VwGH vom 25.03.1997, 96/05/0262
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Marktgemeinde Traisen, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. R/1-V-96076/00, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: H in Traisen, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die mitbeteiligte Partei ist Eigentümerin der Grundstücke Nr. nn/1 und ..nn der Liegenschaft EZ n1, KG Traisen, S-Straße 12, welche im Norden an die öffentliche Verkehrsfläche S-Straße und im Westen an das Grundstück Nr. nn/7 des Herbert und der Renate B, S-Straße 10, grenzen. Auf der Baufläche ..nn der mitbeteiligten Partei ist ein Gebäude errichtet, welches über eine Länge von 9,32 m an das vorerwähnte Nachbargrundstück und über eine Länge von 12,88 m an die öffentliche Verkehrsfläche S-Straße grenzt.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom wurde der damaligen Eigentümerin des Grundstückes Nr. nn/1, KG Traisen (damals: Traisen Nr. nn), "nachträglich die Baubewilligung" für die "Errichtung eines Dachstuhles" erteilt, welcher anstelle des durch die Kriegseinwirkung zerstörten Dachstuhles ohne Baubewilligung errichtet worden ist. In der Baubeschreibung des vorzitierten Bescheides ist hiezu festgehalten:
"Der Dachstuhl wurde als Satteldachstuhl mit harter Deckung errichtet. An der Nordseite wurde ein Dachausbau mit Giebel gegen Norden errichtet. Der Dachstuhl erhielt an der Westseite gegen die Anrainergrenze einen Dachvorsprung, welcher ca. 50 cm über die Grundgrenze des Anrainers Ludwig S und Theresia S überragt.
Die Giebelmauer wurde als Feuermauer ausgeführt. Im Dachstuhl wurden keinerlei Dachausbauten eingebaut. Der Bodenraum wird als Wäscheboden verwendet.
Bemerkt wird, daß nach dem Lokalaugenscheinsprotokoll vom (aufgenommen von der Gemeindevorstehung von Traisen) ein Dachvorsprung im Ausmaß von ca. 20 cm bestand, wofür an den Anrainer ein Anerkennungszins von jährlich 20 Heller zu bezahlen war.
Nach eingehender Besprechung und Verhandlung schließen bezüglich der Inanspruchnahme des fremden Grundes für den Dachvorsprung M in der Folge Berufungswerber und Ludwig und Theresia S in der Folge Anrainer genannt, folgenden Vergleich:
1.) Die Berufungswerberin verpflichtet sich, binnen acht Wochen den gegenständlichen Dachvorsprung, soweit er über die westseitliche Feuermauer hinausragt, mit Dachpappe zu verkleiden und diese Verkleidung soinstandzuhalten, daß sie feuerhemmend wirkt.
...
4.) Die Anrainer dulden den Dachvorsprung soweit er über ihren Grund geht und solange er feuerhemmend verkleidet ist.
...
Der Herr Bürgermeister erklärt keinen Einwand zu erheben, wenn die obigen Verpflichtungen genauestens eingehalten werden. Auch vom feuerpolizeilichen Standpunkt besteht bei richtiger Verkleidung des Dachvorsprunges mit Dachpappe kein Einwand.
..."
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Beschwerdeführerin vom wurde Alfred und Helene F die Baubewilligung "für die Errichtung eines Zubaues auf dem Grundstück Nr. ..nn KG Traisen" erteilt. Nach der einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides bildenden Verhandlungsschrift über die durchgeführte Bauverhandlung beabsichtigten die Konsenswerber die Errichtung eines Zubaues an der Ostseite des bestehenden Wohnhauses. "Die Ausführung des Zubaues und geringe Änderungen im Inneren des Objektes erfolgen nach den vorliegenden Plänen der Firma U, Baumeister in W vom sowie nach der Baubeschreibung derselben Firma." Soweit für das gegenständliche Beschwerdeverfahren entscheidungsrelevant, ist ersichtlich, daß der Dachboden des Hauses ausgebaut werden soll. U.a. sollte an die zum Grundstück Nr. nn/7, KG Traisen, errichtete Giebelmauer eine Innenwand angebaut werden.
In einer gemäß § 112 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 auf dem Grundstück Nr. nn/1, KG Traisen, am durchgeführten Verhandlung wurde festgestellt,
"daß der Dachgeschoßausbau und Zubau zur Ausführung gekommen ist, daß aber
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a) | die Raumgruppierung abgeändert | |||||||||
b) | die Nutzfläche durch den Einbau eines Bades vergrößert | |||||||||
c) | die gartenseitige Dachgaupe um einige Meter Richtung Osten versetzt | |||||||||
d) der auf das Nachbargrundstück reichende Dachvorsprung nicht (wie im Projekt vorgesehen) entfernt wurde." |
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Beschwerdeführerin vom wurde der mitbeteiligten Partei als Eigentümerin des Grundstückes Nr. nn/1, KG Traisen, u.a. der baupolizeiliche Auftrag erteilt, "betreffend den nicht bewilligungsgemäß ausgeführten Dachgeschoßausbau und Zubau, für den mit Bescheid vom die Bewilligung erteilt wurde, bis spätestens vier Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides unter Vorlage von Projektsunterlagen gemäß §§ 96 und 97 Niederösterreichische Bauordnung neuerlich um baubehördliche Bewilligung anzusuchen".
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Beschwerdeführerin vom wurde der Antrag der mitbeteiligten Partei vom "zur nachträglichen Bewilligung der Errichtung eines Zubaues, eines Dachgeschoßausbaues sowie diverser Umbauarbeiten am Wohnhaus S-Straße 12, Parzelle Nr. nn/1, KG Traisen" gemäß § 98 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 abgewiesen. Die Herstellung einer Brandmauer, die den Vorgaben der Niederösterreichischen Bauordnung, der ÖNORM B 3800 und der technischen Richtlinie für vorbeugenden Brandschutz der Niederösterreichischen Brandverhütungsstelle B 108 entspreche, sei mit dem Dachgeschoßausbau untrennbar verbunden. Dies vor allem auch deshalb, weil sich unmittelbar angrenzend nun nicht mehr Dachbodenräume, sondern Wohn- und sogar Schlafräume (Gästezimmer) befänden, und die Gefährdung für Personen und Sachen durch ungehinderte Brandausbreitung unvergleichlich höher sei. Da der rechtskräftige Bebauungsplan der Marktgemeinde Traisen vom für das Grundstück Nr. nn/1, KG Traisen, wahlweise offene oder gekuppelte Bebauung vorsehe, beim gegenständlichen Grundstück jedoch das Wahlrecht zugunsten einer gekuppelten Bebauung bereits verbraucht sei, stehe der bestehende Dachvorsprung im Widerspruch zum Bebauungsplan. Auf diesen Umstand sei die mitbeteiligte Partei hingewiesen worden. Der auf den Nachbargrund ragende Dachvorsprung sei jedoch im Projekt belassen worden. Die mitbeteiligte Partei habe damit ihrem Unwillen zur Angleichung ihrer Projektsunterlagen an die Vorgaben des Bebauungsplanes Ausdruck verliehen. Demnach sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Die dagegen erhobene Berufung der mitbeteiligten Partei wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Traisen vom abgewiesen. Der Konsens von 1954 - führte der Gemeinderat in seiner Entscheidung im wesentlichen aus - könnte unter den geänderten Umständen nicht mehr als Konsensgrundlage für den Dachvorsprung gelten. Demnach sei im Sinne des § 111 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung und infolge des ergangenen rechtskräftigen Bauauftrages vom neuerlich um die baubehördliche Bewilligung für den Dachgeschoßausbau anzusuchen und dieses Ansuchen müsse den Vorschreibungen der Niederösterreichischen Bauordnung wie auch des rechtskräftigen Bebauungsplanes der Marktgemeinde Traisen entsprechen.
Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom wurde dieser Bescheid aufgrund der Vorstellung der mitbeteiligten Partei behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Beschwerdeführerin verwiesen. Das Bauansuchen der mitbeteiligten Partei sei in Verbindung mit den Einreichunterlagen auf die Errichtung eines Zubaues an der Ostseite, eines Dachgeschoßausbaues mit Gaupen an der Nord- und Südseite sowie diverser Umbauarbeiten am bestehenden Wohnhaus gerichtet gewesen. Den Plänen sei nicht zu entnehmen, daß auch der umstrittene westliche Dachbereich verändert werden sollte bzw. die beabsichtigten Änderungen Maßnahmen in diesem Bereich erforderten. Eine mit dem verfahrensgegenständlichen Bauvorhaben verbundene Erhöhung der Brandgefahr in dem Sinn, daß als einzige Maßnahme die gänzliche Entfernung des seit 1954 aufrecht konsentierten Dachvorsprunges in Frage komme, lasse weder das Projekt selbst vermuten, noch sei derartiges aus den bisher eingeholten Sachverständigengutachten abzuleiten. Eine allgemeine Feststellung, daß die im Jahre 1954 vorgesehene Verkleidung des Dachvorsprunges mit Dachpappe nicht mehr den heute anzuwendenden technischen Richtlinien entspreche, reiche für einen baupolizeilichen Auftrag bzw., wie im vorliegenden Fall, die Versagung einer weiteren Baubewilligung jedenfalls nicht aus. Die mit Bescheid vom erteilte Baubewilligung sei - mangels einer zwischenzeitigen Abänderung des Bestandes - nach wie vor aufrecht und könnte lediglich unter den Prämissen des § 68 Abs. 3 AVG abgeändert werden; ob dies zutreffe, könne im vorliegenden Fall jedoch dahingestellt bleiben. Die Interpretation, der Dachvorsprung wäre aufgrund der Tatsache, daß er in den Planunterlagen von 1959 nicht aufschien, mangels eines Konsenses zu beseitigen, sei nicht nur unwahrscheinlich, sondern auch rechtlich gänzlich verfehlt. Die Baubehörden hätten offenbar nicht bedacht, daß es sich bei der damals erteilten Baubewilligung lediglich um eine "Polizeierlaubnis" gehandelt habe, von der die damaligen Bauwerber zwar hätten Gebrauch machen können, aber nicht Gebrauch machen mußten. Selbst wenn die Entfernung des Dachvorsprunges mit dem Bauvorhaben in den Jahren 1959 bzw. 1960 tatsächlich beabsichtigt gewesen wäre, hätten die Baubehörden deren Ausführung nicht erzwingen können. Ein notwendiger Zusammenhang zwischen dem derzeit konkreten Bauvorhaben und dem Dachvorsprung sei nicht einmal aufgrund der bisherigen Aussagen des Sachverständigen erkennbar. Jedenfalls gelinge es ihm darin nicht, eine erhöhte Feuergefahr aufgrund der im Vergleich zu 1954 nunmehr abgeänderten Verwendung des Dachgeschoßes - wie sie der Gemeinderat nunmehr behaupte - ausreichend plausibel darzustellen. Da der Dachvorsprung damit aber nicht als vom Bauansuchen inkludiert betrachtet werden könne, also nicht zum Verfahrensgegenstand gehöre, sei der von der Baubehörde vorgegebene Versagungsgrund, nämlich dessen Widerspruch zum geltenden Bebauungsplan, unzutreffend. Es bestehe keine rechtliche Verpflichtung, einen früher - hier 1954 - rechtskräftig bewilligten Baubestand an einen später - hier 1993 - verordneten Bebauungsplan anpassen zu müssen. Abschließend werde auf den im § 45 Abs. 3 AVG verankerten Rechtsanspruch auf Parteiengehör, welcher im Berufungsverfahren offensichtlich nicht berücksichtigt worden sei, verwiesen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gelte das mangelnde Parteiengehör zwar durch Einbringung einer Berufung, also eines ordentlichen Rechtsmittels, als saniert; die Vorstellung als sogenanntes außerordentliches Rechtsmittel vermöge diese Rechtswirkungen jedoch nicht zu erzeugen, weshalb ein trotz derartiger Verfahrensmängel erlassener Berufungsbescheid behoben werden müßte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid "in ihren gesetzlich gewährleisteten Rechten im Rahmen des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden, in ihrem subjektiven Recht auf Selbstverwaltung, ihrem Recht auf Aufrechterhaltung der Bescheide des Bürgermeisters der Marktgemeinde Traisen vom bzw. des Gemeinderates der Marktgemeinde Traisen vom , in ihrem Recht auf Beachtung der mit dem rechtskräftigen Bescheid des Bürgermeisters vom , ... für das fortgesetzte Verfahren eingetretenen Bindungswirkung, in ihrem Recht auf gesetzmäßige Anwendung der NÖ-Bauordnung, in ihrem Recht auf ordnungsgemäße Feststellung dieses maßgeblichen Sachverhaltes und in ihrem Recht auf ordnungsgemäße Begründung des angefochtenen Bescheides" verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist das Ansuchen der mitbeteiligten Partei vom um Erteilung der Baubewilligung, welches von den Baubehörden im Instanzenzug gemäß § 98 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 (BO) wegen Widerspruches zum bestehenden Bebauungsplan abgewiesen worden ist. Dieser vom Gemeinderat der Beschwerdeführerin am beschlossene und nach Prüfung durch die Niederösterreichische Landesregierung aufgelegte Bebauungsplan sieht im hier maßgeblichen Gebiet ein Wahlrecht des Bauwerbers zwischen offener und gekuppelter Bebauungsweise vor. Das Wahlrecht der mitbeteiligten Bauwerberin ist im gegenständlichen Fall gemäß § 21 Abs. 7 BO bereits verbraucht; es ist vom Vorliegen einer gekuppelten Bebauungsweise auszugehen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/05/0202).
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom wurde der Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei nachträglich die Baubewilligung für die Errichtung eines Dachstuhles in der Form bewilligt, daß er die Grundgrenze zum Grundstück Nr. nn/7, KG Traisen, um 50 cm überragt. Dieser Bescheid ist rechtskräftig. Dem Wesen des Institutes der Rechtskraft eines Bescheides entspricht es, daß ein rechtskräftiger Bescheid selbst dann seine volle Rechtswirksamkeit entfaltet, wenn er mit der objektiven Rechtslage im Widerspruch steht. Dies gilt umsomehr dann, wenn er später beschlossenen Rechtsnormen widersprechen sollte, sofern diese nichts anderes bestimmen (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 84/05/0214, und vom , Zl. 92/05/0328). Die Verbindlichkeit des Bescheides tritt mit seiner Unanfechtbarkeit ein und endet erst mit seiner Beseitigung (vgl. hiezu Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 6. Auflage, S. 190, Rz 471, mwN.). Die mit der Rechtskraft verbundene Wirkung, daß die mit dem Bescheid erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Unwiederholbarkeit, ne bis in idem), bedeutet, daß bei unverändertem Sachverhalt und unveränderter Rechtslage das Prozeßhindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache vorliegt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/04/0182). Dies erfordert "Identität der Sache", welcher Begriff in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden muß (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/06/0062, u. v.a.). Bei einer Baubewilligung handelt es sich um eine Polizeierlaubnis, von der derjenige, der sie erwirkt hat, Gebrauch machen kann, aber nicht Gebrauch machen muß. Daraus folgt, daß eine Bindung des Bauwerbers an die einmal erwirkte Baubewilligung in dem Sinne, daß er verpflichtet wäre, nur so und nicht anders zu bauen, nicht besteht, vielmehr es ihm - die rechtzeitige Erwirkung einer weiteren, den geänderten Bauwillen deckenden Baubewilligung vorausgesetzt - jederzeit freisteht, nicht das ursprünglich bewilligte, sondern ein anderes Bauvorhaben auszuführen. Da es somit dem Bauwerber einerseits offen steht, auch während der Gültigkeitsdauer einer Baubewilligung für ein und denselben Bauplatz um mehrere Baubewilligungen unterschiedlichen Inhaltes anzusuchen, ist es ihm andererseits rechtlich auch nicht verwehrt, solange mit der Bauführung noch nicht begonnen wurde, selbst auf eine frühere, noch gültige Baubewilligung zurückzugreifen, es sei denn, daß etwa bei zwei für denselben Bauplatz erteilten Baubewilligungen die spätere ausdrücklich in den Rechtsbestand der früheren eingreift oder deren Inhalt in rechtsförmiger Weise ändert (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/05/0286, mwN).
Auf den vorliegenden Beschwerdefall angewendet bedeutet dies, daß entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin davon auszugehen ist, daß die mit Bescheid des Bürgermeisters der Beschwerdeführerin vom erteilte Baubewilligung die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom erteilte Bewilligung für die Errichtung eines Dachstuhles nicht geändert hat. Weder aus dem Spruch des Bescheides noch aus der einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Baubeschreibung und der Verhandlungsschrift ist zu entnehmen, daß die mit Bescheid des Bürgermeisters der Beschwerdeführerin vom erteilte Baubewilligung auch eine Änderung des Dachstuhles des auf dem Grundstück Nr. nn/1, KG Traisen, errichteten Hauses an der Westseite zum Grundstück Nr. nn/7 bewirken soll. Auch der der Bauverhandlung zugrunde gelegene Bauplan steht mit einer solchen Annahme im Widerspruch.
Auch das gegenständliche, über baupolizeilichen Auftrag des Bürgermeisters der Beschwerdeführerin vom von der mitbeteiligten Partei eingereichte Projekt greift in die Baubewilligung vom bezüglich des Dachvorsprunges nicht ein. Vielmehr umfaßt dieses Baubewilligungsansuchen die Errichtung eines Zubaues an der Ostseite des Grundstückes Nr. nn/1, KG Traisen, eines Dachgeschoßausbaues sowie Umbauarbeiten am bestehenden Wohnhaus, welche den Dachstuhl und den Dachvorsprung über dem Nachbargrundstück Nr. nn/7, KG Traisen, jedoch nicht betreffen.
Ausgehend vom rechtskräftigen Baubewilligungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom , welcher auch durch eine spätere Baubewilligung nicht geändert wurde, erweist sich die Abweisung des beschwerdegegenständlichen Ansuchens der mitbeteiligten Partei um Erteilung der Baubewilligung vom durch die Baubehörden, gestützt auf § 98 Abs. 2 BO mit der Begründung, das Bauvorhaben widerspreche dem Bebauungsplan deshalb, weil der Dachvorsprung an der gemeinsamen Grundstücksgrenze dem bestehenden Bebauungsplan widerspreche, als rechtsirrig. Die Aufhebung des Berufungsbescheides durch die belangte Behörde mit dem tragenden Aufhebungsgrund, der von der Baubehörde vorgegebene Versagungsgrund, nämlich der Widerspruch zum geltenden Bebauungsplan, sei unzutreffend, erfolgte daher zu Recht.
Mit dem Hinweis in der Beschwerde, tragende Begründung für den baupolizeilichen Auftrag des Bürgermeisters der Beschwerdeführerin vom sei die Entfernung des hier gegenständlichen Dachvorsprunges gewesen, kann schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt werden, da im Spruch dieses Bescheides der mitbeteiligten Partei der Auftrag erteilt wurde, "betreffend den nicht bewilligungsgemäß ausgeführten Dachgeschoßausbau und Zubau, für den mit Bescheid vom die Bewilligung erteilt wurde, bis spätestens vier Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides hieramts unter Vorlage von Projektsunterlagen gemäß §§ 96 und 97 NÖ Bauordnung neuerlich um baubehördliche Bewilligung anzusuchen". Begründungselemente vermögen einen normativ verbindlichen Abspruch nicht zu ersetzen oder zu ergänzen. Die Auffüllung des Spruchinhaltes eines nicht unklaren, sondern allenfalls - von der Begründung her gesehen - unvollständigen Spruches durch Hereinnahme von Begründungselementen ist unzulässig (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 84/10/0105). Der baupolizeiliche Auftrag vom hat daher nicht bindend festgelegt, daß der Dachvorsprung nicht mehr dem Baukonsens entspreche.
Sowohl die Gemeinde als auch die anderen Parteien des Vorstellungsverfahrens sind, gleichbleibende Sach- und Rechtslage vorausgesetzt, an die die Aufhebung tragenden Gründe eines aufsichtsbehördlichen Bescheides gebunden. Diese Bindung erstreckt sich freilich ausschließlich auf die die Aufhebung tragenden Gründe des aufsichtsbehördlichen Bescheides, nicht aber auf die weiteren (somit die Aufhebung nicht tragenden) Ausführungen der Vorstellungsbehörde, so etwa Hinweise für die weitere Verfahrensführung u.a.m. (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/05/0267). Kommt aber nur den tragenden Aufhebungsgründen eines aufsichtsbehördlichen Bescheides für das fortgesetzte Verfahren bindende Wirkung zu, so ist für den Beschwerdefall nur entscheidend, in welcher Hinsicht dem angefochtenen Bescheid der Vorstellungsbehörde eine Bindungswirkung zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/05/0220, BauSlg. Nr. 7/1994). Wie sich aus den Begründungsdarlegungen im angefochtenen Bescheid entnehmen läßt, stellt der Hinweis auf die Einhaltung des Parteiengehörs durch die Behörden lediglich eine Anleitung zur Verfahrensführung, nicht jedoch einen tragenden Aufhebungsgrund im Sinne der obigen Rechtsausführungen dar. Insoweit kommt diesen Ausführungen daher keine Bindungswirkung zu und kann die Beschwerdeführerin daher diesbezüglich in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt sein.
Der angefochtene Bescheid erweist sich sohin frei von Rechtsirrtum, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.