VwGH vom 22.12.2004, 2002/08/0001

VwGH vom 22.12.2004, 2002/08/0001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des C in G, vertreten durch Dr. Peter Schlösser und Dr. Christian Schoberl, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Alberstraße 9/I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. 5- s26m19/4-2001, betreffend Beitragspflicht nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 8010 Graz, Josef Pongratz-Platz 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse Anita B. und den Beschwerdeführer, "Gesellschafter der Dr. Venus Ltd. (es folgt eine Anschrift in England), Betriebsadresse (in Österreich) T. straße 451, 8055 Graz", für zwei namentlich genannte Dienstnehmer für bestimmt bezeichnete Zeiträume allgemeine Beiträge zur Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung, Sonderbeiträge, Umlagen und Zuschläge in der Höhe von insgesamt S 121.003,13 zu entrichten.

In der Begründung wurde ausgeführt, beide im Spruch genannten Dienstnehmer seien bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zu näher genannten Zeitpunkten an- und abgemeldet worden, wobei als Dienstgeber jeweils die Dr. Venus Ltd. mit der im Spruch angeführten Betriebsadresse in Graz angegeben worden sei. Die genannte Gesellschaft mit dem Hauptsitz in England habe die Eintragung ihrer österreichischen Zweigniederlassung an der Anschrift T. straße 451, 8055 Graz, beim zuständigen Firmenbuchgericht beantragt. Dieser Antrag sei rechtskräftig abgewiesen worden. Da die Dr. Venus Ltd. in Österreich demnach

"nicht wirksam gegründet wurde und insofern nicht als Dienstgeber ... angesehen werden kann, sind die in Bezug auf die Aufnahme und Entlohnung der im gegenständlichen Betrieb beschäftigten Dienstnehmer handelnden Personen und Mitgesellschafter, nämlich Frau Anita B. (Geschäftsanteil von 60 %) und (der Beschwerdeführer) (Geschäftsanteil von 40 %), als Dienstgeber anzusehen."

Einer der beiden Dienstnehmer - so die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse weiter - habe angegeben, von beiden Gesellschaftern "aufgenommen worden zu sein" und mit ihnen die Entlohnung vereinbart zu haben; der Lohn sei von den Gesellschaftern bezahlt worden. Der andere Dienstnehmer habe angegeben, mit Frau Anita B. die Entlohnung vereinbart zu haben und von ihr bezahlt und überwacht worden zu sein. Der Antrag auf Eintragung der österreichischen Betriebsstätte sei deswegen abgewiesen worden, weil als Unternehmensgegenstand der Zweigniederlassung "Bordellbetrieb" angegeben worden sei, nach dem Steiermärkischen Prostitutionsgesetz aber für den Betrieb eines Bordells eine Bordellbewilligung erforderlich sei, die nur an natürliche Personen erteilt werden dürfe. Bordelle könnten demnach nur von Einzelpersonen und nicht von Gesellschaften betrieben werden.

Dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Begründend gab sie den Gang des Verwaltungsgeschehens wieder und ging davon aus, dass die beiden genannten Dienstnehmer während der festgestellten Zeiten zwar beschäftigt gewesen seien, die Dr. Venus Ltd. jedoch als Dienstgeber mangels Eintragung im Firmenbuch in Österreich nicht in Frage komme (Hinweis auf den die Eintragung versagenden ). Das Handeln der beiden Gesellschafter (Beschwerdeführer und Anita B.) sei nicht der Gesellschaft zuzurechnen, weshalb zu prüfen sei, ob die Genannten selbst Dienstgeber seien. Es sei von folgenden Feststellungen auszugehen:

Ein Dienstnehmer sei von Anita B. gekündigt worden, habe von ihr telefonische Weisungen erhalten, habe seinen Monatslohn unter Anschluss eines Lohnzettels von ihr bekommen, jedoch nicht angegeben, von wem er eingestellt worden sei. Der andere Dienstnehmer sei von Anita B. und dem Beschwerdeführer aufgenommen worden, mit denen auch die Höhe des Entgelts vereinbart worden sei und die auch die Zahlungen geleistet hätten; das Dienstverhältnis sei durch einvernehmliche Lösung beendet worden.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass die nach englischem Recht gegründete Gesellschaft in Österreich nie Rechtspersönlichkeit erlangt habe. Daher seien nicht die im Ausland registrierte Gesellschaft, sondern deren Repräsentanten im Inland als Dienstgeber anzusehen. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung stellte die belangte Behörde sodann fest, dass der Beschwerdeführer und Anita B. die "Zweigniederlassung Triesterstraße" gemeinsam betrieben hätten; der Betrieb sei auf Rechnung und Risiko der Anita B. und des Beschwerdeführers geführt worden. Beide hätten daher eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gebildet, sodass auch beide als Dienstgeber anzusehen seien. Als Dienstgeber schuldeten sie die vorgeschriebenen Beiträge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass die im angefochtenen Bescheid genannten Dienstnehmer während der dort bezeichneten Zeiträume in einem der Anschrift nach konkretisierten "Bordellbetrieb" in Österreich voll- und arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt waren. Die vorgeschriebenen Beiträge sind auch in Ansehung ihrer Höhe nicht strittig. Ausschließlich strittig ist die Frage, ob der Beschwerdeführer Dienstgeber dieser Dienstnehmer und damit Beitragsschuldner gewesen ist.

Nahm die belangte Behörde das Vorliegen von Dienstverhältnissen mit dem Beschwerdeführer als Dienstgeber unter anderem deshalb an, weil durch die Ablehnung der Eintragung der englischen Gesellschaft im österreichischen Firmenbuch nicht das im Ausland registrierte Unternehmen, sondern "der Repräsentant der Firma im Inland als Dienstgeber anzusehen" sei, ist sie offenbar davon ausgegangen, dass es auf die Registrierung (der Betriebsstätte) in Österreich ankomme. Diese Ansicht ist unzutreffend, weil die österreichische Zweigniederlassung als Dienstgeberin selbst bei einer Eintragung der Gesellschaft im Firmenbuch nicht in Frage gekommen wäre. Eine Zweigniederlassung einer im Ausland eingetragenen Gesellschaft besitzt nämlich keine eigene Rechtspersönlichkeit (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 97/08/0083).

Gemäß § 35 Abs. 1 ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs(Lehr)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist.

Für die Dienstgebereigenschaft ist wesentlich, wer nach rechtlichen (und nicht bloß tatsächlichen) Gesichtspunkten aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird, wen also das Risiko des Betriebes im Gesamten unmittelbar trifft. Im Falle der Betriebsführung durch dritte Personen muss ihm zumindest die rechtliche Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Betriebsführung zustehen (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 12325/A).

Offenbar im Hinblick auf diese Rechtslage führte die belangte Behörde aus, der Betrieb sei "auf Rechnung und Risiko" sowohl der Anita B. als auch des Beschwerdeführers geführt worden sowie, beiden sei die "rechtliche Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Betriebsführung" offen gestanden, und schloss daraus auf die Dienstgebereigenschaft beider Genannten. Allerdings kann diese Beurteilung ohne entsprechende Tatsachengrundlage über den Umstand, wer aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wurde, wofür in erster Linie der Eigentümer des Unternehmens in Betracht kommt, nicht getroffen werden. Dass dies auf den Beschwerdeführer zuträfe, kann den behördlichen Feststellungen nicht entnommen werden.

Es kann im gegebenen Zusammenhang auf sich beruhen, ob die Geschäftsführerin der Dr. Venus Ltd. Anita B. (zur Geschäftsführertätigkeit vgl. den bereits zitierten Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom ) - sollte der Betrieb auf Rechnung und Gefahr der Gesellschaft geführt worden sein - allenfalls dadurch neben der Gesellschaft Dienstgeberin im arbeitsrechtlichen Sinne geworden sein könnte, dass sie ohne Hinweis auf die von ihr vertretene Gesellschaft Dienstverträge im eigenen Namen abgeschlossen hätte, weil dies die allfällige Dienstgeberstellung des Beschwerdeführers weder herbeiführen noch verhindern könnte.

Zusammengefasst hat es die belangte Behörde, ausgehend von ihrer unzutreffenden Rechtsansicht, mangels Registrierung in Österreich scheide die englische Gesellschaft als Dienstgeberin aus und, die "Repräsentanten" im Inland seien Dienstgeber, unterlassen, Feststellungen im aufgezeigten Sinn zu treffen, und hat damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Dieser war daher gemäß 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333; das auf Ersatz von Mehrwertsteuer gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil im pauschalierten Aufwandersatz für Schriftsatzaufwand die Mehrwertsteuer bereits enthalten ist.

Wien, am