VwGH vom 18.07.2001, 98/13/0003
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Heinzl, Dr. Fuchs und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde der M L in W, vertreten durch Dr. Georg Hesz, Rechtsanwalt in Wien IV, Graf Starhemberggasse 39/15, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat I) vom , Zl. GA 15-96/1317/15, betreffend Einkommensteuer 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin reichte beim Finanzamt für das Jahr 1994 eine Einkommensteuererklärung ein, in welcher sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von S 37.960,-- erklärte. Die Veranlagung zur Einkommensteuer erfolgte diesbezüglich neben der Berücksichtigung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erklärungsgemäß.
In der dagegen erhobenen Berufung wurde vorgebracht, dass hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung irrtümlich keine Abschreibung angesetzt worden sei. Die (Anm.:
laut den Ausführungen im angefochtenen Bescheid seit 1980 "durchgehend") vermietete Eigentumswohnung sei Ende 1993 im Erbweg erworben worden, sodass für die Bemessung der Abschreibungen gemäß § 16 Abs 1 Z 8 EStG 1988 auf Antrag - welcher hiemit gestellt werde - die fiktiven Anschaffungskosten per Anfang 1994 zu Grunde zu legen seien, welche für die betreffende Wohnung von rund 93 m2 a S 20.000,-- mit S 1,8 Millionen anzusetzen seien. Da das Gebäude vor 30 Jahren errichtet worden sei, werde bei einer "vermuteten Gesamtnutzungsdauer von 66 Jahren (§ 16 Abs 1 Z 8 lit e EStG 1988)" eine Restnutzungsdauer von 36 Jahren, somit eine Absetzung für Abnutzung von S 50.000,-- p.a. anzusetzen sein.
Das Finanzamt hielt der Beschwerdeführerin vor, dass die AfA gemäß § 16 Abs 1 Z 8 lit e EStG 1988 1,5 % der Bemessungsgrundlage betrage. Ein höherer AfA-Satz komme nur bei Vorlage eines entsprechenden Gutachtens über den Bauzustand (Restnutzungsdauer) in Betracht.
In ihrer Vorhaltsbeantwortung vertrat die Beschwerdeführerin die Ansicht, dass die in der angeführten Gesetzesstelle normierte - ohne Nachweis der Nutzungsdauer mögliche - Abschreibungshöhe von 1,5 % der Bemessungsgrundlage einer Nutzungsdauer von rund 66 Jahren entspreche. Da das Gebäude 30 Jahre vor dem Übergang auf die Beschwerdeführerin errichtet worden sei, betrage die Restnutzungsdauer 36 Jahre, sodass sich eine Gesamtnutzungsdauer von 66 Jahren ergebe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung dahingehend teilweise stattgegeben, dass ausgehend von einem Einheitswert zum in Höhe von S 89.040,-- und einem AfA-Satz von 1,5 % eine Abschreibung für Abnutzung von S 1.335,-- anerkannt wurde. Im Übrigen wurde die Berufung im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der Antrag, die AfA auf Basis der fiktiven Anschaffungskosten vorzunehmen, anlässlich der Veranlagung für jenes Kalenderjahr gestellt hätte werden müssen, in welchem das Gebäude unentgeltlich erworben worden war, der AfA-Satz bei Gebäuden nach § 16 Abs 1 Z 8 lit a EStG 1988 grundsätzlich 1,5 % betrage und dies einer "gesetzlich festgelegten" Nutzungsdauer von rund 67 Jahren entspreche. Da die Beschwerdeführerin "eine Nutzungsdauer des Gebäudes von insgesamt 66 Jahren angibt und ermittelt, entspricht dies der gesetzlich festgelegten Nutzungsdauer und einem AfA-Satz von 1,5 %".
Die Beschwerdeführerin erhob dagegen zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung aber mit Beschluss vom , B 1845/97, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof rügt die Beschwerdeführerin, dass sie für das Jahr 1993 keinen Antrag habe stellen können, weil sie im Hinblick darauf, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in diesem Jahr weniger als S 10.000,-- betragen hätten, "für dieses Jahr nicht zu veranlagen war". Es hätte daher auch erst 1994 der Antrag auf Berücksichtigung der AfA gestellt werden können. Im Übrigen sei schon aus dem Wortlaut in Verbindung mit dem Sinn der Bestimmung des Gesetzes zu § 16 Abs 1 Z 8 lit b EStG 1988 zu entnehmen, dass "der Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbes auf den Ansatz der fiktiven Anschaffungskosten zu beziehen sei und nicht der Zeitpunkt der Antragstellung". Der Steuerpflichtige müsse den Antrag bei der ersten Veranlagung, in der die Mieteinnahmen aufschienen, stellen.
Wird ein Gebäude unentgeltlich erworben, dann ist gemäß § 16 Abs 1 Z 8 lit b EStG 1988 der Absetzung für Abnutzung der gesamte Einheitswert für den letzten Feststellungszeitpunkt vor dem unentgeltlichen Erwerb zu Grunde zu legen. Auf Antrag sind auch die fiktiven Anschaffungskosten im Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbes anzusetzen.
Nun mag es zutreffen, dass im Beschwerdefall eine verpflichtende Veranlagung der Beschwerdeführerin im Sinn des § 41 Abs 1 EStG 1988 zur Einkommensteuer 1993 nicht bestand. Soweit die Beschwerdeführerin aber vorbringt, sie habe deswegen keinen Antrag (im Sinn des § 16 Abs 1 Z 8 lit b EStG 1988) stellen können, übersieht sie, dass es ihr nach § 41 Abs 2 Z 1 EStG 1988 in der für 1993 (noch) geltenden Fassung freigestanden wäre, einen Antrag auf Veranlagung ungeachtet der Erzielung von anderen als lohnsteuerpflichtigen Einkünften von weniger als S 10.000,-- zu stellen. Es trifft daher nicht zu, dass ein Antrag nach § 16 Abs 1 Z 8 lit b EStG 1988 erst anlässlich der Einreichung der Einkommensteuererklärung für 1994 hätte gestellt werden können. Vom Wahlrecht im Sinn des § 16 Abs. 1 Z. 8 EStG wird allerdings dann noch nicht konkret Gebrauch gemacht, wenn ein Steuerpflichtiger in einem Fall, in welchem sich bei Ansatz einer von den fiktiven Anschaffungskosten ausgehenden AfA ein Verlust ergibt, auf eine nach § 41 Abs. 2 fristgebunden zu beantragende Verlustveranlagung verzichtet, weil in einem solchen Fall die Entscheidung des Steuerpflichtigen über die Antragstellung im Sinn des § 16 Abs. 1 Z. 8 EStG nicht ausreichend klargestellt ist.
Im Übrigen kann aber der im Beschwerdevorbringen zum Ausdruck kommenden Ansicht, dass mit dem Begriff "Nutzungsdauer" in § 16 Abs 1 Z 8 lit e EStG 1988 jedenfalls die Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes angesprochen werde, nicht aber, wie die belangte Behörde im Ergebnis meint, die Restnutzungsdauer, nicht gefolgt werden. Folgte man der Ansicht der Beschwerdeführerin, so wäre nämlich - wie gerade das Beschwerdevorbringen zeigt - für jedes Gebäude entsprechend seinem jeweiligen tatsächlichen Alter ein anderer und nur in Ausnahmefällen - nämlich bei Neubauten - der im Gesetz normierte Prozentsatz zur Anwendung zu bringen, wiewohl zweifellos die Mehrheit der Gebäude, für welche eine Absetzung für Abnutzung in Betracht kommt, nicht erst im Jahr der erstmalig anzuwendenden gesetzlichen Bestimmung des § 16 Abs 1 Z 8 lit e EStG 1988, somit im Jahr 1989, angeschafft oder hergestellt wurde. Dies widerspräche aber dem klaren Wortlaut des Gesetzes, welcher einen grundsätzlich einheitlichen, jährlich geltend zu machenden Prozentsatz von 1,5 normiert.
Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage durch den Verzicht auf eine Verlustveranlagung von einer Konsumation des Wahlrechtes ausgegangen ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Wien, am