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VwGH vom 27.10.1999, 98/12/0391

VwGH vom 27.10.1999, 98/12/0391

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des JS in S, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom , Zl. 55 5110/143-II/15/97, betreffend Ruhegenussbemessung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Bemessung des Ruhegenusses und der Ruhegenusszulage für die Zeit ab betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1943 geborene Beschwerdeführer steht als Bezirksinspektor i.R. seit in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Er war zuletzt im Bereich der Justizanstalt S. (im folgenden: JA) als Betriebsleiter der Dreherei und Fräserei im turnusweisen Tag-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsdienst tätig.

Am erlitt der Beschwerdeführer einen Dienstunfall (Verkehrsunfall). Dabei zog er sich folgende Verletzungen zu: eine Gehirnerschütterung, eine große Rissquetschwunde am linken Vorderarm mit einem Riss der Speichenarterie, einen Bruch der dritten und vierten linken Rippe, des linken Schlüsselbeines und des Nasenbeines sowie mehrere Rissquetschwunden im Gesicht. Auf Grund dieses Dienstunfalles bezog der Beschwerdeführer laut Bescheid der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) vom seit eine vorläufige Versehrtenrente nach dem B-KUVG. Mit Bescheid der BVA vom wurde dem Beschwerdeführer ab eine Dauerrente im Ausmaß von 20 v. H. der Vollrente gemäß §§ 94, 101 und 107 B-KUVG zuerkannt. Maßgebend dafür waren - wie dem Bescheid der BVA vom zu entnehmen ist - folgende Feststellungen:

"Als Folge Ihres Dienstunfalles vom bestehen belastungsabhängige Beschwerden im Bereich des linken Schlüsselbeines und der linken Rippen, eine Muskelverschmächtigung des linken Armes, eine Sensibilitätsminderung im Narbenbereich des linken Unterarmes sowie ein geringes Beugedefizit des linken Handgelenkes."

Seit befand sich der Beschwerdeführer (bis zu seinem Dienstantritt am ) im Krankenstand. Mit Schreiben vom ersuchte die für die Ruhestandsversetzung zuständige Aktiv-Dienstbehörde (= Bundesminister für Justiz) die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten (PVAng) um die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers.

Die PVAng übermittelte der Aktiv-Dienstbehörde in der Folge die Stellungnahme ihres Chefarztes vom . Die Stellungnahme des Chefarztes ging dabei von folgender Diagnose aus:

"Diagnose:

Zustand nach Arbeitswegunfall 1994 mit Gehirnerschütterung, Rippenbrüchen links, Schlüsselbeinbruch links, Nasenbeinfraktur, sowie Weichteil- und Arterienverletzung am linken Unterarm mit nur geringgradiger Abschwächung der Handkraft links und leichter Einschränkung der Fingerbeugung der linken Hand bei insgesamt guter Gebrauchs- und Funktionsfähigkeit und auch sonst ohne relevante Einschränkung aus dem orthopädischem und dem neurologisch-psychiatrischem Bereich.

Zustand nach Lungenentzündung 1994, folgenlos abgeheilt, leichter Bluthochdruck ohne Ausgleichsstörung, sonst im Wesentlichen altersentsprechend unauffälliger Internbefund."

Im Leistungskalkül wurden mittlere körperliche Beanspruchungen bei der Arbeitshaltung Sitzen als ständig und bei den Arbeitshaltungen Stehen und Gehen als überwiegend zumutbar bezeichnet. Leichte Hebe- und Trageleistungen wurden als ständig, mittelschwere und schwere Arbeiten dieser Art als fallweise zumutbar eingeschätzt. Das geistige Leistungsvermögen wurde als "mittelschwer" eingeschätzt. Die Zumutbarkeit folgender (formularmäßig vorgegebener) Tätigkeiten wurde (durch Ankreuzen) bejaht: Überkopfarbeiten, in gebeugter Haltung, sonstige Zwangshaltung, in geschlossenen Räumen, im Freien, unter starker Lärmentwicklung, an allgemein exponierten Stellen

(z.B. offenlaufende Maschinen), dienstbedingtes Lenken eines KFZ, Feinarbeiten, fallweise Grobarbeiten, jeweils fallweise Tätigkeiten in Kälte, Hitze, Nässe unter durchschnittlichem und überdurchschnittlichem Zeitdruck sowie ein bildschirmunterstützter Arbeitsplatz. Ferner wurden Anmarschwege von mindestens 500 m sowie übliche Arbeitspausen als zumutbar angesehen. Eine Besserung des Gesundheitszustandes sei nicht möglich.

Gestützt auf diese Stellungnahme teilte die Aktiv-Dienstbehörde in ihrem an den Leiter der JA gerichteten Schreiben vom mit, dass die Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführers nicht in Aussicht genommen werde. Der Beschwerdeführer sei zum sofortigen Dienstantritt aufzufordern. Dies erfolgte mit Schreiben des Anstaltsleiters an den Beschwerdeführer am .

Der Beschwerdeführer trat hierauf am seinen Dienst an.

In seinem an die Aktiv-Dienstbehörde gerichteten Schreiben vom nahm der Beschwerdeführer zum Untersuchungsergebnis der PVAng Stellung und legte zwei ärztliche Befunde und einen Ambulanzbericht vor. Auf Grund dieser Stellungnahme ersuchte die Aktiv-Dienstbehörde den Leiter der JA um die Überprüfung dieser Unterlagen.

Der Beschwerdeführer wurde daher am auf seine Exekutivdiensttauglichkeit vom Anstaltsarzt der JA Dr. H. untersucht. Dieser kam zu folgendem Untersuchungsergebnis:

"Bei Herrn S. (Anmerkung: Beschwerdeführer) besteht eine Tachyarryhthmie mit Neigung zu pectanginösen Beschwerden, v.a. bei Belastung. Der RR zeigte mit 165/95 deutlich erhöhte Werte. Weiters bestehen chron. Magen- und Darmbeschwerden durch Ulcus v. und Colitis chron. Trotz strenger Diät kommt es häufig zu akuten Reizerscheinungen mit heftigen Schmerzen.

Im Bereich des li Unterarmes findet sich eine ausged. Narbe nach Unfall mit Kontraktur und Beschwerden beim Faustschluss und Streckversuch. Im Bereich der WS bestehen multiple Myogelosen mit Schmerzen bei Bewegung. Der Patient gibt an, unter chron. Schlafstörungen zu leiden, die aufgrund einer gew. depressiven Stimmungslage durchaus glaubwürdig erscheinen.

Abschließend stelle ich fest, dass der AZ erheblich eingeschränkt zu beurteilen ist und somit nach meiner Meinung absolut eine Exekutivdiensttauglichkeit nicht gegeben ist und auch in absehbarer Zeit nicht mehr eintreten wird."

Des Weiteren erstellte der Facharzt für Chirurgie Dr. O. am ein Gutachten bezüglich des Beschwerdeführers. Darin wird angeführt, dass der Beschwerdeführer bereits seit langer Zeit beim Gutachtenerstatter in Behandlung stehe. Das Gutachten kommt zu folgender Zusammenfassung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
"1.
Therapiepflichtige, immer wiederkehrende, chronische Divertikulitis mit Stenosierung und Passagestörung
2.
Chronische Antrum- u. Corpusgastritis
3.
Rezidivierender Harnwegsinfekt, Eisenmangel u. chronische Entzündungsreaktion."

Mit Bescheid vom versetzte die Aktiv-Dienstbehörde den Beschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 mit Ablauf des in den Ruhestand. In der Begründung berief sie sich auf das anstaltsärztliche Gutachten vom , aus dem sie ableitete, dass der Beschwerdeführer auf Grund seines Leidenszustandes nicht mehr in der Lage sei, seine Dienstobliegenheiten zu erfüllen.

Mit Bescheid vom stellte das Bundespensionsamt den dem Beschwerdeführer ab monatlich gebührenden Ruhegenuss sowie die Ruhegenusszulage aus der Wachdienstzulage fest. Aus der Begründung ergibt sich, dass die genannten Beträge in Anwendung der Kürzungsbestimmung nach § 4 Abs. 3 und 5 des Pensionsgesetzes 1965 (PG 1965), in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, ermittelt wurden.

In seiner Berufung wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Kürzung seines Ruhegenusses. Er habe am einen Dienstunfall erlitten, der den Hauptgrund der Frühpensionierung darstelle. Zudem beziehe er auf Grund dieses Dienstunfalles eine Versehrtenrente. Folglich entfalle die Kürzung seines Ruhegenusses wegen § 4 Abs. 4 Z. 2 PG 1965. Er ersuche deshalb um nochmalige Prüfung des Pensionsbescheides.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Nach Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage wies sie darauf hin, dass zwar der Unfall vom als Dienstunfall anerkannt worden sei und dem Beschwerdeführer auf Grund der Verletzungsfolgen ab eine vorläufige Versehrtenrente gewährt worden sei. Mit Bescheid der BVA vom habe man dem Beschwerdeführer ab deshalb auch eine Dauerrente im Ausmaß von 20 v.H. der Vollrente zuerkannt. Für die Anwendbarkeit von § 4 Abs. 4 Z. 2 PG 1965 sei aber zu prüfen, ob die Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit auf diesen Dienstunfall zurückzuführen sei. In den zwei im Rahmen des Ruhestandsversetzungsverfahrens eingeholten ärztlichen Gutachten des Anstaltsarztes Dr. H. und des Facharztes für Chirurgie Dr. O. finde sich neben der Darstellung der sonstigen Leiden bezüglich der Unfallfolgen lediglich im Gutachten Dris. H. der Hinweis, dass sich im Bereich des linken Unterarms eine ausgedehnte Narbe befinde und Beschwerden beim Faustschluss und Streckversuch bestünden. Aus diesen Gutachten gehe eindeutig hervor, dass der Beschwerdeführer nicht auf Grund der Folgen des Dienstunfalles dauernd dienstunfähig sei, sondern auf Grund all jener in den beiden Gutachten angeführten (sonstigen) Leiden. Diese seien jedoch nicht auf den Dienstunfall zurückzuführen. Auch stehe der Beschwerdeführer schon seit langer Zeit deswegen bei Dr. O. in Behandlung. Zudem begründe auch die Dienstbehörde die Dienstunfähigkeit im Ruhestandsversetzungsbescheid praktisch ausschließlich mit den sonstigen Leiden des Beschwerdeführers. Somit sei aber die Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit nicht auf den Dienstunfall zurückzuführen. Daher habe das Bundespensionsamt völlig zu Recht eine Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage vorgenommen. Schließlich sei der Beschwerdeführer zwar Bezieher einer Versehrtenrente, doch werde diese Versehrtenrente nach dem B-KUVG für die Folgen des Dienstunfalles (die jedoch keine dauernde Dienstunfähigkeit begründeten) gewährt, nicht jedoch für Krankheiten und Leiden, die Grund und Ursache der Ruhestandsversetzung seien.

Im Bescheidabschnitt "Sonstiges" wurde auf § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 hingewiesen, der ab in Kraft getreten sei (keine Kürzung bei dauernder Erwerbsunfähigkeit im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung). Die Frage, ob im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung dauernde Erwerbsunfähigkeit vorgelegen sei und daher mit Wirksamkeit vom die Bestimmung des § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 zur Anwendung gelange, "wird vom Bundespensionsamt von Amts wegen geprüft". Die Prüfung, ob die Bestimmung des § 83a GG 1956 in Verbindung mit § 62e Abs. 7 PG 1965 zur Anwendung komme, erfolge nur auf Antrag.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. Rechtslage

1. Gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 ist der Beamte von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist.

Nach Abs. 3 dieser Bestimmung ist der Beamte dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm im Wirkungskreis seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.

Gemäß § 14 Abs. 5 BDG 1979 in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, wird die Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des Monates, in dem der Bescheid rechtskräftig wird, oder mit Ablauf des darin festgesetzten späteren Monatsletzten wirksam.

2. Nach § 4 Abs. 1 PG 1965, BGBl. Nr. 340 (Stammfassung), wird der Ruhegenuss auf der Grundlage des ruhegenussfähigen Monatsbezuges und der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit ermittelt.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung bilden 80 v.H. des ruhegenussfähigen Monatsbezuges die Ruhegenussbemessungsgrundlage.

Abs. 3 dieser Bestimmung in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, der am in Kraft getreten ist, lautet:

"(3) Für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Monates liegt, in dem der Beamte sein 60. Lebensjahr vollendet haben wird, ist die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80 % um 0,1667 Prozentpunkte zu kürzen. Das sich aus dieser Kürzung ergebende Prozentausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage ist auf zwei Kommastellen zu runden."

Nach § 4 Abs. 4 Z. 2 dieser Bestimmung in der Fassung der 1. Dienstrechts-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 123, findet eine Kürzung nach Abs. 3 nicht statt, wenn die Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit auf einen Dienstunfall oder eine Berufskrankheit zurückzuführen ist und dem Beamten aus diesem Grund eine Versehrtenrente aus einer gesetzlichen Unfallversicherung gebührt.

Gemäß § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 in der am in Kraft getretenen Fassung des Art. 4 Z. 1 des 1. Budgetbegleitgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 138, findet eine Kürzung nicht statt, wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig ist.

Nach § 4 Abs. 7 leg. cit. in der obgenannten Fassung gilt ein Beamter nur dann als dauernd erwerbsunfähig im Sinne des Abs. 4 Z. 3, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außerstande ist, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen.

§ 12 Abs. 2 PG 1965 in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996 ordnet eine im Ausmaß der Kürzung modifizierte Anwendung des § 4 Abs. 3 bis 5 für die Ruhegenusszulage an.

Nach § 41 Abs. 1 PG 1965 gelten künftige Änderungen dieses Bundesgesetzes auch für Personen, die Anspruch auf Leistung nach diesem Bundesgesetz haben.

Gemäß § 62c Abs. 1 PG 1965 in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996 sind auf Beamte, deren Versetzung in den Ruhestand vor dem eingeleitet worden ist, die §§ 4 und 12 in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung weiter anzuwenden. Nach der früheren Rechtslage gab es bei Ruhestandsversetzungen wegen Dienstunfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres keine Kürzungen (Abschläge) des (vom) Ruhebezug(es).

3. Gemäß § 101 Abs. 1 B-KUVG, BGBl. Nr. 200/1967, besteht Anspruch auf Versehrtenrente, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versehrten durch die Folgen eines Dienstunfalles oder einer Berufskrankheit über drei Monate nach dem Eintritt des Versicherungsfalles hinaus um mindestens 20 v.H. vermindert ist; die Versehrtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v.H.

II. Beschwerdeausführungen

1. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Ruhestandsbezüge in gesetzmäßiger Höhe gemäß den Bestimmungen des PG 1965, und zwar im Hinblick auf das Unterbleiben der Anwendung der Kürzungsregelung des § 4 Abs. 3 wegen Dienstunfähigkeit infolge eines Dienstunfalles nach § 4 Abs. 4 Z. 2 und wegen vollständiger Erwerbsunfähigkeit gemäß § 4 Abs. 4 Z. 3 und 7 leg. cit. durch unrichtige Anwendung all dieser Bestimmungen sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung (§§ 1, 8 DVG; §§ 37, 39 und 60 AVG) verletzt. Außerdem hält er die im Beschwerdefall angewendeten Kürzungsbestimmungen für verfassungswidrig.

2.1. Im Vordergrund der Beschwerdeausführungen steht die Frage, ob die belangte Behörde zutreffend davon ausgehen konnte, dass im Beschwerdefall die Kürzungsbestimmungen nach § 4 Abs. 3 und § 12 Abs. 2 PG 1965 in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996 anzuwenden sind oder ob hier ein Fall des § 4 Abs. 4 Z. 2 leg. cit. vorliegt, der die Anwendbarkeit der Kürzungsbestimmungen (§§ 4 Abs. 3 und 12) ausschließt.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der Beschwerdeführer zunächst vor, dass die Begründung im angefochtenen Bescheid bezüglich der Ablehnung der Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 4 Z. 2 PG 1965 nicht schlüssig sei, weil die Gutachten, auf die sich die belangte Behörde beziehe, nicht darauf ausgerichtet gewesen seien, im Einzelnen zu gewichten, in welchem Faktor die verschiedenen Gesundheitsstörungen zum Gesamtergebnis beigetragen haben. Vor allem seien sie nicht darauf gerichtet gewesen festzustellen, ob ein wesentlicher Beitrag für die Bewirkung der Dienstunfähigkeit (bzw. auch Erwerbsunfähigkeit) durch die Unfallfolgen gesetzt worden sei. Es sei daher unerlässlich gewesen, speziell über diese Frage eine Begutachtung herbeizuführen. Wäre dies geschehen, hätte sich dann herausgestellt, dass in den sonstigen Gesundheitsstörungen seit 1994 keine entscheidende Änderung eingetreten sei und er daher trotz deren Vorhandensein weiter hätte Dienst verrichten können, wenn nicht der Dienstunfall und dessen Folgen hinzugekommen wären. Daher seien wesentliche Verfahrensmängel der Grund dafür, dass die belangte Behörde fälschlich die Ursächlichkeit des Dienstunfalles für die Ruhestandsversetzung verneint habe. Der Begründung des angefochtenen Bescheides sei nichts über die behördliche Rechtsansicht für den hier zutreffenden Fall zu entnehmen, dass mehrere Gesundheitsstörungen zusammenträfen und diese erst in ihrer Gesamtheit die Dienstunfähigkeit bewirkt hätten. Im Sinne des § 4 Abs. 4 Z. 2 PG 1965 sei die Ruhestandsversetzung auch dann auf einen Dienstunfall zurückzuführen, wenn dieser zwar nicht für sich allein, aber als einer von mehreren Ursachen wesentlich für die Ruhestandsversetzung gewesen sei. Somit sei die Frage zu stellen, ob bei Ausklammerung der Folgen des Dienstunfalles die Ruhestandsversetzung ebenfalls erfolgt wäre. Sollte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen sein, läge inhaltliche Rechtswidrigkeit vor. In concreto liege diese wesentliche "Beitragswirkung" des Dienstunfalles beim Beschwerdeführer vor. Deshalb habe die Abschlagsregelung wegen § 4 Abs. 4 Z. 2 PG 1965 nicht angewendet werden dürfen.

2.2. Der Beschwerdeführer rügt ferner, die belangte Behörde hätte die im Zeitpunkt der Erlassung ihres angefochtenen Bescheides ab geänderte Rechtslage anwenden und daher prüfen müssen, ob nicht wegen seiner gänzlichen Erwerbsunfähigkeit (im Sinn des § 4 Abs. 4 Z. 3 in Verbindung mit Abs. 7 PG 1965) die Kürzung zu entfallen habe.

2.3. Schließlich bringt der Beschwerdeführer verfassungsrechtliche Bedenken wegen Verletzung des Gleichheitsrechtes gegen die Kürzungsregelung des § 4 Abs. 3 PG 1965 und die Übergangsregelung des § 62c Abs. 1 leg. cit. vor.

Bezüglich des § 4 Abs. 3 und 5 (allenfalls auch Abs. 6 bis 8) und § 12 Abs. 2 dritter Satz PG 1965 regt der Beschwerdeführer eine Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof nach Art. 140 B-VG an.

3. Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das Ruhestandsversetzungsverfahren des Beschwerdeführers unbestritten erst nach dem in § 62c Abs. 1 PG 1965 genannten Stichtag eingeleitet wurde und somit kein Anwendungsfall des § 62c Abs. 1 PG 1965 vorliegt. Unstrittig ist weiters, dass der Beschwerdeführer im Jahre 1994 einen Dienstunfall erlitt und infolge dessen eine Versehrtenrente nach dem B-KUVG in der Höhe von 20 v.H. der Vollrente bezieht. Als Folge des Dienstunfalles besteht laut Gutachten von Dr. H. vom im Bereich des linken Unterarmes eine ausgedehnte Narbe mit Kontraktur und Beschwerden beim Faustschluss und Streckversuch.

3.1. Strittig ist aber, ob der Ausnahmetatbestand des § 4 Abs. 4 Z. 2 PG 1965 zutreffend von der belangten Behörde ausgeschlossen wurde oder nicht.

Die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 4 Z. 2 PG 1965 ist nur dann gegeben, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:

a) die Rückführbarkeit der für die Ruhestandsversetzung des Beamten maßgebenden Dienstunfähigkeit auf einen Dienstunfall oder eine Berufskrankheit und

b) die ihm aus diesem Grund gebührende Versehrtenrente aus einer gesetzlichen Unfallversicherung.

Fehlt auch nur eine dieser Voraussetzungen, kommt die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 4 Z. 2 PG 1965 nicht in Betracht.

Im Beschwerdefall ist ausschließlich strittig, ob die unter a) genannte Voraussetzung gegeben ist, mit anderen Worten, ob die für die Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführers maßgebende Dienstunfähigkeit auf den von ihm am erlittenen Dienstunfall zurückzuführen ist.

Zurückführbarkeit im Sinne des § 4 Abs. 4 Z. 2 PG 1965 bedeutet, dass die Dienstunfähigkeit durch ein dort genanntes Ereignis (hier: Dienstunfall) verursacht wurde. Die Wertigkeit der verursachenden Bedingung, die zur Annahme des erforderlichen Kausalitätszusammenhanges führt, ist in Verbindung mit der (oben unter b) genannten) 2. Tatbestandsvoraussetzung zu sehen: da die bloße Gebührlichkeit einer Versehrtenrente für den Dienstunfall (Berufskrankheit) nach einer unfallversicherungsrechtlichen Vorschrift (hier: B-KUVG) nach dem klaren Gesetzeswortlaut für sich allein nicht ausreicht, die Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage nach § 4 Abs. 3 leg. cit. auszuschalten, muss dem Kausalitätszusammenhang nach der ersten Voraussetzung (will man nicht dem Gesetzgeber eine überflüssige Anordnung unterstellen) eine eigenständige, darüber hinausgehende Bedeutung zukommen. Daraus ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes - wie bereits im hg. Erkenntnis vom , 99/12/0132 ausgesprochen - abzuleiten, dass der geforderte Kausalzusammenhang zwischen Dienstunfähigkeit und (berentetem) Dienstunfall (hier nach dem B-KUVG) dann gegeben ist, wenn dieser Dienstunfall als wirkende - nicht bloß unwesentliche - Bedingung für die Dienstunfähigkeit in Betracht kommt (vgl. in diesem Zusammenhang auch die zu § 9 Abs. 4 in der Fassung der 8. Pensionsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 426/1985, der - soweit dies hier von Bedeutung ist - wörtlich mit der späteren Bestimmung nach § 4 Abs. 4 Z. 2 übereinstimmt und offenbar eine Vorbildfunktion für diese Norm hat, ergangenen hg. Erkenntnisse vom , 91/12/0025, und vom , 96/12/0313).

Der angefochtene Bescheid lässt nicht erkennen, dass die belangte Behörde von einer fehlerhaften Auslegung der

1. Tatbestandsvoraussetzung nach § 4 Abs. 4 Z. 2 PG 1965 ausgegangen ist. Der Vorwurf einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit trifft daher nicht zu.

Es ist aber auch die Verfahrensrüge nicht begründet. Zwar trifft es zu, dass die für die Ruhestandsversetzung zuständige Aktiv-Dienstbehörde in ihrem Verfahren nicht zu prüfen hat, ob die Dienstunfähigkeit im Sinne des § 14 Abs. 3 BDG 1979 auf einen Dienstunfall zurückzuführen ist oder dieser zumindest einen wesentlichen Anteil an der Dienstunfähigkeit hat, weil es in diesem Verfahren nur auf das Vorliegen der Dienstunfähigkeit ankommt und nicht auf deren Ursachen. Das schließt aber für sich allein nicht von vornherein aus, dass die im Ruhestandsversetzungsverfahren von der Aktiv-Dienstbehörde im Ruhestandsversetzungsbescheid verwerteten medizinischen Gutachten von den für die Ruhegenussbemessung zuständigen Pensions-Dienstbehörden unter dem in ihrem Verfahren allein nach § 4 Abs. 4 Z. 2 PG 1965 maßgebenden Gesichtspunkt geprüft werden können, ob sie für dessen Lösung hinreichen oder nicht. Ob dies zutrifft, kann nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden.

Im Beschwerdefall hat sich die Aktiv-Dienstbehörde in ihrem Ruhestandsversetzungsbescheid auf das Gutachten des Anstaltsarztes Dr. H. vom gestützt, das unter anderem auch die Folgen des Dienstunfalles (ausgedehnte Narbe mit Kontraktur und Beschwerden beim Faustschluss und Streckversuch) erwähnt. Im Hinblick auf die sonstigen in diesem Gutachten angeführten teilweise chronischen Leidenszustände des Beschwerdeführers (Tachyarrythmie mit Neigung zu pectaginösen Beschwerden; chronische Magen- und Darmbeschwerden durch ulcus v. und chronische Colitis; multiple Myogelosen im Bereich der Wirbelsäule; chronische Schlafstörungen bei depressiver Stimmungslage) kann es aber bei vernünftiger Gesamtwürdigung aller Leidenszustände des Beschwerdeführers keinem Zweifel unterliegen, dass ein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass die durch den Dienstunfall hervorgerufenen Leidenszustände eine wesentliche Bedingung für den Eintritt seiner Dienstunfähigkeit gewesen sein könnten, nicht vorliegt. Es fehlt auch jeder Hinweis darauf, dass die Folgen nach dem Dienstunfall schon vorhandene sonstige Leidenszustände des Beschwerdeführers verschlimmert hätten und erst dies zu seiner Dienstunfähigkeit geführt hätte oder dass diese (anderen) Leidenszustände erst durch den Dienstunfall ausgelöst worden wären. Der Beschwerdeführer hat auch im Ruhegenussbemessungsverfahren - anders als im bereits genannten Beschwerdefall, der dem hg. Erkenntnis vom , 99/12/0132, zugrundelag - keinerlei substantiiertes Vorbringen erstattet, das einen solchen Zusammenhang nahe legte. Das bloß allgemeine Berufungsvorbringen, der erlittene Dienstunfall stelle den Hauptgrund der Frühpensionierung dar, reicht vor dem Hintergrund der Ausführungen im Gutachten Dris. H. vom , das dem Beschwerdeführer im Ruhestandsversetzungsverfahren übermittelt worden war, nicht aus, einen derartigen Zweifel an der völlig untergeordneten Rolle der durch den Dienstunfall bedingten Leidenszustände für die Herbeiführung der Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers hervorzurufen, der nur durch weitere Ermittlungen (insbesondere durch Einholung eines weiteren medizinischen Sachverständigen-Gutachtens zu diesem Thema) hätte gelöst werden können.

Es war daher im Ergebnis nicht rechtswidrig, dass die belangte Behörde bei den im Beschwerdefall gegebenen besonderen (oben aufgezeigten) Umständen ohne weitere Ermittlungen vom Nichtvorliegen der ersten Tatbestandsvoraussetzung des § 4 Abs. 4 Z. 2 PG 1965 ausging. Die Anwendung des § 4 Abs. 3 und § 12 PG 1965 für den Zeitraum ab Beginn der Ruhestandsversetzung () bis zur Änderung der Rechtslage ab (hier:

Einführung des § 4 Abs. 4 Z. 3 und Abs. 7 PG 1965 - siehe dazu näher unter 3.2.) entsprach daher dem Gesetz.

3.2. Hingegen ist der Einwand des Beschwerdeführers (siehe 2.2.) berechtigt, dass die belangte Behörde auf die während der Anhängigkeit des Berufungsverfahrens durch Einfügung der Z. 3 in § 4 Abs. 4 PG 1965 erfolgte Rechtsänderung Bedacht zu nehmen gehabt hätte.

Insoweit kann auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 98/12/0500, verwiesen werden, und zwar sowohl bezüglich der Anwendbarkeit von § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 als auch bezüglich der Auslegung des Bescheidabschnittes "Sonstiges".

Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift kann der Beschwerdeführer auch nicht auf einen Feststellungsantrag bezüglich der Höhe seines Ruhegenusses (ab ) verwiesen werden. Denn der angefochtene Bescheid erfasst bezüglich der Feststellung der Höhe des Ruhegenusses auch den Zeitraum ab (vgl. insoweit das oben zitierte hg. Erkenntnis) und stünde hinsichtlich des Zeitraumes vom bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides einer positiven Erledigung eines solchen Feststellungsantrages entgegen.

3.3. Was die Frage der Verfassungsmäßigkeit der §§ 4 Abs. 3 und 62c Abs. 1 PG 1965 betrifft (siehe 2.3.), ist der Beschwerdeführer auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 4939/96 - B 880/98, zu verweisen, in dem die Verfassungsmäßigkeit von § 4 Abs. 3 bis 5 und § 62c PG 1965 insbesondere in Bezug auf den Gleichheitssatz bejaht wurde. Unter dem Blickwinkel des Beschwerdefalles, in dem keine neuen Argumente vorgebracht wurden, die nicht ohnehin vom Verfassungsgerichtshof bereits behandelt worden wären, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zu keiner Anfechtung der genannten Bestimmungen nach Art. 140 Abs. 1 B-VG veranlasst.

4. Die belangte Behörde hat daher dadurch, dass sie über den Ruhebezug des Beschwerdeführers auch für die Zeit ab abgesprochen und dabei die möglichen Auswirkungen des ab eingefügten § 4 Abs. 4 Z. 3 in Verbindung mit Abs. 7 PG 1965 (Entfall der Kürzung im Fall der dauernden Erwerbsunfähigkeit ab diesem Zeitpunkt), dessen Anwendung auch im Beschwerdefall in Betracht kommt, außer Acht gelassen hat, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG in diesem Umfang aufzuheben war; im übrigen (d.h., soweit der angefochtene Bescheid über den Zeitraum vom 1. September bis abgesprochen hat) war die Beschwerde hingegen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und 49 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am