VwGH 17.09.1996, 96/05/0163
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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RS 1 | Keine verfassungsrechtliche Bestimmung verwehrt dem Landesgesetzgeber die eigenständige baurechtliche Regelung auch in Ansehung solcher Bauwerke, die bestimmungsgemäß ausschließlich gewerblichen Betriebsanlagen dienen, und er ist insbesondere nicht verpflichtet, vorzusehen, daß in einem solchen Fall eine Baubewilligung erst nach Vorliegen einer gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung erteilt werden darf (Hinweis E VfSlg 8269). Die NÖ BauO 1976 enthält keine Bestimmung, wonach die Baubehörde verpflichtet wäre, im Falle eines Erfordernisses einer gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung die Baubewilligung erst nach Vorliegen einer derartigen Genehmigung zu erteilen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des Josef und der Aloisia E in D, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. R/1-V-94177/03, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. N-Warenhandel AG in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, 2. Marktgemeinde D, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben zu gleichen Teilen dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,--, der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.740,-- und der zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.500,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Ansuchen vom , eingelangt bei der mitbeteiligten Gemeinde am , beantragte die Erstmitbeteiligte die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Neubaues und einer ölbefeuerten Zentralheizung auf dem Grundstück Nr. 935 in EZ 1001, KG D. Dem dem Ansuchen beigelegten Plan ist zu entnehmen, daß auch eine geringfügige bauliche Umgestaltung des bestehenden Altbaues geplant ist.
Über dieses Ansuchen wurde mit Ladung vom eine mündliche Verhandlung für den anberaumt, zu der die Beschwerdeführer als Anrainer unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen wurden. In der Verhandlung sprachen sich die Beschwerdeführer, deren Grundstück unmittelbar westlich an das zu bebauende Grundstück anschließt, gegen das Bauvorhaben aus, weil dadurch eine unzumutbare Lärm- und Abgasbelastung entstünde. Auf dem mit 52 Stellplätzen geplanten Abstellplatz sei eine unzumutbare Verkehrsbelastung zu erwarten. Das Bauvorhaben widerspreche dem gültigen Flächenwidmungsplan, weil sich das Vorhaben dem Ortsbild nicht anpasse und eine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung durch die an- und abfahrenden PKW der Käufer und Zulieferer zu erwarten sei.
Nach Einholung von technischen und medizinischen Gutachten, die den Beschwerdeführern kurzfristig zur Stellungnahme übermittelt wurden, erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde der Erstmitbeteiligten mit Bescheid vom die beantragte Baubewilligung.
Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung der Beschwerdeführer hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom abgewiesen. Aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer, in der sie im wesentlichen ausführten, es sei noch ein zweites Bauvorhaben im Jahre 1993 eingereicht worden, das sich vom gegenständlichen kaum unterscheide und zu Verwechslungsmöglichkeiten führe, hat die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf mit Bescheid vom den Bescheid des Gemeinderates vom aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat zurückverwiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Pläne, die dem Bauansuchen vom zugrundelägen, seien bezüglich der Einreichung vom als Auswechslungspläne anzusehen. Der Nachbar habe einen Rechtsanspruch darauf, daß ein im wesentlichen unverändertes Projekt nicht neuerlich Gegenstand der Entscheidung einer Baubehörde werde. Aufgrund der von der mitbeteiligten Marktgemeinde vorgelegten Bauakten ergäbe sich, daß Gegenstand des Antrages vom der Abbruch von bestehenden Gebäuden und Umgestaltung des Gebäudes an der Hauptstraße Nr. 18 sowie die Errichtung einer ölbefeuerten Zentralheizung und einer Betriebsanlage gewesen sei. Der Abbruch der bestehenden Gebäude und die Umgestaltung des Gebäudes an der Hauptstraße Nr. 18 sei von den Beschwerdeführern nicht bekämpft worden. Da der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde, ohne auf die Auswechslungspläne vom einzugehen, über das Projekt vom entschieden hat, habe er über die geringfügigen Modifikationen, welche im Projekt vom vorgesehen seien, nicht nochmals am entscheiden dürfen. Da somit der Bescheid vom von einer unzuständigen Behörde erlassen worden sei und auch der Gemeinderat diese Rechtswidrigkeit nicht aufgegriffen habe, sei der Bescheid des Gemeinderates mit Rechtswidrigkeit belastet. Die Baubehörden der mitbeteiligten Marktgemeinde hätten daher im fortgesetzten Verfahren zunächst einmal zu klären, welches konkrete Projekt die Bauwerberin nun tatsächlich verwirklichen wolle und hätten beide Verfahren zu verbinden. Weiters gehe aus dem Sitzungsprotokoll des Gemeinderates der Marktgemeinde D vom hervor, daß der Beschluß des Kollegialorganes, welcher mit Bescheid vom intimiert worden sei, nicht die erforderliche Begründung aufweise.
In der Folge hat die Bauwerberin am ihr Ansuchen vom mit Ausnahme des Abbruchansuchens zurückgezogen und darauf hingewiesen, daß nur das Ansuchen vom mit den Plänen Nr. 60a und 61a aufrecht bleibe.
Mit Bescheid vom hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom als unbegründet abgewiesen und den angefochtenen Bescheid bestätigt. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, daß nach der Entscheidung der Gemeindeaufsichtsbehörde das erste Bauansuchen von der Bauwerberin (mit Ausnahme des Abbruchansuchens) zurückgezogen worden sei, es bleibe somit nur mehr das Ansuchen vom Jänner 1994 aufrecht. Mit der 10. Novelle zur Bauordnung 1976 sei im § 118 Abs. 9 Nö BO 1976 geregelt worden, daß subjektiv-öffentliche Rechte, wenn ein Bauvorhaben außer der baubehördlichen auch einer gewerbebehördlichen Bewilligung bedürfe, nur durch die Bestimmung gemäß § 118 Abs. 9 Z. 4 BO begründet würden. Diesbezüglich seien Einwendungen nicht erhoben worden, die übrigen Einwendungen seien nicht Gegenstand des Bauverfahrens, somit seien die Beschwerdeführer durch die Erteilung der Baubewilligung nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt worden.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung hat die belangte Behörde mit Bescheid vom abgewiesen. Sie teilt im wesentlichen die Rechtsansicht des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in der Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteilgten Parteien, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Den weitwendigen Beschwerdeausführungen hinsichtlich der gegebenen Verwechslungsmöglichkeit der anhängig gewesenen Bauverfahren vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen. Das gegenständliche Bauvorhaben wurde bei der Gemeinde jeweils unter der Aktenzahl 935B/2 geführt, es ist mit den Plänen 60a und 61a belegt. Das andere Bauvorhaben, um dessen Bewilligung im Jahre 1993 angesucht worden ist, wurde zu der Aktenzahl 935B behandelt. Dieses Ansuchen wurde mit Ausnahme der begehrten Abbruchbewilligung zurückgezogen, sodaß nunmehr ausschließlich das Ansuchen vom Gegenstand einer Bewilligung und auch der vorliegenden Beschwerde ist. Die erteilte Baubewilligung bezieht sich auf die Pläne, die Baubeschreibung und die Verhandlungsschrift vom , die einen Bestandteil des Baubewilligungsbescheides bilden. Damit ist hinreichend klargestellt, um welches Bauvorhaben es sich handelt. Der Einwand der Beschwerdeführer, es sei das ursprüngliche Bauansuchen zurückgezogen worden, die derzeitige "Umgestaltung" des bestehenden Gebäudes betreffe daher ein "rechtliches Nichts", geht insofern an der Aktenlage vorbei, als sich die geringfügige Umgestaltung auf das bereits bestehende Gebäude an der Hauptstraße Nr. 18 bezieht, dies unabhängig davon, daß in einem anderen Ansuchen - auch - die Bewilligung für eine Umgestaltung des bestehenden Gebäudes beantragt worden war.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, daß nur den tragenden Aufhebungsgründen eines aufsichtsbehördlichen Bescheides für das fortgesetzte Verfahren bindende Wirkung zukommt (vgl. etwa das
hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 8091/A, sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 84/05/0133, BauSlg. Nr. 351, u.a.), auch dies nur bei in den wesentlichen Punkten gleichgebliebenem Sachverhalt und unveränderter Rechtslage.
Tragende Aufhebungsgründe des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom waren aber einerseits der Umstand, daß das am eingereichte Bauvorhaben mit den beigebrachten Plänen als "Auswechslungspläne" zum ursprünglichen Bauvorhaben und den dortigen Plänen vom Juli 1993 zu betrachten sei, sowie andererseits der Umstand, daß der Gemeinderat in seiner Beschlußfassung nicht auch die Begründung des Berufungsbescheides beschlossen habe. Aufgrund der Zurückziehung des Bauansuchens vom Juli 1993 ist der Sachverhalt insofern geändert, als nunmehr keine Verwechslungsmöglichkeit gegeben ist, die nunmehr vorgelegten Pläne können auch nicht als Auswechslungspläne zu einem zurückgezogenen Bauansuchen betrachtet werden. Der nunmehrige Bescheid der Gemeindevertretung ist auch in seiner Begründung vom Beschluß der Gemeindevertretung getragen.
Nach dem hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 9315/A, hat die Rechtsmittelbehörde - dies gilt in gleicher Weise auch für jede andere behördliche Entscheidung - im allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden. Eine andere Betrachtungweise wird dann geboten sein, wenn etwa der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, daß "auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist". Weiters wird eine andere Betrachtungsweise auch dann Platz zu greifen haben, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war. Dieser Rechtsprechung liegt die Rechtsauffassung zugrunde, daß die Frage, welches Recht von der Behörde anzuwenden ist, eine Auslegungsfrage jener Bestimmungen ist, die den zeitlichen Anwendungsbereich zum Gegenstand haben. Eine solche Regelung kann explizit, z.B. in einer Übergangsbestimmung, erfolgen. Sie kann sich aber auch aus dem Regelgungsgegenstand der Norm, um deren Anwendung es geht, implizit ergeben, etwa wenn auf einen bestimmten Zeitpunkt oder einen bestimmten Zeitraum abgestellt wird. Ergibt sich hieraus keine Lösung (im Sinne der Anwendung einer im Entscheidungszeitpunkt der Behörde nicht mehr in Geltung stehenden Rechtsnorm bzw. nicht mehr geltenden Rechtslage), gilt die Zweifelsregel, daß das im Entscheidungszeitpunkt in Geltung stehende Recht anzuwenden ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 86/08/0140, vom , Zl. 86/08/0115, und vom , Zl. 90/08/0177, sowie das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Sgl. Nr. 11.237/A).
Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze ist die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen, daß die maßgebende Rechtslage jene zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Gemeinderates vom war. Zu diesem Zeitpunkt war bereits die 10. Bauordnungsnovelle in Kraft (wirksam ab ). Mit dieser Novelle, LGBl. 8200-12, wurde dem Abs. 9 des § 118 folgender Satz angefügt: "Wenn ein Bauvorhaben außer der baubehördlichen auch einer gewerbebehördlichen Bewilligung bedarf, werden subjektiv-öffentliche Rechte nur durch die Bestimmung gemäß Z. 4 begründet". Z. 4 des § 118 Abs. 9 leg.cit. normiert subjektiv-öffentliche Rechte der Nachbarn hinsichtlich der Bebauungweise, der Bebauungshöhe und der Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung. In bezug auf diese Umstände haben die Beschwerdeführer während des Verwaltungsverfahrens aber keine Einwendungen erhoben. Die diesbzüglich - unsubstantiierten - Ausführungen in der Beschwerde erweisen sich wegen des aus § 41 Abs. 1 VwGG ableitbaren Neuerungsverbotes als unbeachtlich. Auf die im Verwaltungsverfahren erhobenen Einwendungen betreffend die behaupteten Immissionsbelastungen war aufgrund des Inkrafttretens der Novelle LGBl. 8200-12 von der Berufungsbehörde nicht mehr einzugehen, sodaß sich auch ein Eingehen auf die von den Beschwerdeführern behauptete kurze Vorbereitungsfrist zur Stellungnahme zu dem Gutachten erübrigt, weil verfahrensrechtliche Rechte der Nachbarn nicht weitergehen als ihre inhaltlichen Rechte.
Mit dem in der Beschwerde vorgetragenen Argument, wenn alle Unterlagen des im Gewerberechtsverfahren eingereichten Projektes den beschlußfassenden Mitgliedern des Gemeinderates nicht bekannt sein konnten, so wäre dieses Verfahren allein schon aus diesem Grund zu unterbrechen gewesen, verkennen die Beschwerdeführer die Rechtslage: Keine verfassungsrechtliche Bestimmung verwehrt dem Landesgesetzgeber die eigenständige baurechtliche Regelung auch in Ansehung solcher Bauwerke, die bestimmungsgemäß ausschließlich gewerblichen Betriebsanlagen dienen, und er ist insbesondere nicht verpflichtet, vorzusehen, daß in einem solchen Fall eine Baubewilligung erst nach Vorliegen einer gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung erteilt werden darf (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. 8269). Die Nö BO enthält keine Bestimmung, wonach die Baubehörde verpflichtet wäre, im Falle eines Erfordernisses einer gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung die Baubewilligung erst nach Vorliegen einer derartigen Genehmigung zu erteilen.
Da somit die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:1996:1996050163.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAE-47977