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VwGH vom 29.10.1996, 93/11/0269

VwGH vom 29.10.1996, 93/11/0269

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-07/03/00277/92, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe als verantwortlicher Beauftragter der J-AG zu verantworten, daß diese AG in einer für den Kleinverkauf von Lebensmitteln bestimmten Filiale in Wien am Samstag, dem , neunzehn namentlich genannten Arbeitnehmern die Wochenendruhe nicht beginnend mit spätestens 13.00 Uhr gewährt habe, ohne daß eine Ausnahme von der Wochenend- und Feiertagsruhe bestanden hätte und obwohl die genannte Verkaufsstelle bereits am Samstag, dem , nach 13.00 offengehalten und Arbeitnehmer beschäftigt worden seien. Der Beschwerdeführer habe hiedurch Übertretungen des § 3 Abs. 2 Arbeitsruhegesetz - ARG, BGBl. Nr. 144/1983, i.V.m. Abschnitt XVII Z. 1 lit. a

Arbeitsruhegesetz-Verordnung - ARG-VO, BGBl. Nr. 149/1984, und § 3a "Ladenschlußgesetz" (richtig: Öffungszeitengesetz) i.V.m.

§ 12 Abs. 3 der Verordnung des Landeshauptmannes von Wien LGBl. Nr. 58/1990 (Wiener ÖffnungszeitenV) begangen. Es wurden gemäß § 27 Abs. 1 ARG 19 Geldstrafen zu je S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 1 Tag) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 ARG hat der Arbeitnehmer in jeder Kalenderwoche Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden, in die der Sonntag zu fallen hat (Wochenendruhe). Während dieser Zeit darf der Arbeitnehmer nur beschäftigt werden, wenn dies auf Grund der §§ 2 Abs. 2, 10 bis 18 zulässig ist.

Nach § 3 Abs. 2 ARG hat die Wochenendruhe für alle Arbeitnehmer spätestens Samstag um 13.00 Uhr, für Arbeitnehmer die mit unbedingt notwendigen Abschluß-, Reinigungs-, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten beschäftigt sind, spätestens Samstag um 15.00 Uhr zu beginnen.

Gemäß § 1 ARG-VO dürfen Arbeitnehmer während der Wochenend- und Feiertagsruhe nur die in der Anlage angeführten Tätigkeiten während der jeweils angeführten Zeiträume ausüben. Zufolge der mit "Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe (Ausnahmekatalog)" überschriebenen Anlage zu § 1 ARG-VO, näherhin deren Abschnitt XVII, Handel, Z. 1 lit. a dürfen Arbeitnehmer an Samstagen alle Tätigkeiten in Verkaufsstellen im Sinne des § 1 Abs. 1 bis 3 des Ladenschlußgesetzes, BGBl. Nr. 156/1958, ausüben, soweit die jeweils geltenden Ladenschlußvorschriften ein Offenhalten dieser Verkaufsstellen vorsehen. (Das LadenschlußG wurde mit Bundesgesetz vom , BGBl. Nr. 633a, geändert; u.a. erhielt es den Titel "Öffnungszeitengesetz".)

§ 3a ÖffnungszeitenG i.d.F. BGBl. Nr. 633a/1989 lautet:

"(1) Die Verkaufsstellen dürfen entweder einmal in der Woche, ausgenommen am Samstag, bis spätestens 20 Uhr oder einmal im Monat am Samstag bis spätestens 17 Uhr offengehalten werden. Diese Regelung gilt nicht für den 24. und 31. Dezember.

(2) Verkaufsstellen, die auf Grund dieses Bundesgesetzes oder auf Grund einer auf dieses Bundesgesetz gestützten Verordnung auch nur an einem Samstag im Monat nach 13 Uhr offengehalten werden, dürfen in dem betreffenden Monat auf Grund des Abs. 1 nicht an einem sonstigen Werktag bis 20 Uhr oder an einem weiteren Samstag nach 13 Uhr offengehalten werden. Das Offenhalten an einem Samstag nach 13 Uhr auf Grund einer Verordnung gemäß § 4 Abs. 6 steht aber dem Offenhalten an einem weiteren Samstag nach 13 Uhr auf Grund des Abs. 1 nicht entgegen.

(3) Für das in Abs. 1 und 2 eingeräumte Wahlrecht bestimmt sich die Zugehörigkeit einer Kalenderwoche zu einem Monat danach, zu welchem Monat der Samstag der betreffenden Kalenderwoche gehört."

Nach § 12 Abs. 3 Wiener ÖffnungszeitenV durften die Verkaufsstellen für Lebensmittel (ausgenommen Süßwaren) an den letzten drei Samstagen vor dem 24. Dezember, an denen keine Feiertagsruhe bestand, bis 18.00 Uhr offengehalten werden.

In der Beschwerde bleibt unbestritten, daß die gegenständliche Verkaufsstelle auch am , dem vierten Samstag vor Weihnachten, an dem keine Feiertagsruhe bestand, offengehalten wurde, obwohl die Verkaufsstelle auch am gemäß § 3a ÖffnungszeitenG nach 13.00 Uhr offengehalten worden war.

In rechtlicher Hinsicht bringt der Beschwerdeführer hiezu vor, es gehe im Beschwerdefall nicht um den tatsächlich vorgelegenen Verstoß gegen das ÖffnungszeitenG, sondern um einen Verstoß gegen das Arbeitsruhegesetz. Wenngleich Abschnitt XVII der Anlage zur ARG-VO hinsichtlich der zu beachtenden Ruhezeiten auf die Ladenschlußvorschriften verweise, sei diese Bestimmung im Hinblick auf die Neuregelung des § 3a Abs. 2 ÖffnungszeitenG so zu interpretieren, daß ein Dienstnehmer - abgesehen von den "langen Einkaufssamstagen" vor Weihnachten und den übrigen im Gesetz genannten Ausnahmen - nicht öfter als einmal monatlich am Samstag nach 13.00 Uhr beschäftigt werden darf. Arbeitsruherechtlich von Bedeutung sei sohin nicht, ob der Unternehmer berechtigt gewesen sei, den Betrieb am Samstag nach 13.00 Uhr geöffnet zu halten, sondern ob der Dienstnehmer - abgesehen von den genannten Ausnahmen - öfter als einmal im Monat am Samstag nach 13.00 Uhr beschäftigt worden sei und ihm damit die ihm zustehenden Ruhezeiten verweigert worden seien.

Dieser Auffassung vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Aus § 3 Abs. 1 zweiter Satz ARG folgt, daß während der Zeit der Wochenendruhe ein Arbeitnehmer nur beschäftigt werden darf, wenn dies im Gesetz bzw. in einer gesetzlich vorgesehenen Verordnung zugelassen ist. Im gegebenen Zusammenhang knüpft Art. XVII Z. 1 lit. a der gemäß § 12 Abs. 1 ARG ergangenen ARG-VO die Zulässigkeit der Beschäftigung von Arbeitnehmern an Samstagnachmittagen an die jeweils geltenden Ladenschlußvorschriften. Die Zulässigkeit der Beschäftigung des Arbeitnehmers an Samstagnachmittagen bestimmt sich demnach ausschließlich nach den zulässigen Ladenöffnungszeiten. Mit anderen Worten, ein unzulässiges Offenhalten einer Verkaufsstelle in der in Rede stehenden Zeit bedeutet in Ansehung der beschäftigten Arbeitnehmer gleichzeitig einen Verstoß gegen die Wochenendruhe. Die einschlägigen Regelungen stellen insbesondere nicht darauf ab, ob ein Arbeitnehmer im betreffend Monat bereits einmal an einem Samstagnachmittag beschäftigt wurde oder nicht.

Soweit der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der unsachlichen Differenzierung zwischen Lebensmittelgeschäften und anderen Geschäften Bedenken gegen § 4 Abs. 5 zweiter Halbsatz und Abs. 7 ÖffnungszeitenG und § 12 Abs. 3 Wiener ÖffnungszeitenV hegt, ist ihm zu erwidern, daß die unterschiedlichen Regelungen für Verkaufsstellen für Lebensmittel (ausgenommen Süßwaren) einerseits und für sonstige Verkaufsstellen andererseits offenbar auf der Annahme beruhten, der Einkaufsbedarf vor Weihnachten sei je nach Warengruppen unterschiedlich zu beurteilen. Im Hinblick auf die unterschiedliche Bedeutung von Lebensmitteln als Weihnachtsgeschenke und den Umstand, daß ein Großteil der zu Weihnachten verzehrten Nahrungsmittel üblicherweise erst kurz vor den Festtagen besorgt wird, hält der Verwaltungsgerichtshof die in Rede stehende unterschiedliche Regelung nicht für unsachlich. Daran vermag eine spätere auf einer anderen rechtspolitischen Wertung beruhende Regelung nichts zu ändern. Daher ist im gegebenen Zusammenhang der Umstand ohne Belang, daß mit Verordnung des Landeshauptmannes von Wien LGBl. Nr. 46/1992 für 1992 eine Sonderregelung geschaffen wurde, wonach auch Lebensmittelgeschäfte an den letzten vier Samstagen vor Weihnachten bis 18.00 Uhr offenhalten dürfen, und im Jahre 1993 (nicht, wie der Beschwerdeführer, meint im Jahre 1991) mit Verordnung des Landeshauptmannes von Wien LGBl. Nr. 56/1993 auch die Wiener ÖffnungszeitenV in diesem Sinne geändert wurde. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich demnach nicht veranlaßt, der Anregung des Beschwerdeführers entsprechend beim Verfassungsgerichtshof die Einleitung eines Verfahrens zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der besagten Bestimmungen zu beantragen.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, er sei zur Offenhaltung der gegenständlichen Verkaufsstelle gezwungen gewesen, da an diesem Samstagnachmittag alle Verkaufsstellen, einschließlich der des Lebensmittelhandels, geöffnet gewesen seien; die Entscheidung, die Filiale geöffnet zu halten, hätte gefällt werden müssen, um einen unwiederbringlichen Schaden zu vermeiden.

Diesem offenbar auf Anwendung des § 11 Abs. 1 Z. 2 ARG abzielenden Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, daß das allfällige rechtswidrige Verhalten von Mitbewerbern keinen Rechtfertigungsgrund darstellt. Im übrigen stellen Mindereinnahmen, die daraus resultieren, daß der gegebenen Rechtslage entsprechend Verkaufsstellen geschlossen gehalten werden müssen, schon deswegen keinen "unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Schaden" im Sinne des § 11 Abs. 1 Z. 2 ARG dar, weil sie als vom Gesetz- bzw. Verordnungsgeber in Kauf genommen angesehen werden müssen. Von einem "außergewöhnlichen Fall" im Sinne der zitierten Gesetzesstelle kann hiebei keine Rede sein.

Der Beschwerdeführer rügt schließlich, die Behörde habe nicht ausreichend gewürdigt, daß er im Hinblick auf die Gespräche zwischen der Sektion Handel der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien und der Gewerkschaft der Privatangestellten über die Entlohnung und die Abgeltung der im Zuge der Samstagsdienste im November 1990 erforderlichen Mehrleistungen und die darüber abgeschlossene Vereinbarung vom , worüber die Kammermitglieder von der zuständigen Kammerorganisation verständigt worden seien, der Ansicht habe sein müssen, daß das Offenhalten und das Beschäftigen der Dienstnehmer am zulässig sei. Es sei ihm daher ein entschuldbarer Rechtsirrtum zugutezuhalten.

Diese Auffassung kann nicht geteilt werden. Der Beschwerdeführer handelte keineswegs mit der gebotenen Sorgfalt, wenn er aus der besagten Vereinbarung den Schluß zog, sie gestatte abweichend von den geltenden Öffnungszeitenregelungen allen Geschäften - also auch solchen des Lebensmittelhandels - das Offenhalten am . Nichts deutet auf einen solchen Inhalt der Vereinbarung hin. Sie enthält unter anderem folgende im gegebenen Zusammenhang maßgebende Passagen:

"Wenn ein Einzelhandelsunternehmen im Bundesland Wien Arbeitnehmer an zwei Samstagen im November 1990 nach 13.00 Uhr IM RAHMEN DER ZULÄSSIGEN ÖFFNUNGSZEITEN bis 17.00

bzw. 18.00 Uhr zu Dienstleistungen heranzieht, ... .

Die Gewerkschaft der Privatangestellten sowie die Gewerkschaft Handel Transport Verkehr erklären Gesprächsbereitschaft dahingehend, daß AB DEM JAHRE 1991 gegen die ÄNDERUNG der Wiener Ladenöffnungsverordnung mit der dem Lebensmittelhandel ein Öffnen an vier Samstagnachmittagen vor dem 24. Dezember ermöglicht wird, keine Einwände erhoben werden." (Unterstreichungen vom Verwaltungsgerichtshof).

Die Vereinbarung stellt somit ausdrücklich auf die "zulässigen Öffnungszeiten" ab und enthält lediglich die Erklärung der Gesprächsbereitschaft der Gewerkschaft für eine Änderung der geltenden Öffnungszeitenregelung ab dem Jahr 1991.

Da sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch an Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.