig anderen Rechtsfrage ergangenen Erkenntnisse keinerlei und dementsprechend auch keine den vom beschwerdeführenden Präsidenten herangezogenen Erkenntnissen entgegenstehende Aussage zur Frage enthalten, was darunter zu verstehen ist, wenn das Gesetz davon spricht, dass ein Gebäude dem Betriebszweck unmittelbar dienen muss.
Auch die Ausführungen der mitbeteiligten Partei in der zur Beschwerde erstatteten Gegenschrift sind vor dem Hintergrund der für den Streitzeitraum geltenden Rechtslage und der vom beschwerdeführenden Präsidenten für die Richtigkeit seiner Rechtsansicht herangezogenen Rechtsprechung nicht geeignet, die im angefochtenen Bescheid vertretene Ansicht zu stützen. Insbesondere kann im Hinblick auf den auch von der mehrfach erwähnten Novelle nicht geänderten ersten Satz des § 10 Abs 3 EStG 1988 der Ansicht nicht gefolgt werden, dass nunmehr jede Vermietung von Gebäuden die Geltendmachung des Investitionsfreibetrages rechtfertige (vgl auch die bei Prodinger, Der IFB bei vermieteten Gebäuden, ÖStZ 1995, 325, angeführten Fallgruppen).
Der von der mitbeteiligten Partei im Verfahren geltend gemachte Umstand, die Bauführung im durchgeführten Umfang sei erforderlich gewesen, weil auf Grund der Flächenwidmung in dem Betriebsgebiet für eine solizitäre Garagenerrichtung keine baubehördliche Bewilligung zu erreichen gewesen wäre, ändert ebenfalls nichts daran, dass der vermietete Teil des Gebäudes nicht unmittelbar dem Betriebszweck dient.
Da die belangte Behörde daher insoweit, als sie die geltend gemachten Investitionsfreibeträge im vollen Ausmaß anerkannte, die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Wien, am