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VwGH vom 04.07.2000, 96/05/0296

VwGH vom 04.07.2000, 96/05/0296

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Österreichischen Bundesbahnen, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien I, Singerstraße 17-19, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom , Zl. MA 62-III/20/96, betreffend einen Auftrag nach der Wiener Reinhalteverordnung 1982, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom hielt der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 10. Bezirk (im Folgenden: Bezirksamt), der Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als Liegenschaftseigentümerin vor, es bestünde auf dem Gelände des Südbahnhofes insofern ein sanitärer Übelstand, als in der Straße Nr. 5 Polstermöbel und Altholz lagerten.

Mit Schreiben vom antwortete die Beschwerdeführerin, dass die Ablagerungen von Dritten ohne Wissen und Wollen der Beschwerdeführerin durchgeführt wurden. Sie verwies auf die Subsidiarität der Reinhalteverordnung (§ 14 Abs. 2); in einem anderen Landesgesetz, nämlich dem Wiener AWG, seien die Voraussetzungen für die Verpflichtung des Liegenschaftseigentümers aber bereits geregelt.

Bei einer neuerlichen Überprüfung am wurde keine Veränderung bei den Ablagerungen festgestellt.

Mit Bescheid vom trug das Bezirksamt gemäß § 9 in Verbindung mit §§ 5 und 7 der Wr ReinhalteV der Beschwerdeführerin als Grundeigentümerin auf, die Verunreinigung:

"In der Straße 5 liegen mehrere Polstermöbel und Altholz" zu entfernen. Die Verunreinigung sei von einem Organ des Bezirksgesundheitsamtes festgestellt worden; dies sei der Beschwerdeführerin unter Fristsetzung für die Entfernung vorgehalten worden, aber trotzdem seien am 18. Jänner und am die Übelstände noch vorhanden gewesen.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung verwies die Beschwerdeführerin darauf, dass es sich beim betroffenen Grundstück um ein Bahnbetriebsgrundstück und damit um eine Eisenbahnanlage gemäß § 10 EisenbahnG handle. Es bestehe die alleinige Zuständigkeit des Bundes, nämlich der Eisenbahnbehörde; der Bund sei auch für den Umweltschutz in Bezug auf Eisenbahnen zuständig, sodass die Wr ReinhalteV keine Anwendung finde.

Vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 15-Gesundheitswesen, wurde bei einer Erhebung am festgestellt, dass die hier gegenständlichen Ablagerungen weiterhin bestünden. Über Vorhalt erklärte die Beschwerdeführerin in ihrem Schreiben vom , dass die im Bescheid vom aufgetragene Entfernung durchgeführt worden sei; sollten derzeit gleichartige Ablagerungen gegeben sein, handle es sich um neue Verunreinigungen.

Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den Bescheid des Bezirksamtes vom dahingehend ab, dass der Beschwerdeführerin als Eigentümerin des Grundstückes Wien 10, Südbahnhof/ident Sonnwendgasse, gemäß § 9 ReinhalteV der Auftrag erteilt wurde, die auf diesem Grundstück aus Ablagerungen von mehreren Polstermöbeln und Altholz bestehende Verunreinigung in der Straße 5 innerhalb von zwei Wochen ab Rechtskraft des Bescheides zu entfernen. Die auf Grund der §§ 76 und 108 der Wiener Stadtverfassung (entsprechend Art. 118 Abs. 3 und 118 Abs. 6 B-VG) erlassene Wr ReinhalteV sei im Rahmen der den Gemeinden zustehenden Befugnis zur Besorgung der behördlichen Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich erlassen worden. In diesen Angelegenheiten habe die Gemeinde das Recht, zur Abwehr von unmittelbar zu erwartenden oder zur Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben störender Missstände ortspolizeiliche Verordnungen zu erlassen. Unabhängig von der Bundeskompetenz betreffend das Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen sei daher jedenfalls die ReinhalteV des Magistrates der Stadt Wien auf das gegenständliche Grundstück anzuwenden.

In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihren Rechten insbesondere dadurch verletzt, dass trotz ausschließlicher Bundeskompetenz zufolge Widmung des Grundstückes im Sinne des § 10 EisenbahnG als Eisenbahnbetriebsgrund unrichtigerweise eine landesgesetzliche Regelung, nämlich die ReinhalteV, angewendet wurde. Sie begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier anzuwendenden Bestimmungen der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien betreffend die Reinhaltung von Grundstücken und Baulichkeiten (Reinhalteverordnung 1982;

ReinhalteV) lauten:

"§ 5. Das Verunreinigen von anderen als den im § 4 genannten Teilen (zum Beispiel von Stiegenanlagen, Gängen und Hausfluren sowie von nicht der individuellen Benützung vorbehaltenen Keller- und Dachbodenteilen) der im Privateigentum stehenden Gebäude sowie von im Privateigentum stehenden Höfen und Grundstücken ist verboten. Als Verunreinigen gilt das Wegwerfen und Ausgießen sowie jegliches Ablagern von Abfällen, wie insbesondere Schutt, Aushubmaterial, altem Hausrat, Gerümpel, Fahrzeug-, Maschinen- und Gerätewracks oder Teilen davon, alten Fahrzeugreifen, Haus- und Hofkehricht, Asche und Schlacke, Ruß, Speisen oder Speiserückständen, Lumpen, Scherben, Knochen, Metallen, Blechdosen, Altpapier sowie hauswirtschaftlichen, pflanzlichen und betrieblichen Abfallprodukten und von anderen, für den bestimmungsgemäßen oder einen sonstigen sinnvollen Gebrauch augenscheinlich nicht mehr geeigneten oder solchen Gegenständen, deren sich der Inhaber nach den Umständen des Falles offenbar entledigen wollte, ferner das Verrichten der Notdurft außerhalb von sanitären Anlagen. Das Streuen von zur Tierfütterung bestimmten Substanzen gilt nicht als Verunreinigung, sofern zu erwarten ist, dass diese im Hinblick auf ihre Art und geringe Menge sowie auf den Ort des Streuens von Vögeln rasch aufgenommen werden.

. . .

Behördliche Aufträge und Anordnungen

§ 9. Wird der Verpflichtung zur Beseitigung eines Übelstandes im Sinne der §§ 4 bis 8 nicht entsprochen, hat der Magistrat aus öffentlichen Rücksichten, unbeschadet zivilrechtlicher Ersatzansprüche und der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit, dem Eigentümer (Miteigentümer) des Gebäudes oder der Grundfläche mit Bescheid die Beseitigung des Übelstandes aufzutragen. Im Falle einer Verpachtung, Vermietung oder sonstigen Überlassung von Gebäuden, Gebäudeteilen oder Grundflächen zur Nutzung ist dieser Auftrag auch dem Pächter, Mieter oder Nutzungsberechtigten zu erteilen.

. . .

Abgrenzungsbestimmungen

§ 14. ...

(2) Die Gebote und Verbote dieser Verordnung finden keine Anwendung auf Handlungen oder Unterlassungen, die schon nach einer bundes- oder landesgesetzlichen Regelung geboten oder verboten sind.

(3) Aufträge und Anordnungen im Sinne der §§ 9, 10 und 12 dürfen dann nicht erteilt werden, wenn die Beseitigung des Übelstandes auf Grund bundes- oder landesgesetzlicher Vorschriften verfügt oder angeordnet werden kann."

Bei dieser Verordnung handelt es sich um eine ortspolizeiliche Verordnung im Sinne des Art. 118 Abs. 6 B-VG, die auf die Bekämpfung konkreter gemeindespezifischer Missstände abzielt (Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Zl. B 339/97). Die Beseitigung von Verunreinigungen wird im Rahmen der örtlichen Gesundheitspolizei ausgeführt, welche von der Gemeinde gemäß Art. 118 Abs. 3 Z. 7 B-VG im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen ist (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. Nr. 9.704).

Unbestritten ist, dass die Behörde auf einer Eisenbahnanlage im Sinne des § 10 EisenbahnG 1957 eingeschritten ist. Die hier in Betracht kommenden Bestimmungen dieses Gesetzes lauten:

"§ 10. Eisenbahnanlagen sind Bauten, ortsfeste eisenbahntechnische Einrichtungen und Grundstücke einer Eisenbahn, die ganz oder teilweise, unmittelbar oder mittelbar der Abwicklung oder Sicherung des Eisenbahnbetriebes oder Eisenbahnverkehrs dienen. Ein räumlicher Zusammenhang mit der Fahrbahn ist nicht erforderlich.

. . .

§ 41. (1) Die Behörde hat auf Antrag des Eisenbahnunternehmens die Beseitigung eines durch verbotswidriges Verhalten herbeigeführten Zustandes anzuordnen.

(2) Die innerhalb des Gefährdungsbereiches durch Naturereignisse (wie Lawinen, Erdrutsch, natürlicher Pflanzenwuchs) eingetretenen Gefährdungen der Eisenbahn (§ 39 Abs. 1) sind vom Eisenbahnunternehmen zu beseitigen. Wenn der Verfügungsberechtigte hiezu seine Zustimmung verweigert, so hat ihm die Behörde auf Antrag des Eisenbahnunternehmens die Duldung der Beseitigung aufzutragen.

§ 42. Innerhalb der Eisenbahnanlagen ist ein den Eisenbahnbetrieb oder Eisenbahnverkehr störendes Verhalten verboten. Insbesondere ist verboten, Eisenbahnanlagen, eisenbahntechnische Einrichtungen und Fahrbetriebsmittel zu beschädigen oder zu verunreinigen, unbefugt Gegenstände auf die Fahrbahn zu legen, sonstige Fahrthindernisse anzubringen, Weichen umzustellen, Fahrleitungsschalter zu betätigen, Alarm zu erregen oder Signale zu geben."

Mit der Abgrenzungsregelung in § 14 Abs. 2 bzw. 3 ReinhalteV hat der einfache Landesgesetzgeber auf die im Lichte des B-VG gebotene Abgrenzung in kompetenzrechtlicher Hinsicht Rücksicht genommen. Die Verunreinigung einer Eisenbahnanlage ist nämlich schon nach § 42 zweiter Satz EisenbahnG verboten, sodass die Gebote und Verbote der Verordnung gemäß § 14 Abs. 2 ReinhalteV keine Anwendung finden. Ausdrücklich sieht Abs. 3 dieser Bestimmung u.a. vor, dass ein Auftrag im Sinne des § 9 ReinhalteV nicht erteilt werden darf, wenn die Beseitigung des Übelstandes auf Grund einer bundesgesetzlichen Vorschrift angeordnet werden kann. § 41 Abs. 1 EisenbahnG ermächtigt die Behörde, die Beseitigung eines durch verbotswidriges Verhalten herbeigeführten Zustandes anzuordnen, sodass auch insbesondere die Beseitigung einer Verunreinigung angeordnet werden kann.

Nur darauf stellt aber § 14 Abs. 3 ReinhalteV ab; die Abgrenzung tritt nicht etwa nur dann ein, wenn die Beseitigung auch vom Grundeigentümer verlangt werden kann, sondern es genügt, dass die Beseitigung "verfügt oder angeordnet" werden kann. Die Verwaltungsbehörden durften daher im vorliegenden Fall einen Auftrag im Sinne des § 9 ReinhalteV nicht erteilen.

Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf eine ähnliche Abgrenzungsbestimmung in § 18 Wiener BaumschutzG, die Gegenstand des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 14.534, bildete: Der Verfassungsgerichtshof hob den Auftrag durch die Wiener Behörden gemäß § 14 Abs. 1 Wiener BaumschutzG, eine Ersatzpflanzung für auf Eisenbahngrund umgeschnittene Bäume durchzuführen, wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter auf, weil gemäß der Ausnahmeregelung des § 18 Wr. BaumschutzG betreffend den in Frage stehenden Baum im Bereich der Eisenbahnanlage keine Bewilligungspflicht gemäß § 14 Abs. 1 Wr. BaumG bestand.

Schon wegen unrichtiger Anwendung der ReinhalteV erwies sich die Beschwerde daher als berechtigt, sodass der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am