VwGH vom 28.04.1999, 98/13/0089
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde des Dr. G in P, vertreten durch Mag. Dr. Karlheinz Klema, Rechtsanwalt in Wien I, Rosenbursenstraße 8/2, gegen den Bescheid des Vorsitzenden des Berufungssenates I der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. RV/243-10/01/97, BS I-16/97, betreffend Zurückweisung einer Administrativbeschwerde gegen die Vorführung des Beschuldigten, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war Beschuldigter in einem wegen der Finanzvergehen nach den §§ 33 Abs. 2 lit. a und 49 Abs. 1 lit. a FinStrG geführten Finanzstrafverfahren. Zu einer für den anberaumten mündlichen Verhandlung vor dem Spruchsenat wurde der Beschwerdeführer in Befolgung einer Anordnung nach § 117 Abs. 2 FinStrG von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zwangsweise vorgeführt.
Mit Schriftsatz vom erhob der Beschwerdeführer "gegen den am gesetzten Akt unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form seiner Vorführung zur mündlichen Verhandlung vor dem Spruchsenat des Finanzamtes für den 1. Bezirk in Wien als Finanzstrafbehörde I. Instanz" eine Administrativbeschwerde gemäß § 152 FinStrG. Als angefochtener Verwaltungsakt im Sinne des § 153 Abs. 3 FinStrG wurde dabei die zwangsweise Vorführung des Beschwerdeführers vom von seinem privaten Wohnort bis zum Verhandlungsort und eine allenfalls vorhandene schriftliche Anordnung der Finanzstrafbehörde erster Instanz im Sinne des § 117 Abs. 2 vorletzter Halbsatz FinStrG bezeichnet.
Über diese Administrativbeschwerde entschied der Vorsitzende des Berufungssenates I der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit dem angefochtenen Bescheid dahingehend, dass diese Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen werde. In den Entscheidungsgründen wird dazu ausgeführt, gegen Verfügungen und Entscheidungen des Vorsitzenden des Spruchsenates sei die Beschwerde an den Vorsitzenden des Berufungssenates nur in den im Gesetze ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig, so etwa gegen die Verhängung der Untersuchungshaft und gegen die Anordnung einer Beschlagnahme oder Hausdurchsuchung. Die ungerechtfertigte Anordnung einer Vorführung könne hingegen mit einer Beschwerde an den Vorsitzenden des Berufungssenates nicht angefochten werden.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid vor dem Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde hat dieser mit Beschluss vom , B 1145/97-9, abgelehnt. In der antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer "in seinem Recht auf Entscheidung in der Sache selbst über seine zulässige Beschwerde gemäß § 152 FinStrG" verletzt. Die belangte Behörde hat zwar die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der näheren Bestimmung des § 117 Abs. 2 FinStrG kann ein Beschuldigter auf Grund einer schriftlichen Anordnung der Finanzstrafbehörde erster Instanz durch die im § 89 Abs. 2 genannten Organe zwangsweise vorgeführt werden, wenn dies in der Vorladung angedroht war. Die Sicherheitsdienststellen haben den Vorführungsersuchen der Finanzstrafbehörde zu entsprechen.
Bei einer Vorführung im Sinn des § 117 Abs. 2 handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfolgt. Sie war damit auch bis zur B-VG-Novelle 1988, BGBl. Nr. 685, direkt vor den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts bekämpfbar (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 434, 435/77, das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 85/10/0153, m.w.N., sowie Dorazil/Harbich, Finanzstrafgesetz, S. 389, und Sommergruber/Reger, Das Finanzstrafgesetz mit Kommentar, S 588). Mit der genannten B-VG-Novelle ging die Zuständigkeit zur Behandlung von Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, grundsätzlich auf die mit dieser Novelle geschaffenen unabhängigen Verwaltungssenate über (Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG). Ausgenommen von dieser Zuständigkeit sind allerdings nach Art. 129a Abs. 1 Z. 2 letzter Teilsatz B-VG die Finanzstrafsachen des Bundes. Mit der Novelle BGBl. Nr. 465/1990 wurde dafür im § 152 Abs. 1 FinStrG die Möglichkeit einer Administrativbeschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, soweit nicht ein Rechtsmittel für unzulässig erklärt ist, eröffnet. Die Entscheidung über die Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer finanzstrafbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obliegt nach § 62 Abs. 3 FinStrG in der Novelle BGBl. Nr. 465/1990 dem Vorsitzenden des Berufungssenates, der über Rechtsmittel gegen Erkenntnisse oder sonstige Bescheide des Spruchsenates zu entscheiden hätte (vgl. Plückhahn, Die Novellierung des Finanzstrafgesetzes zum , SWK 1990 A 29 ff).
Ausgehend von dieser Rechtslage erweist sich der angefochtene Bescheid, mit dem der Vorsitzende des Berufungssenates die eindeutig gegen einen Akt der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt gerichtete Administrativbeschwerde vom als unzulässig zurückwies, als mit der Rechtslage nicht im Einklang. Soweit in der Begründung des angefochtenen Bescheides die "ungerechtfertigte Anordnung einer Vorführung" angesprochen wird, ist festzuhalten, dass sich die Administrativbeschwerde vom in der Hauptsache gegen die zwangsweise Vorführung selbst richtete und nur eine "allenfalls" vorhandene schriftliche Anordnung im Sinne des § 117 Abs. 2 vorletzter Halbsatz FinStrG als (weiteren) Anfechtungsgegenstand bezeichnete.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am