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VwGH vom 17.12.1991, 90/08/0052

VwGH vom 17.12.1991, 90/08/0052

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 14-M 46/88, betreffend Beitragshaftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse in Wien X, Wienerbergstraße 15-19), zu Recht erkannt.

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem dem Einspruch nicht stattgebenden Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Begehren auf Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war - (nunmehr) unbestritten - vom (dem Tag der Bestellung in der Generalversammlung) und nicht erst ab (dem Tag der Eintragung im Handelsregister) bis zunächst gemeinsam mit Mag. H selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der N.H. Handelsgesellschaft m.b.H. Über seinen Antrag vom wurde mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom , AZ 6 Sa nn/88, über das Vermögen der genannten Gesellschaft das Ausgleichsverfahren eröffnet.

Mit Bescheid vom sprach die mitbeteiligte Wiener Gebietskrankenkasse aus, daß der Beschwerdeführer als ehemaliger Geschäftsführer der genannten Gesellschaft gemäß § 67 Abs. 10 im Zusammenhang mit § 83 ASVG verpflichtet sei, der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse die auf dem Beitragskonto der genannten Gesellschaft als Beitragsschuldnerin rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren im Betrag von S 174.316,52 zuzüglich näher bestimmter Verzugszinsen seit binnen 14 Tagen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Einspruch. Darin sowie in weiteren drei Schriftsätzen während des Einspruchsverfahrens und in vier mündlichen Verhandlungen bestritt er sein Verschulden an der Nichtentrichtung der genannten Sozialversicherungsbeiträge im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG. Er habe sich unverzüglich nach Antritt seiner Geschäftsführerfunktion (Ende November 1987 nach Rückkehr von einer notwendig gewordenen Geschäftsreise nach Polen) um die Buchhaltung gekümmert, dabei aber feststellen müssen, daß der andere Geschäftsführer Mag. H keine ordnungsgemäße Buchhaltung geführt habe. Daraufhin habe er gemeinsam mit dem Steuerberater der Gesellschaft und einer Angestellten die Buchhaltung erstellt. Nach Erlangung eines Überblicks über die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft um die Jahreswende 1987/1988 habe er den Ausgleichsantrag gestellt. Während seiner Geschäftsführertätigkeit sei niemandem eine Zahlung geleistet worden. Zum Nachweis dafür, daß erstens der Beschwerdeführer alles unternommen habe, um seiner Sorgfalt als Geschäftsführer zu entsprechen, und ihn an den Beitragsrückständen kein Verschulden treffe, und zweitens daß seitens der genannten Gesellschaft nicht mit Wissen und Willen des Beschwerdeführers als Geschäftsführer Zahlungen geleistet worden seien, beantragte er in der mündlichen Verhandlung vom unter anderem die Beischaffung des Aktes 24 d Vr 14070/87 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien betreffend die Strafsache gegen H und andere wegen §§ 153, 159 StGB und des Ausgleichsaktes.

Mit Bescheid vom gab die belangte Behörde dem Einspruch teilweise statt und stellte fest, daß der Beschwerdeführer als Geschäftsführer gemäß § 67 Abs. 10 ASVG verpflichtet sei, die auf dem Beitragskonto der Beitragsschuldnerin rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren im Betrag von S 127.765,64 zuzüglich näher bestimmter Verzugszinsen seit an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zu bezahlen. In der Bescheidbegründung wird nach Wiedergabe des Spruches des Bescheides der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse und des Einspruchsvorbringens, Zitierung des § 67 Abs. 10 ASVG und einem Hinweis auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Art der Verschuldenshaftung des Geschäftsführers nach dieser Bestimmung ausgeführt, es sei dem Beschwerdeführer auf Grund der Einspruchsausführungen die Möglichkeit gegeben worden, einen Nachweis dafür beizubringen, daß die Nichtentrichtung von Beiträgen bei Fälligkeit im Haftungszeitraum ohne sein Verschulden erfolgt sei. Ein solcher Nachweis habe von ihm jedoch bisher zumindest für die Zeit bis zur Zurücklegung seiner Funktion als Geschäftsführer am nicht erbracht werden können. Wohl habe Mag. H angegeben, daß die letzten Zahlungen der Beitragsschuldnerin Anfang November 1987 erfolgt seien, jedoch gehe aus den Erklärungen von J (einem späteren Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin) in der Niederschrift vom hervor, daß der Beitragsschuldnerin am ein Darlehen zur Verfügung gestellt worden sei, woraus vermutlich auch die Miete im Jänner 1988 bezahlt worden sei. Da seitens des Beschwerdeführers nicht nachgewiesen worden sei, welche fälligen bzw. bereits fällig gewordenen Verbindlichkeiten der Beitragsschuldnerin und mit welcher Quote aus den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln beglichen worden seien, habe mangels Vorlage entsprechender Nachweise sein schuldhaftes Verhalten und damit eine Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG angenommen werden müssen. Allerdings habe dem Einspruch bezüglich der Vorschreibung der Sozialversicherungsbeiträge für Jänner 1988 inklusive der Zinsen und Verwaltungsauslagen deshalb stattgegeben werden müssen, weil diese Vorschreibung erst mit Ablauf des und damit nach Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion des Beschwerdeführers fällig geworden sei. Das Einspruchsvorbringen, wonach der Beschwerdeführer zur Zeit der Fälligkeit der Beiträge für Oktober 1987 und November 1987 in Polen und Rumänien gewesen und die Abmeldung der Dienstnehmer durch den sonst zuverlässigen Steuerberater nicht vorgenommen worden sei, vermöge keinen Nachweis der Schuldlosigkeit des Beschwerdeführers zu erbringen, weil es zu den Pflichten des gesetzlichen Vertreters einer juristischen Person gehöre, durch geeinete Aufsichtsmaßnahmen dafür zu sorgen, daß die Erfüllung von an sich die juristische Person treffenden abgabenrechtlichen Pflichten tatsächlich erfolge. Dem Einwand des Beschwerdeführers, er habe im Jänner 1988 bereits den Ausgleich beantragt, weshalb ihm wegen der Nichtzahlung ab diesem Zeitpunkt kein Vorwurf gemacht werden könne, sei entgegenzuhalten, daß im Gegensatz zum Konkursverfahren dem Ausgleichschuldner bzw. dessen gesetzlichem Vertreter die Handlungsfähigkeit nicht genommen werde. Das bedeute, daß der Geschäftsführer einer GesmbH seine Pflicht zur Entrichtung fälliger Abgaben nicht verliere und daher für fällige Abgaben hafte.

Mit Beschluß vom , Zl. B 143/90, lehnte der Verfassungsgerichtshof die vom Beschwerdeführer gegen den dem Einspruch nicht stattgebenden Ausspruch dieses Bescheides erhobene Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Nach der an den Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, gemäß § 67 Abs. 10 ASVG nicht zur Haftung herangezogen zu werden, verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG in der Fassung der 41. Novelle, BGBl. Nr. 111/1986, haften die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge aus Verschulden des Vertreters nicht bei Fälligkeit entrichtet werden. Nach § 83 ASVG gelten unter anderem die Bestimmungen über die Haftung entsprechend für Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze bei zwangsweiser Eintreibung.

Der Verfassungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom , G 163/88 und Folgezahlen, die Worte "die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und" im § 67 Abs. 10 ASVG als verfassungswidrig auf und sprach aus, daß die Aufhebung mit Ablauf des in Kraft tritt. Da der dem Beschwerdefall zugrunde liegende Tatbestand jedoch vor der Aufhebung verwirklicht wurde und es sich um keinen Anlaßfall handelt, ist die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetzesstelle im Beschwerdefall gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG weiterhin anzuwenden.

Zu den im § 67 Abs. 10 ASVG genannten "zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen" gehören auch die Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 88/08/0283).

Soweit der Beschwerdeführer - unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes - sein Verschulden an der Nichtentrichtung der haftungsgegenständlichen (erst nach seiner Bestellung zum Geschäftsführer fällig gewordenen), der Höhe nach nicht bestrittenen Sozialversicherungsbeiträge und Nebengebühren mit der schon im Einspruchsverfahren vorgebrachten, oben wiedergegeben Begründung in Abrede stellt, er habe unverzüglich nach Übernahme der Geschäftsführerfunktion durch die Erstellung einer ordnungsgemäßen Buchhaltung und die Beantragung eines Ausgleichsverfahrens nach Kenntnis des Schuldenstandes der Beitragsschuldnerin die ihm zumutbaren Vorkehrungen getroffen, verkennt er die spezifische Art der öffentlich-rechtlichen Haftung des Geschäftsführers einer GesmbH nach § 67 Abs. 10 ASVG. Denn diese Haftung ist zwar ihrem Wesen nach eine dem zivilrechtlichen Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, sie trifft aber den Geschäftsführer nur dann und deshalb, wenn und weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehende gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen schuldhaft verletzt hat. Von dieser (unmittelbar auf den in Sozialversicherungsgesetzen selbst enthaltenen, beitragsrechtlichen Verpflichtungen beruhenden und die nicht ordnungsgemäße Befriedigung bereits entstandener Beitragsschulden sanktionierenden) Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG ist eine allfällige sonstige, im Zivilrechtsweg geltend zu machende Haftung zu unterscheiden, die den Geschäftsführer einer GesmbH z.B. deshalb treffen kann, weil er durch die Verzögerung der Antragstellung auf Konkurseröffnung im Sinne des § 69 KO bzw. § 1 AO (also durch die Verletzung eines Schutzgesetzes im Sinne des § 1311 ABGB) die Gläubiger (Sozialversicherungsträger) durch das Entstehen zusätzlicher Verbindlichkeiten geschädigt hat (vgl. dazu unter anderem die Erkenntnisse vom , Zl. 90/08/0016, Zl. 90/08/0045 und Zl. 90/08/0100). Die Haftung oder fehlende Haftung in einem der beiden Haftungsbereiche muß nicht notwendig jene im jeweils anderen ein- oder ausschließen. Deshalb können die Haftungsvoraussetzungen nach § 67 Abs. 10 ASVG auch dann vorliegen, wenn der Geschäftsführer einer GesmbH - so wie der Beschwerdeführer nach seiner Behauptung - seinen aus seiner Geschäftsführerfunktion resultierenden zivilrechtlichen Verpflichtungen gegenüber Gesellschaftern und Gesellschaftsgläubigern, insbesondere auch nach § 69 KO bzw. § 1 AO, entspricht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. außer den eben zitierten Erkenntnissen unter anderem jene vom , Zl. 89/08/0217, vom , Zl. 90/08/0008, und vom , Zlen. 89/08/0321, 0322) kann eine Verletzung der gesetzlichen Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge - für deren Beurteilung die von der Rechtsprechung zu den §§ 9 und 80 BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden können - z.B. darin liegen, daß der Geschäftsführer die Beitragsschulden insoweit (ohne rechtliche Grundlage) schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt läßt. Gegen die Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Beitragsverbindlichkeit mit anderen Schulden verstößt der Geschäftsführer auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Errichtung aller Verbindlichkeiten der Beitragsschuldnerin zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, er aber (zumindest fahrlässig) diese Mittel nicht anteilig für die Begleichung aller (im obigen Sinn gleichzubehandelnden) Verbindlichkeiten verwendet und dadurch die Beitragsschulden im Verhältnis zu anderen Verbindlichkeiten schlechter behandelt hat; insoweit ist auch das Ausmaß der Haftung bestimmt.

Unter Bedachtnahme auf die Grundsätze der Rechtsprechung zur abgabenrechtlichen Haftung nach den §§ 9 und 80 BAO ist es allerdings auch im sozialversicherungsrechtlichen Haftungsverfahren Sache des haftungspflichtigen Geschäftsführers darzulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, daß die Beitragsschulden rechtzeitig - zur Gänze oder zumindest anteilig - entrichtet wurden, und dafür entsprechende Beweisanbote zu erstatten. Denn ungeachtet der grundsätzlich amtswegigen Ermittlungspflicht der Behörde trifft denjenigen, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt - über die ihn stets allgemein treffende Behauptungslast im Verwaltungsverfahren hinaus - die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm deren Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, daß er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist. Allerdings darf diese besondere Behauptungs- und Beweislast einerseits nicht überspannt, andererseits nicht so aufgefaßt werden, daß die Behörde jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre. Hat der Geschäftsführer nicht nur ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete, sachbezogene Behauptungen aufgestellt, die nicht schon von vornherein aus rechtlichen Gründen unmaßgeblich sind, so hat ihn die Behörde vorerst zu einer solchen Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens und zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern, die es ihr - nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens - ermöglichen zu beurteilen, ob der Geschäftsführer ohne Verstoß gegen die ihm obliegende Gleichbehandlungspflicht vorgegangen ist und ob und in welchem Ausmaß ihn deshalb eine Haftung trifft. Kommt freilich der haftungspflichtige Geschäftsführer dieser Aufforderung nicht nach, so bleibt die Behörde zur oben angeführten Annahme berechtigt, daß er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist. Konsequenterweise haftet der Geschäftsführer dann für die (von der Haftung betroffenen) Beitragsschulden zur Gänze (vgl. dazu unter anderem die schon zitierten Erkenntnisse vom , Zl. 89/08/0217, vom , Zl. 90/08/0016, und vom , Zlen. 89/08/0321, 0322).

Vor dem Hintergrund dieser zuletzt genannten verfahrensrechtlichen Grundsätze und der oben dargestellten Gleichbehandlungspflicht wäre der angefochtene Bescheid nicht rechtswidrig, wenn mängelfrei feststünde, daß - ohne rechtliche Grundlage für eine vorrangige Befriedigung - aus Gesellschaftsmitteln zwar einige Gesellschaftsschulden beglichen, die fälligen haftungsgegenständlichen Sozialversicherungsbeiträge aber unberichtigt gelassen wurden. Die bloße Unkenntnis von der Vorschreibung der Sozialversicherungsbeiträge und der Zahlung von anderen Gesellschaftsschulden wegen seiner Dienstreisen nach Polen und Rumänien vermöchten den Beschwerdeführer wegen der ihm obliegenden Verpflichtung, für eine ausreichende und effektive Kontrolle der gesellschaftlichen Belange Vorsorge zu treffen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 88/08/0283), nicht von seiner Haftung zu befreien. Ebensowenig käme aber diesbezüglich dem anfänglichen, mangels einer ordnungsgemäßen Buchhaltung fehlenden Überblick über die finanziellen Belange der Beitragsschuldnerin Bedeutung zu, weil dieser nichts an der dargelegten Gleichbehandlungspflicht änderte. Da der Beschwerdeführer - entgegen seiner Beschwerdebehauptung - im Verwaltungsverfahren aber auch nicht vorbrachte, daß nach der Ausgleichseröffnung die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 letzter Satz AO vorlagen, änderte auch die Ausgleichseröffnung nichts an seiner Haftung (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 88/15/0063, und unter bezug darauf das Erkenntnis vom , Zl. 89/08/0217).

Der Beschwerdeführer rügt aber - unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften - mit Recht, daß sich die belangte Behörde nicht in einer den §§ 60, 67 AVG entsprechenden Weise mit seiner wiederholten Behauptung im Einspruchsverfahren, es sei während seiner Geschäftsführertätigkeit aus Gesellschaftsmitteln keine Bezahlung von Gesellschaftsschulden erfolgt, auseinandergesetzt und sich über diesbezügliche Beweiseanbote hinweggesetzt hat.

Denn die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse brachte in ihrer Stellungnahme zum Einspruch vor, laut Bericht des Ausgleichsverwalters seien durch die Geschäftsführung die dringendsten Forderungen, wie Miete und Telefon, bezahlt worden; dadurch seien die Sozialversicherungsbeiträge gegenüber anderen Forderungen nachteilig behandelt worden. In dem im Akt erliegenden Vorbericht des Ausgleichsverwalters vom heißt es, es solle in den nächsten Tagen ein Betrag von S 400.000,-- vom Finanzamt für Körperschaften angewiesen werden; damit werde die Ausgleichsschuldnerin die dringendsten Verbindlichkeiten (Miete, Telefon usw.) abdecken können. In dem in einem Auszug im Akt erliegenden Bericht des Ausgleichsverwalters vom ist die Rede von monatlichen Fixkosten für Miete, Telefon, Telex usw. von S 79.378,--; davon, ob und inwieweit diese Fixkosten während der Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers gezahlt wurden, enthält der Bericht nichts. Der Beschwerdeführer erwiderte auf die Stellungnahme der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse in seinem Schriftsatz vom ; darin berief er sich zum Beweis dafür, daß nach Durchsicht der Buchhaltung durch ihn keine Zahlungen mehr erfolgt seien, auf das in Kopie vorgelegte Wareneingangsbuch für die Zeit vom bis ; das Wareneingangsbuch ab befinde sich weder im Besitz des Beschwerdeführers noch des mittlerweile bestellten Notgeschäftsführers. Der vor der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse am als Zeuge vernommene J bekundete zwar, es sei seines Wissens nach die Miete im Jänner (1988), vermutlich aus dem von ihm vermittelten und am ausbezahlten Darlehen, bezahlt worden. Der Beschwerdeführer behauptete aber in der mündlichen Verhandlung vom vor der Einspruchsbehörde, es sei während der Zeit seiner Geschäftsführertätigkeit an niemanden Zahlungen geleistet worden. Miete und Telefonrechnungen seien erst vom Zeugen J "rückwirkend" nach dem Ausscheiden des Beschwerdeführers als Geschäftsführer bezahlt worden. Der in dieser mündlichen Verhandlung als Zeuge vernommene Mag. H erklärte, es seien seines Wissens nach ab November 1987 "glaublich von der Firma keine Zahlungen geleistet worden". Der Steuerberater der Beitragsschuldnerin erklärte in seiner Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung vom , es seien seines Wissens nach kleine Ausgaben wie Telefonkosten etc. bezahlt worden, fügte dem aber in einem späteren Teil der Vernehmung hinzu, er könne ohne Einsichtnahme in das Kassabuch nicht sagen, welche Zahlungen in der Zeit vom November 1987 bis Februar 1988 geleistet worden seien. Im Anschluß daran wurde in der Niederschrift festgehalten, daß sich die Buchhaltungsunterlagen derzeit beim Landesgericht für Strafsachen Wien befänden. Daraufhin stellte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers den Antrag auf Beischaffung unter anderem des obgenannten Strafaktes und des Ausgleichsaktes unter anderem zum Beweis dafür, daß seitens der Beitragsschuldnerin nicht mit Wissen und Willen des Beschwerdeführers Zahlungen geleistet worden seien. In der im Akt erliegenden Fotokopie einer Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom betreffend die Haftung des Mag. H gemäß § 67 Abs. 10 ASVG heißt es, es werde festgehalten, daß sich die Unterlagen (Geschäftsunterlagen) beim Sachverständigen Dkfm. N befänden und es zweckmäßig erscheine, das diesbezügliche Gutachten abzuwarten, da sich aus diesem die finanzielle Lage (ergebe) bzw. die Zahlungsausgänge ab November 1987 ersichtlich seien. In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom betreffend die Haftung des Beschwerdeführers heißt es, es sei der beantragte Strafakt vom Landesgericht für Strafsachen nicht vorgelegt worden. In diesem solle sich ein Gutachten befinden, in dem über den Zeitpunkt der Zahlungseinstellung Feststellungen enthalten sein sollten. Dies sei für die gegenständliche Entscheidung von wesentlicher Bedeutung. Nach einem Aktenvermerk vom (der nach der Aktenlage dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht wurde) sei nach Auskunft der Kanzlei des Sachverständigen Dkfm. Nußbaum dieser mit Beschluß des Straflandesgerichtes Wien vom von seiner Sachverständigentätigkeit enthoben worden; dies deshalb, weil eine Gutachtenserstellung mangels Vorlage entsprechender Buchhaltungsunterlagen der Beitragsschuldnerin nicht möglich gewesen sei.

Wenn sich die belangte Behörde angesichts dieser Ermittlungsergebnisse mit dem (nicht erkennbar als Feststellung zu wertenden) Bemerken begnügt, es gehe aus den Erklärungen von J hervor, daß der Beitragsschuldnerin am ein Darlehen zur Verfügung gestellt worden sei, "woraus vermutlich auch die Miete im Jänner 1988 bezahlt worden ist", und im Anschluß daran meint, es habe der Beschwerdeführer nicht nachgewiesen, welche fälligen Verbindlichkeiten der Beitragsschuldnerin und mit welcher Quote aus den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln beglichen worden seien, so stellt dies, wie der Beschwerdeführer mit Recht betont, weder eine klare und übersichtliche Zusammenfassung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (nämlich Feststellungen über die erfolgte Bezahlung von Gesellschaftsschulden während der Zeit der Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers) noch der bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen (in Auseinandersetzung mit den Ermittlungsergebnissen) dar. Mangelhaft ist der angefochtene Bescheid in diesem Zusammenhang überdies deshalb, weil die belangte Behörde dem Beschwerdeführer - nach der Aktenlage - den Amtsvermerk vom nicht zur Kenntnis gebracht und ihm dadurch die Möglichkeit genommen hat, allenfalls durch andere Beweisanbote die auf die Begleichung von Gesellschaftsschulden - wenn auch unklar - hindeutenden, seiner Behauptung widersprechenden Ermittlungsergebnisse zu widerlegen.

Dadurch, daß die belangte Behörde bei der Klärung der Frage, ob im Haftungszeitraum Gesellschaftsschulden beglichen wurden, aus den angeführten Gründen Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. die schon zitierten Erkenntnisse vom , Zl. 90/08/0008 und Zl. 90/08/0016), war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Das Begehren auf Ersatz von Stempelgebühren war im Hinblick auf die bestehende sachliche Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) abzuweisen.