VwGH vom 31.05.2000, 98/13/0094
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fössl, über die Beschwerde der F Familienstiftung mit dem Sitz in V, vertreten durch Dr. Rudolf Fries, DDr. Christa Fries und Dr. Michael Tröthandl, Rechtsanwälte in Baden, Erzherzog-Rainer-Ring 23, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. GA 11-94/2295/07, 11-95/2088/07, betreffend einheitliche Gewerbesteuermessbeträge 1989 bis 1992, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist eine mit Stiftungsurkunde vom nach dem Recht des Fürstentums Liechtenstein gegründete Familienstiftung mit dem Sitz in Vaduz. Mit einer Stiftungserklärung gleichen Datums widmete der Stifter Karl Johannes S. der Familienstiftung zum Stichtag neben zahlreichen Liegenschaften einen Gewerbebetrieb mit mehreren inländischen Betriebsstätten.
In den Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 1989 bis 1992 wurden Fehlbeträge geltend gemacht, die für 1983 mit S 1,228.455,--, für 1985 mit S 5,905.581,--, für 1986 mit S 1,099.438,-- und für 1988 mit S 3,231.199,-- entstanden waren.
Bei der Feststellung der Gewerbesteuermessbeträge für die Streitjahre wurden diese Fehlbeträge vom Finanzamt mit der Begründung nicht anerkannt, dass die nunmehrige juristische Person nicht mit dem vormaligen Gewerbetreibenden ident sei.
In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde die Auffassung vertreten, durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 403/1988 sei § 4 Abs. 2 GewStG so abgeändert worden, dass das Verlustvortragsrecht ab bei unentgeltlichem Erwerb eines Betriebes und bei Zusammenlegung eines Betriebes mit bestehenden Betrieben nicht verloren gehe. Dieses ab 1989 zustehende Recht müsse alle vortragsfähigen Verluste der Vergangenheit betreffen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, dass die Übertragung des Gewerbebetriebes auf die Beschwerdeführerin innerhalb des zeitlichen Anwendungsbereiches des § 4 Abs. 2 GewStG in der vor dem geltenden Fassung stattgefunden habe. Danach sei aber die Berücksichtigung von Fehlbeträgen des Stifters bei der Stiftung ausgeschlossen gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 4 Abs. 2 GewStG 1953 in der ursprünglichen Fassung galt ein Gewerbebetrieb, der im Ganzen auf einen anderen Unternehmer überging, in jedem Fall als durch den bisherigen Unternehmer eingestellt. Er war als durch den anderen Unternehmer neu gegründet anzusehen, wenn er nicht mit einem bereits bestehenden Gewerbebetrieb vereinigt wurde.
Diese Bestimmung hatte zur Folge, dass beim Übergang eines Gewerbebetriebs (selbst) im Falle der Gesamtrechtsnachfolge die Berücksichtigung von Fehlbeträgen im Sinne des § 6 Abs. 3 GewStG alte Fassung ausgeschlossen war.
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 248/87, Slg 11636, kundgemacht am , BGBl Nr. 224, wurde § 4 Abs 2 GewStG als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung trat mit Ablauf des in Kraft.
Mit Art I der GewStG-Novelle 1988, BGBl. Nr. 403, wurden hierauf unter anderem § 4 Abs. 2 und § 6 GewStG neu gefasst. Nach § 4 Abs 2 Satz 2 dieser Fassung ist der Gewerbebetrieb als durch den anderen Unternehmer neu gegründet anzusehen, es sei denn, er wird mit einem bereits bestehenden Gewerbebetrieb vereinigt oder unentgeltlich (§ 6 Z. 9 lit. a EStG 1988) übertragen. Nach § 6 Abs. 2 GewStG der genannten Fassung wird der Gewerbeertrag bei einem Gewerbetreibenden oder im Falle der unentgeltlichen Übertragung des Betriebes (§ 6 Z. 9 lit. a EStG 1988) beim Erwerber um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei Ermittlung des Gewerbeertrages für die sieben vorangegangenen Jahre nach den §§ 6 bis 9 GewStG ergeben haben.
Art III Z. 1 und 2 GewStG-Novelle 1988 lautet:
1. Artikel I ist vorbehaltlich der Z 2 bis 4 erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 1989 anzuwenden.
2. Artikel I Z. 10 gilt mit folgender Maßgabe:
a) Die Bestimmung für Anlaufverluste im Sinne des § 18 Abs. 7 des Einkommensteuergesetzes 1988 gilt erstmalig für Verluste des Jahres 1989.
b) Die Bestimmung ist auf Mantelkäufe anzuwenden, die in Wirtschaftsjahren erfolgen, die nach dem enden.
Im Beschwerdefall gehen beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens davon aus, dass durch die zum erfolgte Widmung des in Rede stehenden Gewerbebetriebes zur Familienstiftung eine unentgeltliche Übertragung eines bestehenden Gewerbebetriebes erfolgte. Strittig ist, ob die in den Jahren 1983, 1985, 1986 und 1988 angefallenen Fehlbeträge in den Streitjahren 1989 bis 1992 zu berücksichtigen sind.
Nach der Übergangsbestimmung des Art III Z. 1 der GewStG-Novelle 1988 ist § 6 Abs. 2 GewStG neue Fassung - auf diese Bestimmung nimmt die belangte Behörde offensichtlich nicht Bedacht - ab der Veranlagung für das Kalenderjahr 1989 anzuwenden. Nach § 6 Abs. 2 GewStG sind Fehlbeträge aus den dem jeweiligen Veranlagungsjahr vorangegangenen sieben Jahren - auch bei unentgeltlicher Übertragung des Betriebes - zu berücksichtigen. Schon aus dem Zusammenhalt dieser beiden Bestimmungen ergibt sich, dass es nicht darauf ankommt, dass der Fehlbetrag erst nach dem Inkrafttreten der GewStG-Novelle 1988 zustande gekommen ist, wie dies die belangte Behörde meint. Überdies hat der Gesetzgeber im Art III Z. 2 GewStG-Novelle 1988 zwei Sachverhalte (Anlaufverluste und Mantelkäufe) angeführt, bei denen erst ab dem Jahr 1989 entstandene Verluste dem Regime dieser Novelle unterlagen. Wäre der Gesetzgeber der Auffassung gewesen, es seien erst ab dem Veranlagungsjahr 1989 entstandene Verluste zu berücksichtigen, so wäre die Bestimmung des Art. III Z. 2 GewStG-Novelle 1988 überflüssig gewesen.
Der Gesetzgeber hat den zeitlichen Anwendungsbereich der GewStG-Novelle 1988 mit ihrem Art III abschließend geregelt. Ein Gesetz, das derartige Bestimmungen enthält, die in ihrem Zusammenhang und Sinngehalt - insbesondere unter Bedachtnahme auf den Umstand, dass es sich bei der Gewerbesteuer um eine jährlich zu veranlagende Abgabe gehandelt hat - nur als eine Anordnung über das Inkrafttreten des Gesetzes verstanden werden können, muss dabei als eine solche Bestimmung gewertet werden, mit der der Gesetzgeber von seiner gemäß Art 49 Abs. 1 B-VG eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht hat, die verbindende Kraft des Gesetzes abweichend hievon zu bestimmen (vgl das hg Erkenntnis vom , 83/15/0091). Dabei kann trotz dieser detaillierten Übergangsbestimmungen dem Gesetz kein Hinweis darauf entnommen werden, dass es auf den Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung des Gewerbebetriebes angekommen wäre. Vielmehr war für die Berücksichtigung von Fehlbeträgen bereits ab dem Veranlagungsjahr 1989 im Sinne des § 6 Abs 1 GewStG im Wesentlichen nur vorausgesetzt, dass sich diese in den vorhergehenden sieben Jahren ergeben hatten.
Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung war aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.
Die Kosten waren gemäß §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 im beantragten Ausmaß zuzusprechen.
Wien, am