VwGH 07.08.2002, 2002/08/0011
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | |
RS 1 | Mietrückstände des Ehemannes der Notstandshilfebezieherin können nicht zu den berücksichtigungswürdigen Fällen im Sinne des § 36 Abs. 5 AlVG idF BGBl. I Nr. 6/1998 gezählt werden, in denen Erhöhungen der Freibeträge bei Anrechnungen des Einkommens des Ehepartners möglich sind (Hinweis auf die nach § 36 Abs. 5 AlVG ergangene Richtlinie des Arbeitsmarktservice Österreich zur Freigrenzenerhöhung, idF Wiener Zeitung vom , abgedruckt auch bei Dirschmied, AlVG, 1. Lieferung, S. 487 ff; E , 2002/08/0010). |
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RS 2 | Krankheiten stellen berücksichtigungswürdige Gründe für eine Freigrenzenerhöhung im Sinne des § 36 Abs. 5 AlVG und der Richtlinie des Arbeitsmarktservice Österreich zur Freigrenzenerhöhung (idF Wiener Zeitung vom , abgedruckt auch bei Dirschmied, AlVG, 1. Lieferung, S. 487 ff.) dar. |
Normen | |
RS 3 | Die Behörde hat es unterlassen, die Notstandshilfeempfängerin aufzufordern, Kosten, die ihr aufgrund von Amalgamvergiftungen entstanden seien, näher nachzuweisen. Erst wenn die Notstandshilfeempfängerin einer derartigen Aufforderung im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen wäre (Hinweis , 92/08/0023), hätte die Behörde ihre Ermittlungspflicht erfüllt. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der L in T, vertreten durch Dr. Helmut Steiner, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Kaiser-Franz-Ring 13, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom , Zl. LGS NÖ/JUR/12181/2000, betreffend Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Am hat die Beschwerdeführerin bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice einen Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses gemäß § 23 AlVG gestellt. Zuvor bezog die Beschwerdeführerin nach einer im Akt liegenden Bescheinigung der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse vom bis Krankengeld in der Höhe von S 276,90 täglich.
Mit Schreiben vom stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Bescheiderlassung, da ihre Pensionsbevorschussung ohne Begründung von S 274,-- auf 200,-- täglich gekürzt worden sei, was sie bekämpfen wolle.
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin gemäß § 33 AlVG und § 2 Notstandshilfeverordnung Notstandshilfe in den Zeiträumen vom bis in der Höhe von S 207,50 und vom bis in der Höhe von S 200,40 täglich gebühre. Begründend wurde ausgeführt, auf Grund des Einkommens des Ehemannes der Beschwerdeführerin aus einem Dienstverhältnis im Mai und Juni 1999 ergebe sich der im Spruch genannte Tagessatz. Ab liege keine Anrechnung mehr vor.
Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom keine Folge gegeben. Der erstinstanzliche Bescheid vom wurde dahingehend abgeändert, dass gemäß § 23 Abs. 1 iVm § 33 Abs. 2 AlVG und § 2 Notstandshilfeverordnung festgestellt wurde, dass Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses für die Zeit vom bis in Höhe von S 207,50 täglich und in der Zeit vom bis in Höhe von S 188,40 täglich gebühre. Ab gebühre die Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses ohne Anrechnung.
Nach dem Vorbringen im Verfahrenshilfeantrag der Beschwerdeführerin zwecks Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den genannten Bescheid vom wurde dieser Bescheid im Februar 2000 (ohne nähere Datumsangabe) zugestellt. Dieser Bescheid war Gegenstand des hg. Verfahrens zur Zl. 2002/08/0010.
2. Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom wurde gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum vom bis widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt. Begründend wurde ausgeführt, eine Neubeurteilung für den genannten Zeitraum habe ergeben, dass auf Grund der monatlichen Anrechnung von S 2.542,-- und der Anrechnung für den Familienzuschlag von S 149,-- die Notstandshilfe in der Höhe von S 188,40 täglich gebühre.
Der am gegen den zuletzt genannten Bescheid eingebrachten Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit dem nunmehr beschwerdegegenständlichen Bescheid keine Folge gegeben. Der erstinstanzliche Bescheid wurde dahingehend abgeändert, dass die Bemessung der Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses rückwirkend gemäß § 23 Abs. 1 iVm § 24 Abs. 2 AlVG dahingehend berichtigt werde, dass Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses in der Zeit vom bis in der Höhe von S 188,40 täglich gebühre. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice habe ursprünglich mit Bescheid vom festgestellt, dass gemäß § 33 AlVG iVm § 2 Notstandshilfeverordnung die Notstandshilfe für die Zeit vom bis in Höhe von S 207,50 täglich und vom bis in Höhe von S 200,40 täglich auf Grund des Einkommens des Ehemannes gebühre. In der Begründung sei dargelegt worden, dass ab keine Anrechnung erfolge. Der Berufung gegen den Bescheid vom sei mit dem Bescheid der belangten Behörde vom keine Folge gegeben worden. Der erstinstanzliche Bescheid sei dahingehend abgeändert worden, dass nunmehr festgestellt worden sei, dass Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses für die Zeit vom bis in Höhe von S 207,50 täglich und in der Zeit vom bis in Höhe von S 188,40 täglich gebühre, wobei richtig eine Zuerkennung nur bis 8. Juli gewesen wäre. Da über den Zeitraum vom bis erstinstanzlich noch nicht abgesprochen gewesen sei, habe die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice den verfahrensgegenständlichen Bescheid vom erlassen. Mit diesem sei die Bemessung der Notstandshilfe ohne Betragsangabe für die Zeit vom bis berichtigt bzw. widerrufen worden. Lediglich in der Bescheidbegründung sei angeführt worden, dass ein Leistungssatz von S 188,40 täglich gebühre. Die belangte Behörde habe die Berechnung der Leistung für den Zeitraum vom bis unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwendungen überprüft und den Betrag von S 188,40 für korrekt befunden. Ein Grund für eine amtswegige Aufhebung bzw. Abänderung des rechtskräftigen Berufungsbescheides der belangten Behörde vom im Sinne des § 68 Abs. 2 AVG liege nicht vor.
Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde ausgesprochen, dass Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses in der Zeit vom bis in der Höhe von S 188,40 täglich gebühre. Hinsichtlich dieses Zeitraumes erfolgte bereits ein Abspruch der belangten Behörde in ihrem Bescheid vom , wobei ebenfalls S 188,40 täglich als Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses festgesetzt wurden.
Der Bescheid vom wurde mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/08/0010, hinsichtlich seines Ausspruches für den Zeitraum vom 9. bis aufgehoben. Die Beschwerdeführerin kann daher im hier gegenständlichen Verfahren jedenfalls nicht mehr dadurch beschwert sein, dass die belangte Behörde in derselben Sache zweimal entschieden hat.
Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, dass Kreditrückzahlungen des Ehemannes der Beschwerdeführerin bei der Festsetzung der Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses zu berücksichtigen gewesen wären, ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung des soeben genannten hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2002/08/0010, zu verweisen.
Gemäß § 36 Abs. 5 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 6/1998 kann eine Erhöhung der bei Anrechnung des Einkommens des Ehepartners maßgebenden Freibeträge in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie z. B. Krankheit, Schwangerschaft, Niederkunft, Todesfall, Hausstandsgründung und dergleichen, nach Anhörung des Regionalbeirates im Rahmen der vom Arbeitsmarktservice festgelegten Richtlinien erfolgen.
Hinsichtlich der in der Beschwerde angesprochenen Mietrückstände gilt das im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/08/0010, zu Kreditrückzahlungen Ausgeführte, dass diese nämlich nicht unter die genannten berücksichtigungswürdigen Gründe fallen. Sie sind in der Richtlinie des Arbeitsmarktservice idF Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom , abgedruckt auch bei Dirschmied, AlVG, 1. Lieferung, S. 487 ff., auch nicht enthalten.
Die Beschwerde richtet sich ferner dagegen, dass Kosten, die auf Grund von Amalgamvergiftungen entstanden seien, seitens der belangten Behörde keine Beachtung im Hinblick auf eine mögliche Freigrenzenerhöhung erfahren hätten. Damit wird eine Krankheit angesprochen; Krankheiten stellen berücksichtigungswürdige Gründe für eine Freigrenzenerhöhung im Sinne der zuvor genannten Bestimmungen des § 36 Abs. 5 AlVG und der Richtlinie des Arbeitsmarktservice dar. Ein diesbezügliches Vorbringen, dass sowohl sie als auch ihr Ehemann an kostenverursachender Amalgamvergiftung litten, hat die Beschwerdeführerin, wenn auch nicht detailliert, bereits in der Berufung erstattet. Die belangte Behörde hat in ihrer Bescheidbegründung lediglich festgestellt, dass die Kosten wegen Amalgamvergiftung nicht nachgewiesen worden seien.
Die belangte Behörde hat es jedoch unterlassen, die Beschwerdeführerin aufzufordern, diese Kosten näher nachzuweisen. Erst wenn die Beschwerdeführerin einer derartigen Aufforderung im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen wäre (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/08/0023), hätte die belangte Behörde ihre Ermittlungspflicht erfüllt. Hätte die belangte Behörde aber ein entsprechendes Ermittlungsverfahren durchgeführt, hätte sie auch zu einem anderen Bescheid kommen können. Da die Angaben der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung auch in zeitlicher Hinsicht unbestimmt waren, ist das Argument der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, die Kosten seien laut Berufung zu im Verfahren nicht maßgebenden Zeiten angefallen, nicht zur Rechtfertigung der Vorgangsweise der belangten Behörde geeignet.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 15884 A/2002 |
Schlagworte | Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1 Verfahrensbestimmungen Amtswegigkeit des Verfahrens Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2002:2002080011.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAE-48277