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VwGH vom 04.04.2002, 2002/08/0023

VwGH vom 04.04.2002, 2002/08/0023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des V in G, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Schmiedgasse 21, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom , Zl. LGS600/ALV/1218/2001-Ze/Kö, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Graz nahm mit dem Beschwerdeführer am eine Niederschrift über die Nichtannahme bzw. das Nichtzustandekommen der vom Arbeitsmarktservice am zugewiesenen Beschäftigung als Kassier beim Dienstgeber M. D. mit Arbeitsantritt am auf. Danach habe der Beschwerdeführer die Beschäftigung nicht angenommen. Laut Angabe von Frau E. von der Firma M. D. habe der Beschwerdeführer nur einen Stempel haben wollen und sie habe sich von ihm auch bedroht gefüllt. Der Beschwerdeführer hat die Unterfertigung dieser Niederschrift verweigert.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Graz vom wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 iVm § 10 AlVG für den Zeitraum vom bis verloren habe. Der angeführte Zeitraum verlängere sich um die in ihm liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung vereitelt habe. Nachsichtsgründe hätten keine berücksichtigt werden können.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, dass er beim Vorstellungsgespräch gefragt worden sei, welche berufliche Laufbahn er bis dahin gehabt hätte. Er habe seinen beruflichen Verlauf geschildert und u.a. erzählt, dass er 30 Jahre lang als Chemielaborant tätig gewesen wäre. Er sei sehr wohl bemüht gewesen, die Stelle zu bekommen, und habe niemals bei diesem Gespräch erwähnt, es ginge ihm nur darum, einen Stempel als Bestätigung des Unternehmens über die erfolgte Bewerbung zu erlangen. Er habe auch niemanden bedroht. Auch habe er niemals diese Stelle abgelehnt. Frau E., die das Vorstellungsgespräch geführt habe, hätte gemeint, er sei für diese Stelle nicht geeignet, und "nicht eingestellt" auf dem Stellenbeschreibungsbogen angekreuzt. In der Niederschrift vom seien die von ihm geschilderten Vorgänge nicht zu Protokoll genommen worden. Er habe gesagt, er möchte diese Niederschrift mitnehmen, da es ihm aus sprachlichen Gründen nicht klar gewesen sei, was er nunmehr unterschreiben sollte und wieso die von ihm geäußerten Umstände dort nicht aufschienen. Die Sachbearbeiterin habe aber sofort "Unterschrift verweigert" geschrieben und aus dem Nebenzimmer eine Kollegin herbeigeholt, welche unter dem Punkt "sonstige Anwesende" sofort die Niederschrift unterzeichnet habe, obwohl ihr der ganze Vorfall nicht bekannt sein konnte, da sie das Gespräch nicht mitverfolgt hätte. Der Beschwerdeführer habe die Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung nicht vereitelt, da es ihm sehr wohl bewusst gewesen sei, welche Konsequenzen eine Verweigerung der Annahme einer zumutbaren Beschäftigung oder die Vereitelung gehabt hätte. Er habe bei dem Vorstellungsgespräch weder vorsätzlich die Annahme dieser Stelle verweigert, geschweige denn vereitelt, noch durch fahrlässiges Handeln es darauf abgestellt, die Stelle nicht zu bekommen. Die Aussagen des Unternehmens M.D. seien für ihn völlig aus der Luft gegriffen und er könne sich dies nur als Missverständnis erklären, welches unter Umständen aus seinen schlechten Deutschkenntnissen resultiere.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Begründend führte sie aus, dass Frau E. in einem Telefonat vom angegeben habe, dass sie sich keinesfalls bedroht gefühlt hätte. Es wäre dem Beschwerdeführer im Zuge des Vorstellungsgespräches gesagt worden, dass für die Tätigkeit als Kassier keine Vorkenntnisse erforderlich seien und auch die Einschulung für diese Tätigkeit problemlos sei. Allerdings hätte der Beschwerdeführer mehrmals darauf hingewiesen, dass er seiner Meinung nach für diese Tätigkeit nicht geeignet sei bzw. die notwendigen Fertigkeiten nicht erlernen könne.

In einem Telefongespräch vom habe der Beschwerdeführer erklärt, dass er beim Vorstellungsgespräch nur auf seine bisherige Tätigkeit als Chemielaborant hingewiesen hätte. Daraufhin hätte Frau E. gemeint, er sei für die in Aussicht genommene Tätigkeit ungeeignet, und hätte vermerkt, dass er nicht eingestellt werde.

In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass er bemüht gewesen wäre, die Stelle zu bekommen. Dazu im Widerspruch stehe allerdings die Aussage von Frau E., dass der Beschwerdeführer mehrmals darauf hingewiesen hätte, die notwendigen Fertigkeiten nicht erlernen zu können. Der Beschwerdeführer hätte trotz seiner Bedenken die zugewiesene Stelle annehmen können. Dies auch deshalb, da Frau E. über die tatsächlich erforderlichen Fertigkeiten genau Bescheid gewusst hätte und er ihr diesbezüglich hätte vertrauen können. Wie Frau E. glaubhaft bestätigt habe, sei die bisherige Tätigkeit des Beschwerdeführers als Chemielaborant kein Hinderungsgrund gewesen. Für die Tätigkeit als Kassier seien keine besonderen Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich. Eine Anstellung wäre daher, entsprechende Bemühungen des Beschwerdeführers vorausgesetzt, ohne Weiteres möglich gewesen. Zusätzlich unterstreiche der von Frau E. auf dem Vermittlungsvorschlag angebrachte Vermerk "will nicht bei uns arbeiten" die Glaubhaftigkeit der Angaben von Frau E. Es sei daher davon auszugehen, dass die zugewiesene Beschäftigung durch den Standpunkt des Beschwerdeführers, er sei für die Tätigkeit als Kassier ungeeignet, nicht zu Stande gekommen ist.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen.

Nach § 10 Abs. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs (unter näher umschriebenen Voraussetzungen: acht) Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Auf Grund des § 38 AlVG sind diese Regelungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Diese Bestimmungen sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung in den Arbeitsmarkt einzugliedern und ihn so wieder in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. in diesem Sinn das Erkenntnis vom , Zl. 89/08/0141, Slg. Nr. 13.286/A, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten, unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns des Arbeitslosen und andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (so - ausgehend von dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/08/0132 - etwa das Erkenntnis vom , Zl. 92/08/0219, und zahlreiche weitere Erkenntnisse).

Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. dazu die Erkenntnisse vom , Zl. 92/08/0042, Slg. Nr. 13.722/A, und vom , Zl. 94/08/0050).

Soweit in der Beschwerde die Meinung vorgebracht wird, der Beschwerdeführer habe sich durch Mitteilung seiner subjektiven Einschätzung, er wäre (im Hinblick auf die langjährige Tätigkeit als Chemielaborant) nicht geeignet, eine Tätigkeit als Kassier auszuüben, in keiner Weise geweigert, die zugewiesene Stelle anzunehmen, und ebenso wenig habe er durch diese subjektive Einschätzung seiner persönlichen Fähigkeiten das Zustandekommen der Beschäftigung vereitelt, kann dem Beschwerdevorbringen nicht gefolgt werden. Einerseits ist es in keiner Weise nachvollziehbar, weshalb eine Person, die viele Jahre als Chemielaborant tätig war, nicht geeignet sein sollte, eine Tätigkeit als Kassier auszuüben. Andererseits kommt es diesbezüglich nicht auf die subjektive Einschätzung des Arbeitslosen an. Wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, wären für die Tätigkeit als Kassier keine besonderen Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich gewesen und wäre eine Einschulung durchgeführt worden.

Das Verhalten des Beschwerdeführers war auch offenkundig geeignet, einen potenziellen Arbeitgeber von der Einstellung abzuhalten, hat er doch seine Eignung für die in Aussicht genommene Beschäftigung in Zweifel gezogen. Es kann somit weder der erforderliche Kausalzusammenhang mit dem Nichtzustandekommen der Beschäftigung mit Erfolg in Frage gestellt werden noch dass dem Beschwerdeführer diese Folge seines Verhaltens als ernstlich möglich bewusst gewesen sein muss, weshalb davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer dies bedacht und zumindest billigend in Kauf genommen hat, sodass auch der nach der Rechtsprechung erforderliche Vorsatz in Form des dolus eventualis zu bejahen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/08/0104). Die Beschwerde enthält im Übrigen auch kein Vorbringen, dass die Beschäftigung dem Beschwerdeführer objektiv unzumutbar im Sinne des § 9 AlVG gewesen wäre. Es ist daher nicht verfehlt, wenn die belangte Behörde das Verhalten des Beschwerdeführers als Vereitelung der Annahme der Beschäftigung gewertet hat.

Der Beschwerdeführer rügt weiters als Verletzung von Verfahrensvorschriften, dass die Niederschrift vom nicht ordnungsgemäß aufgenommen worden sei. Dem ist schon entgegenzuhalten, dass der Mangel eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz durch Ermittlungen der Berufungsbehörde im Berufungsverfahren geheilt werden kann (vgl. z.B. bereits das hg. Erkenntnis vom , VwSlg. NF 1396/A). Das Vorbringen, welches der Beschwerdeführer aus seiner Sicht zu erstatten hatte, war, wie auch die Beschwerde einräumt, Inhalt der Berufung und führte zu Ermittlungen der Berufungsbehörde.

Da gemäß § 46 AVG als Beweismittel alles in Betracht kommt, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach der Lage des Falles zweckdienlich ist, darf die Behörde grundsätzlich auch das Ergebnis telefonischer Erhebungen bei ihrer Entscheidung verwerten (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, I. Band,

2. Auflage, 1998, auf Seite 740 unter E 68 und E 69 wiedergegebene hg. Judikatur). Ebenso kann auch das Parteiengehör telefonisch gewährt werden (vgl. die bei Walter/Thienel, a.a.O., auf Seite 716 und E 467 genannte hg. Rechtsprechung). Es ist zwar einzuräumen, dass die Telefonate mit Frau E. und mit dem Beschwerdeführer vom lediglich in der Begründung des angefochtenen Bescheides Erwähnung finden. Es geht daraus auch nicht hervor, ob dem Beschwerdeführer der Inhalt der Ermittlungsergebnisse zur Kenntnis gebracht wurde und er Gelegenheit hatte, hinreichend dazu Stellung zu nehmen. Die Verletzung des Parteiengehörs kann als Verfahrensmangel aber nur dann zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn die belangte Behörde bei der Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit,

3. Auflage, 1987, auf Seite 610 wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Insoweit der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Verfahrensmängeln begehrt, hätte er in der Beschwerde durch konkretes tatsächliches Vorbringen auch aufzuzeigen gehabt, zu welchem anderen Ergebnis die Behörde bei der aus seiner Sicht gebotenen Einhaltung der Verfahrensvorschriften hätte kommen können (vgl. dazu die hg. Judikatur bei Klecatsky/Öhlinger, Die Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts, 1984, Seite 294, E 38). Die Beschwerde geht jedoch in dieser Hinsicht selbst davon aus, dass die subjektive Einschätzung des Beschwerdeführers bezüglich seiner Eignung und persönlichen Fähigkeiten zu seiner Nichteinstellung geführt hat, womit sie deren Erwähnung im Vorstellungsgespräch jedenfalls nicht in Abrede stellt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am