VwGH vom 30.05.2000, 96/05/0247
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1.) des Heinrich Peter Krenmayr und 2.) des Christian Penkner, beide in Schörfling am Attersee, beide vertreten durch
Prof. Dr. Alfred Haslinger, DDr. Heinz Mück, Dr. Peter Wagner, Dr. Walter Müller und Dr. Wolfgang Graziani-Weiss, Rechtsanwälte in Linz, Kroatengasse 7, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. BauR - 011756/1 - 1996 Hs/Vi, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Schörfling am Attersee, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer begehrten mit Ansuchen vom die Erteilung der Baubewilligung für den Neubau eines Wohnhauses mit elf Einheiten 11 Familien auf dem Grundstück Nr. 204/18, KG Kammer. Dieses Grundstück ist im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan Nr. 3/1986 der mitbeteiligten Gemeinde als Bauland/Wohngebiet ausgewiesen. Es war damals der Bebauungsplan Nr. 13 "Sachsenlager" vom rechtswirksam.
Dieser Bebauungsplan war Gegenstand einer Sitzung des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom , weil mehrere Ansuchen um Änderung vorlagen. Die im Bebauungsplan ausgewiesenen Baufluchtlinien und Straßenfluchtlinien mit einem Abstand von 3,0 m hätten zu Problemen bei Holzhäusern geführt. Der Ausschuss für Bau- und Straßenbauangelegenheiten und örtliche Raumplanung empfahl, ein Verfahren zur Änderung des Bebauungsplanes einzuleiten. 26 Grundstücke im gegenständlichen Bereich waren noch nicht verbaut. Änderungswünsche eines Herrn E. und einer Frau P. lagen vor. Darauf wurde in dieser Gemeinderatssitzung beschlossen, das Verfahren zur Änderung des Bebauungsplanes Nr. 13 "Sachsenlager" einzuleiten.
In einer Sitzung des Ausschusses für Bau- und Straßenbauangelegenheiten und örtliche Raumplanung der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde berichtet, dass der erste Vorentwurf für die Neuerstellung vom Ortsplaner Dipl. Ing. P.H. bereits erstellt worden sei. Änderungswünsche seien in den neuen Plan eingearbeitet worden. Unter Hinweis auf ein Schreiben des Ortsplaners vom wurde beschlossen, dem Gemeinderat zu empfehlen, auf Grund des Vorschlages des Ortsplaners in Bezug auf die Neufassung bzw. Änderung des Bebauungsplanes und der darin enthaltenen begrenzten Wohnungsanzahl (maximal 3 Wohnungen pro Bauplatz) für das Gebiet des Bebauungsplanes "Sachsenlager" eine Bausperre zu beschließen.
In jenem Schreiben vom , in welchem der Ortsplaner eine Stellungnahme zum hier gegenständlichen Bauvorhaben abgab, führte er aus, dass die geplante Errichtung eines Wohnhauses mit 11 Einheiten dem O.ö. ROG und den Zielen der örtlichen Raumordnung der Gemeinde widerspreche, da die Wohnungen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht einem dauernden Wohnbedarf dienen würden. Schon der bisherige Bebauungsplan habe für ein reguläres Einfamilienhausgebiet Regelungen getroffen, Übernutzungen würden eine Verminderung der Umfeldqualität der Siedlung bewirken. Ein Widerspruch des Projektes zu dem in Erstellung befindlichen künftigen Bebauungsplan liege darin, dass dort für bestimmte Grundstücke nur ein Vollgeschoß mit Dachgeschoß vorgesehen sei, da der Bestand überwiegend diese Höhe aufweise und je Hauptgebäude und Grundstück nur 3 Wohneinheiten errichtet werden dürften.
In der Sitzung des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom berichtete der Vorsitzende, dass auf Grund verschiedener Anträge und Wünsche der Bebauungsplan "Sachsenlager" überarbeitet werde und daher eine Bausperre für diesen Bereich verhängt werden soll. Ein Gemeinderatsmitglied wies darauf hin, dass der Bau- und Planungsausschuss schon seit mehr als drei Jahren mit der Überarbeitung dieses Bebauungsplanes beschäftigt sei und dass schon jetzt feststehe, dass für Neubauten nur mehr drei Wohnungen pro Bauplatz möglich sein sollen.
In dieser Sitzung wurde eine Verordnung über die Erlassung einer Bausperre im Bereich des Bebauungsplanes "Sachsenlager" beschlossen. Örtlich waren die Grenzen der Bausperre durch einen Lageplan fixiert. § 3 dieser Verordnung lautet wie folgt:
"Bei diesem Gebiet handelt es sich um einen sehr sensiblen, in der 500 m-Seeuferschutzzone liegenden Bereich, für den der Bebauungsplan „Sachsenlager" aus dem Jahre 1975 besteht. Die in diesem Plan festgelegten Baufluchtlinien/Straßenfluchtlinien führten - insbesondere bei Holzbauten - zu Problemen.
Auf Grund von mehreren Änderungswünschen hat der Gemeinderat in der Sitzung am die Überarbeitung des gegenständlichen Bebauungsplanes beschlossen. Der gesamte Plan soll geändert und die dazugehörende schriftliche Ergänzung neu verfasst werden. Insbesondere sind die Baufluchtlinien, die Gebäudehöhe, die Nebengebäude, die Baugestaltung und die Stellplätze für PKW's neu festzulegen."
Der Verordnungstext wurde von 8. bis kundgemacht; die belangte Behörde teilte mit Schreiben vom mit, dass die gemäß § 101 O.ö. Gemeindeordnung durchgeführte Prüfung keine Gesetzwidrigkeit ergeben habe und die Verordnung daher ab dem rechtswirksam sei.
Mit Schreiben vom teilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde den Beschwerdeführern mit, dass für den gegenständlichen Bereich am eine Bausperre verhängt worden sei und dass die Absicht bestehe, den Baubewilligungsantrag ohne Durchführung einer Bauverhandlung abzuweisen. Die Beschwerdeführer antworteten mit Schreiben vom , dass die Bausperre rechtlich unhaltbar sei und dass trotzdem eine Baubewilligung erteilt werden könne.
Mit Bescheid vom wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde das gegenständliche Bauansuchen gemäß § 30 Abs. 6 O.ö. BauO 1994 ab. In der Begründung wurde auf die Bausperre verwiesen.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung. Aus der Bausperre ergäben sich keine zwingenden Bestimmungen, welche dem Bauvorhaben entgegenstünden. Der Bürgermeister habe in seinem Bescheid keine Gründe angeführt, welche die Durchführung des künftigen Bebauungsplanes erschweren oder verhindern würden.
Mit Bescheid vom gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde der Berufung keine Folge. Das Vorhaben entspreche in Bezug auf die Wohnungsanzahl nicht dem neuen Bebauungsplan "Sachsenlager 2", weil im Planentwurf auf jedem Grundstück nur ein Hauptgebäude mit höchstens 3 Wohneinheiten vorgesehen sei.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung. Zweck der Bausperre sei nicht die im Gesetz geforderte Sicherung einer zweckmäßigen und geordneten Bebauung, sondern ausschließlich die unsachliche Verhinderung des Projektes der Beschwerdeführer. Mit der Frage, ob ausnahmsweise eine Baubewilligung im Sinne des § 45 Abs. 2 O.ö. BauO erteilt werden dürfe, hätten sich die Baubehörden nicht auseinander gesetzt.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung der Beschwerdeführer keine Folge. Aus der Verhandlungsschrift zur Gemeinderatssitzung vom und aus der Stellungnahme des Ortsplaners vom gehe eindeutig hervor, dass eine Bebauungsplanänderung dahingehend vorgesehen sei, dass je Hauptgebäude und Grundstück nur mehr 3 Wohneinheiten errichtet werden dürften. Auf Grund der Unvereinbarkeit dieser Vorgaben mit dem Projekt habe der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde zu Recht das Bauansuchen abgewiesen; auch ausnahmsweise habe eine Baubewilligung nicht erteilt werden können.
In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer in ihren subjektiven Rechten auf Erteilung einer Baubewilligung und Durchführung eines ordnungsgemäßen Bauverfahrens verletzt. Sie begehren die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten sowie den Verordnungsakt betreffend die Bausperre vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 30 Abs. 6 der O.ö. Bauordnung 1994, LGBl. Nr. 66 (BO) ist der Baubewilligungsantrag von der Baubehörde ohne Durchführung einer Bauverhandlung u.a. dann abzuweisen, wenn sich auf Grund der Prüfung durch die Baubehörde schon aus dem Antrag oder dem Bauplan ergibt, dass das Bauvorhaben der zwingenden Bestimmung einer Bausperre widerspricht.
Die Abs. 1 und 2 des die Bausperre regelnden § 45 BO lauten:
"(1) Der Gemeinderat kann durch Verordnung für ein bestimmtes Gebiet eine Bausperre verhängen, wenn ein Flächenwidmungsplan oder ein Bebauungsplan für dieses Gebiet erlassen oder geändert werden soll und die Verhängung der Bausperre im Interesse der Sicherung einer zweckmäßigen und geordneten Bebauung erforderlich ist. Der Gemeinderat hat anlässlich der Verhängung der Bausperre die beabsichtigte Neuplanung, die Anlass für die Verhängung der Bausperre ist, in ihren Grundzügen zu umschreiben.
(2) Die Bausperre hat die Wirkung, dass Bauplatzbewilligungen, Bewilligungen für die Änderung von Bauplätzen und bebauten Grundstücken und Baubewilligungen - ausgenommen Baubewilligungen für Bauvorhaben gemäß § 24 Abs. 1 Z. 5 - nur ausnahmsweise mit Zustimmung des Gemeinderates erteilt werden dürfen, wenn nach der jeweils gegebenen Sachlage anzunehmen ist, dass die beantragte Bewilligung die Durchführung des künftigen Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes nicht erschwert oder verhindert. An die Stelle der erforderlichen Zustimmung des Gemeinderates tritt bei Vollzugsakten, die bundeseigene Gebäude im Sinn des Art. 15 Abs. 5 B-VG betreffen, die Anhörung des Gemeinderates."
Die Beschwerdeführer machen eine Gesetzwidrigkeit der verhängten Bausperre geltend; die Verhängung der Bausperre sei nicht im Interesse der Sicherung einer zweckmäßigen und geordneten Bebauung sondern lediglich deshalb erfolgt, weil ein Anrainerprotest und politische Interventionen der Gemeinde zu diesem Vorgehen veranlassten.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich allerdings zu einer Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof im Sinne des Art. 139 Abs. 1 B-VG aus folgenden Erwägungen nicht veranlasst:
Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Judikatur bezüglich der Zulässigkeit einer Bausperre gefordert, dass anlässlich der Verhängung der Bausperre die beabsichtigten Änderungen des Flächenwidmungs- oder Bebauungsplanes in der kundgemachten Verordnung zum Ausdruck zu bringen sind (Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. Nr. 14.271, m.w.N., ergangen zu § 58 der O.ö. BauO 1976). Die Ermächtigung, eine Bausperre zu verhängen, muss so verstanden werden, dass die zu erlassende Verordnung - dem verfassungsrechtlichen Determinierungsgebot entsprechend - den Maßstab für die baubehördliche Entscheidung im Einzelfall liefert und so auch die nachprüfende Kontrolle der Entscheidung durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ermöglicht (Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 10953, m.w.N., ergangen zu § 8 der Bauordnung für Wien).
Im oben zitierten § 3 der Bausperre-Verordnung wurde das Erfordernis der Bausperre damit begründet, dass die im bestehenden Bebauungsplan aus dem Jahre 1975 festgelegten Baufluchtlinien bzw. Straßenfluchtlinien in dem in der 500 m-Seeuferschutzzone liegenden Bereich insbesondere bei Holzbauten zu Problemen führten. Der gesamte Plan solle geändert und die dazu gehörige schriftliche Ergänzung neu verfasst werden, wobei insbesondere die Baufluchtlinien, die Gebäudehöhe, die Nebengebäude, die Baugestaltung und die Stellplätze für PKW's neu festgelegt werden würden.
In der Sitzung des Gemeinderates vom wurde unter Hinweis auf den Bebauungsplanentwurf des Ortsplaners die Planungsabsicht geäußert, für Neubauten in Zukunft nur mehr drei Wohnungen pro Bauplatz zuzulassen. Diese Änderungsabsicht wurde im § 3 der in dieser Sitzung beschlossenen Verordnung insoferne zum Ausdruck gebracht, als die Neufestsetzung der Baufluchtlinien, der Gebäudehöhe, der Baugestaltung und der Stellplätze für PKW's in Aussicht gestellt wurde. Damit hat der Gemeinderat die beabsichtigte Neuplanung, die den Anlass für die Verhängung der Bausperre bildete, in ihren Grundzügen hinlänglich umschrieben und auch die dahinter stehende Zielvorstellung der Gemeinde deutlich gemacht hat.
Auch Falle des schon zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. Nr. 14.271, hatte sich der Verfassungsgerichtshof mit dem Vorbringen zu befassen, dass bei Erlassung der Bausperre in gleichheitswidriger Weise dem "Druck der Anrainer" gefolgt worden wäre. Er hat dazu ausgeführt, dass § 36 Abs. 3 ROG 1994 bei Anregungen auf Änderung des Flächenwidmungsplanes, die auch von Nachbarn und sonstigen dritten Personen herrühren können, eine Verpflichtung des Gemeinderates statuiert, über das Vorliegen der Voraussetzungen für Änderungen des Flächenwidmungsplanes zu befinden. Es ist auch die Erlassung einer Bausperre, um eine Bebauung zu verhindern, nicht von vornherein gleichheitswidrig, weil missbräuchlich. Vielmehr ist es gerade der Sinn der Bausperre, baurechtliche Bewilligungen und damit das Unterlaufen der Änderungsabsicht des Gemeinderates durch Bebauungen der von der Bausperre betroffenen Grundstücke zu verhindern, soweit eine solche Bebauung nicht ausnahmsweise mit der beabsichtigten Planänderung vereinbar ist.
Keine Rolle spielt im vorliegenden Fall, dass der Antrag der Beschwerdeführer vor Erlassung der Bausperreverordnung gestellt wurde. Die Gemeindebehörden hatten nämlich eine Änderung der Rechtslage, wie etwa die Verhängung einer Bausperre, bei ihren Entscheidungen zu beachten (siehe das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/05/0017, m.w.N.).
§ 45 Abs. 2 BO erfordert eine Prüfung der Rechtslage an Hand der Festlegungen in der Bausperreverordnung und - soweit bereits vorhanden - im Entwurf eines Bebauungsplanes als Grundlage der Bausperre (hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/05/0224). Wenn das zu bewilligende Bauvorhaben die Durchführung des beabsichtigten Bebauungsplanes erschwert oder verhindert, dann liegt der Fall einer Ausnahme von der verhängten Bausperre im Sinne des § 45 Abs. 2 BO nicht vor (siehe das oben zitierte hg. Erkenntnis vom ).
Die begehrte Bewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses mit 11 Wohnungen würde die Durchführung des künftigen Bebauungsplanes, der die Fluchtlinien und Gebäudehöhen und die Baugestaltung neu festlegen soll und von der Absicht getragen ist, nur mehr Häuser mit drei Wohnungen pro Bauplatz zuzulassen, unzweifelhaft verhindern. Eine Befassung des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde zur Prüfung der Voraussetzungen einer Ausnahme kam daher nicht in Betracht.
Da die Verwaltungsbehörden somit zu Recht den Versagungsgrund des § 30 Abs. 6 BO herangezogen haben, erwies sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am